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 bwp@ Ausgabe Nr. 11 | November 2006
Qualifikationsentwicklung und -forschung für die berufliche Bildung

EQF als Transparenzinstrument und Erfahrungen komparativer statistischer Bildungsforschung


 

 


1. EQF und ISCED Konnex

Die Europäische Gemeinschaft fördert Mobilität in beruflicher und hochschulischer Bildung, um Kernziele der Arbeitsmarkpolitik zu realisieren. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Ausbildungstraditionen in europäischen Ländern wird hoher „Übersetzungsbedarf“ im Interesse vermehrter Transparenz der Ausbildungen, Abschlüsse und Qualifikationen konstatiert. Diesem soll insbesondere durch den EQF-European Qualifications Framework als umfassendem Bezugsrahmen für berufliche und hochschulische Aus- und Weiterbildung nachgekommen werden.

Hintergrund der hohen Erwartungen an den EQF und die mit diesem allgemeinen Bezugsrahmen bis 2009 zu verkoppelnden nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) ist die Einsicht, dass bisherige aufwendige Bemühungen der Berufsbildungsforschung, insbesondere die Arbeiten zur Entsprechung beruflicher Befähigungsnachweise (KOMMISSION 2006a, 4), aber auch die verbreitete International Standard Classification of Education (ISCED) diese „Übersetzungsleistungen“ bislang nicht zufrieden stellend erbringen konnten.

Dies bedeutet für gegenständliches Thema vor allem, dass ISCED nicht reicht, um akzeptanzfähige Deskriptoren eines europäischen Rahmens für die berufliche und hochschulische Bildung zu gewinnen. Was insofern überrascht, als auf der Grundlage von ISCED häufig viel beachtete Länderrankings zur Hochschulbildung verbreitet werden. So wird in der Mitteilung der Europäischen Kommission vom 5. September 2006 die Frage gestellt, „Why not build on existing reference levels and frameworks (for example ISCED)?”, um danach folgende Antwort zu geben:

“Because the EQF introduces, for the first time, a set of reference levels based on learning outcomes (defined in terms of knowledge, skills and competences). The EQF shifts the focus from input (lengths of a learning experience, type of institution) to what a person holding a particular qualification actually knows and is able to do.” (KOMMISSION 2006b, 1)

Damit wird angenommen, das ISCED einseitig inputorientiert angelegt wäre und die Lernergebnisse nicht ausreichend berücksichtigt. Diese und andere mit ISCED verbundene Fragen sollen nachfolgend geprüft werden. Die Frage der Input- versus Outputorientierung von Bildungsklassifikationskriterien ist komplex und nicht einfach zu beantworten. So empfiehlt etwa die Europäische Kommission

„besonderes Augenmerk … darauf zu richten, welche Auswirkungen ein auf Lernergebnissen beruhender Ansatz (wie er für den EQR verwendet wird) auf die Klassifikation von Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen hat. Bei der zukünftigen Weiterentwicklung bestehender statistischer Klassifikationen und Nomenklaturen (z.B. ISCED 97), mit denen Ergebnisse in der allgemeinen und beruflichen Bildung gemessen werden können, ist dieser Aspekt daher ebenfalls zu berücksichtigen.“ KOMMISSION 2006a, 1).

Nachfolgend soll der Frage nachgegangen werden, wo aktuelle Probleme der komparativen Nutzung von ISCED liegen. Erst abschließend wird der Frage nachgegangen, inwieweit durch den Prozess der Umsetzung von EQF und NQF Auswirkungen und Verbesserungsmöglichkeiten für ISCED erwartet werden könnten.

 2. Unterschiede systemspezifischer Anlagerung mittlerer Qualifikationen

Wesentlich für alle Überlegungen zur Transparenz beruflicher Bildung ist die Frage, wo und wie die mittleren oder die oberen mittleren Qualifikationen innerhalb eines Qualifikationssystems erworben werden. Hier gibt es große Unterschiede und daher auch Verständnisprobleme zwischen den Ländern.

Einerseits unterscheiden sich die Berufsbildungssysteme nach den Lernorten (Schule, Betrieb, Erwachsenenbildungseinrichtung) und nach den Formen der Validierung und Zertifizierung des Gelernten, andererseits nach dem Anfangsalter bzw. der Systemstufe der beruflichen Bildung. Wer weniger oder keine berufliche Bildung auf der Sekundarstufe II vorsieht, muss später vergleichbare Inhalte vermitteln.

Eine wesentliche Ursache der Undurchführbarkeit der Arbeiten zur Vergleichbarkeit von Abschlüssen in der beruflichen Bildung (nach dem Ratsbeschluss von 1985) ist die unterschiedliche systemspezifische Anlagerung von Ausbildungen für mittlere und obere mittlere Berufe . Das Fachpersonal der Krankenpflege kann z.B. in Fachschulen auf der Sekundarstufe II (wie in Österreich), postsekundär oder im Hochschulbereich (Schweden, Finnland und in anderen Ländern) ausgebildet werden.

