Als Juniorfirma bezeichnet man eine Form der betrieblichen Ausbildung, in der ein Team von Lernenden im Rahmen der Lehrfirma eine eigene kleine Firma führt, unter dem schützenden Dach der Lehrfirma, deren Ausbildnerinnen und Ausbildner die Lernenden coachen.
So waren Juniorfirmen gedacht und so werden sie auch manchmal realisiert. In der Regel werden aber nicht alle Elemente des Modells übernommen. In der Schweiz konnten wir etwa ein Dutzend solcher Modelle eruieren, die von Studierenden im Rahmen des Lehrgangs IKT-Lehrpersonen der PH Zürich besucht wurden.
Wir behandeln hier ausschließlich Juniorfirmen als Teil der beruflichen Grundbildung. Daneben gibt es viele allgemein bildende Schulen, die mit Hilfe ähnlicher Modelle ein Stück Betriebswirklichkeit in ihre Ausbildung integrieren wollen.
Die ersten Juniorfirmen sind im Rahmen der kaufmännischen Ausbildung in der Zahnradfabrik Friedrichshafen 1975 entstanden. (FIX 1989) Das Umfeld beschreibt der Vater dieser Idee wie folgt: „Ein Kennzeichen der betrieblichen Lehrlingsausbildung in Großbetrieben ist oft ein gewisses Praxisdefizit, das sich allmählich verstärkt. Die Komplexität eines modernen Industriebetriebs erschwert eine Transparenz betrieblicher Abläufe.“ (FIX 1984, 145).
ERMELING lokalisiert diese Innovation im Umkreis der Reformpädagogik und der Arbeitsschulbewegung: „Im Rahmen der beruflichen Erstausbildung stellen ‚Juniorenfirmen' ... projektartige, Erlebnischarakter aufweisende Formen des selbst gesteuerten Handlungslernens dar. Juniorenfirmen sind ursprünglich aus der Auseinandersetzung mit schulpädagogischen Methoden entstandene Projekte, um Verschulungstendenzen in der Berufsausbildung entgegenzuwirken.“ (ERMELING 2001, 292)
Andere verweisen auf Dewey und den Grundsatz ‚Learning by doing'. „Der pädagogischen Begründung der Methode Juniorfirma liegt ein uraltes didaktisches Prinzip zu Grunde, nach dem der Lernerfolg dann gesteigert werden kann, wenn sich die Lernenden die Lerninhalte aktiv handelnd am real-konkreten Gegenstand erarbeiten. Dieses Prinzip des „Learning by doing“ geht zurück auf Pädagogen wie Rousseau, Pestalozzi, Kerschensteiner, die das „Erfahrungslernen“, den „bildenden Wert der Arbeit“ und die „Selbstfindung der Erkenntnisse“ betont haben. So findet bereits 1796 ein selbstverwalteter Schülerladen in einer Leipziger Bildungsanstalt Erwähnung. Noch intensiver und moderner wird das handlungsorientierte Lernen allerdings bei Dewey begründet, der jegliche Versuche einer naturalistischen Abbildung vermeidet und Lernen als erster Pädagoge konsequent als konstruktives Handeln versteht.“ (REICH o. J., 3). In dieser Tradition steht auch folgende didaktische Begründung der Juniorfirmen: „In ihrer Juniorenfirma werden die Lernenden stets vor komplexe Aufgaben gestellt, die sie zunächst nicht lösen können. ... Die selbständige Arbeits- und Lernkultur in einer ‚richtigen' Firma, die Bearbeitung ‚echter' Aufträge und der Kontakt zu ‚realen' Kunden motiviert die Lernenden jedoch derart, dass sie sich dieser Aufgabe stellen und bei deren Bearbeitung, unterstützt durch die jeweiligen Hilfestellungen, erhebliche Lernfortschritte erzielen. Notwendiges Fachwissen erarbeiten sie sich hierbei weit gehend selbständig ... Bei Bedarf holen sie sich fachlichen Rat bei ihren Betreuern – den Lehrern oder Ausbildern.