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 bwp@ Ausgabe Nr. 12 | Juni 2007
Qualifizierung von Berufs- und Wirtschaftspädagogen zwischen Professionalisierung und Polyvalenz

Orientierung an Standards zur Genese eines Ansatzes zur Neugestaltung der zweiten Phase der Lehrerbildung


 

 


1. Standards in der Lehrerbildung

Mit Wirkung des Ausbildungsjahrgangs 2005/2006 haben sich die Bundesländer verpflichtet, die von der Kultusministerkonferenz (KMK) beschlossenen Standards für Lehrerbildung im Fach Bildungswissenschaften in der Lehrkräfteausbildung für die Studiengänge sowie die Vorbereitungsdienste zu implementieren. Die Bildungswissenschaften bündeln gemäß dem Verständnis der KMK „die wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit Bildungs- und Erziehungsprozessen, mit Bildungssystemen sowie mit deren Rahmenbedingungen auseinandersetzen“ (KMK 2004, 1). Zwischen den Lehramtsstudiengängen (1. Phase), welche ausgehend von einer theoretischen Fundierung pädagogische Praxis erfahrbar machen sollen, und den Vorbereitungsdiensten (2. Phase), die theoriegeleitet Praxis erklärbar und reflektierbar gestalten sollen, ist eine enge Verzahnung durch die gemeinsame Verbindlichkeit und Verantwortung der beteiligten Institutionen für die Einlösung der Lehrerbildungsstandards geboten. „Das Verhältnis zwischen universitärer und stärker berufspraktisch ausgerichteter Ausbildung ist so zu koordinieren, dass insgesamt ein systematischer, kumulativer Erfahrungs- und Kompetenzaufbau erreicht wird“ (KMK 2004, 4). Lehrerbildungsstandards beschreiben gemäß KMK „Anforderungen an das Handeln von Lehrkräften und … beziehen sich auf Kompetenzen und somit auf Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen, über die eine Lehrkraft zur Bewältigung der beruflichen Anforderungen verfügt“ (ebd., kursiv durch den Autor ). Die KMK lehnt sich damit an ein Kompetenzverständnis an, welches WEINERT (1999, 2001) im Rahmen des OECD-Programms DeSeCo (Definition and Selection of Competencies) für den schulischen Bereich mit Prominenz etabliert hat (vgl. zur Begründung BÖHNER 2005).

In der ursprünglichen deutschsprachigen Diskussion wurden Standards als „Wissensbestände, die … angeeignet werden müssen und … einem handlungsorientierten Gütemassstab standhalten“ (OSER 1997, 27) definiert. Die KMK pointiert entgegen der OSER'schen Auffassung den Erwartungsaspekt in Bezug auf professionelle Handlungen und subsumiert die bei OSER prädominanten Wissensbestände allenfalls unter Bestandteile von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen, über die Lehrkräfte verfügen müssen. Vermittelnd werden definitorische Bestandteile von TERHART herangezogen, um „das Verfügen über Wissensbestände, Handlungsroutinen und Reflexionsformen, die … situationsangemessenes Handeln gestatten“ (2000, 54) als Kategorien für das Verständnis der KMK'schen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen zu ergänzen. Demnach müssten Lehrkräfte gegen Ende ihrer zweiphasigen Ausbildung über Handlungsdispositionen verfügen, die sich auf bildungswissenschaftlich relevantes Wissen, auf Routinen für alltägliche Lern-Lehr-Vorgänge und auf reflexive Haltungen im Nachgang von Unterricht stützen, welche in den Standards konkretisiert sind.

2. Standards in der Praxis der zweiten Phase der Lehrerbildung

Lehrerbildungsstandards sind normative Setzungen der legitimierten Entscheidungsträger, bedürfen der weiteren Präzisierung für die Umsetzung und sind nach Überprüfung als Konventionen veränderbar (Aspekte weitgehend entnommen aus TENORTH 2005).

So existiert in Rheinland-Pfalz für die 2. Phase der Lehrerbildung für das Lehramt an berufsbildenden Schulen bereits seit 2001 mit der Architektur der Lehrerbildung (In der Folge nur noch als Architektur bezeichnet.) (vgl. ARBEITSGRUPPE 2002) (Die Veröffentlichung enthält keine Seitenzahlen.) ein Katalog an Standards nach dem oben entfalteten Verständnis. Die Architektur gliedert sich wie folgt in acht Strukturelemente (entnommen aus ebd.):

(1) Lernen & Verstehen, (2) Kommunizieren & Interagieren, (3) Qualifizieren & Professionalisieren, (4) Unterrichten & Erziehen, (5) Planen & Anbieten, (6) Arrangieren & Kooperieren, (7) Beraten & Bewerten und (8) Evaluieren & Modifizieren.

