1. Einleitung
Das Themenfeld der Betriebspädagogik findet sich am Standort Graz sowohl in der Forschung als auch in der Lehre, ist es nicht zuletzt ein zentraler Aspekt der polyvalenten wissenschaftlichen Berufsvorbildung der Studierenden der Wirtschaftspädagogik an der Karl-Franzens-Universität Graz. Als Wissenschaft der betrieblichen Bildungsarbeit kommt der Betriebspädagogik besondere Bedeutung zu, da es nicht nur generell um Bildungsprozesse in Unternehmen sondern insbesondere um die Bildung, Entwicklung und Förderung von Menschen im betrieblichen Kontext geht. Diese wissenschaftliche Ausrichtung der Betriebspädagogik auf kontinuierliche Förderung, Entwicklung sowie Bildung der Individuen im betrieblichen Kontext zeigt, dass lebenslanges Lernen nicht nur für den intentional-institutionalisierten Bildungsbereich von essentieller Bedeutung ist, sondern auch zentrale Fragestellung im Kontext der Betriebspädagogik.
Der vorliegende Beitrag setzt sich somit im ersten Teil mit theoretischen Fragestellungen zur Betriebspädagogik und der daraus abzuleitenden Notwendigkeit von lebenslangem Lernen auseinander. Darauf aufbauend werden das Basiskonzept sowie die Leitlinien des lebenslangen Lernens diskutiert. In Anschluss daran sollen einerseits Anforderungen an Organisationen für die Unterstützung des lebenslangen Lernens diskutiert und andererseits Nutzenaspekte der Förderung des lebenslangen Lernens in diesen erörtert werden. Hierbei wird auch gezeigt werden, dass im Lernort Unternehmen unterschiedliche Zielsetzungen des lebenslangen Lernens der Individuen und der lernenden Organisation nicht im Widerspruch stehen müssen, sondern durch zielgerichtete betriebspädagogische Gestaltung viel mehr für die Weiterentwicklung der Individuen sowie der Organisation genutzt werden können.
2. Theoretisches Konzept der Betriebspädagogik als Rahmen
Setzt man sich mit der einschlägigen Literatur (vgl. z.B. ABRAHAM 1953; ARNOLD 1997; SCHURER 1997; TILCH 1998; SLOANE/ TWARDY/ BUSCHFELD 2004) auseinander, so findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen zur Betriebspädagogik. So bezeichnet TILCH beispielsweise den Gegenstand der Betriebspädagogik mit allen entsprechenden Sachverhalten, die „für die berufliche Bildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sozialen Beziehungen sowie die technische und organisatorische Gestaltung der Arbeit“ in Organisationen relevant sind (TILCH 1998, 204). ABRAHAM, als Wegbereiter der Betriebspädagogik, sieht beispielsweise den Auftrag der Betriebspädagogik darin, „die Erziehungsprobleme derjenigen Menschen zu untersuchen, die Glieder eines wirtschaftlichen Betriebes sind und dadurch typische Gemeinsamkeiten ihrer Existenz besitzen“ (ABRAHAM 1953, 37). Dieser Ansatz steht allerdings im Gegensatz zur individualpädagogischen Sichtweise innerhalb der Erziehungswissenschaften (vgl. ARNOLD 1997, 55). Für SCHURER stellt sich innerhalb der Betriebspädagogik die Frage, welche Gestalt das Zusammenarbeiten von Personen im Betrieb annehmen muss, damit es möglich ist, den humanen und sozialen Bedürfnissen dieser Individuen gerecht zu werden, und gleichzeitig auch ihre ökonomische Leistungsfähigkeit zu erhalten (vgl. SCHURER 1997, 110). SLOANE/ TWARDY/ BUSCHFELD legen für betriebspädagogische Fragestellungen fest, dass diese vorwiegend den Zusammenhang zwischen Arbeiten und Lernen, die Differenz von Bildung und Qualifikation und die Qualität der Aus- und WeiterbildnerInnen respektive deren Qualifikation thematisieren (vgl. SLOANE/ TWARDY/ BUSCHFELD 2004, 316f).
Die im vorliegenden Beitrag exemplarisch angeführten Definitionen sind tendenziell stimmig, allerdings fehlt in diesem Kontext die Beantwortung der Frage, worauf die Betriebspädagogik im Speziellen fokussiert ist. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich in diesem Zusammenhang, dass dieser Fokus auf dem Individuum liegen wird müssen. Dies ist aus der Sichtweise der Pädagogik eindeutig, die Betriebspädagogik sieht sich aber mit dem Umstand konfrontiert, dass in ihrem gesamten Forschungs- und Wirkungsfeld nicht nur die Bildung als alleiniges Prinzip besteht, sondern dass sie auch anderen Prinzipien, ARNOLD spricht hier auch von `Zwängen´ (vgl. ARNOLD 1993, 122f), unterliegt. Die Berücksichtigung der pädagogischen sowie der betrieblichen Prinzipien führt ARNOLD zu folgender Definition: „Die Betriebspädagogik als die Wissenschaft von der betrieblichen Bildungsarbeit hat nicht die betrieblichen Organisations- und Funktionszusammenhänge als solche zum Gegenstand, sondern das Individuum (den Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin) als das in seinen Möglichkeiten zu entwickelnde und zu bildende Objekt. Betriebliche Organisations- und Funktionszusammenhänge stellen für die Betriebspädagogik nur insofern einen Gegenstand dar, als sie diese Bildungsprozesse determinieren, d.h. auslösen, fördern oder auch behindern.“ (ARNOLD 1993, 122)
Diese Definition der Betriebspädagogik nach ARNOLD wird mit zwei Erweiterungen im vorliegenden Beitrag als Bezugspunkt für das lebenslange Lernen herangezogen werden. Erstens sollte sich Betriebspädagogik nicht ausschließlich mit den MitarbeiterInnen beschäftigen, sondern auch durchaus die EigentümerInnen respektive ihre Vertretung im Sinne von Geschäftsführung miteinbeziehen, da diese grundsätzlich die Verantwortung für das Lehren und Lernen im Unternehmen haben und auch selbst lernen sollten. Zweitens zählen auch die Schaffung von bildungsfreundlichen Strukturen, die Gewährung von Support und Beratung sowie die Betreuung für das Aufzeigen und Artikulieren der individuellen Bildungsbedürfnisse der MitarbeiterInnen respektive deren Befriedigung, zum Aufgabenfeld der Betriebspädagogik (vgl. TRUMMER 2001, 39).
