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 bwp@ Ausgabe Nr. 10 | Juli 2006
Lernfirmen

Die Konvergenz ökologischer und ökonomischer Unterrichtsinhalte am Beispiel einer Schülerfirma am Schulzentrum SII Utbremen


 

 

 

1.  Einleitung

Im Folgenden wird ein innovatives Projekt vorgestellt, dass zurzeit am Schulzentrum SII Utbremen umgesetzt wird. In diesem Projekt wird der Versuch unternommen, die theoretisch geleitete Forderung nach Anschlussfähigkeit von Umweltbildung an vorhandene systemspezifische Themenfelder einzulösen. Diese Anschlussfähigkeit soll gewährleistet werden, indem ein Medium, in Form einer Schülerfirma, geschaffen wird, das die Konvergenz ökologischer, ökonomischer und technischer Unterrichtsinhalte ermöglicht.

Bevor beschrieben wird, wie die nötigen Rahmenbedingungen am Schulzentrum SII Utbremen geschaffen werden konnten, werden dem Leser zunächst ein Überblick über die Schule gegeben, die Projektidee erläutert sowie die innovativen Komponenten des Projektes näher gebracht.

2.  Beschreibung der Schule

Das Schulzentrum SZ II Utbremen hat einen beruflichen Schwerpunkt und vermittelt darüber hinaus auch allgemeinbildende und studienqualifizierende Abschlüsse, z. B. Fachhochschulreife und Abitur. Die Schule bietet den Schülern eine breite Palette von Vollzeit- und Teilzeitbildungsgängen in den Profilfeldern Informatik, Fremdsprachen, Naturwissenschaften und Wirtschaft. Den Kontakt zum Wirtschaftsleben Bremens stellt die Schule u. a. über Praktika her, die z. T. verbindlich in die Lehrpläne integriert wurden. Bezogen auf Umweltthemen steht am Schulzentrum Utbremen insbesondere die Energienutzung im Fokus. Dieses lässt sich damit begründen, dass an dieser Schule der Energiebedarf aufgrund der benötigten technischen Ausstattung besonders groß ist. So besteht seit Jahren ein Energieausschuss, der damit beauftragt ist, den Energiebedarf möglichst effizient zu gestalten.

Des Weiteren verfügt das Schulzentrum Utbremen seit sechs Jahren über eine Solaranlage. Diese wurde gemeinsam mit Lehrkräften und Schülern auf dem Dach installiert. Der erzeugte Strom dieser Anlage wurde jedoch bisher noch nicht in das öffentliche Stromnetz gespeist und lediglich für den hauseigenen Bedarf bereitgestellt. Somit fand zwar eine ökologisch sinnvolle Energieerzeugung statt, die jedoch ökonomisch nicht effizient genutzt wurde.

3.  Projektidee

Die Projektidee besteht darin, Solaranlagen auf dem Dach des Schulzentrum Utbremens zu installieren und die gewonnene Energie gegen Bezahlung in das öffentliche Stromnetz zu speisen. Als Betreiber der Solaranlagen soll eine Schülerfirma agieren, die u. a. das Ziel verfolgt, ein wirtschaftlich effizientes Solarunternehmen zu führen. Die Aufgaben der Schülerfirma können den involvierten Profilfeldern wie folgt zugeordnet werden (siehe Tabelle 1):

 

Aufgrund der beschriebenen Tätigkeiten fungiert die Schülerfirma somit als Multiplikator für umweltbewusste Energieerzeugung innerhalb und außerhalb der Schule. Die Schülerfirma wird voraussichtlich in den Bildungsgängen „Wirtschaftsassistenten für Informationsverarbeitung (WiA-IV)“ und „Physikalisch-technische Assistenten Phy-TA“ fest integriert. Somit besteht die Möglichkeit, die zu vermittelnden umweltrelevanten Inhalte in die vorhandenen Lehrpläne aufzunehmen. Weiterhin liefert die heterogene Zusammensetzung der Lerngruppe berufsfeldübergreifende Berührungs- und Austauschpunkte. Dadurch können wichtige fachübergreifende Erfahrungen gemacht, Einsichten gewonnen und Vorurteile gegenüber anderen Berufsfeldern abgebaut werden.