“ (DIPPL et al. 2004, 25) Die Juniorfirma geht aber noch einen Schritt weiter, „indem sie Lernen unter Realbedingungen ermöglicht und damit einem alten didaktischen Prinzip folgt, dass Lernerfolge dann gesteigert werden, wenn Inhalte persönliche Relevanz haben und der unmittelbare Nutzen für das eigene Handeln erkennbar ist.“ (ebda., 44)
Bestand die Zielsetzung anfänglich in der Überwindung von verschultem Lernen, insbesondere in der kaufmännischen Ausbildung, so änderte sich im Laufe der Zeit die dominante Zielsetzung: Juniorfirmen sollen nun Lehrlingen ermöglichen, ihre sozialen und methodischen Qualifikationen, insbesondere im Bereich der Betriebsführung (Entrepreneurship), zu entwickeln. Diese Ausbildungsmethode „entspricht den Forderungen nach mehr Schlüsselqualifikationen, Selbständigkeit und berufsübergreifenden Kompetenzen. Vor allem zielt sie auf eine Förderung des unternehmerischen Denkens und Handelns.“ (ebda., 7)
Teilweise gewollt, teilweise auch nicht – Juniorfirmen stellen oft ein Mittel zur speziellen Förderung leistungsstarker Jugendlicher dar. In einigen Firmen werden die besten Lehrlinge eingeladen, in einer Juniorfirma mitzuarbeiten, in anderen entscheiden die Mitarbeitenden der Juniorfirma aufgrund eines Bewerbungsverfahrens, welche Lernenden sie neu in ihre Firma aufnehmen. (vgl. DIPPL et al., 24).
Juniorfirmen werden aber auch eingerichtet, in der Erwartung, dass damit die Nettokosten der Ausbildungsabteilung gesenkt werden können. DIPPL et al. begründen: Die Juniorenfirma ist „eines der wenigen Ausbildungskonzepte, das Geld einspielt und sich somit perspektivisch refinanziert. Je nach Geschäftsfeld können die Auszubildenden mit ihrer Firma zudem einen Beitrag zur Wertschöpfung im Unternehmen leisten, indem sie zum Beispiel interne IT-Dienstleistungen anbieten oder einen Mitarbeiter-Shop betreiben.“ (ebda., 37)
Gemäß REICH existierten Ende der 1990er Jahre in Deutschland etwa 300 Schüler- und 60 Juniorfirmen. Der Schwerpunkt liegt nach wie vor bei der kaufmännischen Berufsausbildung und bei Großfirmen. Es gibt aber auch Ausbildungsverbünde, die mit Juniorfirmen ausbilden (vgl. ERMELING 2001, 261). Eine aktuelle Übersicht soll gemäß Literatur die Site www.juniorenfirmen.de geben, die aber zurzeit nicht in Betrieb ist.
Juniorfirmen im beschriebenen Sinne sind eine Maßnahme im Rahmen der praktischen Ausbildung in der beruflichen Grundbildung. Wir unterscheiden sie damit von Maßnahmen allgemein bildender Schulen der Sekundarstufe I oder II, wie sie beispielsweise von Gymnasien im Rahmen des Wirtschaftskundeunterrichts betrieben werden oder im Rahmen von Berufsvorbereitungsjahren, vgl. zum Beispiel die Site der Organisation Junior Achievement Young Enterprise Europe www.ja-ye.org .