Innerhalb dieser Elemente werden jeweils sechs bis neun Standards ausformuliert; in der Summe werden 53 verschiedene Standards mit Kompetenzen festgelegt, die als Voraussetzung für professionelles Lehrerhandeln angesehen werden.

Zur Legitimierung der Architektur ist seit 2005/2006 eine widerspruchsfreie Entsprechung, Vergleichbarkeit oder Subsumierbarkeit der Kompetenzen mit den KMK'schen Lehrerbildungsstandards Voraussetzung. Diese Kompatibilität soll im Folgenden anhand drei Vergleichskriterien überprüft werden:

•  Entsprechungen bzw. Überlappungen auf der formalen Gliederungsebene und der Anzahl der formulierten Kompetenzen

•  Merkmale der vergleichenden Untersuchung: gleiche Begrifflichkeiten, inhaltliche Konzepte, bzw. lehrberufspezifisches Wissen, erwartete Fertig- und Fähigkeiten, situative Einbettungen bzw. lehrberufspezifische Probleme

•  Bei differierenden Merkmalen: Befragung von Experten (sechs Fachleiterinnen und Fachleiter, sechs Lehrkräfte an Schulen und drei Lehrkräfte in Ausbildung), ob Überlappungen zwischen den Kompetenzen im Hinblick auf die Untersuchungsmerkmale vorliegen.

Die KMK (2004, 7-13) expliziert insgesamt 45 Standards für die praktischen Ausbildungsabschnitte, gegliedert nach den vier Kompetenzbereichen (1) Unterrichten, (2) Erziehen, (3) Beurteilen und (4) Innovieren , welche jeweils zwei bis drei übergreifende Kompetenzen ausführen, die ihrerseits mit je zwei bis sieben Standards konkretisiert werden. Die Strukturelemente (SE) der Architektur entsprechen gemäß der fast einstimmigen Experteneinschätzung (Eine Lehrkraft in Ausbildung konnte dieser Ansicht nicht zustimmen. ) teils den Kompetenzbereichen der KMK. So inkorporiert (a) das SE 4 der Architektur die Kompetenzbereiche 1 und 2 der KMK, beinhaltet (b) das SE 7 Standards des Kompetenzbereichs 3 und enthalten (c) die SE 3 und 8 Standards des Kompetenzbereichs 4. Diese Vergleichbarkeit soll exemplarisch anhand folgender Standards belegt werden (entnommen aus: ARBEITSGRUPPE 2002 und KMK 2004):

Die Gegenüberstellung zeigt, dass es keine direkte Entsprechung der Standards gibt, weder auf Ebene der Formulierungen noch im Hinblick auf die verwendeten Begriffe. Auch im Hinblick auf das intendierte Anforderungsniveau könnten unter Bezugnahme auf Taxonomien kognitiver Anforderungen (z.B. bei BLOOM et al. 1972 bzw. ANDERSON/ KRATHWOHL 2001 oder WESTPHALEN 1979) Abweichungen festgestellt werden. Hingegen werden in beiden Standardpapieren keine Hinweise auf die Verwendung von Taxonomien gegeben, so dass ein unscharfer Gebrauch von Begrifflichkeiten möglich ist.

Auf Basis dieser Freiheitsgrade in der Interpretation wurde in der vergleichenden Analyse auf Basis von 15 Experteneinschätzungen in der Tabelle festgestellt, dass eine Überlappung der Standards sowohl im Anspruchsniveau als auch im inhaltlichen Bezug existiert. Die vorgenommene Entsprechung von Strukturelementen und Kompetenzbereichen ist hingegen von Durchbrechungen gekennzeichnet (entnommen aus: ARBEITSGRUPPE 2002 und KMK 2004):

•  Im Strukturelement 6 findet sich die Kompetenz „ zur regionalen Bereitstellung und Nutzung von Beratungs- und Unterstützungspotenzialen “ im Vergleich zum Kompetenzbereich Beurteilen, Kompetenz 7, welcher die beiden Standards „ kooperieren mit Kolleginnen und Kollegen bei der Erarbeitung von Beratung/Empfehlung “ sowie „ kooperieren mit anderen Institutionen bei der Entwicklung von Beratungsangeboten “ beinhaltet.

