wbv   Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.

 

 

Schrift vergrößern Schrift zurücksetzen Schrift verkleinern download pdf-file pdf 813kb | www.bwpat.de

 
 

 

 bwp@ Ausgabe Nr. 10 | Juli 2006
Lernfirmen

Integration von Prozesssteuerungssoftware in das schulische Modellunternehmen - prozessorientiertes Curriculum und Umsetzung


 

 

 

1.  Vorbemerkung

Lernkontore, Lernfirmen, Lehrfirmen, Lernbüros, Modellfirmen, Modellunternehmen, Unternehmenssimulationen sind Begriffe, die die Absicht ausdrücken, neben der betrieblichen Realität eine „Welt“ zu kreieren, einen Lernort, in dem – fast – wie in einem Unternehmen gelernt werden soll. Ohne auf die Begriffsbildung im Rahmen von Lernbürokonzeptionen, deren Geschichte und Sinnhaftigkeit näher einzugehen, muss überlegt werden, warum es wichtig ist, ein Modellunternehmen, wie ich es bezeichnen werde, neben der betrieblichen Realität aufzubauen. Was zeichnet also Modellunternehmen aus? Wie der Name schon sagt, es handelt sich um ein Modell. Damit weicht es – geplant – in wichtigen Bereichen von der betrieblichen Realität ab. Es enthält idealtypische Strukturen. Damit wird ein solches Modell – entgegen von Routinetätigkeiten in Standardausbildungen mit dualer Ausprägung – zum Lerngegenstand, in dem in einem spiraligen Lernprozess betriebliche Realität erfasst, an ihr geübt, geplante Spannungsfelder betrieblichen Handelns erkundet, kontrolliert und geplante Problemstellungen unter besonderer Berücksichtigung der Entstehung von sozialen Kompetenzen (z. B. Arbeiten im Team) gelöst werden. Es ist selbstverständlich, dass eine solche Konzeption Ruhe vor der Hektik und Routine des Alltagsgeschäftes in einem Unternehmen benötigt. Schulische Modellunternehmen sind Schutzzonen vor dem Arbeits- und Ausbil­dungsalltag in Unternehmen. In Modellunternehmen werden komplexe Prozesse erfahren und systematisiert. Damit komme ich zu einem großen Vorteil von Simulationen, sie unterliegen einer Konzeption. Dies ist ein Vorteil gegenüber vielen dualen Ausbildungen, die oft einen hohen Anteil von Routinetätigkeiten aufweisen und deren Konzeption u. U. darin besteht, die Auszubildenden von Abteilung zu Abteilung (sofern vorhanden) zu reichen und das „Glück“ in der Ausbildung darin besteht, zufällig einen guten Ausbilder gefunden zu haben. Im Prin­zip liegt dann auch in der Konzeption die Weiterentwicklung der so genannten Lernfirmen. Auch in den Lernkontoren der Vergangenheit gab es viel Routinearbeit und zu wenig Kon­zeption.

Ich möchte an dieser Stelle eine Präzisierung der Begrifflichkeiten vornehmen: Die SchülerInnen/Azubis arbeiten in einem Lernbüro, das in die Konzeption eines Modellunternehmens eingebettet ist. Unter Lernbüro verstehe ich also die Örtlichkeit und unter Modellunterneh­men das nach didaktischen Überlegungen konzipierte Modellunternehmen. Das Lernbüro ist die der Modellunternehmenskonzeption angepasste Örtlichkeit. Um unsere SchülerInnen zu zitieren: „Wir gehen in das Lernbüro und arbeiten in einem Modellunternehmen.“ Die Ent­wicklung ist in dem von mir vorgestellten Konzept – gegenüber den früheren Lernkontoren – weit fortgeschritten. Dieses liegt m. E. insbesondere in der Wechselwirkung zwischen curri­cularer Konzeption und dem Einsatz bestimmter Software, über die Entwicklungen in den Unternehmen zur Realität im Modellunternehmen werden. Durch den Einsatz von Unterneh­menssoftware – und damit ist diesmal nicht das Office-Paket gemeint - sondern Software, über die die unterschiedlichsten Bereiche eines Unternehmens prozessorientiert verwaltet werden, rücken Modellunternehmen immer dichter an die betriebliche Realität heran. Das Arbeiten mit ERP-Software (Enterprise Resource Planning) in Simulationen erlaubt die soft­waregestützte, bereichsübergreifende und prozessorientierte Arbeit. Damit findet neben der Realitätsannäherung der Gedanke der Prozessorientierung Berücksichtigung in schulischen Modellunternehmen. Der Einsatz von ERP-Software und Business Process Management Systemen (BPMS) führt zu einer neuen Konzeption der Modellunternehmen. Deshalb muss zunächst überlegt werden, was diese Software leistet und warum dadurch eine Weiterent­wick­lung der Lernkontorarbeit möglich ist. Weiterhin muss darüber nachgedacht werden, ob der Einsatz der erwähnten Software zu solchen Kompetenzen führt, die eine Qualifizierung für die Angestelltenarbeiten der Zukunft ermöglichen.