Es gibt Länder, in denen Berufsqualifikationen hauptsächlich in der Schule (wie in Frankreich), im dualen System (wie in Deutschland) oder im Rahmen von marktgestützten Formen der Weiterbildung auf der Grundlage modularisierter Zertifizierungssysteme (anglophone Länder) erworben werden (KOCH/ REULING 1998, 2ff.). Während in einem Teil der Länder alternierende Systeme (Betrieb, Berufsschule oder Bildungszentren) und berufsbildende Schulen schon mit 15 oder 16 Jahren zugänglich sind, ist dies in anderen Ländern erst später üblich, wobei zwischen Aus- und Weiterbildung kaum unterschieden wird.

Um dies zu belegen, soll zunächst als Einstieg ein Vergleich des Berufsbildungsanteils an der Wohnbevölkerung im Haupterwerbsalter angestellt werden. Tabelle 1 zeigt anhand der Internationalen Standard Classification of Education (ISCED-97) den Anteil der Personen, die eine berufliche Ausbildung auf Sekundarstufe II abgeschlossen haben. Damit werden Bildungsgänge des Sekundarbereichs II subsumiert, die von der OECD als ISCED 3B und ISCED 3C lang oder als ISCED 4 klassifiziert werden (OECD 2006, 41).

Qualifizierungssysteme, die in dieser Rangreihe relativ niedrige Anteile und keine Werte aufweisen, bieten funktional Äquivalentes entweder in der formalen Bildungslaufbahn später im Tertiärbereich in Ausbildungsgängen neben den Hochschulen, im Rahmen eines hochgradig diversifizierten Hochschulsystems oder On-the-job durch non-formales oder informelles Lernen. Diese Deutung wird auch durch die Rangkorrelationsanalysen der Werte in obiger Tabelle belegt. Durch die Wahl der 25- bis 64-jährigen Wohnbevölkerung als Bezugsbasis werden die langfristig tradierten Unterschiede besser sichtbar als beim Vergleich von aktuellen Anfänger- oder Abschlussquoten.

Die Unterschiede der bildungsstufenbezogenen Fixierung mittlerer Qualifikationen in der komparativen Bildungsstatistik anhand derzeit geltender ISCED-Kriterien kann anhand aktueller Abschlussjahrgänge ebenfalls veranschaulicht werden. Wo auf der oberen Sekundarstufe (also etwa bis 19/20 Jahre) kaum (noch) kompakte berufsspezifische arbeitsmarktfähige Ausbildungen angeboten werden, verschiebt sich die Berufsvorbildung auf die Tertiärstufe.

So entfallen in Schweden zum Beispiel laut OECD-Statistik 93 Prozent der beschulten Jugendlichen auf der oberen Sekundarstufe auf Routen mit dem primären Ziel Hochschulzugang, wodurch sich eine tertiäre Studierquote von 87 Prozent eines typischen Altersjahrgangs ergibt (OECD 2006, 66 und 322). In einigen Ländern ist dabei die nicht-akademische Tertiärstufe stark, in anderen wird die Unterscheidung zu Hochschulstudien zugunsten eines hochgradig diversifizierten Systems vermieden. Letzteres trifft z.B. auf die Niederlande, Finnland oder Polen zu, ebenso auf außereuropäische anglophone Länder.

Das sind Besonderheiten von Aus- und Weiterbildungstraditionen, die sozialkulturell in Arbeitsmarkt und Gesellschaft institutionell tief verwurzelt sind. Man kann diese Besonderheiten der systemspezifischen Anlagerung der mittleren Qualifikationen oder eines Teiles dieser als Ausdruck unterschiedlicher Traditionen und Qualifizierungsbedürfnisse in den Ländern und Regionen interpretieren. Hier ist aber auch eine der Quellen der Verständnisprobleme für berufliche Bildung in Europa zu orten. Da es sich dabei um „kulturelle Selbstverständlichkeiten“ handelt und sich der Stellenwert von Abschlüssen erst im nationalstaatlichen Kontext am Arbeitsmarkt und im weiteren Bildungsweg erschließt, stößt man hierbei in internationaler Kommunikation sehr rasch auf Verständnisgrenzen oder emotionale Verteidigungsreflexe. Man kann vermuten, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil internationaler ausbildungsbezogener Kommunikation zwischen Ländern mit stark unterschiedlichen Traditionen von gravierenden Missverständnissen behaftet ist.

Zum Problem werden Diversitäten der Ausbildungssysteme aber erst, wenn im Rahmen rein formaler Bildungssystemvergleiche partikulare Lösungen quasi zu Benchmarks werden, an denen kurzschlüssig „Rückstande“ der Länder mit berufsqualifizierenden Ausbildungen im Sekundarbereich II abgeleitet werden. ISCED entspricht besser der vertikalen Struktur von Bildungssystemen, die geringe externe Differenzierung und fachliche Spezialisierung auf der Sekundarstufe II aufweisen und Ausbildungen für mittlere und obere mittlere Qualifikationen überwiegend erst nach Abschluss der oberen Sekundarstufe (zumeist intern differenzierend) anbietet.