An dieser Stelle soll auch auf eine Aussage von ARNOLD im Rahmen der Veranstaltung Bildung-Nachhaltigkeit-Bezirksentwicklung (04.12.2007 Donau VHS Wien) hingewiesen werden, dass kein Unternehmen EinzelkämpferInnen will. Der Fokus der Betriebspädagogik auf die Individuen darf somit nicht dahingehend verstanden werden, dass diese zu eben solchen `EinzelkämpferInnen´ ausgebildet werden. Auch wenn viele das Schlagwort Team nicht mehr hören können und wollen, ist ein Team bzw. die Teamfähigkeit und -willigkeit der Individuen für die Unternehmen von essentieller Bedeutung.
Dieser Fokus auf das Individuum ist nicht selbstverständlich und es finden sich einige betriebspädagogische Ansätze, die nicht von einem solchen ausgehen (vgl. TILCH 1998, 205). Die Begründung für die Abkehr von diesem Fokus respektive vom pädagogischen Prinzip in der Betriebspädagogik liegt im Spannungsfeld zwischen der Pädagogik und dem Betrieb bzw. der Dominanz des ökonomischen Prinzips. Hier liegt die Annahme zugrunde, dass es keine pädagogische Autonomie für die Betriebspädagogik gibt. ARNOLD unterscheidet in diesem Kontext fünf Reaktionsformen wie beispielsweise die Aufgabe oder die Ausklammerung des pädagogischen Prinzips aus der Betriebspädagogik. Die Lösung besteht für ihn aber aus der „pädagogischen (Mit-)Gestaltung des Betriebes“ (ARNOLD 1993, 125), womit der Fokus auf das Individuum aufrecht bleibt (vgl. ARNOLD 1993, 123ff; ARNOLD 1997, 26ff).
Bei alldem darf aber auch nicht vergessen werden, dass die Betriebspädagogik, wie dargelegt, auf das Individuum fokussieren sollte, aber natürlich ganz klar durch den Betrieb beeinflusst wird und eine Nichtberücksichtigung dieses Einflusses eine Umsetzung betriebspädagogischer Ziele in der Praxis unmöglich machen würde.
Die Aufgabenstellung an die Betriebspädagogik, sowohl das Individuum als auch die Unternehmen in ihren Überlegungen einzuschließen, stellt folglich auch neue Herausforderungen an die BetriebspädagogInnen, die in Zukunft stärker eine Unterstützungsfunktion für die WeiterbildnerInnen in den Unternehmen wahrnehmen werden müssen. Die Veränderung des Ausbildungspersonals zu LernprozessbegleiterInnen oder LernberaterInnen stellt hier nur einen Anfang auf dem Weg zu den LehrprozessbegleiterInnen dar (vgl. ELSHOLZ/ MOLZBERGER 2005, 8). Die Betriebspädagogik muss nicht nur die Weiterbildung an sich unterstützen und fördern, sie muss ebenso das Lernen der MitarbeiterInnen ermöglichen und fördern, wobei diese Kultur des Lernens ganz stark mit der jeweiligen Unternehmenskultur zusammen hängt (vgl. ARNOLD 1997, 85ff).
Der Frage, ob die Betriebspädagogik, eher einen Betriebs- oder einen Berufsbezug hat, soll an dieser Stelle noch detaillierter nachgegangen werden. Ausgehend von einer begrifflichen Betrachtung, müsste dieser Bezug auf dem Betrieb liegen. Allerdings ist beispielsweise bei DYBOWSKI eine gegensätzliche Auffassung zu finden, die auch im vorliegenden Beitrag verfolgt wird (vgl. DYBOWSKI 1995, 154). Der Grund für die Verfechtung eines Berufsbezuges der Betriebspädagogik liegt darin begründet, dass zum einen der Fokus auf dem Individuum liegt und dieses grundsätzlich einem Beruf nachgeht und nicht einem Betrieb verpflichtet sein sollte und sich zum anderen die Betriebspädagogik in erster Linie auf die berufliche Bildung bezieht, wobei dies natürlich unter dem Blickwinkel des Betriebes respektive Unternehmens geschieht (vgl. TILCH 1998, 204). Mit dem Begriff des Berufsbezugs wird beispielsweise auch deutlich, dass sich bei der Entwicklung der Betriebspädagogik, wie in jedem anderen wissenschaftlichen Bereich auch, unterschiedliche Strömungen und Begriffe gebildet haben. Wissensmanagement, kooperatives Lernen, lernende Organisation oder die Beschäftigungsfähigkeit, zum Berufsbezug passend, sind nur einige Beispiele davon. Im Rahmen dieses Beitrages soll exemplarisch auf zwei zentrale Begriffe näher eingegangen werden, nämlich auf die Beschäftigungsfähigkeit und die lernende Organisation.