 

2.  Weiterentwicklung von Lernbüroarbeit durch den Einsatz von BPMS- und ERP- Software

2.1 BPMS-Software

Die neueren Softwareentwicklungen für die Verwaltungen der Unternehmen (sogar bis in die Kleinunternehmen) unterschiedlichster Branchen gehen grundsätzlich in Richtung Prozessorientierung. „Mittlerweile ist Prozessmanagement eine etablierte Aufgabe über deren Not­wen­digkeit nicht mehr diskutiert wird. Trotz rückläufiger Budgets und einem allgemeinen Trend zur Kostenreduktion investieren deutsche Unternehmen viel Geld in die Optimierung ihrer Arbeitsabläufe und Aufbauorganisationen. So ergab eine Umfrage bei den deutschen IT-Entscheidern, dass 4 von 5 Unternehmen sich stark oder sehr stark mit dem Thema Geschäfts­­prozessoptimierung beschäftigen...“ (GADATSCH 2003, 1). Die Manager der Unter­nehmen haben festgestellt, dass im Prozessmanagement erhebliche Ressourcen stecken, die zum einen Abläufe kostengünstig gestalten können und zum anderen die Möglichkeiten von Personaleinsparungen bieten. Deshalb müssen in einem Modellunternehmen der Arbeitsplatzabbau, die Umstrukturierung von Sachbearbeitung und die Intensivierung der Arbeit, die Folge der Prozessoptimierung sind, thematisiert werden. Vor dem Einsatz von ERP-Software kommen i. d. R. BPM-Systeme zum Einsatz. Über diese werden die betrieblichen Prozesse in allen Bereichen eines Unternehmens erfasst. Das Ergebnis dieser Erfassung sind so genannte Prozessketten, die den Prozess mit allen seinen Verzweigungen abbilden. Das Unternehmen IDS-Scheer AG ist in diesem Bereich mit der ARIS-Plattform Marktführer (in unserem Ober­stufenzentrum setzen wir ARIS ein). Durch bestimmte Sichten auf das Unternehmen (Orga­ni­sation, Funktionen, Daten usw.) entsteht in einer erweiterten ereignisgesteuerten Prozesskette eine bildliche Darstellung der Unternehmensprozesse, in der z. B. Funktionen, Software­anwen­dungen, Organisationseinheiten und Stellen zusammengeführt werden. Auch Wahr­schein­lichkeiten bei Verzweigungen und Zeiten für die Funktionen können hinterlegt werden. Das ermöglicht eine Auswertung nach Zeit, Systembrüchen und Organisationswechseln und bildet die Basis zur Optimierung von Prozessen. Dass später über die erfassten Zeiten und Stellen eine Prozesskostenrechnung integriert werden kann, soll hier nur erwähnt werden. Es liegen schon erste erfolgreiche Versuche in dieser Richtung in unserem Hause vor.

Durch die Berücksichtigung von BPMS-Software in einem schulischen Modellunternehmen werden neue Strukturen notwendig. Prozesse sind übergreifend und erfordern eine neue Ablauf- und Aufbauorganisation. Es wäre hier der Wegfall der klassischen Abteilungsbildung, wie sie in vielen schulischen Modellunternehmen vorfindbar ist, zu diskutieren. Die Orientie­rung an Prozessen und nicht an funktionsbezogener Sachbearbeitung wird notwendig. Die Arbeitnehmervertretungen stehen in diesem Zusammenhang vor neuen Aufgaben.

2.2  ERP-Software

ERP-Software heute unterscheidet sich erheblich von früheren Warenwirtschaftssystemen. Die Integration der zentralen Unternehmensbereiche wie z. B. Logistik (Einkauf, Vertrieb, Produktion), Rechnungswesen (Finanzbuchhaltung und Controlling) und Personal ist weit fortgeschritten. Die meisten Daten stehen aufgrund der zentralen Datenbank in „Realtime“ zur Verfügung. ERP-Software zeichnet sich durch die Integration mehrerer betriebswirt­schaftlicher Applikationen auf einer Datenbasis aus. Es gilt der Grundsatz, dass es kaum Aktivitä­ten in einem solchen System gibt, die nur einen Bereich eines Unternehmens betreffen. Von daher sind ERP-Systeme komplex . Ein wichtiger Aspekt bei dieser Betrachtung ist die Rolle der Finanzbuchhaltung. Im Prinzip werden – fast – alle Buchungen im Hintergrund erzeugt (auch Abschlussbuchungen). Die Wareneingangsbuchung wird z. B. über das Eingeben des Lageristen (Laserpistole) oder automatisch über RFID-Technologie erzeugt. Das führt z. B. in größeren Unternehmen zu einer personellen Umschichtung. Finanzbuchhalterstellen werden im extremen Maße nicht mehr besetzt. Im Rahmen eines Lehrerpraktikums erfuhr eine Kolle­gin, dass in einem großen staatlichen Unternehmen 80 % der Finanzbuchhalterstellen abge­baut werden.