•  Im Strukturelement 2 wird die Kompetenz „ zum Medieneinsatz als Teilaspekt von Information und Kommunikation “ eingeordnet, während im Kompetenzbereich Unterrichten, Kompetenz 1 der Standard „ integrieren moderne Informations- und Kommunikationstechnologien …“ angeordnet ist.

Die Gegenüberstellung zeigt, dass es zwar kein einheitliches Ordnungsprinzip in beiden Standardpapieren gibt, Überschneidungen aber festzustellen sind. Übergreifend wird angemerkt, dass die Standards in der Architektur teils abstrakter und weitergehend formuliert sind (entnommen aus: ARBEITSGRUPPE 2002 und KMK 2004):

Bsp.: (1) Abstrakter: Strukturelement 4 – „ Kompetenz zur Modellierung schüleraktivierender Lernarrangements “ im Vergleich zu Kompetenzbereich Unterrichten, Kompetenz 2, Standard 3 „ wecken und stärken bei Schülern Lern- und Leistungsbereitschaft “ in Verbindung mit Kompetenz 3, Standard 2 „ vermitteln Schülerinnen und Schülern Methoden des selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und kooperativen Lernens und Arbeitens “.

Bsp.: (2) Weitergehend: Standards in (a) Strukturelement 4 – „ Reflexion des Rollenverständnisses als Lernbegleiter “ oder (b) Strukturelement 8 – „ kooperative Profilierung eines verantwortbaren Zukunftsbildes von Unterricht, Schule und Gesellschaft “ finden im KMK-Ansatz keine direkte Entsprechung.

Abschließend wird hervorgehoben, dass die beiden Ansätze widerspruchsfrei sind und beträchtliche Überschneidungen aufweisen. Dies legitimiert eine konsequent standardorientierte Ausbildung an den Studienseminaren für das Lehramt an berufsbildenden Schulen (BBS) in Rheinland-Pfalz. Der Anlass für diese Ausrichtung an Standards liegt in empirischen Untersuchungen, die per Konsequenz darauf hindeuten, dass bisherige Ausbildungspraktiken keinen stringenten Aufbau und keine Kohärenz für individuelle Entwicklungsprozesse vorzuweisen haben (vgl. KEUFFER/ OELKERS 2001) und sogar für von Lehrkräften in Ausbildung (LiA) als besonders bedeutsam eingestufte Standards in hohem Ausmaß unzureichend sein könnten (vgl. OSER/ OELKERS 2001). Im Folgenden wird ein Konzept konkretisiert, welches am Studienseminar BBS in Mainz auf Basis der Architektur zu konkreten Reformansätzen geführt hat.

3.  Präzisierung der Standards in einem Kompetenzraster

Der Befund, dass Standards in der Lehrerbildung bislang in Deutschland noch nicht in dem Maße Bedeutung erlangt haben, wie sie im Nachgang zu den TIMS- und PISA-Studien über die Einführung der Bildungsstandards im Jahre 2003 für Absolventen bestimmter Schnittstellen von Schulkarrieren (z.B. nach Jahrgangsstufe 9 und 10) Eingang in eine umfassende Diskussion gefunden haben (vgl. dazu z.B. HELMKE 2005), führt zu folgenden Hypothesen:

Die Lehrerbildungsstandards sind in ihrer Diktion zu abstrakt und kaum angreifbar. Sie erlauben, wenn überhaupt, nur in geringem Maße konkrete Planungs- und Organisationshilfen für Lehrerbildungsveranstaltungen in der ersten wie auch zweiten Phase. Weiterhin fehlen Indikatoren, die es Ausbildern wie Auszubildenden erlauben, eine Einschätzung zum individuellen Entwicklungsstand bezüglich einzelner Standards abzugeben. Bloße Vorhanden/Nicht Vorhanden -Voten sind ungeeignet, da es sich um ein Kontinuum von verschiedenen Stadien auf einer Kompetenzentwicklungsskala mit verschiedenen, durch Konvention festlegbaren Schwellen handelt.