Beschäftigungsfähigkeit oder Employability als Ansatz verstanden, zielt auf eine Dynamisierung des Arbeitsmarktes ab, womit sowohl die MitarbeiterInnen als auch die Unternehmen selbst in die Verantwortung genommen werden. Die MitarbeiterInnen sollen ihr Qualifikationsprofil im Zuge des lebenslangen Lernens erweitern, um die Herausforderungen, die in Zukunft an ein Unternehmen und somit an sie als MitarbeiterInnen gestellt werden, erfüllen zu können. Die Unternehmen müssen im Gegenzug diese Weiterentwicklung der MitarbeiterInnen im Unternehmen unterstützen und fördern (vgl. STOLL 2004, V). Diese Anforderung der ständigen Weiterentwicklung an die MitarbeiterInnen impliziert, dass Wissen alleine nicht mehr ausreichend sein wird, und die Fähigkeit zu lernen stärker in den Vordergrund tritt. Die Menschen müssen eine innere Einstellung entwickeln, die es ihnen ermöglicht, Veränderungen positiv gegenüber zu stehen und diese zu erkennen, respektive aktiv zu gestalten (vgl. DIETL/ HÖSCHLE 2004, 40).
Für den Begriff der lernenden Organisation lassen sich generell sehr unterschiedliche Definitionen finden (vgl. PROBST/ BÜCHEL 1994, 178), wobei aber immer das Ergebnis des Lernens genuiner Bestandteil derselben sein sollte. ARGYRIS und SCHÖN, als ganz zentrale Wegbereiter der lernenden Organisation, haben dies sehr allgemein formuliert, wobei sie davon ausgehen, dass alle Organisationen lernen, sobald sich ihr Informationsstand erweitert, womit aber noch nicht gesagt ist, ob dies für die Organisation gut oder schlecht ist (vgl. ARGYRIS/ SCHÖN 1999, 19). PROBST und BÜCHEL definieren organisationales Lernen als „die Fähigkeit einer Organisation […], als Ganzes Fehler zu entdecken, diese zu korrigieren sowie die organisationale Wert- und Wissensbasis zu verändern, so daß neue Problemlösungs- und Handlungsfähigkeiten erzeugt werden“ (PROBST/ BÜCHEL 1994, 177). SENGE hat die einzelnen Instrumente und Maßnahmen, die für eine lernende Organisation erforderlich sind, sehr detailliert dargestellt und weist in diesem Kontext besonders auf das Denken in Systemen hin (vgl. SENGE 1997). Nie darf aber im Zusammenhang mit lernenden Organisationen vergessen werden, dass diese „Organisationen [nur] lernen […], wenn die einzelnen Menschen etwas lernen“ (SENGE 1997, 171).
Der Unternehmenswandel stellt das eigentliche Ziel der lernenden Organisation dar, und je nach `Art des Lernens´ ergibt sich ein Wandel der Organisation, der mit folgender Abbildung veranschaulicht werden soll.
Im Sinne einer lernenden Organisation sind Wandel respektive Veränderung der Normalfall. Organisationales Lernen kann aber nur dann entstehen, wenn das individuelle und kooperative Lernen aller Organisationsmitglieder mittels Lernbrücken verbunden und erkannt wird, dass bestimmte Rahmenbedingungen notwendig sind, um dieses Lernen in der gesamten Organisation langfristig zu gewährleisten (vgl. PÄTZOLD/ LANG 1999, 93 und ARNOLD 1997, 184f). Diese Rahmenbedingungen sind nicht zu unterschätzen, da selbst wenn die Organisationsmitglieder lernen, mit dem komplexen System in dem sie sich befinden, umzugehen, die Organisationsstruktur die individuellen Lernerfolge der Mitglieder einschränken oder sogar negieren kann (vgl. LÜTGE/ VOLLMER 1997, 184).
Die, im besten Fall durch die Rahmenbedingungen geförderten, Lernprozesse können nach ARGYRIS und SCHÖN in single-loop learning, double-loop learning und deutero-learning unterschieden werden. Beim single-loop learning werden eine Handlung und das Ergebnis dieser Handlung miteinander verglichen, d.h. es wird ein Fehler gesucht, anschließend eine mögliche Lösung für diesen entwickelt und diese dann umgesetzt respektive die Auswirkungen dieser Lösung beurteilt. Beim double-loop learning werden auf Basis der Ergebnisse nicht nur die jeweiligen Handlungen, sondern auch die Zielsetzungen aus denen diese Handlungen entstanden sind, hinterfragt. Hierbei besteht natürlich auch einiges an Konfliktpotential, da bestehende Werte und Normen der Organisation hinterfragt werden. Das Lernen des Lernens stellt das deutero-learning dar, wobei hier sowohl die Bedingungen des Kontextes des Lernens als auch die Aspekte des jeweiligen Lernprozesses reflektiert werden und nach den Zusammenhängen zwischen diesen Parametern gesucht wird (vgl. ARGYRIS/ SCHÖN 1974, 18f und ARGYRIS 1996, 8ff). Bezogen auf das single-loop learning kann dieses deutero-learning beispielsweise die Entwicklung von Kompetenzen darstellen, die es den Organisationsmitgliedern ermöglichen, neue Verfahren effizienter zu implementieren. Beim double-loop learning wären dies solche Kompetenzen, die es gestatten, Reflexionsprozesse über die Werte und Normen der Organisation erfolgreicher abzuwickeln (vgl. FELSCH 1999, 99).
3. Ableitung der Notwendigkeit von Life Long Learning
Aus den vorangegangenen Überlegungen ist es möglich und sinnvoll, die Förderung von lebenslangem Lernen als Aufgabe der Betriebspädagogik abzuleiten, wobei sich diese Ableitung auf drei Säulen stützt. Erstens die Notwendigkeit einer Organisation zu einer lernenden Organisation zu werden, zweitens der Fokus der Betriebspädaogik auf das Individuum und drittens der Berufsbezug der Betriebspädagogik. Diese drei Säulen sollen in der Folge nun genauer betrachtet werden.