3. Unscharfe Abgrenzung zwischen Berufs- und Hochschulbildung

Die Unterschiede in der systemspezifischen Anlagerung der Ausbildung für mittlere und obere mittlere Berufe schlagen sich nicht zuletzt in einer unscharfen Abgrenzung zwischen Berufsbildung und Hochschulbildung in der internationalen Kommunikation nieder. In der Bildungspolitik auf europäischer Ebene manifestiert sich diese unscharfe Abgrenzung beispielsweise im gemeinsamen Kommuniqué der für Berufsbildung zuständigen Minister, der Sozialpartner und der Euro­päischen Kommission von Maastricht (14. Dezember 2004), das sich als Fort­schreibung der Kopenhagener Erklärung versteht (30. November 2002):

„Die Berufsbildung findet zunehmend auf allen Bildungsebenen statt, weshalb die gleiche Wertschätzung und die Übergänge zwischen Berufsbildung und allgemeiner Bildung, insbesondere Hochschulbildung, durch innovative Strategien und Instrumente auf nationaler und europäischer Ebene gefördert und gestützt werden müssen.“ (KOMMISSION 2004, 2).

Wann bzw. mit welchem Alter beginnt arbeitsmarktrelevante Berufsausbildung? Wie weit qualifiziert Berufsbildung bzw. welche Anteile an höherer Bildung involviert Berufsbildung? Das sind entscheidende Fragen, deren verständliche Beantwortung erst „Transparenz“ der beruflichen Bildung herstellen könnte. Wenn in Europa über „VET-provision“ gesprochen wird, ist ein weites semantisches Feld im Spiel. Die zuvor zitierte Aussage der europäischen Spitzen der Berufsbildungspolitik, dass Berufsbildung „zunehmend auf allen Bildungsebenen“ stattfindet, verweist auf den wesentlichen Punkt.

Für die berufliche Bildung und aufgrund der unscharfen Abgrenzung zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung wurde daher im Rahmen des Kopenhagenprozesses sowie durch das Kommuniqué von Maastricht (Ende 2004) eine verstärkte Zusammenarbeit, Transparenz und Qualität und gegenseitiges Vertrauen als Voraussetzung für einen echten europäischen Arbeitsmarkt gefordert: „Entwicklung eines offenen und flexiblen Europäischen Qualifikationsrahmens, der auf Transparenz und gegenseitigem Vertrauen beruht. Der Rahmen soll als gemeinsamer Bezugsrahmen für die Anerkennung und Übertragbarkeit von Qualifikationen dienen, sowohl die berufliche als auch die allgemeine (Sekundar- und Hochschul-) Bildung abdecken und hauptsächlich auf Kompetenzen und Lernergebnissen aufbauen.“ (KOMMISSION 2004, 4). Außerdem wird die Entwicklung und Umsetzung des Europäischen Anrechnungssystems für die Berufsbildung gefordert (ECVET), „damit Lernende beim Wechsel zwischen Lernsystemen auf Leistungen aufbauen können, die sie im Rahmen ihrer Lernlaufbahn erreicht haben“ (ebenda, 4).

Die Herstellung von Transparenz ist im Hochschulsektor aufgrund von Ähnlichkeiten der Institutionen und Traditionen der Universitäten in Europa leichter möglich als in der beruflichen Bildung, die ein höheres Maß an Diversität kennzeichnet. Die EU hat zudem zusammen mit den Mitgliedsländern bezüglich der Hochschulbildung bereits weit reichende Strukturreformen und Kooperationsprogramme beschlossen, die in Umsetzung respektive Entwicklung begriffen sind („Bologna-Prozess“), um die Mobilität der Studierenden und Absolventen zu fördern.

Durch Umsetzung des Bologna-Prozess werden sich in der Abschlussstruktur allmählich Annäherungen ergeben. Unterschiede der beruflichen Bildung im weiteren Sinne werden aber auf absehbare Zeit vorhanden sein, da in den Ländern mit für mittlere und obere mittlere Berufe qualifizierende Ausbildungen auf der oberen Sekundarstufe berufliche Funktionen und Verantwortungen erreicht werden, die in Ländern mit wenig Berufsbildung auf dieser Stufe typischer Weise erst durch Tertiärausbildungen neben oder innerhalb eines hochgradig diversifizierten Hochschulsystems erreicht werden. Es gibt hier leider nur wenige überzeugende Beispiele der komparativen Bildungsforschung, wie etwa für die Diplomierte Krankenpflegeausbildung. Die Frage der Entsprechungen von formaler Bildung und Berufspositionen sind weitgehend ein „weißer Fleck“ der komparativen Bildungsforschung.

4.  Nominalismusproblem vergleichender Bildungsstatistik

Um die bisher formulierten Überlegungen zu ISCED weiter zu begründen, ist ein Exkurs in seine Grundlagen erforderlich. Die derzeit allgemein von internationalen Organisationen verwendete Bildungsklassifikation ist die International Standard Classification of Education (ISCED) in der Version von 1997. Wesentlich an ISCED war und ist – für die wissenschaftlichen Analysen ebenso wie die öffentliche Verbreitung der Ergebnisse – bislang vor allem das Konzept der “Levels of education”:

“The notion of ‘levels' of education … is essentially a construct based on the assumption that educational programmes can be grouped, both nationally and cross-nationally, into an ordered series of categories broadly corresponding to the overall knowledge, skills and capabilities required of participants if they are to have a reasonable expectation of successfully completing the programmes in these categories. These categories represent broad steps of educational progression from very elementary to more complex experiences with the more complex the programme, the higher the level of education.” (UNESCO 1997, 10)

Die Klassifikation nach Levels würde es erfordern, die Ausbildungsgänge nach den Inhalten und damit nach internationalen Standards für Lehrpläne zu bewerten. Lapidar wird hierzu allerdings festgestellt: „International curricula standards that are needed to support such judgements do not as yet exist.“(UNESCO 1997, 12) Daher müssen substitutiv andere Kriterien (z.B. formale Bildungsebene, Dauer, Zugangsvoraussetzungen oder Zielorientierung des Bildungsganges) verwendet werden.