Die Festlegung und Operationalisierung dieser Schwellenpunkte der Kompetenzentwicklung von Lehrkräften kann auch in Anlehnung an KLIEME et al. (2003) mit den Kompetenzstufen (A) Mindeststandard, (B) Regelstandard und (C) Exzellenzstandard bezeichnet werden.

Zur konsequenten Implementierung der Standardorientierung wird am Studienseminar BBS Mainz ein Kompetenzraster mit den ausgeführten Stufen bzw. Niveaus eingesetzt, welches in der Vertikalen die 53 Standards der Architektur nebst bis zu drei Kriterien je Kompetenz für professionelle Lehrkräfte benennt und in der Horizontalen für jede dieser Kompetenzen die Kompetenzstufen (A), (B) und (C) durch beobachtbares Verhalten als Indikatoren für die Erreichung von Lehrerbildungsstandards beschreibt (vgl. MERZINGER/ SCHNACK 2005). Die Standardformulierungen nehmen keinen Bezug auf taxonomische Zielanordnungen im kognitiven Bereich (vgl. BLOOM et al. 1972), im affektiven Bereich (vgl. KRATHWOHL/ BLOOM/ MASIA 1964) oder von Lernergebnissen (vgl. GAGNÉ/ DRISCOLL 1988), nicht zuletzt da in der Folgezeit Untersuchungen den Anspruch einer hierarchischen Anordnung innerhalb der Taxonomien falsifiziert haben.

Folgende Kriterien wurden als Ausgangsbasis für die Konstruktion des dreistufigen Kompetenzrasters herangezogen: (Das Kompetenzraster wurde in Arbeitsteams mit Feedback-Schleifen über einen Zeitraum von einem Jahr (2004 bis 2005) erstellt. )

(1) Die Kriterien sind ausgehend vom Gegenstand der jeweiligen Kompetenz als beobachtbare Ausprägung zu formulieren (Bsp. aus Strukturelement 4, Kompetenz 1: „Lehrkräfte verfügen über die Kompetenz zur Empathie beim Umgang mit Lernstörungen“ – beobachtbares Kriterium: „Lehrkräfte stärken den Selbstwert von Schüler/innen.“).

(2) Die drei Stufen sind auf einer genau unterscheidbaren sprachlichen Ebene zu beschreiben, die auch für Lehrkräfte in Ausbildung transparent ist – als Unterscheidungsmerkmale werden Expertenerfahrungen der Fachleiterinnen und Fachleiter herangezogen, die konkret beobachtbares Verhalten in Abstufungen bereits vielfach teilnehmend beobachtet und in Beurteilungen beschrieben haben (Bsp.: Stufe A als Mindeststandard „…erkennt Lernstörungen und gibt weiterführende Impulse“, Stufe B als Regelstandard „…erkennt die Ursachen für Lernstörungen und regt Lösungen an“ und Stufe C Exzellenzstandard „…entwickelt gemeinsam mit dem Lerner Lösungsmöglichkeiten … Sie/er arbeitet mit anderen staatlichen Serviceeinrichtungen zusammen.“).

(3) In die Erstellung werden Schulvertreter und Lehrkräfte in Ausbildung einbezogen; gemeinsam mit der Fachleiterschaft wird die Trennschärfe zwischen den Stufen intersubjektiv überprüft und die sprachliche Operationalisierung der Kompetenzen in Kriterien und Indikatoren durch Expertenvoten in der Gesamtkonferenz des Studienseminars bei der Verabschiedung validiert.

Das Kompetenzraster wird anhand von zwei Beispielen, die bereits in der Tabelle 1 herangezogen wurden, beschrieben (entnommen aus: ARBEITSGRUPPE 2002):

Die erste Rubrik beschreibt den Rahmen des Strukturelements 7, die zweite wiederholt die betreffende Kompetenz. In der dritten Spalte werden Kriterien zur Präzisierung dargestellt. In diesem Fall wird die Kompetenz zur Analyse von Lernwegen und Lernleistungen an dem beobachtbaren Phänomen „ Feedback geben “ festgemacht. Dazu wird als Mindeststandard erwartet, dass die professionelle Lehrkraft den Lernfortschritt und die punktuelle Lernleistung Einzelner deskriptiv weitergeben kann. In der Regel jedoch kann die Lehrkraft auch das Aufdecken und Explizieren von Zusammenhängen zwischen den beschrittenen Lernwegen und der Lernleistung analytisch vornehmen. Eine exzellente Ausprägung wäre zusätzlich die Fähigkeit zum Einbezug des Lerners inklusive seiner Lernbiografie und der Einflüsse durch Rahmenbedingungen (z.B. Räumlichkeiten, Materialien, Lernklima in der Gruppe/Klasse, Stundenausfall, Krankheit, familiäre Situation etc.) in die analytischen Reflexionen.