Die Mitglieder von Juniorfirmen (in Deutschland Juniorenfirma genannt) „bearbeiten reale Aufträge, bieten reale Dienstleistungen an oder produzieren reale Güter. Das heißt, im Gegensatz zu Lernbüros oder Übungsfirmen ist die Juniorenfirma durch reale Waren- und Geldströme gekennzeichnet. Hier wird nichts simuliert.“ (DIPPL et al. 2004, 21). Damit grenzt sich diese Methode auch von den so genannten Scheinfirmen ab, wie sie in der Schweiz unter dem Patronat des Schw. Kaufmännischen Verbandes betrieben wurden. Wie für die Scheinfirmen existiert aber ein internationales Netz. JeeNet bietet die gemeinsame, internetbasierte Lern- und Arbeitsplattform JOMP an (vgl. auch www.lehrer-online.de/url/jeenet). Sie ist Ergebnis zweier deutscher Modellversuche zur „Integration von neuen, virtuellen Geschäftsformen unter Zuhilfenahme der Neuen Medien, die unter Begriffen wie ,e-commerce' und ,e-business' subsumiert werden, in die kaufmännische Berufsausbildung. Zu diesem Zweck wird ein virtuelles Netzwerk von schulischen und betrieblichen Juniorenfirmen geknüpft, in dem die Schülerinnen, Schüler und Auszubildenden selbständig reale Aufträge bearbeiten.“ ( www.jeenet.de )
In der Schweiz existierte unseres Wissens bisher keine Untersuchung zu Juniorfirmen (Im Rahmen eines Projekts der Deutschschweizer Berufsbildungsämter-Konferenz, finanziert vom Bund als Projekt des Lehrstellenbeschlusses I, wurden sie zwar als Maßnahme zur Förderung von leistungsstarken Jugendlichen bekannt gemacht (DBK-LEHRSTELLENPROJEKT 1999, WETTSTEIN 2000) und als Ergebnis davon an einer Tagung der Churer Fachhochschule über die Förderung des Entrepreneurships dargestellt (MINDER 2000).). Studierende des Lehrgangs „IKT-Lehrpersonen“ haben nun im Rahmen einer Veranstaltung der Pädagogischen Hochschule Zürich versucht, einen Überblick über einschlägige Maßnahmen in der Schweiz zu gewinnen. (Die Studierenden des Theoriemoduls „Einführung in die Berufspädagogik“, WS 02/03 des IKT-Studienganges haben mir erlaubt, ihre Resultate hier darzustellen. Ich danke dafür Markus Bürgler (ALU-Menziken) Thomas Fahrni (Lernzentren Baden), Emil Furrer (Login), Michael Gehri (Ascom), Rolf Hirschi (MSW), Fritz Rhyner-Zollinger (Mettler), Michael Schneider (SBW, SIG/GF), Walter Steiner (Coiffeure Pierre), Matthias von Orelli (die Post).)
Die Studierenden hatten den Auftrag, anhand eines Interviewleitfadens festzustellen:
Wie weit ein bestimmtes Modell den Merkmalen einer Juniorfirma entspricht.
Wie sich die Juniorfirma in das System Betriebslehre einordnet.
Welche Erfahrungen der Betrieb mit Juniorfirmen gemacht hat.
Juniorfirmen wurden dabei wie folgt charakterisiert:
Es wird ein Produkt hergestellt, eine Dienstleistung erbracht, für deren Erwerb bezahlt wird (keine Scheinfirma).
Dieses wird von der Juniorfirma an Mitarbeitende der Mutterfirma und/oder an Außenstehende vermarktet.
Die Juniorfirma umfasst typische Funktionen eines Unternehmens: Einkauf, Planung, Produktion, Marketing, Vertrieb, Personalwesen, Rechnungswesen, Vertretung nach außen.
Es handelt sich um ein kleines Unternehmen im Rahmen des Lehrbetriebs.
Das Unternehmen wird von Lernenden selbständig geführt.
Es ist eine Aufbauorganisation zu erkennen: Jemand leitet die Firma, jedes Mitglied hat bestimmte Funktionen.
Die Lernenden machen dies im Rahmen ihrer beruflichen Grundbildung (Berufslehre), nicht im Rahmen einer schulischen Ausbildung (Schülerfirma).
Die Tätigkeit der Juniorfirma ist Teil der praktischen Ausbildung im Rahmen der beruflichen Grundbildung.
Die Lernenden werden vom Ausbilder gecoacht, unterstützt.
Die Mitarbeiter der Juniorfirma profitieren von einem allfälligen Gewinn aus der Geschäftstätigkeit.