In Österreich führt das z.B. dazu, dass die Hauptform der HTL-Höheren Technischen Lehranstalten (5-jährige Ausbildung auf der oberen Sekundarstufe) oder die HTL für Berufstätige (etwa 5-jährige Abendschule) als ISCED 4A eingestuft werden, während das HTL-Kolleg für Maturanten oder die 2-jährige Werkmeisterschule (Abendschule) als ISCED 5B eingestuft werden. Hier werden Dinge in einer Weise bewertet, die den Verhältnissen in der Arbeitswelt nicht entsprechen.

Das Hauptproblem der vertikalen Bildungsstatistik im internationalen Vergleich ist damit, dass „unter der Hand“ formale Bildungskategorien zu Qualifikationskategorien werden, die mit der faktischen vertikalen Struktur der Qualifikation in einzelnen Ländern nicht übereinstimmen. Europäische Qualifikationsniveaus brauchen daher mehr als formale Bildungslevelvergleiche: Ohne Bezug auf berufliche Funktionen und Verantwortungen, die für bestimmte Bildungsgänge typisch sind, sind keine realistischen Konzepte zu erwarten, eher die Fallstricke des Nominalismus in der vergleichenden bildungsstatistischen Forschung (SCHNEEBERGER 1999, 40ff.).

ISCED ist damit – trotz aller methodologischen Einschränkungen (so in §28 des ISCED-97 Manuals) – zumeist nicht nur ein Ansatz, Bildungsgänge strukturell zu klassifizieren und zu beschreiben, sondern auch international vergleichend zu bewerten. So werden die Ergebnisse jedenfalls zumeist medial verbreitet und genutzt: Zum Teil mit hohem Potenzial an Missverständnissen, so wenn z.B. „Tertiärquoten“ oder „Hochschulabsolventenquoten“ mit kulturspezifisch verstandenen „Akademikerquoten“ konfundiert werden. ISCED wird in der öffentlichen Verwertung der komparativen Bildungsforschung outputbezogen interpretiert. Vielleicht ist das bis zu einem gewissen Grad gar nicht anders möglich. Vorsicht sollte aber walten.

Europäische Qualifikationsniveaus und Qualifikationsrahmen brauchen mehr als formale Bildungslevelvergleiche. Auf unterschiedliche Weise wird dies in der Richtlinie zur Anerkennung von Berufsqualifikationen (9/2005) einerseits, in den Graduierungsstufen des Europäischen Hochschulraums sowie im Konzept des EQF und des damit verbundenen ECVET andererseits versucht.

5.  Die 5 Qualifikationsniveaus für reglementier­te Berufe (Richtlinie 9/2005)

Die Richtlinie 2005/36EG vom 7. September 2005 „gilt für alle Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte, einschließlich der Angehörigen der freien Berufe, einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedsstaat als dem, in dem sie ihre Berufsqualifikation erworben haben, ausüben wollen.“ ( KOMMISSION 2005, 27 ) Berufsqualifikationen „sind die Qualifikationen, die durch einen Ausbildungsnachweis, einen Befähigungsnachweis ... und/oder Berufserfahrung nachgewiesen werden“ (ebenda).

Es werden dabei 5 Qualifikationsniveaus unterschieden, von denen 2 (die Levels 4 und 5) in der Regel Hochschulabschluss voraussetzen, Level 3 setzt eine zumindest einjährige postsekundäre Ausbildung voraus. Um Systemunterscheide zu berücksichtigen, gibt es eine große Zahl von Ausnahmen bzw. Anhänge betreffend „besonders strukturierte Ausbildungen“ auf der Sekundarstufe des Bildungssystems, „reglementierte Ausbildungen“ oder Berufserfahrung.

Generell werden Gleichstellungskriterien, Anerkennungsbedingungen und Ausgleichsmaßnahmen (vgl. KOMMISSION 2005, 27) formuliert, um allen Besonderheiten gerecht zu werden. Gemeinsam mit der Deutung der Anhänge dürfte sich dabei eine neue juridische Spezialisierungsmöglichkeit auftun. Es wird nicht schematisch nur formale Bildung nach Levels als Definitionskriterium eingesetzt, sondern es werden „besonders strukturierte Ausbildungen“ und in bestimmten Fällen sogar exakt definierte Anzahlen von Ausbildungsstunden (z.B. Ausbildung zur Diplom-Krankenpflege) oder auch Berufserfahrungszeiten herangezogen. Die Richtlinie bezieht sich daher bei der Krankenpflege nicht auf Bildungsstufen, sondern Unterrichtszeiten (4.600 Stunden theoretischer Unterricht und klinisch-praktische Unterweisung) nach einer zumindest 10-jährigen allgemeinen Schulbildung und andere Qualitätssicherungsbedingungen (vgl. KOMMISSION 2005, 40).