Während der Fokus bei Beispiel 1 auf dem Rückmelden an die Schülerschaft liegt, geht es bei Beispiel 2 um den beobachtbaren Umgang von Lehrpersonen mit Rückmeldungen und Beratungen zur eigenen Professionalisierung (Kriterium). Dabei wird mindestens erwartet, dass Rückkoppelungen eingeholt und für eine Untersuchung des eigenen Stärken-/ Schwächenprofils eingesetzt werden. Regelmäßig wird von Seiten der Ausbilderinnen und Ausbilder erwartet, dass die Rückmeldungen auch dazu genutzt werden, um Veränderungen herbeizuführen. Hervorragend wird eingestuft, wenn die Lehrkraft nicht nur rezeptiv, sondern aktiv-moderierend und initiativ die Reflexionsmöglichkeiten mitgestalten und für den eigenen Unterricht umsetzen können.

Die Beobachtung der gestuften Phänomene ist nicht durch punktuelles Ankreuzen im Raster durchführbar, lässt sich jedoch, auf Grundlage eines erfahrungsbasierten Konsenses der Fachleiterschaft des Studienseminars BBS in Mainz, über den gesamten Vorbereitungsdienst auf vielfältigen Begegnungen und Beobachtungen basierend einschätzen. Ein gangbarer methodischer Weg dazu ist, auf der jeweiligen Stufe einen Vermerk bei Begegnungen zwischen LiA und Ausbilderinnen bzw. Ausbildern anzubringen. MÜLLER (2004) schlägt vor, Klebepunkte mit Datum versehen anzubringen; dies erlaubt nicht nur einen Schwerpunkt zu diagnostizieren, sondern gleichfalls einen Prozess nachvollziehen zu können. Dies wird insbesondere empfohlen, um die Kompetenz zur Selbstbeobachtung und Selbstevaluation auf Seiten der Auszubildenden zu fördern (ebd.), was zu einem intensivierten, für die Ausbildung förderlichen Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung beiträgt.

Den Befürchtungen im deutschen Kulturraum, dass mit einer weiteren Präzisierung der Standards in einem Kompetenzraster originäre pädagogische Anliegen wie die Förderung der Individualität, der Autonomie und Selbstständigkeit normiert werden könnten (zur ausführlicheren Darstellung dieser Befürchtungen vgl. KLIEME 2005), ist entgegenzuhalten, dass keineswegs didaktische, methodische, evaluatorische oder gar förderkonzeptionelle Entscheidungen standardisiert werden. Vielmehr ist die theoriegestützte, begründete und im Nachgang reflektierte Grundhaltung Bestandteil der Standards. (Dass Lehrkräfte mit der Öffnung ihrer Klassenräume werden leben müssen, um ihren Unterricht wie auch die Lernergebnisse der Schüler/innen – nicht zuletzt im Rahmen lebenslangen Lernens – an Standards auszurichten, trägt hingegen zu einer systematischen Verbesserung von Unterrichtsqualität (z. B. auf Basis der elf nach Forschungslage wichtigsten Aspekte von Unterrichtsqualität nach BROPHY 2000) bei. )

4.  Instrumente zur standardorientierten Ausbildung

Die Operationalisierung der Standards im Kompetenzraster erlaubt, das Ausbildungssystem in der 2. Phase zu reformieren, indem konsequent ein outcome -orientiertes Angebot zur Professionalisierung zur Verfügung gestellt wird, welches Kompetenzentwicklungen der LiA in allen Strukturelementen ermöglicht und dabei bisherige Lernbiografien und Ressourcen systematisch einbezieht und Selbstverantwortung für den Lernprozess befördert. Die Reformansätze vor diesem Hintergrund werden anhand von vier als bedeutsam erachteten Ausbildungsnivellierungen pointiert: (1) das modularisierte Veranstaltungsangebot, (2) die Dokumentation von individuellen Kompetenzentwicklungen in einem Portfolio, (3) die Implementierung eines ressourcenbezogenen Beratungs- und Reflexionskonzept und (4) eine Verzahnung zwischen der 1. und 2. Phase.