Ein besonderer Wert wurde auf die Fragen gelegt, welche Verantwortung die Lernenden zu übernehmen haben und wie sie von den Lehrenden unterstützt (gecoacht) werden, weil dem Übertragen von Verantwortung im Rahmen der Handlungspsychologie eine besondere Bedeutung zugemessen wird.
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Abklärungen zusammenfassend wiedergegeben. Detailliertes Material ist für die meisten Modelle via Internet erhältlich (www.bbprojekte.ch/files/taetigkeit/information/verweise.pdf ).
Die Firma gründete 1997 das „Ausbildungszentrum Wynental“ AZW, in dem Kaufleute, Polymechaniker, Konstrukteure und Mechapraktiker ausgebildet werden. Die Kaufleute bleiben drei Monate im AZW, die Lernenden in den übrigen Lernberufen zwei Jahre. Anschließend treten sie zu Vertiefungsausbildungen in ihre Lehrbetriebe über.
Das AZW bezeichnet ihr Ausbildungsmodell als Juniorfirma, weil die Lernenden – soweit es der Ausbildungsplan zulässt – Aufträge von Dritten ausführen und dabei eine hohe Eigenverantwortung betreffend Arbeitsqualität und Termineinhaltung übernehmen. Es werden also Produkte und Dienstleistungen erbracht, für deren Erwerb die Kunden zahlen. Es besteht auch eine gewisse Aufbauorganisation, indem Lernende im zweiten Lehrjahr erste Ansprechpartner ihrer jüngeren Kolleginnen und Kollegen sind. Nur wenn Probleme durch Gespräche mit älteren Lehrlingen nicht gelöst werden können, werden sie den Ausbildnern vorgelegt.
Das von ASCOM und der Post betriebene „Berufsbildungscenter Bern“ (www.berufsbildungscenter.ch ) bildet pro Jahr rund 100 Automatiker, Elektronikerinnen, Informatiker, Kauffrauen, Konstrukteure und Polymechanikerinnen aus. Das Berufsbildungszentrum übernimmt die Basisausbildung und je nach Wunsch der Lehrfirmen weitere Aufgaben. Wichtigste Lehrfirmen sind ASCOM und Die Post.
Vier Formen der betrieblichen Ausbildung entsprechen teilweise dem Modell der Juniorfirma:
In der „Junior Factory“ führen Lernende Einzel- und Serienfertigungen durch, wobei sie von der Offerte über die Entwicklung und die Konstruktion bis zum fertigen Produkt alles übernehmen. Ein Lernender ist Kontaktperson für die Kunden. Beispiele von Produkten sind Webauftritte, Präsentationen, Produktionen.
Unter dem Titel „Juniorpower“ übernehmen Lernende Kurzeinsätze und vermieten Ausbildungsräume.
Der „PC-Shop“ liefert PCs zu günstigen Konditionen. Eine lernende Person (Informatiker) – in Zukunft drei – sind fix hier eingeteilt.
Unter dem Titel „P-Quest“ übernehmen speziell geschulte Lernende Ausbildungen für einen Kunden. Insbesondere führen sie Schulungen im Softwarebereich durch, beispielsweise zu den Officeprogrammen.
Bei allen vier Modellen liegt die Verantwortung für das Produkt – bedingt durch die Zeichnungsberechtigung – beim Coach.
Die Lernenden sind im Allgemeinen sechs Monate in einem dieser Modelle tätig. Es werden nur „gute Lehrlinge“ eingesetzt, weil der Ruf der Firma auf dem Spiel steht. Für den PC-Shop besteht eine grosse Motivation, bei den Übrigen müssen die Jugendlichen meist vorerst überzeugt werden, damit sie das Mehr an Arbeit und Verantwortung übernehmen.
Pierre Binkert baute in den letzten dreißig Jahren unter der Bezeichnung „Hairstylist Pierre“ eine Kette von Coiffeursalons auf, in der zurzeit total 146 Mitarbeitende beschäftigt sind, davon 46 Lernende. Im ersten Jahr der Lehre liegt der Schwerpunkt bei Ausbildung und Handreichungen. Im zweiten und dritten Jahr sind die Lernenden teilweise oder ganz im jeweiligen „Hairstudio P2“ tätig, den Juniorfirmen des Unternehmens. Im vierten Jahr arbeiten sie dann zu ihrer Perfektionierung ihrer Ausbildung im offiziellen Coiffeursalon.