Diese beispielhafte Regelung und die Gleichstellung „besonders strukturierter Ausbildungsgänge“ der Sekundarstufe mit postsekundären Diplomen auf Basis ihrer namentlichen Aufzählung in Anhängen zeigen, dass der bloße Stufenvergleich nach der International Standard Classification of Education (ISCED 97) nicht reicht. Bezüge auf typische Berufsqualifikationen je Bildungsgang oder -level sind unverzichtbar, wenn Qualifikationsstrukturvergleiche orientierungsrelevante Information, also Transparenz, bieten sollen. Derzeit entfallen rund 800 Berufe in einem oder mehreren Mitgliedsländern der EU auf reglementierte Berufe (KOMMISSION 2006, 5).

6.  Die drei Stufen des Europäischen Hochschulraums

Wesentlich für den aktuellen EQF-Ansatz ist, dass Levels 5 bis 8 „einen klaren Hinweis auf die Niveaus, die im Rahmen des Bologna-Prozesses für den Europäischen Hochschulraum definiert wurden“, enthalten (KOMMISSION 2006a, 11).

Die EU hat zusammen mit den Mitgliedsländern weitreichende Hochschulstrukturreformen und Kooperationsprogramme beschlossen, die in Umsetzung respektive Entwicklung begriffen sind („Bologna-Pro­zess“), um die Mobilität der Studierenden und Absolventen zu fördern. Im Mai 2005 fand in Bergen (Norwegen) die dritte Bologna-Nachfolge-Konferenz der Bildungsminister­/innen statt. Dabei wurde – mit hoher Relevanz für den NQR – für den Europäischen Hochschulraum (EHEA) vereinbart:

„Der übergreifende Rahmen für Abschlüsse, bestehend aus 3 Stufen (Bakkalaureat, Master und Doktorat), mit der Möglichkeit von Zwischenstufen innerhalb des jeweiligen nationalen Kontexts, wird angenommen. Es soll ein übergreifender europäischer Qualifikationsrahmen entwickelt werden, der die drei genannten Stufen umfasst. Die Deskriptoren für die einzelnen Stufen drücken die Lernergebnisse und die erworbenen Kompetenzen aus.“ (BMBWK Ministerkonferenz 2005, online)

Die Bologna-Stufen sind insofern ein Fortschritt gegenüber der ISCED-Klassifikation der Stufen 5 und 6, als innerhalb der Stufe 5A konsequent zwischen Bachelor degree und Master degree unterschieden wird. Es ist eigentlich nicht einzusehen, warum diese Unterscheidung mittel- und langfristig nicht auch zu einer Differenzierung der ISCED Kategorie „5A“ führen sollte. Die derzeit von der OECD in einigen Tabellen gepflegte Differenzierung in Studien nach der Dauer weist in diese Richtung (siehe Tabelle 3), wird aber nicht durchgehalten, da in der Öffentlichkeitsarbeit fast ausschließlich mit der Summe der Erstabschlüsse („Äpfel und Birnen“ also) gearbeitet wird.

Ein weiterer zukunftsbezogener Aspekt an der Bologna-Stufung betrifft den Short Cycle, der für einige Länder bereits eine Realität ist, für andere Anregungspotenzial enthalten sollte. Die Schaffung eines „Short cycle“, eines Zwischenabschlusses innerhalb der ersten Stufe (Bachelor degree) ist nicht gefordert, aber: „since short cycle qualifica­tions are found in many countries it is important to give them a place in the framework“( MINISTRY OF SCIENCE, TECHNOLOGY AND INNOVATION 2005, 63). Dieser Zwischenabschluss könnte Kooperation zwischen Bildungsanbietern und Übertragung von Lernergebnissen zwischen unterschiedlichen Institutionen und Ländern erleichtern.

Dies kann man z.B. in Bezug auf Österreich vermuten. Österreichs Bildungssystem ist bislang eindeutig anders strukturiert, und zwar sowohl durch die Existenz der 5-jährigen berufsbildenden höheren Schule auf der Sekundarstufe (Hauptform), als auch durch den geringen Stellenwert systematischer Anrechnung zwischen langen Sekundarschulausbildungen und Hochschulbildung.

7.  Schlüsselrolle des Europäischen Qualifikationsrahmens

Laut Definition des Vorschlags von 2006 soll unter einer „Qualifikation“ „das formale Ergebnis eines Beurteilungs- und Validierungsprozesses, bei dem eine dafür zuständige Stelle festgestellt hat, dass die Lernergebnisse einer Person vorgegebenen Standards entsprechen“ verstanden werden (KOMMISSION 2006, 17). Der EQF-European Qualifications Framework soll „in erster Linie als Übersetzungshilfe und neutraler Bezugspunkt dienen, um Qualifikationen aus unterschiedlichen Aus- und Weiterbildungssystemen vergleichen zu können und die Zusammenarbeit und die Vertrauensbasis zwischen jeweils Betroffenen zu stärken“ (KOMMISSION 2006, 3). Die Grenzen des Ansatzes von 1985 zur Vergleichbarkeit der Abschlüsse der beruflichen Bildung sollen dadurch überwunden werden, „dass der EQR sich auf die Verbesserung der Transparenz von Qualifikationen konzentriert und bei der Zusammenarbeit einen dezentralen Ansatz verfolgt“ (KOMMISSION 2006, 4).