3.1 Entwicklung einer lernenden Organisation
„Lernen kann letzten Endes nur der einzelne Mensch, ebenso wie sterben und leiden.“ (GIESECKE 1970, 34) Dies soll aber nicht bedeuten, dass eine Organisation nicht lernen kann, sondern sie muss respektive kann eben nur durch ihre Individuen lernen. Die lernende Organisation, die erforderlich ist, um die Organisation wandelbar zu machen, und dies ist ohne Zweifel eine der großen Herausforderungen unserer Zeit, ist bis zur letzten Konsequenz abhängig vom Lernerfolg der Organisationsmitglieder. SENGE zielt mit seiner Kerndisziplin Personal Mastery genau auf diesen Umstand ab. Personal Mastery bezeichnet die Disziplin der Selbstführung und Persönlichkeitsentwicklung und jene Individuen, die dies beherrschen, schulen ihre Fähigkeit eigenverantwortlich dahingehend, diejenigen Ergebnisse zu erreichen, die sie anstreben (vgl. SENGE 1997, 171ff). Das Streben dieser Personen nach „Selbstschulung und Selbstführung prägt den Geist der lernenden Organisation“ (SENGE 1997, 173). Gerade diese Selbstschulung und Selbstführung ist ein essentieller Bestandteil des lebenslangen Lernens, womit es im Interesse jeder lernenden Organisation liegen muss, das lebenslange Lernen ihrer Beschäftigten zu fördern.
3.2 Fokus auf das Individuum
Wie bereits zu Beginn des zweiten Kapitels des vorliegenden Beitrags festgehalten wurde, muss der Fokus der Betriebspädaogik auf dem Individuum selbst liegen, welches in seinen Möglichkeiten entwickelt und gefördert werden muss. Diese Sichtweise ist, wie bereits dargelegt, in keiner Weise solidär, denn neben einem pädagogischen Fokus in der Betriebspädagogik ist auch die ökonomische Fokussierung präsent. Eine Dominanz des ökonomischen Prinzips stellt aber keine zufriedenstellende Sichtweise der Betriebspädagogik dar und muss dahingehend relativiert werden, dass das Unternehmen und seine Funktionszusammenhänge mitunter immense Auswirkungen auf Individuen und ebenso auf deren Lernen haben, in letzter Konsequenz aber nur Individuen lernen, was eben genau durch das lebenslange Lernen gefordert wird. In diesem Sinne fordert gerade auch die Entwicklung einer Organisation zur lernenden Organisation von der Betriebspädagogik, dass diese sich nicht auf das Unternehmen sondern auf dessen Beschäftigte konzentriert. Sehr wohl muss die Betriebspädagogik allerdings die Rahmenbedingungen für das Lernen beachten, d.h. strukturbildend auf das Unternehmen wirken, damit lernen ermöglicht wird und somit geschehen kann.
3.3 Berufsbezug
Der letzte hier angeführte Anknüpfungspunkt der Betriebspädagogik zum lebenslangen Lernen besteht im Berufsbezug der Betriebspädagogik. Die durchschnittliche Dauer der Betriebszugehörigkeit der MitarbeiterInnen in einem Unternehmen betrug in Österreich im Jahr 2006 10,1 Jahre, wobei sich hier natürlich starke Unterschiede zwischen den einzelnen Beschäftigungsgruppen ergeben. Weiters zeigte sich, dass 2006 etwas mehr als 88.000 Personen in Österreich aktiv einen anderen Job suchten, d.h. einen Arbeitsplatzwechsel beabsichtigten, wobei dieser Wert vergleichbar mit dem von 2005 und etwas höher als der von 2004 ist (vgl. STATISTIK AUSTRIA 2007, 43 ff). Aus dem zur Verfügung stehenden Zahlenmaterial lässt sich noch nicht schließen, dass Job Hopping bereits zur Regel geworden ist, allerdings zeichnet sich eine Tendenz dahingehend ab, dass immer weniger Personen, so wie in der Vergangenheit durchaus üblich, ihr ganzes Leben bei ein und derselben Organisation beschäftigt sein werden. Schon allein aus diesem Betrachtungswinkel heraus erscheint ein Betriebsbezug in der Betriebspädagogik nicht mehr respektive nur mehr sehr eingeschränkt sinnvoll, da vielmehr das Individuum im Mittelpunkt stehen muss, um in weiterer Folge auch bestens auf einen eventuellen Wechsel des Arbeitsplatzes reagieren zu können. Dieser Berufsbezug liegt nicht nur im Interesse des einzelnen Individuums, auch Unternehmen, die neue MitarbeiterInnen einstellen, haben Interesse daran, dass diese ihren Beruf können und nicht einen anderen Betrieb kennen bzw. mit diesem verbunden sind.
Folgt man den oben dargestellten Argumentationslinien im Sinne der drei Säulen im Kontext der Förderung von lebenslangem Lernen als Aufgabe der Betriebspädagogik, so muss sich die Betriebspädagogik ohne Einschränkung und Zweifel mit lebenslangem Lernen auseinandersetzen, ebenso wie dies für alle, die sich mit Unternehmen und deren Weiterentwicklung beschäftigen, zu einer neuen Aufgabe geworden ist. Dies wird auch deutlich, wenn das Handlungsfeld der Betriebspädagogik, wie in der nächsten Abbildung dargestellt, als Integrationsmodell betrachtet wird.