Ein wichtiger Aspekt, die Prozessorientierung , kommt hinzu. Weit fortgeschrittene Software unterstützt das prozessuale Abarbeiten von Unternehmensprozessen. I. d. R. findet man das nur in größeren Systemen, wie z. B. SAP R/3 (in unserer Schule wird SAP R/3 auch im Rahmen des Modellunternehmens eingesetzt). ERP-Software wird zunehmend auch zur Gestaltung von Geschäftsprozessmanagement eingesetzt oder mit BPMS-Software kombiniert. So arbeitet das Unternehmen IDS Scheer AG an einer Lösung, Prozesse an die ERP-Software SAP R/3 komfortabel zu übergeben und dort als so genannten Webflow (früher Workflow) einzurichten. Zurzeit existieren zwar schon Möglichkeiten der Prozessübergabe zwischen den beiden Programmen, die ich aber noch nicht für ausgereift halte. Für 2007 sind aufgrund neuerer Technologien (Netweaver der SAP AG) Entwicklungen in diesem Zusammenhang zu erwarten. Unabhängig von der Workflowentwicklung bietet eine Software wie SAP R/3 Prozessstrukturen innerhalb einzelner Applikationen. Im Abbildung 1 ist der Belegfluss einen Kundenauftrages, der komplett abgearbeitet wurde, zu sehen.

Die Abbildung 1 zeigt beispielhaft den Ablauf der Abarbeitung eines Kundenauftrages. Neben der Prozessfolge wird deutlich, welche Bereiche des Unternehmens angesprochen werden (hier: Vertrieb, Versand und Finanzbuchhaltung). Durch einen Doppelklick auf die jeweilige Zeile kann dann in die einzelnen Bereiche verzweigt werden und dort werden die entsprechenden Belege angezeigt. Dieser „Prozess“ ist allerdings eindimensional. Webflows und Prozessketten gehen weit über diese Darstellung hinaus:

Abbildung 2 zeigt den Ausschnitt einer solchen erweiterten ereignisgesteuerten Prozesskette (mit ARIS erstellt). Damit wird die Dimension eines Workflows deutlich. Die Entwicklungen werden in den nächsten Jahren dahin gehen, Workflows mit den angedeuteten Dimensionen in die ERP-Software zu integrieren bzw. zu übergeben. Wie arbeitet nun die ERP-Software mit den Workflows? Im Folgenden stelle ich diese Thematik im Rahmen von SAP R/3 vor, da m. E. das Programm in diesem Bereich sehr weit entwickelt ist.

Fall:

Kunde „K“ setzt Aufträge in unserem SAP-System via Internet ab. MitarbeiterIn „E“ aus der Einkaufsabteilung in Berlin startet den routinemäßigen Dispositionslauf über alle Materialien. Da das Unternehmen anhand von Kundenaufträgen disponiert und die für den Auftrag benötigten Materialien nicht vorhanden sind, wird vom System automatisch eine so genannte Bestellanforderung erzeugt. Diese soll nun zur Umwandlung in eine Bestellung freigegeben werden. In dem Unternehmen ist aber geregelt, dass nur MitarbeiterIn „R“ aus der Abteilung Rechnungswesen in Irland Bestellanforderungen – aufgrund der Liquiditätsprüfung – ab einer bestimmten Summe freigeben darf. Nach der Freigabe wandelt dann MitarbeiterIn „E2“ aus der Einkaufsabteilung in Berlin diese Bestellanforderung in eine Bestellung um und der Abteilungsleiter der Abteilung erhält eine Nachricht, was MitarbeiterIn „R“ und MitarbeiterIn „E2“ für Tätigkeiten ausgeführt haben.

 

Der hier dargestellte einfache Fall wird über ERP-Systeme automatisch abgewickelt. Die MitarbeiterInnen finden in ihrem elektronischen Büroarbeitsplatz im ERP-System ein so genanntes WorkItem (Workflow 1, Abb. 3). Das beinhaltet den Prozessteilschritt. Der Arbeitsort des/der Mitarbeiters/in spielt keine Rolle. Alle Prozesse können auch über das Internet abgewickelt werden. Das WorkItem wird geöffnet und ggf. erscheint sofort die entsprechende Eingabemaske aus dem System.

Abbildung 4 zeigt einen Ausschnitt aus der Bestellanforderung. Klickt der Mitarbeiter auf den Haken zur Freigabe, ist die Bestellanforderung zur Umwandlung in eine Bestellung freigegeben (kleiner Klick, große Wirkung). Die weiter oben beschriebene Problematik bezüglich der Veränderung der Angestelltenarbeit wird hier deutlich und die Frage, wohin sich die Arbeit entwickeln wird, ist noch offen. Werden also Prozesse komplexer und von daher die Arbeit anspruchsvoller oder werden die Prozesse im Rahmen von Workflows zergliedert und das EDV-System stellt die Klammer her? Auch bei der letzteren Version wird es so sein, dass die WorkItems kaum noch einfache Eingabetätigkeiten erfordern, sondern eher komplexe Entscheidungen, wie im obigen Beispiel verdeutlicht (Bestellanforderungen freigeben bedeutet ja z. B. auch über die Liquidität eines Unternehmens zu entscheiden). Eines zeichnet sich aber m. E. ganz deutlich ab: DV-gestützte Prozesse werden die einfache Sachbearbeitung immer mehr an den Rand drängen.