Die Juniorfirma „Hairstudio P2“ hat auf dem Markt einen eigenen Auftritt und richtet sich an Jugendliche, dank lockerem Ambiente und „supergünstigen Preisen“. Die Lernenden sind unter der Leitung eines ausgelernten „Hairstylisten“ selbständig tätig. Sie akquirieren Kunden, übernehmen Einkauf und Planung und werden dabei vom Ausbilder gecoacht und unterstützt. Sie sind zu mindestens einem Viertel der betrieblichen Ausbildung in der Juniorfirma tätig. Ein Gewinn stellt einen Rückfluss der Investitionen der Firma dar, eine erfolgreiche Tätigkeit lohnt sich aber auch für die Lernenden.
Im Rahmen der kaufmännischen Grundausbildung wird unter dem Titel „Power team“ ein Pilotprojekt geführt, in dem jeweils ein Team von Lernenden einen Prozess selbständig bearbeitet. Rotierend übernimmt jeweils ein Teammitglied die Leitung und sorgt für eine kundengerechte Durchführung der Prozesse.
Die Basisausbildung der Lernenden in den Lernzentren LfW ist in so genannten Kleinfirmen organisiert. Es handelt sich um beruflich gemischte Gruppen, bestehend beispielsweise aus drei Polymechanikern, zwei Automatikerinnen, einem Elektroniker und einer Ausbilderin als Coach. Die Lernenden in den „KUs“ stellen selbständig ein Produkt her oder erbringen eine Leistung, wozu eine Aufbauorganisation besteht und die Lernenden eine große Verantwortung übernehmen. Die Vermarktung der Arbeit liegt beim Coach des gleichen, die eigentliche Führung der KUs.
Login ist das Ausbildungszentrum der schweizerischen Bahnen und verwandter Unternehmen. Seit 2002 werden Modelle der betrieblichen Ausbildung realisiert, die viele Elemente von Juniorfirmen aufnehmen.
„Junior Business Teams (JBT): Teams von Lernenden im Bereich der kaufmännischen Ausbildung führen die Raumverwaltung des Ausbildungszentrums, sind für die Berufsinformation zuständig und administrieren die Rekrutierung neuer Lernender.
An verschiedenen Ausbildungsorten gibt es „Junior Business Teams“ mit Lernenden unterschiedlicher Berufe
- Verkehrswegbauer (Gleisbauer), Kaufleute
- Polymechaniker, Mechapraktiker, Automatiker in der Grundausbildung, Kaufleute
- Gebäudereiniger, Logistikassistenten, Automatiker in der Praxisausbildung, Kaufleute „Junior Stationen“ (JS), Bahnhöfe, die von Lernenden (Kaufleuten) geführt werden, gecoacht von Ausgelernten, z. B. in Rheinfelden, Schlieren und Winterthur Seen.
Diese Modelle entsprechen in wichtigen Punkten der Idee der Juniorfirmen:
Es wird ein Produkt hergestellt, zum Beispiel ein Batterieprüfungsgerät, bzw. eine Dienstleistung erbracht, zum Beispiel die Bereitstellung von Schulungsräumen bzw. der Verkauf von Fahrkarten.
Kunden sind Außenstehende, im ersten Beispiel die SBB, im zweiten verschiedene Schulen und im dritten die Kunden eines Bahnhofs.
JBT üben typische (aber nicht alle) Funktionen eines Unternehmens aus: Einkauf, Planung, Produktion, Marketing, Vertrieb, Rechnungswesen, Vertretung nach außen.
Oft wird in Projektform gearbeitet. Dann ist ein Projektleiter bestimmt. Es ist also teilweise eine Aufbauorganisation zu erkennen.