Die Schlüsselrolle des EQF in der Umsetzung der bildungspolitischen Gesamtstrategie der EU kommt insbesondere durch seine Verknüpfung mit anderen Transparenzinstrumenten zum Ausdruck:

•  Der Rahmen für den Europäischen Hochschulraum und der EQF müssen „komplementär sein“ (KOMMISSION 2006, 4).

•  Alle wichtigen Europass-Dokumente „sollten einen klaren Verweis auf das zutreffende EQR-Niveau enthalten“ (ebenda)

•  Der EQF soll eine Grundlage bieten, auf der ECTS und ECVET (So wäre z.B. ohne die Hilfe von Levelbestimmungen im Rahmen eines EQF die Identifikation der zu beschreibenden Qualifikationen und Units im Rahmen von ECVET nur mit sehr großem Aufwand möglich.) unterstützt und weiterentwickelt werden können. (ebenda)

•  Zudem sind Grundsätze der Validierung nicht formalen und informellen Lernens zu berücksichtigen, „vor allem weil das Konzept des EQR auf Lernergebnissen beruht und die Validierung nicht formalen und informellen Lernens erleichtern wird“ (KOMMISSION 2006, 5).

Der EQF (European Qualifications Framework) und seine 8 Levels orientieren sich an Kriterien für Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen im weiteren Sinne. Als Kriterien der Aufgabendefinition je Level erweisen sich der Grad von Verantwortung und Selbständigkeit sowie Umfang, Praxisnähe und Abstraktionsgrad von Wissen und Fertigkeiten der jeweiligen Tätigkeiten. Ab EQF-Stufe 5 werden abstrakte Problemlösungskompetenz und Innovationsfähigkeit zu Kriterien der Zuordnung.

Der EQF ist ein Instrument mittel- und langfristig angelegter Förderung der Transparenz von Aus- und Weiterbildungsergebnissen, dem eine Schlüsselrolle im Netzwerk einschlägiger Ansätze und Hilfestellungen der EU zukommen soll. EQF und NQFs sind Elemente von Prozessen, deren Dynamik und Relevanz sich aus dezentralem Engagement der Länder und Sektoren speisen sollen.

Bis 2009 sollen Nationale Qualifikationsrahmen entwickelt und mit dem EQF verkoppelt werden. Hierbei ist grundsätzlich zwischen Ländern, die Nationale Qualifikationsrahmen eingeführt haben, und Ländern ohne einschlägige Erfahrungen zu unterscheiden. So haben nicht nur anglophone Länder Erfahrungen mit National Vocational Qualifications Frameworks oder vergleichbaren Systemen, auch z.B. in Frankreich konnten seit Jahrzehnten Erfahrungen mit einer 5-stufigen Skala von Bildungsabschlüssen gesammelt werden (vgl. BOUDER 2006,12). Länder ohne diese Erfahrungen stehen vor einer anderen Situation.

Zum einen kann man davon ausgehen, dass es auch in Ländern ohne offiziellen und umfassenden Qualifikationsrahmen faktisch oder implizit wesentliche Bezüge zwischen Qualifikationen gibt. Diese Bezüge sind aber oft nicht deutlich expliziert, oft auch nur sektoral begrenzt von Bedeutung. Unter Umständen kann gerade dieser geringe Explikationsgrad Grundlage breiter gesellschaftlicher Akzeptanz historisch gewordener institutioneller Strukturmuster von Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt, also Qualifikationen, sein.

8.  Erwartungen an EQF-NQF aus österreichischer Sicht

Bislang fungierten in Österreich überall dort, wo es darum ging, Übersicht zur formalen Bildungsstruktur zu schaffen, die „Großkategorien der Bildungsebenen“ (STATISTIK AUSTRIA 2005, 9), nämlich Pflichtschule – Lehre / Fachschule – Matura – Pflichtschulakademien etc. – Hochschule, als eine Art impliziter Qualifikationsrahmen. Im öffentlichen und im großbetrieblichen Sektor fungierten diese und ähnliche Abstufungen als Einstufungsgrundlagen.

Dieser implizite Rahmen der Bildungsebenen hatte allerdings sehr unterschiedlichen Stellenwert in den großen Segmenten des Beschäftigungssystems (öffentlicher Dienst, große Unternehmen, KMUs, Landwirtschaft u.a.). Seine breite Akzeptanz bestand vor allem in der Absenz sektorübergreifende Konsistenz oder Relevanz. Die Bildungsebenen werden aber ein wesentlicher Ausgangs­punkt jeglicher Entwicklung des NQR sein müssen. Als Definitions- und Abgrenzungskriterien gelten vor allem „Berechtigungen“ in öffentlichen und auch privaten Beschäftigungssektoren, aber auch im Hochschulzugang.

Die Systematik der Bildungsebenen hat für einen Qualifikationsrahmen einige Schwächen, wodurch sie für einen zukunftsorientierten Bezugsrahmen diskutiert und weiterentwickelt verändert werden müssten.

