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http://www.bwpat.de/ATspezial | Hrsg. bwp@-Spezial 3 - Österreich Spezial: Franz Gramlinger & Peter Schlögl & Michaela Stock

bwp@ Spezial 3 - Österreich Spezial
Berufs- und Wirtschaftspädagogik in Österreich. Oder:
Wer „macht“ die berufliche Bildung in AT?


Herausforderungen für die berufliche Bildung der Zukunft

1. Einleitung

Anhaltende Globalisierung, Technologisierung, Deregulierung, demographischer Wandel und international e Migrationen führen zu Veränderungen in zahlreichen Lebensbereichen und stellen den Arbeitsmarkt und seine Akteure – Arbeitskräfte und Unternehmen – vor neue Herausforderungen. Beschäftigungsverluste in der Land- und Forstwirtschaft, dem Bergbau und der Sachgütererzeugung, ausgelöst durch Produktivitätsgewinne oder Reduktion bzw. Verlagerung der Produktion, stehen Beschäftigungsgewinne im Dienstleistungssektor gegenüber (vgl. BOCK-SCHAPPELWEIN/ HUEMER 2005).

Mit der Umstrukturierung am Arbeitsmarkt ist zugleich eine Änderung der Nachfrage nach beruflichen Qualifikationen verbunden, da im Dienstleistungsbereich andere Qualifikationen nachgefragt werden als im primären und sekundären Bereich. Für die Arbeitskräfte und ihre Anpassungsfähigkeit an den strukturellen Wandel bedeutet diese Entwicklung eine große Herausforderung: Die Anforderungen der Unternehmen an die Kompetenzen der Arbeitskräfte werden immer komplexer, da die Produktzyklen kürzer und die Herstellungsverfahren komplizierter werden, mit der Folge, dass Personen ohne entsprechende Qualifikationen zunehmend unter Druck geraten. Das vollzeitschulische und duale Erstausbildungssystem ist gefordert, Jugendliche mit formalen Basisqualifikationen auszustatten, die den Grundstein für die weitere Arbeitsmarktintegration legen und an denen das Weiterbildungssystem anknüpfen kann (vgl. SCHÖMANN/ O'CONNELL 2002).

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das österreichische Erstausbildungssystem den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist, oder ob es Anzeichen gibt, die eine Neuausrichtung notwendig erscheinen lassen. Zu diesem Zweck werden, aufbauend auf einer Arbeit von BIFFL (1998) über die Entwicklungen am österreichischen Jugendarbeitsmarkt, die Schnittstellen zwischen Pflichtschulausbildung und beruflicher Erstausbildung sowie am Übergang aus der beruflichen Erstausbildung in den Regelarbeitsmarkt untersucht. Besonderes Augenmerk gilt in diesem Zusammenhang der Lehrlingsausbildung. Im international en Vergleich wird einerseits die Bedeutung dieses Ausbildungszweiges als Grund für die vergleichsweise geringe Jugendarbeitslosigkeit in Österreich herangeführt. Andererseits nimmt mit zunehmendem Alter gerade die Arbeitslosigkeit unter Personen mit höchstens mittleren Qualifikationen stark zu. Deshalb bedarf es Weichenstellungen, die im Erstausbildungssystem ansetzen und im Weiterbildungssystem weiterwirken, besonders in Hinblick auf die demographische Entwicklung der nächsten Jahre.

2. Ausbildungspfade im Anschluss an die Pflichtschulausbildung

Obwohl die Schulpflicht in Österreich neun Jahre dauert, enden die Ausbildungen der unteren Sekundarstufe (5. bis 8. Schulstufe; Hauptschule, allgemeinbildende höhere Schule-Unterstufe, Sonderschule) bereits nach der achten Stufe. Alle weiteren Ausbildungswege im Rahmen der oberen Sekundarstufe beginnen auf der neunten Stufe (allgemeinbildende höhere Schule-Oberstufe, berufsbildende mittlere und höhere Schulen, polytechnische Schule), außer der dualen Lehrausbildung. Sie startet ab der zehnten Schulstufe und kombiniert praktische Ausbildung im Betrieb und theoretische Ausbildung in der Schule. Als Zwischenmodul am Übergang von der unteren Sekundarstufe in die Lehrausbildung fungiert die polytechnische Schule. Aber auch die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen bieten die Möglichkeit der Überbrückung des neunten Schuljahres.