4.  Innovative Leistungen des Projekts

4.1  Verschränkung von Ökologie, Ökonomie und Technik

Dadurch, dass sich das Themenfeld „Solaranlagen“ in besonderer Weise mit den Zielsetzungen der unterschiedlichen Bildungsgänge der Schule verbinden lässt, bietet sich die Schülerfirma als Transmissionsriemen zwischen ökologischen, ökonomischen und technischen Bildungsinhalten geradezu an. Durch die Entwicklung eines schulinternen Qualifizierungsverbundes zwischen Schülern mit ökonomischen sowie technischen Vorkenntnissen in Form einer Schülerfirma können gute Voraussetzungen geschaffen werden, Umweltbildung durch die Verknüpfung unterschiedlicher Lerninhalte langfristig in der Schule zu verankern.

Umweltbildung kann durch dieses Projekt ihre Anschlussfähigkeit besonders an ökonomische Unterrichtsinhalte unter Beweis stellen. Denn bei diesem Projekt wird das Thema Umweltschutz in das Zentrum aller ökonomischen Überlegungen gerückt, weil die Erzeugung von Strom durch Sonne das Tätigkeitsfeld ist, in dem sich die Schülerfirma bewegt. Somit handelt es sich bei der Geschäftsidee dieser Schülerfirma um eine rein ökologische Tätigkeit, die sich ökonomisch rechnen muss. Sie grenzt sich dadurch maßgeblich von vielen anderen ökologisch orientierten Schülerfirmen ab, bei denen zwar auch der Umweltgedanke berücksichtigt wird, jedoch nicht als Haupttätigkeitsfeld in Erscheinung tritt. Vielmehr werden bei diesen Unternehmen die Umweltthemen an vorhandene Themenfelder einfach angehängt.

4.2  Wachstumspotenzial und Nachhaltigkeit des Solarprojekts

Als weitere innovative Leistung des Projekts kann hervorgehoben werden, dass sich die Realisierung über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckt. Ziel des Projekts ist nicht die einmalige Installation einer Solaranlage, sondern das Solarprojekt soll im Medium einer Schülerfirma nachhaltig angelegt sein und einem stetigen Wachstum unterliegen. Dabei soll die Solaranlage nach Möglichkeit in jedem Jahr um ein Modul (1 KW) vergrößert werden. Somit können mehrere Schülergenerationen von diesem Projekt profitieren und durch individuelle Ideen und Herangehensweisen neue Akzente setzen. Der Aufgabenbereich der Schülerfirma umfasst somit nicht nur das Betreiben bzw. das Betreuen vorhandener Solaranlagen und Investoren, sondern die Schüler sind auf der Suche nach immer neuen Investoren und anderen Finanzierungsmöglichkeiten, um die Solaranlage zu vergrößern.

5.  Rahmenbedingungen für die Gründung der Schülerfirma

Ziel des Projektes ist es, mit Hilfe einer geeigneten Kommunikationsplattform die Umweltbildung langfristig im Unterricht zu etablieren. Damit dieses auch gelingen kann, wird eine wesentliche Aufgabe für die Lehrer darin bestehen, die Tätigkeitsfelder der Schülerfirma mit den fachlichen Inhalten der Bildungsgänge zu verknüpfen. Bevor allerdings diese didaktisch-methodische Aufgabe im Fokus steht, mussten zunächst die notwendigen Voraussetzungen für die Entstehung der Kommunikationsplattform geschaffen werden. Somit waren zunächst die Rahmenbedingungen zu schaffen, die letztendlich die Gründung einer Schülerfirma ermöglichen. Unter diesen Rahmenbedingungen werden hier folgende Bereiche subsumiert: Akzeptanz durch das Kollegium und die Schulleitung, finanzielle Mittel, rechtliche Stellung der Schülerfirma und Projektdesign, technische Voraussetzungen (geeignete Dachflächen, Stromkabel, Schaltkästen usw.), rechtliche Voraussetzungen (Nutzung des Daches, Verträge mit den Energieversorgern).