Die Abgrenzung Lehrabschluss zu Fachschulabschluss überzeugt nicht mehr so stark, wie vor der Schulexpansion der letzten Jahrzehnte. Zudem gibt es sowohl innerhalb der Fachschulen (auf Sekundarstufe II) als auch der Lehrlingsausbildung (duale Ausbildung) unterschiedliche Lernzeiten (von 2 bis 4 Jahren), die in der Regel auch Bedeutung für die erreichte oder erreichbare Qualifikation haben.

Durch die Aufwertung der Pädagogischen Akademien zu Hochschulen ist eine substanzielle Veränderung gegeben. In dem Maße, als die Graduierungsstufen des Bologna-Prozesses in der hochschulischen Berufsvorbildung wirksam werden, wird sich Anpassungsdruck im Beschäftigungssystem ergeben.

Die österreichische Systematik der Bildungsebenen ist international sehr schwer adäquat zu kommunizieren. Auf der oberen Sekundarstufe werden berufliche Ausbildungen absolviert und durch non-formale Weiterbildung und Berufserfahrung weiter aufgebaut, die in den traditionellen „Bachelor-Ländern“ und anderen Ländern mit Kurzstudientraditionen neben oder innerhalb eines hochgradig diversifizierten Hochschulsystems anders angelegt werden, wodurch der österreichische „Bildungsstand eher unterschätzt“ wird (REITERER 2005, 32). Angesichts der sozio-ökonomischen Performanz des Landes (Weit überdurchschnittliches BIP pro Kopf, unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote, überdurchschnittliches Industriewachstum, überdurchschnittliche Forschungsausgaben (vgl. z.B. STATISTIK AUSTRIA 2/2006, 36ff.) und zugleich weit unterdurchschnittliche Armutsgefährdungsquote (vgl. z.B. GUIO 2005, 2). ) muss es sich - wenn man humankapitaltheoretische Prämissen akzeptiert -, primär um ein kategoriales Erfassungsproblem der komparativen Bildungsstatistik, also ein statistisches Artefakt, handeln, nicht um substanzielle Rückstände.

Für Österreich wird es daher insbesondere wichtig sein, den Arbeitsmarktwert der Abschlüsse nach der Pflichtschule (Lehre, Fachschule/BMS, BHS) international adäquat zu signalisieren, da dieser in Ländern mit wenig berufsqualifizierenden Angeboten auf der oberen Sekundarstufe oft – aufgrund unterschiedlicher Traditionen – nicht adäquat wahrgenommen wird oder werden kann.

Aufgrund der hohen Wertschätzung, welche die berufliche Ausbildung auf der oberen Sekundarstufe in der Bevölkerung und bei den Arbeitgebern der betreffenden Länder (Österreich, Schweiz und Deutschland) genießt, werden die Unterschiede zu Ländern mit dem Schwerpunkt der Berufsbildung auf der Tertiärstufe oder in der berufsbegleitenden Weiterbildung auch in Zukunft gravierend bleiben. Trotz der generellen Probleme in der Jugendbeschäftigung und der allgemein steigenden Beteiligung an abschlussbezogener Weiterbildung innerhalb und außerhalb der Hochschulen wird der Fokus auf beruflicher Bildung auf der Sekundarstufe II für mittlere und obere mittlere Qualifikationen in Österreich auf absehbare Zeit erhalten bleiben. Das Erreichen von Beschäftigungsfähigkeit im Alter von 19/20 Jahren (ohne dabei weitere Bildung auszuschließen) hat weit verbreitete Akzeptanz bei Jugendlichen, Eltern und Politik.

Der untere Bereich der 8-stufigen Skala des EQF ist eine Herausforderung für Länder, die erst mit einer vollen Fachkraftqualifikation ihre Skala der Ausbildungsabschlüsse beginnen. Dies trifft auch für Österreich zu. So wird im Beschäftigungssystem einerseits von etwa 5 formalen Bildungsebenen (Qualifikationsebenen, siehe Tabelle 4) ausgegangen. Als erste formale Qualifikation wird in der Regel der Lehrabschluss angesetzt. Es gibt aber Qualifikationslevels unter dem Lehrabschlussniveau. Die so genannten Un- und Angelernten sind eine heterogene Kategorie. So gibt es unter der FacharbeiterInnen-Einstufung noch fünf Industrielohnstufen (besonders qualifizierte angelernte ArbeitnehmerInnen, Qualifizierte angelernte ArbeitnehmerInnen, sonstige angelernte ArbeitnehmerInnen; HilfsarbeiterInnen – schwere Tätigkeit, HilfsarbeiterInnen – leichte Tätigkeit) mit signifikanter Stundenverdienststaffelung (WIRTSCHAFTSKAMMER 2006, 41).

Der obere Bereich der 8-stufigen Skala des EQF bedeutet für Österreich zusammen mit dem Bologna-Prozess Modernisierungschance und hohen Diskussions- und Wandlungsbedarf.

Das konsekutive Graduierungsmuster „Bachelor – Master degree“ bedeutet überhaupt weitgehend Neuland im Hochschulbereich, aber ebenso in den Auswirkungen und den Einstufungsstrategien am Arbeitsmarkt. Im Studienjahr 2003/04 entfallen unter 7 Prozent der universitären Abschlüsse auf Bakkalaureatsstudien. Die Differenzierung der Hochschulabschlüsse nach den Bologna-Studien ist aus Sicht der komparativen Bildungsforschung auf jeden Fall ein Fortschritt, insofern die unscharfe ISCED-Kategorie 5A differenziert werden kann.