Die Beendigung der neunjährigen Schulpflicht reicht in Österreich für den Übertritt in die Lehrausbildung; der positive Abschluss der Pflichtschulausbildung stellt keine Voraussetzung dar. Mit der Unterzeichnung des Lehrvertrags entsteht ein befristetes Arbeitsverhältnis und beginnt die Berufsschulpflicht, die je nach Lehrberuf zwischen 2 und 4 Jahren dauert und mit der Lehrabschlussprüfung abschließt. Neben der praktischen Ausbildung im Betrieb ist die theoretische Ausbildung in der Berufsschule als Teilzeitschule entweder ganzjährig (tageweise) oder als Blockunterricht (durchgehender Unterricht von 8 bis 12 Wochen) organisiert.

 

Noch in den frühen neunziger Jahren entscheidet sich fast jeder sechste Bursche und jedes vierte Mädchen im Alter von 15 Jahren für eine Lehrausbildung. In den darauf folgenden Jahren wird das System der dualen beruflichen Ausbildung durch die Beschäftigungsrückgänge im produzierenden Bereich infolge der Umstrukturierungsprozesse vor eine neue Herausforderung gestellt, da gerade mit dem ausbildungsstarken produzierenden Bereich traditionelle Ausbildungsfelder in Lehrausbildung weg brechen. Im dynamischen Dienstleistungssektor entstehen zwar neue Ausbildungsfelder für die duale Ausbildung, allerdings in einem zu geringen Maße. Viele Unternehmen sehen sich als Folge der Spezialisierung und des zunehmenden Wettbewerbdrucks immer weniger in der Lage, eine umfassende Ausbildung in einem Lehrberuf anbieten zu können. Hinzu kommt der verstärkte Trend zur Höherqualifizierung unter Jugendlichen, mit der Konsequenz, dass die Konkurrenz zwischen vollzeitschulischen, weiterführenden, berufszentrierten Bildungseinrichtungen und der dualen Lehrausbildung um begabte Jugendliche zunimmt (vgl. MÜHLEMANN/ WOLTER 2007). Zusätzlich stehen seit Mitte der neunziger Jahre starke Jahrgangsbesetzungen der 15jährigen Bevölkerung an der Schnittstelle zwischen der Pflichtschulausbildung und weiterführenden, vollzeitschulischen Bildungseinrichtungen bzw. der dualen Ausbildung.

1996 übertrifft erstmalig das Angebot an Jugendlichen, die den dualen Bildungsweg der Lehrausbildung einschlagen möchten, die betriebliche Nachfrage nach Lehrlingen. Seither sind Jugendliche in Österreich mit der Ungewissheit konfrontiert, im Anschluss an die Pflichtschulausbildung eine Lehrstelle zu finden. Mit der Wahl von vollzeitschulischen berufsbildenden mittleren und höheren Ausbildungszweigen können Jugendliche, die gerne eine Lehrausbildung beginnen würden, aber keine geeignete Lehrstelle finden, die eingeschlagene Ausbildung in vollzeitschulischer Form fortsetzen (vgl. STEINER/ LASSNIGG 2000). Die Überbrückung des neunten Schuljahres durch die berufsbildenden mittleren und höheren Ausbildungszweige anstatt der polytechnischen Schule kann daher nicht losgelöst von der angespannten Lehrlingssituation in Österreich gesehen werden.

Obwohl der Anteil der 15jährigen Jugendlichen in der Lehrausbildung im Jahr 2003 mit 37% den Tiefststand erreichte (Burschen: 47 %, Mädchen: 26 %) und Ende 2006 bei knapp unter 40 % liegt (Burschen: 49 %, Mädchen: 29 %), stellt die Lehrausbildung in Österreich ähnlich wie Deutschland und der Schweiz, ungeachtet der unterschiedlichen landesspezifischen institutionellen Rahmenbedingungen, weiterhin eine quantitativ bedeutende Ausbildungsschiene dar (vgl. PLÜNNECKE/ WERNER 2004), besonders für Burschen.