Im Gegensatz zur ursprünglichen Auffassung von Juniorfirmen handelt sich aber auch hier nicht um rechtlich eigenständige Unternehmen, sondern um Abteilungen, allenfalls ‚Profitcenters' im Rahmen des Ausbildungszentrums Login.
Die Tätigkeit der Juniorfirma ist Teil der praktischen Ausbildung und nimmt im Durchschnitt etwa einen Viertel bis einen Drittel der Ausbildungszeit ein.
Im Rahmen der Lehrlingsabteilung führt die Firma Mettler-Toledo die virtuelle Firma „Vistasoft“ ( www.vistasoft.ch ). Damit soll den Lernenden ermöglicht werden, Erfahrung mit der Durchführung von Projekten zu erwerben, sich in der kostenbewussten und termingerechten Auftragsausführung zu üben und Qualitätsdenken zu entwickeln.
Das Modell existiert seit rund 15 Jahren und wird in den Berufsfeldern Polymechanik, Konstruktion, Informatik, Elektronik und kaufmännische Ausbildung eingesetzt. Im zweiten Lehrjahr nimmt die Tätigkeit in der Juniorfirma bis zu 50 % der Ausbildungszeit ein. Es werden dabei marktfähige Produkte hergestellt und vorzugsweise an Berufsschulen vermarktet.
Vistasoft ist rechtlich nicht selbständig, stellt aus Sicht der Lernenden jedoch ein eigenes Unternehmen dar. Teilbereiche werden selbständig verwaltet, die Gesamtleitung liegt jedoch beim Fachausbilder.
Im Rahmen des Betriebswirtschaftsunterrichts der msw-Winterthur werden die Lernenden regelmäßig beauftragt, eine Geschäftsidee zu entwickeln, den nötigen Businessplan dafür auszuarbeiten und – wenn möglich – ihn umzusetzen, indem sie eine Firma gründen. „Durch das Bilden von Gruppen à 3 bis 4 Personen werden ‚Firmen' gebildet. Diese Lehrlingsgruppen suchen nach einer Geschäftsidee, welche sie in einen Businessplan umsetzen. Jede Firma erhält nicht nur einen eigenen Namen, sondern auch eigene Strukturen. Dies erfordert von allen ein längeres zielorientiertes Denken und Handeln.
Die msw bezweckt mit dieser Zusatzausbildung ihre Lehrlinge in einem weiteren Schritt noch näher an die betriebswirtschaftliche Praxis heranzuführen. Die Lehrlinge lernen die Zusammenhänge und Informationsflüsse in einem Unternehmen besser kennen und verstehen. Sie sind später in der Lage einfachere Ideen marktorientiert und ohne Anleitung umzusetzen.“ (Markus LENHERR: http://www.lenherr.ch , hier unter Praxis / Businesspläne, wo auch eine Liste der „Firmen“ zu finden ist.)
Das nötige Kapital ist durch Sponsoring, Kreditgeber, Beteiligungen usw. zu organisieren. Die Lernenden arbeiten im Rahmen des BWL-Moduls während eines Semesters einen halben Tag pro Woche für die Firma. Sie lernen dabei die nötigen Tools kennen und können versuchen, ihre Idee umzusetzen. Einzelne dieser Juniorfirmen werden weit über die Dauer des Unterrichts hinaus mehr oder weniger erfolgreich geführt. Ein allfälliger Gewinn gehört den Lernenden. Die Juniorfirmen sind jedoch in die MSW eingegliedert und die Geschäftstätigkeit muss sich innerhalb der Schulpolitik bewegen.
Die Juniorfirma von Rieter AG heißt „Creative Solution“. Sie wurde 2002 gegründet und stellt in Kleinserien Designprojekte aus Metall wie Kerzenständer, CD-Ständer oder Vasen her, die über ein Händlernetz in der Region vertrieben werden. Die Firma wird von je zwei Konstrukteur- und zwei kaufmännischen Lehrlingen betrieben, die aus rund zwanzig Lernenden des letzten Lehrjahres selektioniert werden. Die Firma stellt eine selbständige Abteilung im Rahmen der Ausbildungsabteilung dar, der Umsatz betrug im ersten Jahr CHF 41.000, Gewinne oder Verluste werden der Lehrlingsausbildung verrechnet.