Grundsätzlich können diese Rahmenbedingungen auch gemeinsam mit den Schülern im Unterricht geschaffen werden. Im konkreten Fall wurde von einer vorzeitigen Integration in den Unterricht jedoch abgesehen. Denn bei dem Projekt am Schulzentrum S II Utbremen konnte zunächst nicht als gesichert gelten, dass das Projekt auch tatsächlich realisierbar ist. Dieses begründet sich vor allem damit, dass die Installation von Solaranlagen relativ kostenintensiv ist. Fraglich war zunächst, ob das benötigte Geld überhaupt beschafft werden kann und ob die Umsetzung technisch und rechtlich möglich ist. Ebenso wurde deutlich, dass die Schaffung der Rahmenbedingungen einen sehr langen Zeitraum in Anspruch nehmen würde. Diese Situation wurde noch dadurch verschärft, dass auf keine Erfahrungsberichte anderer Schulen zurückgegriffen werden konnte, da das Design des Projektes als bisher einmalig gelten kann. Aufgrund dieser Unsicherheiten, sollten die Schüler in die Vorüberlegungen und Vorarbeiten zunächst nicht einbezogen werden, denn ein Scheitern des Projektes bzw. ein längeres Stocken des Prozesses hätte sich negativ auf die Motivation der Schüler auswirken und somit das Gegenteil der erhofften Wirkung nach sich ziehen können. Im Folgenden wird ein Überblick über die verschiedenen Planungsschritte sowie deren bisherige Umsetzung gegeben (Stand Juli 2006).

5.1  Akzeptanz als Grundvoraussetzung

Aufgrund der Innovationsbereitschaft und der bereits erfolgten Sensibilisierung für Umweltthemen wurde die Projektidee von der Schulleitung positiv bewertet und Unterstützung von dieser Seite zugesagt. Auch im Kollegium fanden sich innerhalb kurzer Zeit zwei weitere Kollegen, die an dem Projekt mitarbeiten wollten. Um noch weitere Kollegen an dem Projekt teilhaben zu lassen, wurde die Idee verfolgt, Kollegen die Möglichkeit zu verschaffen, sich auch finanziell an dem Projekt zu beteiligen. Mit Hilfe eines Rundschreibens konnten 14 Kollegen als Investoren gewonnen werden. Dadurch erlangte das Projekt nicht nur die Akzeptanz innerhalb des Kollegiums, sondern auch ein Teil des notwendigen Startkapitals war durch diesen Schritt gesichert.

5.2  Rechtliche Stellung der Schülerfirma und Projektdesign

Grundsätzlich ist es möglich, dass eine Schülerfirma eine reale Rechtsform annimmt. Damit verlässt sie jedoch den Schutz der Schule und erlangt völlige Selbständigkeit. Sie würde in diesem Fall im vollen Umfang haften und das Risiko wäre für alle Beteiligten sehr hoch. Aus diesem Grund hat man sich am Schulzentrum S II Utbremen für ein anderes Projektdesign entschieden. Die zu gründende Schülerfirma soll der Schule zugeordnet werden und sie fungiert somit nach außen ohne eigenen Rechtsstatus. Unter dem Dach der Schule nimmt die Schülerfirma die gleiche Stellung ein wie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der Vorteil dieser Rechtskonstruktion liegt darin, dass die Schülerfirma als ein schulisches Projekt anerkannt werden kann und somit dem vollen Schutz der Schule unterliegt. Um das Risiko für die Schülerfirma noch weiter zu reduzieren, haben Kollegen am Schulzentrum Utbremen den Verein „sz ut energy“ gegründet. Dieser Verein ist Eigentümer der Solaranlagen und haftet somit gegenüber den Investoren und weiteren Dritten. Die Gründung des Vereins war auch notwendig, um zunächst einen offiziellen Rahmen für die bereits durchgeführten Tätigkeiten und abgeschlossenen Verträge zu schaffen. Nachdem die Schülerfirma gegründet ist, wird diese ihre Aufträge von dem Verein erhalten, beispielsweise die Wartung der Solaranlagen, Betreuung der Investoren, Finanzierung neuer Solaranlagen, Abschluss von Versicherungen usw. Die Schülerfirma agiert somit als Betreiber und führt alle Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit den Solaranlagen entstehen, aus, ohne das Risiko der Unternehmung zu tragen.