2.1 Berufsbezogene Ausbildungsentscheidungen an der Schnittstelle zur Pflichtschulausbildung

Im Jahr 2001 wird die Lehrausbildung in Österreich als wichtigste berufsbezogene Ausbildungsschiene von den berufsbildenden höheren Schulen abgelöst. Allerdings bleiben die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Bildungswahl zwischen Burschen und Mädchen weiterhin bestehen. Burschen besuchen eher die Lehre, Mädchen dagegen bereits seit den frühen neunziger Jahren vorwiegend berufsbildende höhere Schulen. Allerdings kann die traditionelle Ausbildungswahl der Burschen nicht über die geringer werdende Bedeutung der Lehrausbildung hinwegtäuschen. Obwohl sich immer noch mehr 15-19jährige Burschen für eine duale Ausbildung als für einen berufsbildenden höheren Ausbildungszweig entscheiden, sinkt die Bedeutung der Lehrausbildung für die berufliche Erstausbildung.

Am stärksten zeigt sich der Bedeutungswandel zwischen den berufsbildenden höheren Schulen und der dualen Lehrausbildung unter Burschen in den von ihnen traditionell stark besetzten technisch-gewerblich ausgerichteten Ausbildungsbereichen. Obwohl die Lehrausbildung unter den technisch-gewerblichen Fachrichtungen zwar weiterhin die bedeutendste Ausbildungsform darstellt, so haben die berufsbildenden höheren Schulen doch merklich aufgeholt. Anders als in den frühen neunziger Jahren, als mehr als doppelt so viele 15-19jährige Burschen in einer Lehre ausgebildet wurden als berufsbildende höhere Schulen besuchten, wird dieser Abstand in den letzten Jahren sukzessive geringer. Gleichzeitig weichen die Jugendlichen mit der Verschlechterung der Lehrlingssituation auch verstärkt in die berufsbildenden mittleren Schulen aus. Im Schuljahr 2002/03 werden 17 % der 15-19jährigen Burschen in technisch-gewerblich orientierten berufsbildenden höheren Schulen ausgebildet und 25 % in der Lehre (Mädchen: 4 % berufsbildende höhere Schulen und 6% in der Lehre).

Innerhalb der von den Mädchen dominierten kaufmännischen und wirtschaftlichen Ausbildungszweige werden die Substitutionsprozesse zwischen den berufsbildenden höheren Schulen und der Lehrausbildung dementsprechend vom Ausbildungsverhalten der Mädchen bestimmt. Allerdings ist das Ausmaß des sich ändernden Bildungsverhaltens weit weniger stark ausgeprägt als im technisch-gewerblichen Bereich, zum Teil auch deshalb, weil die Lehrausbildung nicht mehr die bedeutendste Ausbildungsform darstellt, sondern die berufsbildenden höheren Schulen. Als Folge der sinkenden Bedeutung der Lehrausbildung in diesem Ausbildungsbereich erhöht sich die Spannweite zwischen dem Anteil der 15-19jährigen Jugendlichen in der Lehrausbildung und in den berufsbildenden höheren Schulen zugunsten der vollzeitschulischen Ausbildungsform. Zwischen 1990 und 2004 nimmt der Abstand zwischen dem Anteil der 15-19jährigen Jugendlichen in berufsbildenden höheren Schulen und der Lehrausbildung zugunsten der vollzeitschulischen Ausbildung deutlich zu. Im Schuljahr 2002/03 besuchen bereits 21 % der 15-19jährigen Mädchen berufsbildende höhere Schulen mit kaufmännischen bzw. wirtschaftlichen Schwerpunkt und 8 % erhalten die Ausbildung in dualer Form (Burschen: 8 % in den berufsbildenden höheren Schulen und 5 % in der Lehre).