Abbildung 5 zeigt die Benachrichtigung im Büroarbeitsplatz von SAP R/3, dass die Bestellanforderung freigegeben wurde. Durch einen Klick auf das Item (Workflow 1) öffnet sich dann die Maske mit der Bestellanforderung.

Bei genauerer Betrachtung der neueren Entwicklungen fällt auf:

•  BPMS-Software und ERP-Software rücken zusammen

•  Schnittstellen zwischen verschiedener Software werden entwickelt

•  Prozessmanagement wird in die ERP-Systeme integriert

•  ERP-Software ist komplex und bereichsübergreifend

Bevor ich auf die neueren Entwicklungen in unserem schulischen Modellunternehmen eingehe, nehme ich noch Bezug darauf, welche Bedeutung die oben angeführten Entwicklungen für die Zukunft der Angestelltenarbeit haben werden. Denn daran muss sich die kaufmännische Ausbildung orientieren, wenn sie nicht ins Abseits geraten will.

Die neuen BPMS- und ERP-Systeme erfassen die Prozesse eines Unternehmens nicht mehr nur modulartig, sondern über alle Bereiche. Die Sachbearbeitung wandelt sich entsprechend. Das habe ich versucht, weiter oben darzulegen. Einfache Bürotätigkeiten werden in großen Teilen in die ERP-Programme integriert und müssen nicht mehr von Personen ausgeführt werden oder wenn doch, lassen sich diese Arbeiten über WorkItems so steuern, dass keine komplizierten Arbeitsvorgänge notwendig sind. “Erfahrungen aus aktuellen IT-Projekten, die Aussagen wissenschaftlicher Experten und die Entwicklung der führenden IT-Anbieter weisen gleichermaßen auf einen neuen Trend hin. Der Trend, IT isoliert zu betrachten, hat ausgedient. Komplexe ERP-Software, Breitbanddatenverbindungen und leistungsfähige Hardware stellen keinen Wettbewerbsvorteil mehr dar. Im Gegenteil: Informationstechnologie ist für alle Marktteilnehmer im Überfluss vorhanden. IT wird als Standardware zum allgemeinen Gebrauchsgegenstand. Auf der Suche nach der Wirtschaftlichkeit von IT-Projekten ist man sich heute einig: Nicht die IT selbst, sondern nur der Nutzen in den Prozessen führt zu einem Kapitalrückfluss im Unternehmen. Der Anteil einer Prozessgestaltung in IT-Projekten nimmt bereits merklich zu. Reine IT-Projekte haben Seltenheitswert ... Neue Produkte konzentrieren sich weniger auf den Ausbau der Funktionsvielfalt, sondern vielmehr auf eine neue Prozesstechnologie zum flexiblen Einsatz der bestehenden IT-Funktionen ... Die Welten des Prozess- und IT-Management bewegen sich aufeinander zu.” (LARS von THIENEN, 2006) Baethge und Oberbeck hatten diesen Trend schon 1986 unter dem Begriff “systemische Rationalisierung” abgehandelt: “Systemische Rationalisierungsprozesse sind dadurch gekennzeichnet, daß unter Nutzung neuer, mikroelektronisch basierter Datenverarbeitungs- und Kommunikationstechnik der betriebliche und überbetriebliche Informationsfluss, die Kommunikation über und die Kombination von Daten, die Organisation der Betriebsabläufe und die Steuerung der unterschiedlichen Funktonsbereiche in einer Verwaltung bzw. in einem Unternehmen in einem Zug neu gestaltet werden.” (BAETHGE/ OBERBECK 1986, 22).

Die Sachbearbeitung wird sich – aufgrund der aktuellen Tendenzen – in zwei Richtungen entwickeln: Zum einen werden – noch – im einfachen Arbeitsbereich Arbeitsplätze eingerichtet, die sich im Prinzip auf die Bedienung – im Rahmen des Workflowmanagementes – einfacher EDV-Masken aus ERP-Programmen beschränken. Diese Arbeiten unterliegen aber mit zunehmender technologischer Entwicklung dem Risiko, der Rationalisierung zum Opfer zu fallen. Zum anderen werden qualifizierte Arbeitsplätze im Bereich des Controlling und Prozessmanagementes entstehen. Es wird im Mittelbau der kaufmännischen Berufe, die heute den Kern der Ausbildung darstellen, zu großem Arbeitsplatzabbau kommen. Die Banken geben schon jetzt ein Beispiel. Damit stellt sich die Frage nach der Berufsausbildung in Schule und in Unternehmen völlig neu. Legt man außerdem die Entwicklungsgeschwindigkeit der IuK-Technologien zugrunde, kann das starre Berufsprinzip, eine Säule des dualen Systems, kaum noch mithalten. Die Abstraktheit und der Symbolismus der kaufmännischen Tätigkeiten werden im Rahmen der Prozessorientierung völlig neue Anforderungen an die MitarbeiterInnen stellen.