Das Ausbildungszentrum SBW Neue Medien AG führt unter dem Titel Mediaservices Center GmbH eine Juniorfirma mit eigener Rechtsperson, in der Mediamatiker-Lehrlinge während der ersten zwei Jahre ihrer dreijährigen Ausbildung tätig sind. Dieses Dienstleitungsunternehmen, das ausschließlich von Auszubildenden organisiert wird, führt im Auftrag von Unternehmen und öffentlichen Institutionen Projekte im Mediamatik-Umfeld durch. Anhand von konkreten Aufträgen lernen die Lehrlinge autonom, begleitet und unterstützt durch die Coaches.
Im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit konnte kein Kontakt mit den Verantwortlichen gefunden werden, so dass nichts Näheres bekannt ist.
selbständig Arbeiten in den Bereichen Netzwerke, Homepage, Schulungen, PZ und Server aus. Unter anderem bieten die Software "Lehrlings Info System" an, mit dem der Mehraufwand der neuen kaufmännischen Grundausbildung bekämpft werden soll.
Auch hier handelt es sich eher um ein relativ selbständiges Projektteam als um eine eigene Firma, dessen Einrichtung wie folgt begründet wird: „Die Grundausbildung muss sich an die Betriebswirklichkeit annähern. Deshalb leisten die Lehrlinge schon in der Grundausbildung produktive Arbeit, die jedoch unserer Ausbildungsphilosophie und Infrastruktur entsprechen muss.“ ( http://www.bzsiggf.ch/webs/bzalspartner/index. php?id=produktive_arbeit/automatik )
Deutsche und Schweizer Quellen zeigen: Juniorfirmen erfüllen den Zweck, für den sie von der jeweiligen Firma eingerichtet wurden: „Juniorenfirmen als sehr realitätsnahe Simulation von Unternehmen haben sich ... in der Praxis als wirksames Instrument zur Ergänzung insbesondere der kaufmännischen Ausbildung in Großbetrieben erwiesen. Ihre Wirkung entfalten sie ... insbesondere auf dem Gebiet der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen.“ (ERMELING 2001, 292). DIPPL et al. nennen elf Gründe, die für die Einrichtung einer Juniorfirma sprechen:
Die Auszubildenden lernen unternehmerisches Denken und Handeln, das heißt Kundenorientierung, Kostenbewusstsein, Selbstverantwortung, Eigeninitiative und so weiter.
Kommunikations- und Präsentationsfähigkeit werden trainiert.
Die Auszubildenden erhalten betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse durch problemorientiertes, ganzheitliches Lernen.
Teamfähigkeit und Sozialkompetenz werden gestärkt.
Es entstehen Synergien: voneinander und miteinander lernen.
Die Gemeinschaft der Auszubildenden festigt sich.
Personalmarketing und -recruiting der Ausbildungsabteilung werden unterstützt.
Die Chance, in einen festen Arbeitsplatz vermittelt zu werden, das heißt die Arbeitsmarktfähigkeit der Auszubildenden erhöht sich.
Das Image des ausbildenden Unternehmens wird durch positive Publicity gestärkt.
Das interne Marketing wird unterstützt und die Ausbildung erhält eine stärkere Lobby.
Hierarchische Differenzen werden gelockert – die Azubis sind Geschäftspartner.
Es findet konkrete Wertschöpfung und Refinanzierung statt. (vgl. DIPPL et al., 38f.)
Juniorfirmen und ähnliche Modelle eignen sich aber nicht für jede Situation. Die Erfahrung zeigt, dass ein relativ hoher Einrichtungsaufwand notwendig ist, unter anderem infolge der Schulung der Ausbildenden, die neue Rollen übernehmen müssen. Weiter ist eine anspruchsvolle Planung erforderlich, damit die im Vordergrund stehende Zielsetzung der Lehre – die fachliche Ausbildung – trotz der Orientierung an Aufträgen vollständig stattfindet. Die ursprünglich vorgesehene Orientierung an der kaufmännischen Ausbildung ist nicht mehr berechtigt. Die interessantesten, allerdings auch die anspruchsvollsten Umsetzungen basieren auf einem Lehrlingsteam, in dem verschiedene Berufe vertreten sind.