Anders als unter den stark besetzten technisch-gewerblichen und kaufmännisch-wirtschaftlichen Ausbildungszweigen, in denen die Bedeutung der Lehrausbildung für die berufliche Ausbildung abnimmt, gibt es im Bereich der tourismusbezogenen Ausbildungszweige durchaus komplementäre Entwicklungen. Die Lehrausbildung bleibt weiterhin die bedeutendste Ausbildungsschiene, wenngleich der Abstand zu den berufsbildenden höheren Schulen aufgrund des Zustroms zur vollzeitschulischen Ausbildungsform geringer wird. Im Schuljahr 2002/03 besuchen 2 % der 15-19jährigen Mädchen und 1 % der Burschen berufsbildende höhere Schulen mit Schwerpunkt Tourismus, etwas mehr werden in der Lehre ausgebildet (Tabelle 1).

 

Neben den Bildungswegentscheidungen zugunsten der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen und den demographischen Rahmenbedingungen bestimmt eine Vielzahl weiterer Faktoren die betriebliche Nachfrage nach Lehrlingen und dadurch die Entwicklung am Lehrlingsarbeitsmarkt. Sie reicht – wie bereits erwähnt – von strukturellen und konjunkturellen Einflüssen bis hin zum Qualifikationsniveau der angehenden Lehrlinge. Hinzu kommen Substitutionstendenzen, in deren Folge Lehrlinge durch Hilfsarbeitskräfte einerseits oder höher qualifizierte Arbeitskräfte andererseits ersetzt werden. Aber auch rechtliche Rahmenbedingungen und Kosten-Nutzenüberlegungen entscheiden über die betriebliche Lehrlingsausbildung (vgl. BLUMBERGER/ MARKOWITSCH 1999).

Die Lehrstellenlücke ist Ausdruck der Diskrepanz zwischen der betrieblichen Nachfrage nach Lehrlingen und dem Angebot an Lehrstellensuchenden. Das Ausmaß der angespannten Lage verdeutlicht sich an der Gegenüberstellung der Zahl der sofort verfügbaren Lehrstellensuchenden mit den Lehrlingen im ersten Lehrjahr. Die nach BIFFL (1998) berechnete Arbeitslosenquote der angehenden Lehrlinge erreichte nach Mitte der neunziger Jahre im Jahr 2005 einen weiteren Höhepunkt. Obwohl die gesetzten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in diesem Jahr zu einem merklichen Anstieg der Lehrlingszahlen beitragen, bleibt die Arbeitsmarktlage von angehenden Lehrlingen weiterhin angespannt. Ende 2006 ist Österreichweit die Arbeitslosenquote der angehenden Lehrlinge mit 11,6 % mehr als doppelt so hoch wie Anfang der neunziger Jahre (Burschen: 9,8 %, Mädchen: 14,6 %) nach 4,8 % 1990.

Für betroffene Jugendliche, für die das Angebot vollzeitschulischer Bildungseinrichtungen am Übergang aus der Pflichtschulausbildung in die berufliche Ausbildung trotz angespannter Situation am Lehrlingsarbeitsmarkt keine Option darstellt, bedarf es deshalb Maßnahmen zur Schaffung von weiteren Ausbildungsplätzen. Neben finanziellen Anreizen für Unternehmen, die zusätzliche Lehrstellen anbieten, versucht das Jugendausbildungssicherungsgesetz (JASG) bereits seit mehreren Jahren den Mangel an betrieblichen Lehrstellen mit der Bereitstellung von Lehrstellen in selbständigen Ausbildungseinrichtungen abzufedern. Als Provisorium zur Entlastung der angespannten Lehrlingssituation in den neunziger Jahre eingeführt, sollen Lehrstellensuchende von einen Ausbildungsplatz in einem Lehrgang in ein reguläres, betriebliches Lehrverhältnis vermittelt werden (Transitkonzept). Bei Vermittlungsproblemen kann die gesamte Ausbildung in den Lehrgängen absolviert werden (vgl. DÖRFLINGER/ DORR/ HECKL 2007).