In diesem Integrationsmodell finden sich der Bezug auf das Individuum als Persönlichkeitsentwicklung und auch die lernende Organisation mit dem Ziel der organisationalen Veränderung wieder, die beide als Angelpunkt für das lebenslange Lernen gezeigt wurden. Personalentwicklung mit ihrem Kernelement der betrieblichen Weiterbildung ist natürlich ebenso ein wichtiger Teilaspekt des lebenslangen Lernens.
Bevor die Basiskonzepte und Leitlinien des lebenslangen Lernes in der Folge nun vorgestellt werden, sollen an dieser Stelle noch die unterschiedlichen Interessenlagen von Individuen und Organisationen hinsichtlich der betrieblichen Weiterbildung aufgezeigt werden. DIETTRICH und GILLEN haben dies mit der folgenden Grafik dargestellt, wobei sich sowohl die ArbeitnehmerInnen als auch die Unternehmen im Punkt der adressatengerechten betrieblichen Weiterbildung treffen.
Wie obige Abbildung zeigt, können die Interessen der ArbeitnehmerInnen und der Organisation in Bezug auf die betriebliche Weiterbildung unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderungen, die beide Seiten stellen, aufeinander abgestimmt und zum Nutzen aller umgesetzt werden. Es ist allerdings festzuhalten, dass lebenslanges Lernen natürlich wesentlich mehr ist als die reine Vermittlung von Qualifikationen, wie dies in der klassischen Weiterbildung geschieht – ganz abgesehen von der genuinen Zielsetzung der Betriebspädagogik.
4. Basiskonzept und Leitlinien des lebenslangen Lernens
Bei der Frage, wie lebenslanges Lernen umgesetzt werden kann, finden sich recht unterschiedliche Antwortmöglichkeiten, eine mögliche davon ist das Lernen der Individuen in der Organisation selbst. Der vorliegende Beitrag orientiert sich in diesem Kontext am ExpertInnenworkshop „Prioritäre strategische Zielsetzungen einer kohärenten Life-Long-Learning-Strategie in Österreich bis 2010“, der im September 2005 an der Donau-Universität Krems stattgefunden hat und vom damaligen bm:bwk – Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (heutiges bm:ukk – Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur) im Strategiepapier „Vorschläge zur Implementierung einer kohärenten LLL-Strategie in Österreich bis 2010“ zusammengefasst wurde (vgl. LLL-EXPERTINNENGRUPPE 2005).
Der Begriff des lebenslangen Lernens hat eine wechselvolle Geschichte und eine Einigung auf eine allgemeingültige Definition konnte bis heute noch nicht getroffen werden. EURYDICE (Informationsnetzwerk zum Bildungswesen in Europa) hat untersucht, wie die einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union lebenslanges Lernen definieren. Dabei konnten vier Aspekte extrahiert werden, die mit lebenslangem Lernen verbunden sind. Erstens lernen die Personen in allen Lebensphasen, zweitens fällt der Erwerb aller Arten von Kompetenzen unter diesen Begriff, drittens beteiligen sich sowohl formale Bildungs- und Ausbildungssysteme als auch informelle AnbieterInnen und viertens sind der Erwerb solider Grundkenntnisse im Laufe der grundlegenden Bildung und Freude am Lernen wichtige Voraussetzungen (vgl. EURYDICE 2000). Es überrascht nicht, wenn aus dieser Untersuchung eine sehr breite Defintion für lebenslanges Lernen hervorgegangen ist, die wie folgt lautet: „Jede zielgerichtete Lernaktivität, ob formal oder informal durchgeführt, mit dem Ziel der Verbesserung von Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen.“ (EURYDICE 2000) Lebenslanges Lernen ist somit ein umfassendes Konzept, bei dem das Lernen ein Zusammenwirken unterschiedlicher Formen der Weiterentwicklung des Wissenserwerbs des Individuums darstellt. Sowohl die Erstausbildung als auch die Weiterbildung, und wenn die Unterscheidung zwischen Weiterbildung und Erwachsenenbildung getroffen werden soll auch diese, können somit unter diesem Begriff subsumiert werden (vgl. DEUTSCHMANN/ KOUBEK/ LAISTER 2003, 141). Der Begriff des lebenslangen Lernens ist noch etwas unscharf definiert und es gibt immer wieder Versuche, die unterschiedlichsten Inhalte mit hinein zu packen oder lebenslanges Lernen auf die Weiterbildung zu reduzieren (vgl. HOLZER 2004, 91f). Die betriebliche Weiterbildung bezieht sich aber `nur´ auf „die Gesamtheit der Maßnahmen und Aktivitäten, die die Unternehmen zur kontinuierlichen Qualifizierung ihrer Mitarbeiter im Anschluß an die Erstausbildung vorsehen“ (ARNOLD 1999, 139).
Die oben angesprochenen fünf Leitlinien für das lebenslange Lernen, auf welche in der Folge noch genauer eingegangen wird, sind: Lebensphasenorientierung, Lernende in den Mittelpunkt stellen, Life Long Guidance, Kompetenzorientierung und Förderung der Teilnahme an LLL (Life Long Learning) (vgl. LLL-EXPERTINNENGRUPPE 2005, 4f).
4.1 Lebensphasenorientierung
Im Bereich der Bildung gibt es wenige Themen, die nicht sehr kontroversiell diskutiert werden. Eine Ausnahme stellt hier die Auffassung dar, dass Bildung nicht nur mehr in der Schule passiert, sondern Bildung über die gesamte Lebenszeit geschehen muss (vgl. FATKE/ MERKENS 2006, 9), da sonst der rasche Wandel unserer Zeit nicht bewältigt werden kann (vgl. ACHTENHAGEN/ LEMPERT 2000, 11). Somit ist auch das diesbezügliche Konzept der Zweiphasigkeit nicht mehr zeitgemäß. Wenn die Lebensphasenorientierung ernst genommen wird, bedingt dies auch einen Paradigmenwechsel insbesondere für die Bildungsinstitutionen. Bildung muss sich nach den Bedürfnissen der Individuen richten, da sich deren Lernbiografien immer stärker unterscheiden werden und unterschiedliche Lernbedürfnisse und -bedarfe in unterschiedlichen Lebensphasen der Menschen ausgemacht werden können (vgl. LLL-EXPERTINNENGRUPPE 2005, 9f).