 

3.  Umsetzung der neuen Entwicklungen in das schulische Modellunternehmen am Oberstufenzentrum Bürowirtschaft und Dienstleistungen in Berlin

Mir sei zu Beginn die Bemerkung gestattet, dass es der beruflichen Bildung (hier: Kaufmännische Berufsausbildung in der Berufs- und Berufsfachschule) sehr schwer fallen wird, sich den neuen Entwicklungen zu stellen. Fehlende Ressourcen, unzureichende Qualifizierung der LehrerInnen, Arbeitsbelastung und das Tempo der Entwicklungen stehen dem entgegen. Dennoch haben wir in unserem OSZ die Kräfte gebündelt und der Ausbildung einen ERP-Schwerpunkt im Rahmen der Prozessorientierung gegeben. Der Schwerpunkt der Entwicklung liegt in der dreijährigen Berufsfachschule, in der die SchülerInnen eine vollzeitschulische Berufsausbildung mit Praktikum und Kammerprüfung in den Berufen Kaufmann/-frau für Bürokommunikation und Bürokaufmann/-frau (letzter auch doppelqualifizierend: Kammerabschluss im Beruf und Fachhochschulreife in 3 Jahren) durchlaufen. Allerdings gibt es mittlerweile erhebliche Synergieeffekte, was die klassische duale Ausbildung in unserem Haus angeht.

Die oben beschriebene technologische Entwicklung zwingt zum Handeln. In unserer Schule hat sich mittlerweile eine dauerhafte curriculare Arbeitsgruppe gebildet, deren Aufgabe darin besteht, ein prozessorientiertes Curriculum zu entwickeln. Da, wie ich beschrieben habe, sich BPMS- und ERP-Software prozessorientiert entwickeln, müssen diese Prozesse auch in das schulische Modellunternehmen integriert werden. Daraus ergab sich die Frage, wie die umliegenden Fächer in das Konzept einzubeziehen sind. Man kann nicht auf der einen Seite prozessorientiert arbeiten und auf der anderen Seite die Prozesse wieder fachsystematisch und damit unzusammenhängend in Teilprozesse zerlegen. Das führte zu einer völlig neuen Konzeption und Kooperation von Fächern und schulischem Modellunternehmen. Zwei große Bereiche wurden eingeführt:

•  Lernen im Modellunternehmen (LiM)

•  Lernen am Modellunternehmen (LaM)

Der entscheidende und „kopfzerbrechende Schritt“ bestand nun darin, Fächer tatsächlich im Bereich LaM aufzulösen und bestimmte Fachinhalte in Kursen auszugliedern. Eine weitere wichtige Überlegung war in diesem Zusammenhang, wie die Verbindung zwischen LiM und LaM gewährleistet werden kann.

Abbildung 6 zeigt die Konzeption. Da sich u. E. nicht alles integrieren lässt, wurden die großen Bereiche

•  LaM,

•  LiM,

•  Wirtschaft und Gesellschaft und

•  Sprache und Kommunikation

aufgebaut.

Darüber hinaus wurden die Kurse

•  Sport,

•  Finanzbuchhaltung

•  Textverarbeitung (nur Grundlagen) und

•  Wahlpflichtkurse

eingerichtet.

Das verbindende Element zwischen den Bereichen und Kursen sind so genannte Lernsituationen (in unserer Konzeption hat der Begriff aber nichts gemeinsam mit dem aus der Lernfeldkonzeption). Lernsituationen enthalten die Gemeinsamkeiten zwischen den Bereichen und Kursen. Eine gemeinsame Zeit und Inhaltsplanung im Curriculum und Kollegium sorgt für eine übergreifende Umsetzung. Das verweist darauf, dass neben einer inhaltlichen Planung das Kollegium in den curricularen Prozess eingebunden werden muss. Unsere Schule ist deshalb auf ein Teamkonzept umgestellt worden (EinzelkämperInnen sind bekanntlich keine „ProzessarbeiterInnen“).

Im Folgenden werde ich mich auf die Bereiche LiM und LaM konzentrieren. Abbildung 6 zeigt, dass die Finanzbuchhaltung als Kurs aus dem Konzept ausgelagert wurde. Hier ist unmittelbar ein Effekt aus den von mir eingangs beschriebenen neuen Entwicklungen in die curriculare Konzeption eingegangen. Das System der doppelten Buchführung ist unter den oben beschriebenen Annahmen eher hinderlich und sollte im Modellunternehmen nur noch – wenn überhaupt – bereichsbezogen eine Rolle spielen. Anders verhält es sich mit dem Rechnungswesen; einem Rechnungswesen dessen Ansatz die Steuerung von Unternehmensprozessen impliziert. Diese Teile haben wir in das Curriculum im Rahmen von LiM und LaM integriert. Das Controlling spielt in dem von mir vorgestellten Ansatz eine das schulische Modellunternehmen steuernde zentrale Rolle.