Allerdings erscheint die Vermischung von Integrations- und Ausbildungskonzept in den JASG-Maßnahmen wenig adäquat. Jugendliche, die aufgrund der angespannten Arbeitsmarktsituation keinen Ausbildungsplatz finden, benötigen eine Alternative zur klassischen dualen Ausbildung. Für sie sind Lehrgänge, die nach dem Transitkonzept organisiert sind, eher ungeeignet. Andererseits müssen für Jugendliche, die nicht nur aufgrund der angespannten Lehrlingssituation, sondern auch infolge vielfältiger Problemlagen keine Lehrstelle finden, alternative Konzepte angedacht werden. Für sie sollten integrative Maßnahmen im Vordergrund stehen, die auf einen Übertritt in den Arbeitsmarkt oder in die Schule vorbereiten, wie beispielsweise die Produktionsschulen in Oberösterreich (vgl. BOCK-SCHAPPELWEIN/ HUEMER/ PÖSCHL 2006). Die oberösterreichischen Produktionsschulen, die die dänischen Produktionsschulen zum Vorbild haben, sind nicht nur auf die (Re-)integration benachteiligter Jugendlicher in den Arbeitsmarkt, die Vermittlung in Lehrstellen bzw. weiterführenden Bildungseinrichtungen und die berufliche Orientierung ausgerichtet, sondern auch auf die persönliche Stabilisierung. Im Vordergrund steht dadurch vielmehr die Vermittlung sozialer Kompetenzen als die Aneignung formaler Qualifikationen.

3. Am Übergang von der beruflichen Erstausbildung in den Regelarbeitsmarkt

Die Arbeitsmarktprobleme der Jugendlichen zeigen sich allerdings nicht nur am Übergang aus der Pflichtschule in die weiterführende Ausbildung. Auch der Übergang aus der weiterführenden Ausbildung in den Arbeitsmarkt gestaltet sich oftmals schwierig. Denn nicht alle Jugendlichen schaffen nach der weiterführenden Ausbildung nahtlos den Übergang in den Arbeitsmarkt oder werden im Falle der Lehrlingsausbildung durch den Ausbildungsbetrieb übernommen oder im erlernten Beruf weiterbeschäftigt. Häufig finden Jugendliche aufgrund fehlender Berufserfahrung nicht nur schwerer einen Arbeitsplatz, sondern verlieren ihn im konjunkturellen Abschwung als Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt auch rascher als längerfristig Beschäftigte. Dadurch können die Betroffenen die erworbenen formalen Qualifikationen kaum anwenden, die Zeitspanne der Verwertbarkeit der Erstausbildung wird kürzer.

Diese Schnittstelle zeichnet sich jedoch nicht nur durch eine vergleichsweise hohe Betroffenheit von Arbeitslosigkeit unter den 20-24jährigen Jugendlichen aus, sondern auch durch spezifische Eintrittsbranchen von jungen Menschen in den Arbeitsmarkt. Junge Männer zwischen 20 und 24 Jahren konzentrieren sich vor allem auf die Sachgütererzeugung, das Bauwesen, den Handel und Tourismus sowie in zunehmendem Maße auf den Arbeitskräfteverleih. Junge Frauen finden neben dem Handel, Tourismus und den persönlichen Dienstleistungen Beschäftigungsmöglichkeiten in der Sachgütererzeugung und im Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung.

4. Schlussfolgerungen

Die Situation und Entscheidungen der Jugendlichen an den beiden Schnittstellen von der Pflichtschule in die weiterführende Ausbildung und anschließend auf den Arbeitsmarkt werden von einer Reihe verschiedener Faktoren bestimmt. Sie reichen von der Bildungspolitik, dem regionalen Angebot an Bildungseinrichtungen über die regionale Branchen- und Berufsstruktur, der wirtschaftlichen Lage bis hin zur Beschäftigungspolitik. Die Lehrausbildung als duale Ausbildung, die theoretische Ausbildung in der Berufsschule mit praktischer Ausbildung im Lehrbetrieb verbindet, schafft mit der Verbindung zum Arbeitsmarkt eine weitere Dimension an der ersten Schnittstelle zwischen Pflichtschulausbildung und weiterführenden Ausbildungswegen. Die Ausgangssituation der Jugendlichen am Übergang in die Lehrausbildung wird aber nicht nur von den erlernten Basisqualifikationen im Erstausbildungssystem bestimmt, sondern auch von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. In Zeiten zunehmender Spezialisierung und damit verbundener funktionaler Neuausrichtung sehen sich viele Unternehmen immer weniger imstande, ein umfassendes Berufsbild entsprechend den Lehrausbildungsplänen zu vermitteln.