4.2 Lernende in den Mittelpunkt stellen
Wie im vorliegenden Beitrag bereits gezeigt wurde, fokussiert die Betriebspädagogik auf das Individuum und fordert somit lebenslanges Lernen. Die Forderung, die Lernenden in den Mittelpunkt zu stellen, ist somit nicht weiter verwunderlich und baut auch deutlich und schlüssig auf die Lebensphasenorientierung auf. Für die Lernenden selbst bedeutet diese Forderung, dass sie sich selbst Ziele setzen und lernen müssen, Verantwortung für sich selbst und ihr eigenes Lernen bzw. ihre Weiterentwicklung zu übernehmen. Die Lerninstitutionen müssen dafür große Unterstützungsleistungen erbringen sowie neue Angebotsformen, neue Beratungsleistungen, aber auch völlig neue Lernorte zur Verfügung stellen, damit Individuen mit ihren Bedürfnissen wirklich in den Mittelpunkt gestellt werden können. Ebenso wird eine wesentlich stärkere Förderung `neuer´ Lernformen wie beispielsweise die Idee des ganzheitlichen Zugangs zum Lernen, selbstgesteuertes Lernen, handlungsorientiertes Lernen, prozessorientiertes Lernen in Projekten, e-learning und blended-learning notwendig sein (vgl. LLL-EXPERTINNENGRUPPE 2005, 11f).
4.3 Life Long Guidance
Das Erfordernis, dass die Menschen immer mehr selbst Verantwortung für ihr lebenslanges Lernen übernehmen, führt dazu, dass die Bildungs-, Berufs- und Karriereberatung einen immer wichtigeren Stellenwert einnehmen wird. Beratung in diesem Zusammenhang bedeutet, dass eine Vielzahl diesbezüglicher Aktivitäten erforderlich sein wird (Zurverfügungstellung von Informationen, Kompetenzbewertung, Mentoring, Fürsprache u.a.), die die Lernenden „ jeden Alters in jedem Lebensabschnitt dazu befähigen, sich Aufschluss über ihre Fähigkeiten, Kompetenzen und Interessen zu verschaffen, Bildungs-, Ausbildungs- und Berufsentscheidungen zu treffen sowie ihren persönlichen Werdegang bei der Ausbildung, im Beruf und in anderen Situationen, in denen diese Fähigkeiten und Kompetenzen erworben und/oder eingesetzt werden, selbst in die Hand zu nehmen“ (RAT DER EUROPÄISCHEN UNION 2004, 2). Um dieses Ziel erreichen zu können, müssen zum einen bereits bestehende, unabhängige Anlaufstellen für Berufs-, Bildungs- und Karriereberatung ausgebaut werden und zum anderen ist eine weitere Professionalisierung dieser Beratung dringend erforderlich (vgl. LLL-EXPERTINNENGRUPPE 2005, 13f).
4.4 Kompetenzorientierung
„Kompetenz bringt im Unterschied zu anderen Lernresultaten/Konstrukten wie Können, Fertigkeiten, Fähigkeiten die als Disposition vorhandenen Selbstorganisationspotentiale eines Individuums zum Ausdruck.“ (KIRCHHÖFER 2004, 63) Kompetenzen sind somit in erster Linie Selbstorganisationsdispositionen, wobei zwischen dem Typ `Kompetenzen I´, notwendig für Selbststeuerungs- respektive Gradientenstrategien, und dem Typ `Kompetenzen II´, notwendig für Selbstorganisations- respektive Evolutionsstrategien, unterschieden werden kann. Für das lebenslange Lernen sind in jedem Fall beide Kompetenztypen unerlässlich (vgl. ERPENBECK/ ROSENSTIEL 2003, XV).
Die Kompetenzorientierung ist somit für den Aufbau der Selbstorganisation der Lernenden notwendig. Weiters ist Wissensaneignung auf Vorrat nur mehr begrenzt möglich und folglich die Forderung nach lebenslangem Kompetenzerwerb legitim respektive uneingeschränkt zu unterstützen. Vom Arbeitsmarkt ebenso wie von den Lernenden selbst, wird in diesem Zusammenhang der Ruf nach dem Sichtbarmachen der neu gelernten bzw. erworbenen Kompetenzen immer lauter und führt unweigerlich zur brisanten Frage der Anerkennung vorhandener Kompetenzen durch unterschiedliche Bildungsinstitutionen (vgl. LLL-EXPERTINNENGRUPPE 2005, 14f).