Abbildung 7 gibt einen Gesamtüberblick. Es wird zunächst deutlich, dass die „alten“ Fächer Wirtschaftslehre (Teile befinden sich auch in dem Bereich „Wirtschaft und Gesellschaft“), spezielle Wirtschaftslehre (hier das Fach Bürowirtschaft), Rechnungswesen (ohne Finanzbuchhaltung) und die Datenverarbeitung in den Bereichen LiM und LaM zusammengefasst wurden. Prozessorientierung bedeutet also in diesem Kontext Fächerauflösung. Die Lernsituationen sind das verbindende Element zwischen den Fachinhalten und gleichzeitig die Klammer zwischen LiM und LaM. Einen weiteren – schon angedeuteten – Zusammenhang bildet die Teamorientierung in unserer Schule. Da das Lernen im Modellunternehmen geteilter Unterricht (10 Wochenstunden) und das Lernen am Modellunternehmen ungeteilter Unterricht (8 Wochenstunden) ist, übernimmt ein/e Kollege/in aus LiM 4 Wochenstunden und der/die andere Kollege/in aus LiM die anderen 4 Wochenstunden in LaM. So ergibt sich neben der Prozessklammer auch der Zusammenhang über das LehrerInnenpersonal. Regelmäßige in die Schulorganisation integrierte Teamtreffen der KollegInnen runden die Zusammenarbeit und den inhaltlichen Zusammenhang ab.

Die curriculare Konstruktion zwischen LiM und LaM sieht vor, dass in LiM die Arbeitsprozesse in den Bereichen Einkauf, Vertrieb, Produktion, Personal durchgeführt und in LaM diese Prozesse zeitlich abgestimmt (aggregiert) reflektiert (systematisiert) werden (vgl. Abb. 8).

Entsprechend dem Prinzip vom Einfachen zum Schweren haben wir für die beiden Bereiche LiM und LaM ein spiraliges Curriculum entwickelt. Abbildung 9 zeigt für eine ausgewählte Lernsituation die prozessorientierte Konstruktion. In Abbildung 10 wird dann der Prozess spiralig fortgesetzt, d. h. komplettiert. Die zum Teil über drei Ausbildungsjahre spiralig aufgebauten Prozesse wurden dem Stand der Software und dem Rahmenplan für die Ausbildungsberufe angepasst.

LiM und LaM gehören also in unserer Konzeption zusammen. Dieser integrative Ansatz ist gleichbedeutend mit echter Lernortkooperation und Ausbildung aus einem Guss. Im ersten Jahr der Ausbildung werden die Grundprozesse insbes. im Absatz- und Beschaffungsbereich aufgebaut. Das Verständnis ist notwendig, um später die abstrakten und komplexen Sachverhalte im ERP-Programm zu erkennen.

 

4. Das Arbeiten mit Prozesssteuerungssoftware und prozessorientiertem spiraligem Curriculum im schulischen Modellunternehmen

In unserer Schule wird das Lernen im Modellunternehmen in zwei große Phasen unterteilt. Im ersten Jahr der Ausbildung werden die SchülerInnen in den Absatz- und Beschaffungskreislauf eingeführt. Dazu arbeiten sie in arbeitsgleichen Filialen eines Unternehmens. Begrifflichkeiten und Arbeitsstrategien lehnen sich schon an das eingesetzte ERP-Programm an, aber ein solches kommt aber erst am Ende des ersten Jahres zum Einsatz. Nach der Analyse der Prozesse im ersten Jahr mit der entsprechenden BPMS-Software (ARIS) wird das ERP-System, begleitend zur Arbeit im Modellunternehmen, eingeführt. Durch den Einsatz ändern sich die Arbeitsprozesse und damit die Struktur des Modellunternehmens. Prozessorientiertes Arbeiten verändert notwendigerweise die Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens und damit des Modellunternehmens. Zusätzlich zum Verkauf von Handelsware tritt im 2. Jahr der Ausbildung die Produktion. Die ausbildungsbegleitende Kosten- und Leistungsrechnung wird im Rahmen des Controllings im ERP-Programm weiter aufgebaut. Außerdem wird das Modellunternehmen um die Abteilung Personal erweitert.

In der Einführungsphase des Modellunternehmens werden die SchülerInnen in die grundlegenden Kernprozesse eines Unternehmens im Rahmen von Verkaufen und Einkaufen eingeführt. Über einen Probedurchlauf lernen Sie den Datenkranz (ein Thema für sich) und die entsprechenden Formulare (Artikelkarten, Kreditoren- und Debitorenlisten usw.) kennen. Die Prozesse werden hier schon bildlich und in Listen aufgearbeitet.

Der folgende Auszug dient nur zur Verdeutlichung der grundsätzlichen Arbeitsweise zwischen dem Lernen im und am Modellunternehmen.

LiM

In jeder Schicht müssen entsprechend den Anforderungen die Formulare geführt und ggf. ergänzt werden (z. B. die Artikelkarte). Es empfiehlt sich die Formulare parallel zum einzelnen Vorgang zu vervollständigen. Entsprechend der Gestaltung der Formulare ist das EDV-Wissen zu erweitern (z. B. bei der Artikelkarte die Tabellenkalkulation: Erstellen von Tabellen im Arbeitsblatt, Benennen von Tabellen, Kopieren von Tabelleninhalten, Formeln auch über mehrere Tabellen). (Die Datenverarbeitung ist in das Modellunternehmen integriert. Die DV ist ein Werkzeug; kein Lernen auf Vorrat.)