Juniorfirmen dürften angesichts der Ansprüche an deren Führung nur in Unternehmen mit eigener Ausbildungsabteilung und in Ausbildungsverbünden mit vollamtlichem Personal in Frage kommen. Sie sind aber wohl auch nur in solcher Umgebung sinnvoll. Letztlich versucht man ja damit all das wieder zu gewinnen, was im gewerblichen Kleinbetrieb selbstverständlich ist: einfache überschaubare Abläufe, Bearbeitung ganzer Aufträge (einschließlich Planung und Auswertung), Kundenkontakt, Einblick in betriebswirtschaftliche Zusammenhänge, Notwendigkeit eines unternehmerischen Handelns, reale Herausforderungen.
Anders gesagt: Die Simulation der Wirklichkeit ist dann erforderlich, wenn die Ausbildung nicht mit ähnlichen Zielsetzungen in der Wirklichkeit selbst erfolgen kann!
In der heute weit verbreiteten Form als selbständig arbeitende Gruppe innerhalb der Lehrlingsabteilung dürften Juniorfirmen – bzw. ihre moderne Umsetzung als „Junior-Profitcenters“ – aber auch in Zukunft eine interessante Bereicherung des Methodenrepertoirs der Ausbildung in beruflicher Praxis darstellen.
DBK-LEHRSTELLENPROJEKT „Angebote für Leistungsstarke“ (Hrsg.) (1999): Starke Lehren für starke Lehrlinge. 20 Firmen im Portrait. Luzern.
(Diese Publikation hatte eine größere Zahl von Presseberichten zur Folge, u.a. über die Modelle von Hilti und Alu-Menziken, vgl. die in I-BASIS gesammelten Publikationen, zugänglich u.a. über www.infopartner.ch )
DIPPL, Z. et al. (2004): Das Ausbildungskonzept Juniorenfirma. Ein Praxishandbuch für Betrieb und Schule. Nürnberg.
ERMELING, F. J. (2001): Die Berufspädagogik im Modernisierungsprozess, Berufspädagogik und Schlüsselqualifikationen, dargestellt anhand des Konzeptes der Juniorenfirma. Dissertation Kassel.
FIX, W. (1984): Die Projektmethoden in der betrieblichen Ausbildung, in: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.): Dritter Bayerischer Berufsbildungskongress. Nürnberg. 5. und 6. April 1984. Dokumentation. Bayreuth, 145-149.
FIX W. (1989): Juniorfirmen – Ein innovatives Konzept zur Förderung von Schlüsselqualifikationen, Berlin.
JEENET (o. J.): online: http://www.jeenet.de (10-06-2006).
KIB-NET. Konzept einer Juniorenfirma. http://www.kib-net.de/fix/Juniorenfirma/Download/Konzept.pdf (15-06-2006).
MINDER, A. (2000): So wie die Grossen. In Juniorfirmen lernen Lehrlinge unternehmerisches Verhalten. In: Panorama 3/2000, 26-28.
REICH, K. (Hrsg.) (o. J.): Methodenpool. Online: http://methodenpool.uni-koeln.de (Mai 2004).
WETTSTEIN, E. (2000): Förderung von leistungsstarken Jugendlichen in der Berufsbildung. In: Panorama 3/2000, 23-25.
Verwendete Online-Quellen (zuletzt aufgerufen: 15-06-2006)
http://www.bbprojekte.ch/files/taetigkeit/information/verweise.pdf
http://www.berufsbildungscenter.ch
http://www.bzlefi.ch/ueberuns.php
http://www.bzsiggf.ch/webs/bzalspartner/index.php?id=produktive_arbeit/automatik
http://www.juniorenfirmen.de (zum Zeitpunkt der Prüfung nicht erreichbar)