4.5 Förderung der Teilnahme an LLL
Die bisher vorgestellten vier Leitlinien können nur dann wirksam werden, wenn die Teilnahme am lebenslangen Lernen auch entsprechend gefördert wird. Diese Teilnahmebereitschaft ist in Österreich, verglichen mit dem Bildungswunsch des Individuums, immer noch als eher gering zu beurteilen, weshalb der Abbau von Barrieren wie beispielsweise Informationsdefizite oder institutionelle Rahmenbedingungen wie im Arbeitsrecht dringend notwendig ist. Dazu gehört auch, dass die Durchlässigkeit zwischen den Bildungssegmenten gewährleistet ist und Bildungsinstitutionen in diesen Segmenten stärker kooperieren (vgl. LLL-EXPERTINNENGRUPPE 2005, 17f). Dass hier noch große Veränderungen notwendig sind, um die Leitlinie `Förderung der Teilnahme an LLL´ umzusetzen, zeigt sich u.a. am Interesse der Individuen an der Weiterbildung. In einer Untersuchung über lebenslanges Lernen, durchgeführt von der Statistik Austria, zeigte sich, dass nur 39% der Wohnbevölkerung von Österreich mit einem Alter von über 15 Jahren grundsätzlich Interesse an Weiterbildung haben, wobei in diese Untersuchung sowohl berufliche als auch private Weiterbildung mit einfloss. Eine berufliche Weiterbildungsveranstaltung wirklich besucht haben im Jahr 2004 nur 15% der österreichischen Wohnbevölkerung. Die Studie zeigte auch, dass die Teilnahme an diesen Veranstaltungen am ehesten vom Alter (die Teilnahme steigt mit zunehmendem Alter und nimmt ab dem 45sten Lebensjahr wieder ab) und vom Bildungsstand (je höher die bereits abgeschlossene Ausbildung, desto höher auch die Bereitschaft, Weiterbildungsveranstaltungen zu besuchen) abhängt (vgl. STATISTIK AUSTRIA 2004, 29ff).
5. Anforderungen des LLL an die Organisation und Nutzen des LLL für Organisation und Mensch
Abschließend sollen die fünf vorgestellten Leitlinien dahingehend überprüft werden, welche Anforderungen sie an die Organisation stellen, aber auch, welchen Nutzen die Organisation sowie ihre einzelnen Individuen aus ihrer Umsetzung ziehen können.
5.1 Betriebspädagogik und Lebensphasenorientierung
Um ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten, steigt die Notwendigkeit für Individuen, ihre Qualifikationen laufend anzupassen und zu erweitern. Auch Unternehmen müssen auf diese `Auflösung´ des Konzepts der Zweiphasigkeit reagieren und zur Kenntnis nehmen, dass Karriereplanung bedeutend mehr ist, als Beschäftigte in eine Weiterbildungsveranstaltung zu schicken. Die Lebensphasenorientierung ist ein Aspekt, der natürlich nicht allein von den Unternehmen umgesetzt werden kann, aber auf jeden Fall von ihnen unterstützt werden muss, wobei die Betriebspädagogik dabei eine zentrale Rolle einnimmt. Beispielsweise sollte die Aufnahme von Bildungsprozessen für Beschäftige jederzeit möglich sein, da sich deren Lernbiografien immer mehr unterscheiden (vgl. LLL-EXPERTINNENGRUPPE 2007, 10ff). Ganz wesentlich in diesem Zusammenhang ist auch, dass Unternehmen ihren Mitgliedern Zeit und Raum für die Bildungsprozesse geben und beispielsweise Bildungskarenz, wie von den Sozialpartnern gefordert (vgl. SOZIALPARTNER 2006, 13), entsprechend fördern. Auf die Bedeutung der Rahmenbedingungen für das Lernen einer Organisation respektive deren Individuen wurde bereits hingewiesen. Wichtig ist hier, dass die Unternehmen Freiräume für diese Lernprozesse schaffen und sich nicht damit begnügen, ein TQM-System zu implementieren (vgl. STIHL 1997, 19).
5.2 Betriebspädagogik und Lernende in den Mittelpunkt stellen
Einer der wichtigsten Aspekte für die Umsetzung dieser Leitlinie ist die Verschränkung der Lernorte. Hier sind insbesondere die informellen Lernorte, wie beispielsweise der Arbeitsplatz, noch zu wenig im Blickpunkt des Interesses der Betriebspädagogik. Für eine Organisation kann dies bedeuten, dass sie beispielsweise Projektteams die Möglichkeit gibt, voneinander zu lernen, oder dass Freiraum für formelles wie auch informelles Lernen geschaffen wird. Generell sind hier neue Lehr- und Lernformen gefragt, die einen ganzheitlichen Zugang zum Lernen, aber auch prozess- sowie handlungsorientiertes Lernen ermöglichen und unterstützen (vgl. LLL-EXPERTINNENGRUPPE 2007, 12f). Eine Forderung in diesem Bereich ist auch die breitere Förderung und Nutzung von e-learning, die in Österreich noch eher unzureichend wahrgenommen wird (vgl. BMBWK 2005, 7). Weiterbildungsveranstaltungen die mit e-learning und blended-learning arbeiten, können ebenso für ein Unternehmen selbst interessant sein, da MitarbeiterInnen zeitlich wesentlich flexibler lernen können.
Wenn MitarbeiterInnen Zeit und den Willen zur Bildung haben, sollte die Angebotsseite dabei nicht vergessen werden. Die Entwicklung des lebenslangen Lernens kann auch als unabgeschlossene Antwort auf eine unabgeschlossene Entwicklung der Gesellschaft gesehen werden. Um dieser Entwicklung begegnen zu können ist es wichtig, dass das Lehrpersonal nicht belehrt, sondern zum Lernen und vor allem zum Weiterlernen anregt (vgl. LENZ 2006). Das gängige Verständnis von Lehrpersonal muss in diesem Zusammenhang erweitert werden, d.h. dass nicht nur die klassischen Lehrenden in der Schule, an Universitäten oder in Weiter- respektive Erwachsenenbildungsinstitutionen, sondern auch `neue´ Lehrende in den Organisationen eine Berücksichtigung finden.