In jeder Schicht der Lernsituation ist die finanzielle Situation der Bärio GmbH zu prüfen. Das kann in LiM und/oder in LaM durchgeführt werden. Es sollte regelmäßig kontrolliert werden:

- Umsatz (auch nach Kunden)

- Wareneinsatz

- Betriebserfolg (auf der jeweiligen Wissensstufe)

- Skontoerträge und -aufwendungen

- Liquidität (auf der jeweiligen Wissensstufe)

- offene Posten (auch in Zusammenhang mit der Liquidität)

- Lagerbestände und -kennziffern (auf der jeweiligen Wissensstufe)

Die SchülerInnen sollen im Laufe der Zeit eine Tabelle entwickeln, in der alle Kennziffern enthalten sind und diese immer am Ende einer Sitzung, sofern Vorgänge vorhanden sind, ausfüllen. Diese Tabelle sollte eine Diskussionsgrundlage in LaM zur Reflexion sein.

Der Anstoß der prozessorientierten Arbeit im Lernbüro erfolgt durch Kundenaufträge . Im ersten Teil handelt es sich um Aufträge, für die ausreichende Mengen vorhanden sind. Es wird ein transparenter Markt unterstellt. Bestimmte Artikel in den Stammdaten haben einen ausreichenden Lagerbestand. Damit ist unser Modellunternehmen in diesem Teil der Schicht 1 ein reiner Mengenanpasser. Die Steuerung durch die Lehrer erfolgt nur über die Menge. In der gesamten Schicht 1 gibt es keine Skonti und Rabatte oder sonstige Preisverhandlungen und -differenzierungen! Die SchülerInnen lernen den Kundenauftrag kennen und prüfen diesen auf Vollständigkeit. Die SchülerInnen vervollständigen die notwendigen Listen zur Erfassung des Warenverkehrs unter Berücksichtigung der Formulare aus der Lernsituation.

LaM (hier zeitlich parallel zum vorher beschriebenen LiM)

Das Lernen am Modellunternehmen orientiert sich in dieser Lernsituation hauptsächlich an der Arbeit im Modellunternehmen. In dieser Lernsituation werden vorwiegend Prozesse aus dem Absatz- und Beschaffungsbereich abgebildet und analysiert. Deshalb muss LaM sich an diesen Prozessen orientieren. Die Vorgänge aus LiM und deren Aggregation sind die Basis für den Unterricht in diesem Bereich und sollten genutzt werden. Auswertungen aus dem Bereich des Rechnungswesens/Controlling finden in LaM statt. Im Prinzip sollte wöchentlich auf die Prozesse aus LiM eingegangen werden und Richtlinien für die Arbeit entwickelt werden. LaM erweitert aber die Prozesse um angepasste fachsystematische Elemente. So wird nicht immer eine Reduktion auf LiM sinnvoll sein. Diese Erweiterungen bedeuten aber nicht, dass das jeweilige Thema erschöpfend fachsystematisch bearbeitet ist. Anknüpfend an Lernsituation 4 werden die Formulare aus dem Modellunternehmen noch einmal auf ihren Inhalt überprüft. Über die Formulare wird die Willenserklärung (nur Definition) behandelt. In dieser Schicht geht es nur um die Definition und nicht um die erschöpfende fachsystematische Behandlung des Themas.Über die Formulare wird weiterhin die Entstehung des Kaufvertrages – im Rahmen des schulischen Modellunternehmens – erarbeitet. Dazu gehört auch das Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft . Da im Modellunternehmen Kundenaufträge vorliegen, können anhand der Aufträge der Deckungsbeitrag (pro Stck. und gesamt), Wareneinsatz und fixe und variable Kosten erklärt werden. Postein- und -ausgang werden parallel behandelt .

Aus der obigen Darstellung wird die Abstimmung zwischen LiM und LaM, das Zusammenspiel zwischen Arbeitsprozess- und Systematisierung und die Spiraligkeit deutlich. Leider reicht der mir zur Verfügung stehende Platz nicht aus, weitere Beispiele zu beschreiben.

Die weiteren Schritte im ersten Jahr:

•  Preispolitik

•  Mengen- und Preispolitik

•  Störungen

•  Angebotsvergleich (Kalkulation), auch ökologisch

•  Einführung von ARIS

•  Einführung von ERP-Software

Entscheidend für die gesamte Konzeption ist die Steuerung des Modellunternehmens durch die LehrerInnen. Nur so ist gewährleistet, dass zur rechten Zeit am rechten Ort die richtige Aktion stattfindet (der Anschluss des Modellunternehmens an einen Übungsfirmenring ist dshalb nicht gewünscht). Am Ende des ersten Jahres können die SchülerInnen alle wesentlichen Prozesse eines Handelsunternehmens einschließlich wesentlicher Störungen abbilden und abwickeln. Kernprozesse im Ein- und Verkauf werden schon mithilfe eines ERP-Programms durchgeführt. Die SchülerInnen arbeiten durchgängig in Teams. In der Phase I ist es nicht zulässig die Arbeit so zu teilen, dass am Schluss nur bestimmte Personen bestimmte Prozesse ausführen können.