5.3  Finanzierung des Projektes

Da die Anschaffung von Solaranlagen relativ kostenintensiv ist, soll die Realisierung des Solarprojekts schrittweise erfolgen. Geplant ist die Anschaffung einer Solaranlage (1 kW) pro Jahr. Die Kosten für eine solche Anlage liegen inkl. der Installation bei ca. 7000,- Euro. Weiterhin entstehen durch den Betrieb der Schülerfirma Kosten. Die Schülerfirma benötigt eine gewisse Grundausstattung, bspw. in Form von Mobiliar und Arbeitsmaterialien, um einen reibungslosen Arbeitsablauf zu gewährleisten. Um eine angemessene Ausgangslage für die Schülerfirma zu schaffen, wurde das Ziel gesetzt, die technischen Voraussetzungen zu schaffen (Statikgutachten, Verlegen der benötigten Kabel), die vorhandene Solaranlage an das öffentliche Netz zu schließen und ein weiteres Solarmodul zu installieren. Für die Realisierung dieser Ziele war ein Kapital von 10.000 Euro notwendig, das aus folgenden Quellen bezogen wurde:

Wettbewerb „Solarspaß an Schulen“

Das Projekt „Solar-Spaß an Schulen“ verbindet Aspekte des Klimaschutzes mit praxisbezogener Bildungsarbeit an Schulen. Kernziel des Projekts ist es, 10 Solaranlagen an Schulen in Bremen/Bremerhaven zu installieren, um einen wirksamen Beitrag für eine zukunftsfähige Energieversorgung und zum Klimaschutz zu leisten. Das Schulzentrum S II Utbremen konnte sich mit seinem Konzept bei dem Wettbewerb durchsetzen und gewann ein Preisgeld.

Förderprogramm „Sonne in der Schule“

Das Förderprogramm „Sonne in der Schule“ des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) unterstützt unsere Schule bei der Errichtung netzgekoppelter Photovoltaikanlagen mit einem nicht zurückzahlbaren Zuschuss.

Fremdkapital durch Kolleginnen und Kollegen

Die restliche Geld wurde vom Lehrerkollegium erbracht. Die mitwirkenden Kollegen stiegen als Investoren in das Projekt ein und erhalten für das erbrachte Kapital eine Verzinsung in Höhe von 3 % p.a.

Energieeinspeisevergütung

Für Strom, der durch eine Photovoltaikanlage erzeugt und ins öffentliche Netz eingespeist wird, gibt es eine gesetzlich geregelte Einspeisevergütung. Diese wird für 20 Jahre garantiert und macht eine Photovoltaikanlage auch unter Rentabilitätsaspekten besonders interessant. Durch diese Einspeisevergütung kann die Verzinsung für das Fremdkapital sowie die Rückzahlung dieser Kredite finanziert werden. Weiterhin reichen diese Gelder, um den Betrieb der Schülerfirma zu gewährleisten.

5.4  Technische und rechtliche Voraussetzungen

Als besonders schwierig hat es sich erwiesen, die technischen und rechtlichen Voraussetzungen für die Schülerfirma zu schaffen. So mussten eine Reihe von Bohrungen vorgenommen und Kabel verlegt werden, um eine Verbindung vom Dach bis zum öffentlichen Stromnetz herzustellen. Des Weiteren sind für die Nutzung des Daches Verträge mit den Eigentümern des Gebäudes abzuschließen und ein Statikgutachten muss dokumentieren, dass das Dach den Gewichten von Solaranlagen auch standhält.

6.  Fazit/Ausblick

Zum Ende des Schuljahres 2005/2006 konnten die unter Punkt 5 beschriebenen Rahmenbedingungen am Schulzentrum SII Utbremen geschaffen werden. Zu Beginn des Schuljahres 2006/2007 ist die Gründung der Schülerfirma geplant. Neben den Tätigkeiten, die aufgrund des fortlaufenden Betriebes der Solaranlagen anfallen, sollen die beteiligten Schüler im kommenden Schuljahr die Solaranlage um ein weiteres Modul erweitern. Dabei wird die wesentliche Aufgabe darin bestehen, die Gelder für ein weiteres Modul zu beschaffen, indem neue Investoren von der Geschäftsidee überzeugt werden können.