5.3 Betriebspädagogik und Life Long Guidance
Bildungs-, Berufs- und Karriereberatung wird von vielen unterschiedlichen Institutionen angeboten, wobei diese – mit Ausnahme der Karriereberatung – in einem Unternehmen nur begrenzt wahrgenommen wird. Einige Aspekte dieser Leitlinie wären aber durchaus auch für Unternehmen von Interesse. So sind beispielsweise zentrale Aufgaben des Life Long Guidance, dass Lernende Selbstreflexion üben, Entscheidungen treffen und sich auf ihre persönliche Entwicklung und Karriere konzentrieren – alles Punkte, die auch für ein Unternehmen für die Entwicklung zu einer lernenden Organisation unverzichtbar sind. Weiters sollen Maßnahmen in diesem Bereich auch die Bildungsmotivation an sich stärken. Es kann nur im Interesse eines Unternehmens liegen, wenn die MitarbeiterInnen von sich aus mehr über ihre bzw. zu ihrer Arbeit wissen wollen und ihre Kompetenzen erweitern möchten (vgl. LLL-EXPERTINNENGRUPPE 2007, 14f). In diesem Kontext gilt es darauf hinzuweisen, dass es auch am Unternehmen liegt, nicht nur Freude sowie Interesse am Lernen zu wecken und zu fördern, sondern vor allem auch vorhandene Freude und bestehendes Interesse am Lernen der MitarbeiterInnen nicht durch Zwangsmaßnahmen, Verhinderungstaktiken oder Ignoranz im Kontext des Lernens zu unterminieren.
5.4 Betriebspädagogik und Kompetenzorientierung
Mit dieser Leitlinie soll die Fähigkeit des Individuums gestärkt werden, das eigene Wissen und die eigenen Fertigkeiten in unterschiedlichen Kontexten selbstgesteuert bündeln zu können (vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION 2005, 13). Dabei sind immer zwei Perspektiven zu beachten. Zum einen die Sichtbarmachung der jeweiligen Kompetenzen nach außen und zum anderen die Entwicklungsperspektive für das Individuum selbst, damit es seinen eigenen Standort besser bestimmen kann. Vorhandene Fähigkeiten respektive vorhandenes Wissen sichtbar zu machen, liegt stark im Interesse des Arbeitsmarktes, da Zeugnisse oder Qualifikationsnachweise sowohl für die ArbeitgeberInnen als auch für die ArbeitnehmerInnen eine große Hilfe zur Orientierung darstellen. Für Unternehmen ist die Kompetenzorientierung auf der einen Seite zwar von immensem Vorteil, allerdings müssen sie auf der anderen Seite aber auch stärker als bisher insbesondere auch informell erworbene Kompetenzen ihrer Beschäftigten sowohl anerkennen als auch bestätigen, eine Herausforderung, der sich die Betriebspädagogik in nächster Zeit stellen wird müssen (vgl. LLL-EXPERTINNENGRUPPE 2007, 16f).
5.5 Betriebspädagogik und Förderung der Teilnahme an LLL
Im Zuge der zweiten Europäischen Erhebung zur beruflichen Weiterbildung in Unternehmen wurde festgestellt, dass die befragten Unternehmen im Schnitt € 603,-- pro MitarbeiterIn im Jahr für Weiterbildungsmaßnahmen ausgaben. Die Beschäftigten verbrachten durchschnittlich 12 Stunden pro Jahr in einer Weiterbildungsveranstaltung. Österreichische Unternehmen lagen hier mit € 365,-- bzw. 9 Stunden je MitarbeiterIn weit hinter dem europäischen Schnitt (vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION 2002, 141ff). Auch wenn die Weiterbildung nur ein Teilbereich des lebenslangen Lernens ist, wird aus diesen Daten deutlich, dass hier noch einiges an Aufholbedarf besteht. Die Organisation selbst kann zu diesem Zweck einerseits mehr in den Bereich der Weiterbildung investieren und andererseits – und dieser Punkt ist der wichtigere – muss sie den Beschäftigten deutlich machen, dass lebenslanges Lernen erwünscht, um nicht zu sagen unerlässlich, ist, wobei die Führungskräfte hier eine entscheidende Vorbildfunktion einnehmen müssen. Dieses Bewussmachen kann beispielsweise durch entsprechende Beratung erfolgen, wobei der Unternehmenskultur generell in diesem Kontext eine zentrale Rolle zukommt. Eine lernende Organisation muss in der Lage sein, ihren Beschäftigten klar zu `kommunizieren´, dass Lernen erforderlich ist und sowohl gewünscht als auch honoriert wird.
Die Umsetzung dieser fünf Leitlinien zum lebenslangen Lernen ist bei genereller Betrachtung natürlich eine Aufgabe, derer sich der Staat sowie die Gesellschaft als Gesamtes zu stellen hat. Das heißt aber nicht, dass Unternehmen sich zurücklehnen können und darauf hoffen, dass sie die richtig ausgebildeten und qualifizierten MitarbeiterInnen bekommen, noch dazu wenn von einer klassischen Zweiteilung von Bildung und Berufstätigkeit Abstand genommen wird. Hinzu kommt, dass eine erfolgreiche Weiterentwicklung einer Organisation immer nur von innen heraus erfolgen kann, und die Rolle der Betriebspädagogik im Unternehmen auf die im vorliegenden Beitrag ausgeführte Weise verstanden und auch wahrgenommen wird. Ebenso erfordern organisationale Veränderungsprozesse, dass eine Organisation selbst fähig ist zu lernen, und dies kann letztendlich nur über das Lernen der Organisationsmitglieder geschehen, womit der Fokus der Betriebspädagogik auf das Individuum begründet ist. Die Organisation muss daher alles tun, um auch das deutero-learning bei ihren MitarbeiterInnen zu ermöglichen, zu fordern und zu unterstützen. Lebenslanges Lernen kann somit als Aufforderung für die einzelnen Individuen aber auch als Notwendigkeit für die Organisation verstanden werden und liegt somit in beider Interesse.
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Artikel online seit 1.2.2008