Aus diesem Grunde sollten neue Wege in der Lehrlingsausbildung angedacht werden. Eine Alternative wäre ein Modell der vollzeitschulischen Ausbildung mit hohem Praxisanteil. In einem solchen Schultyp würden die polytechnischen Schulen und Berufsschulen zusammengefasst werden. Zielgruppe dieses Ausbildungszweiges wären Jugendliche, die eine praxisnahe, berufliche Ausbildung anstreben. Mit der Einbindung der polytechnischen Schule würde dieser neue Schultyp ähnlich wie alle anderen Schulformen der oberen Sekundarstufe in der 9. Schulstufe starten. Nach einem Orientierungsjahr mit Allgemeinbildung und Berufsvorbereitung sollte die praxisorientierte Ausbildung in einem Berufsfeld beginnen. Der Praxisteil der Ausbildung kann entweder in einem Betrieb (klassische duale Ausbildung) oder in der Schule (z.B. Lehrwerkstatt) absolviert werden. In einem solchen Schultyp könnten Jugendliche, die nach dem ersten Schuljahr keine Lehrstelle in einem Betrieb finden, nahtlos die vollzeitschulische, stark praxisorientierte Ausbildung fortsetzen (vgl. BOCK-SCHAPPELWEIN/ HUEMER/ PÖSCHL 2006) .

 

Literatur

BIFFL, G. (1998): Zukunft der Arbeit — Beschäftigungssituation für Jugendliche. WIFO-Vorträge 80/1998, Wien.

BLUMBERGER, W./ MARKOWITSCH, J. (1999): Strategien zur Förderung der Berufsausbildung in Österreich. Linz, Wien.

BOCK-SCHAPPELWEIN, J./ HUEMER, U. (2005): Zukunft der Arbeit — Ein Literaturüberblick. WIFO-Gutachtenserie. Wien.

BOCK-SCHAPPELWEIN, J./ HUEMER, U./ PÖSCHL, A. (2006): Teilstudie 9: Aus- und Weiterbildung als Voraussetzung für Innovation. WIFO-Weißbuch: Mehr Beschäftigung durch Wachstum auf Basis von Innovation und Qualifikation. Wien.

DÖRFLINGER, C./ DORR, A./ HECKL, E. (2007): Evaluierung der Wiener JASG-Lehrgänge. AMS info 99. Wien.

MÜHLEMANN, S./ WOLTER, S.C. (2007): Bildungsqualität, demographischer Wandel, Struktur der Arbeitsmärkte und die Bereitschaft der Unternehmen, Lehrstellen anzubieten. Wirtschaftspolitische Blätter 54(1), 57-71.

PLÜNNECKE, A./ WERNER, D. (2004): Das duale Ausbildungssystem — Die Bedeutung der Berufsausbildung für Jugendarbeitslosigkeit und Wachstum. Beiträge zur Ordnungspolitik Nr. 9. Institut der deutschen Wirtschaft, Köln.

SCHÖMANN, K./ O´CONNELL, P. J. (2002): From the market for qualifications to the transitional labour market of learning and working: summary and conclusion. In: SCHÖMANN, K./ O'CONNELL, P.J. (ed.): , Training and Employment Dynamics: Transitional Labour Markets in the European Union, Edward Elgar Publishing, Cheltenham, Northampton , 356-376.

STEINER, M./ LASSNIGG, L. (2000): Schnittstellenproblematik in der Sekundarstufe. Erziehung und Unterricht, 9/10, 1063-1070.

 


Inhaltlich verantwortliche Herausgeber: Franz Gramlinger, Peter Schlögl & Michaela Stock

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Zuletzt verändert: 20.10.2007 6:48 AM
 
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