Einiges Entwicklungspotenzial für Bildungspolitik im Lande sollte nicht zuletzt das Konzept des „Short cycle“ enthalten, insbesondere zur Überwindung der Segmentierung zwischen höherer oder aufbauender Berufsbildung auf der Sekundarstufe II und Hochschulstudien im Rahmen der neuen Bakkalaureatsstudien.

Da der NQR letztlich zukunfts­bezogen und normativ sein muss, kommt eine weit über empirische Argumente hinaus reichende Gestaltungsaufgabe der involvierten Ministerien und der Sozialpartner ins Spiel. Dies nicht zuletzt, da sich in Österreich Aus- und Weiterbildung und deren Entwicklung und Qualitätssicherung bekanntlich seit jeher als langwierige und konsensbezogene Politikfelder erwiesen haben. Der NQR könnte eine Schlüsselrolle in der Sicherung eines zukunftsorientierten Aufbaus der Bildungsgänge und der Übergänge zwischen Bildungsgängen bzw. der Übertragbarkeit von Lernergebnissen einnehmen.

Wenn man Qualifikation als historisch gewordene institutionelle Muster des Angebots und der Nachfrage nach Arbeitskräften begreift, in denen sich intendierte und nicht-intendierte Folgen von Aushandlungsprozessen niederschlagen, stellt sich der NQR als sehr anspruchsvolles Vorhaben umfassender politischer Konsens- oder Kompromissbildung dar. In diesem Sinne kommt etwa Peter SCHLÖGL in seinem Resümee zum österreichisches Konsultationsprozess zum EQF zur Einschätzung „Generell scheint der EQR – bzw. die möglichen Entwicklungsarbeiten zur Erarbeitung eines nationalen Rahmens – mit vielen Erwartungen verbunden zu sein, strukturelle Reformen im Bildungswesen in Österreich anzustoßen.“ (SCHLÖGL 2006, 13).

Ein anderer Aspekt, der mehrfach betont wurde, betrifft das Verhältnis von akademischer und beruflicher Ausbildung. Eine Exklusivität akademischer Abschlüsse würde „Domänen, deren höchste Qualifikationen traditionell nicht über akademische Bildungsgänge erreicht werden (Handwerk u.a.) benachteiligen“ (SCHLÖGL 2006, 13). Die im Vorschlag der Kommission vom 5.9. 2006 verwendete Formulierung „entspricht“ schließt anderes nicht aus und kann daher im Sinne der Offenheit der oberen Levels für berufliche Aus- und Weiterbildung interpretiert werden (KOMMISSION 2006a, 22).

Da in Österreich nicht nur verschiedene Ministerien und die Sozialpartner ausbildungs- und qualifikationsbezogene Zuständigkeiten, sodann auch bislang gestaltende Beiträge geleistet haben, ist breite Einbeziehung Voraussetzung von in der Praxis haltbaren Vereinbarungen. Die für die Koordination zuständigen Stellen im Bildungsministerium haben bereits bisher auf breiter Basis informiert sowie einen Konsultationsprozess durchgeführt und dokumentiert. Dieser umfassende Beteiligungsprozess soll unter wissenschaftlicher Begleitung zur Entwicklung des NQR fortgesetzt werden.

Wie kann man der Gefahr einer Reproduktion der Transparenzdefizite, die im Rahmen der Systemvergleiche mithilfe von ISCED sichtbar werden, begegnen? Ist langfristig mit Rückwirkungen der EQF-NQF-Prozesse auf die Qualität der international vergleichenden Bildungsstatistik zu rechnen? Hier sind viele Fragen und auch viele Faktoren im Spiel.

Der EQF ist Element eines komplexen Wandlungsprozesses in den europäischen Aus- und Weiterbildungssystemen. Diese sind von anhaltenden Divergenzen, aber auch Konvergenzen gekennzeichnet. Es gibt Konvergenzen in der Dynamik der Globalisierung von Wirtschaft, Arbeitsmärkten und Bildung. So wachsen überall Dienstleistungsanteile und Computerdurchdringung der Beschäftigung sowie die Gewichte der Ausbildungsbeteiligung nach Sektoren und der Bedarf an fachübergreifenden Schlüsselqualifikationen zur Teilhabe an der Informationsgesellschaft im Beruf und außerberuflich. So bilden die Verlängerung und Tertiärisierung des Übergangs von der Pflichtschule in volle Erwerbstätigkeit durch Ausbildungsphasen eine Konvergenz, allerdings mit unterschiedlichen Systemkontexten. EQF als „Übersetzungshilfe“ oder „Leseraster“ sollte in Verbindung mit verbesserten ISCED-Kriterien das Verständnis für anhaltende Unterschiede und Konvergenzen verbessern. Auf ISCED kann man – trotz ihrer Probleme – auch in Zukunft nicht verzichten, man wird die Nomenklatur aber verbessern müssen. Der EQF-NQF-Entwicklungsprozess sollte dabei helfen.

 

Literatur

BOUDER, A. (2006): Der Europäische Qualifikationsrahmen – Ein kritischer Blick mit französischen Augen, in: BWP 35, 5, 8-12.

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