Nach dem 3-monatigen Praktikum werden alle Prozesse mithilfe der ERP-Software abgewickelt. Danach werden ausgewählte Prozesse (insbesondere auf Kunden bezogene Prozesse) des ersten Jahres mit denen des zweiten Jahres mit ERP-Einsatz verglichen. Auswertungen aus ARIS vergleichen die Tätigkeiten unter verschiedenen Gesichtspunkten (Zeiten, Organisationswechsel, Anwendungswechsel). Erst jetzt wird der Sinn einer Prozessoptimierung deutlich (IST-Aufnahme > Optimierung > neue Prozessgestaltung > Kontrolle und Effekt).

Parallel zur Prozessoptimierung wird in LaM die Abteilung Personal mit ERP-Unterstützung aufgebaut, die dann nach Komplettierung der Prozesse im Rahmen der ERP-Software in das Modellunternehmen eingeführt wird.

Das Arbeiten mit einem ERP-Programm verändert die Struktur des Modellunternehmens. Waren es im ersten Jahr sechs Filialen eines Großhandelsunternehmens, existieren jetzt drei Profitcenter (die auch so in SAP R/3 abgebildet werden). Diese Profitcenter kaufen und verkaufen Ware. Das ist zunächst so gewollt, damit alle SchülerInnen die kompletten Prozesse kennen lernen. Erst nach einer gewissen Zeit wird der Einkauf den Profitcentern entzogen und in einer Abteilung konzentriert, um so auch reale Strukturen zu legen. Durch intensive Diskussionen über Organisationsaufbau und betiebliche Abläufe (LaM) werden die SchülerInnen die Organisation und deren Optimierung selbst in die Hand nehmen. Das Modellunternehmen wird erneut angepasst. Während die SchülerInnen die Prozesse in der neu angepassten Version durchführen, entwickelt LaM ein Szenario zur Produktion, das dann in LiM eingeführt wird. Es wird in der Konzeption deutlich, dass über LaM die strategischen Entscheidungen (Managemententscheidungen) gefällt werden, die dann operativ in LiM computergestützt umgesetzt werden. Dazu nutzt auch LaM die ERP-Software, die über ein hervorragendes Reporting verfügt. Die Zahlen aus LiM werden zur Basis von Entscheidungen in LaM. Die SchülerInnen lernen also an ihren eigenen Arbeitsprozessen. Die Zahlen und Prozesse sind ihnen vertraut und die Motivation, diese Zahlen kostenrechnerisch zu verstehen, interpretieren und in Entscheidungen für das Modellunternehmen umzusetzen, ist hoch.

 

5.  Schlussbemerkung

An den Ausführungen ist deutlich geworden, dass Berufsausbildung nicht unberührt bleiben darf von neuen Softwareentwicklungen und der Umsetzung derselben in den Unternehmen. Die neueren Tendenzen des ERP-Software-Einsatzes und der Prozessorientierung sind so massiv, dass sie nicht mehr ignoriert werden können. Dennoch scheinen kaufmännische Curricula noch weit davon entfernt. Es ist nicht damit getan, dass in Curricula der Begriff der Prozessorientierung mehr oder weniger zufällig auftritt oder im schlimmsten Fall gar nicht. Prozessorientierung ist die Arbeit mit neuerer Software der beschriebenen Art, da sich in ihr das betriebswirtschaftliche Gedankengut, wie es heute in Unternehmen gefragt ist, befindet und durch die Systematisierung von Arbeitsprozessen herausgearbeitet werden muss. Deshalb steht die Berufsausbildung – ob sie will oder nicht – vor einem Paradigmenwechsel und es ist äußerst fraglich ob der schwerfällige „Körper“ der dualen Ausbildung in der Lage sein wird, die notwendigen Anpassungsprozesse vorzunehmen. Besonders bedauerlich ist die Prüfungspraxis der Kammern. Das ganze prozesslose und damit unzusammenhängende Ankreuzen von Aufgaben vom Nordverbund bis AKA (in den von uns ausgebildeten Berufen) wird mit Sicherheit die Qualität der Ausbildung nicht erhöhen, sondern das Gegenteil bewirken. Das alles ist bedauerlich und fügt der Berufsausbildung m. E. schweren Schaden zu.

Ich hoffe weiterhin, dem Leser des Artikels einen Eindruck von unserer Arbeit gegeben zu haben, den verkrusteten Inhalten kaufmännischer Curricula (und auch Methoden) entgegen zu treten. Außerdem hoffe ich verdeutlicht zu haben, dass die „Bewegung“ der Lernbüros nicht zum Stillstand gekommen ist. Es wird fleißig an einer Zukunft (auch europäisch) gearbeitet. Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung und freuen uns über tatkräftige Unterstützung von allen Seiten. In diesem Sinn freue ich mich auf ein konstruktives Feedback.

 

Literatur

BAETHGE, M./ OBERBECK, H. (1986): Zukunft der Angestellten. Neue Technologien und berufliche Perspektiven in Büro und Verwaltung. Frankfurt/Main, New York.

GADATSCH, A. (2003): Grundkurs Geschäftsprozessmanagement. Wiesbaden.

von THIENEN, L. (2006): Warum Prozesse wichtiger sind als IT. Online: http://www.gmx.net/de/themen/beruf/karriere/business/2183878.html (22.04.2006).