4.1 Modularisiertes Ausbildungssystem

Im Zuge des Bologna-Prozesses hat die KMK für Studiengänge – und damit implizit für die 1. Phase der Lehrerausbildung – 1997 festgelegt, dass eine Modularisierung erwünscht ist. Für konsekutive Studiengänge (BA/MA) ist seit 1999 die Modulstruktur zur Akkreditierung nachzuweisen. Dabei versteht die KMK Modularisierung als „die Zusammenfassung von Stoffgebieten zu thematisch und zeitlich abgerundeten, in sich abgeschlossenen ... Einheiten. Module können sich aus verschiedenen Lehr- und Lernformen zusammensetzen“ (KMK 2000/2004, 3). Ergänzt wird, dass der Arbeitsaufwand inklusive Vor- und Nachbereitungszeit für Module, die zu einer vergleichbaren Anrechung führen, auch weit gehend gleich sein sollte (vgl. BENNEMEANN/ SCHEIDSTEIGER/ SCHEIDSTEIGER 2004). Diese allgemeine Deskription ist – auf Grundlage des Bestrebens der intensivierten Verzahnung der beiden Phasen – auf die 2. Phase der Lehrerausbildung übertragbar. Insbesondere sind auch die Länder bei der Umsetzung bestrebt, die Lehrerausbildung in der universitären Phase sowie im Vorbereitungsdienst in auf Qualitäts- und Leistungsstandards basierenden Modulen zu organisieren, um in ihrer Verknüpfung Theorie und Praxis zu reflektieren (vgl. zur Theorie-Praxis-Reflexion HAGELÜCKEN 2006).

Diese Theorie-Praxis Reflexion erscheint vor dem Hintergrund mangelnder individueller Konsekutivität und Kohärenz traditioneller Strukturen (vgl. dazu die Untersuchung von KEUFFER/ OELKERS 2001) sowie dem Faktum, dass individualisiertes (autonomes) Lernen und die Anerkennung bereits erbrachter Leistungen keine Berücksichtigung fanden (vgl. SONDEREGGER 2005), geboten. Aus diesen Gründen wurde die Ausbildung am Studienseminar BBS Mainz modularisiert.

Dabei versteht das Studienseminar mit der Bund-Länder-Kommission (BLK) qualitative (Inhalte), quantitative (Anrechungseinheiten) und bewertbare (Prüfung) Aspekte eines Moduls als beschreibbar, wobei ein Modul ein Bauelement, ein Bestandteil eines größeren Ganzen, in dem diese Elemente nach individuellen Bedürfnissen austauschbar sind, ist (diese Aspekte sind weit gehend zu finden in BLK 2002). Ein Modul ist demnach nicht strukturell autonom und abgeschlossen (vgl. dazu die Ausführungen von PILZ 2002).

Das Ziel des modularisierten Ausbildungssystems ist Flexibilität und die Polystruktur der zum Abschluss (Qualifikation) und zur individuellen Förderung (Kompetenz) führenden Modulpermutationen. Deshalb werden die Kompetenzen und das Strukturelement auf einer Online-Anmeldeplattform (StudIP) benannt, welche – im Rahmen des Moduls – gefördert werden können und analog auf bestimmte individuell gewünschte Entwicklungen im Kompetenzraster hindeuten.

Die Modularisierung wird als Paradigmenwechsel angesehen, welcher von einer von Lehrseite gesteuerten Inhalts- zur Standard- bzw. Kompetenzorientierung führt.

Die Herausforderung besteht darin, die Verknüpfung von (teil)verpflichtenden und wahlorientierten Modulen so zu konzipieren, dass eine kohärente Gesamtstruktur und in Bezug auf einen standardisierten Gesamtkatalog von bildungsgangrelevanten Kompetenzen ein umfassendes Angebot vorliegt (vgl. SELIN 1994 sowie neuerdings SCHULZ/ TRAMM 2006), welches eine individuelle Professionalisierung ermöglicht. In diesem Kontext wird der Mensch als handelndes Subjekt in den zentralen Fokus von Ausbildung gerückt, wobei Berücksichtigung findet, dass LiA bereits zahlreiche Ressourcen und Persönlichkeitsstrukturen mit in die 2. Phase der Ausbildung einbringen, an die es Anschlüsse zu bilden gilt (vgl. BECKER 2003).

Auf Basis dieses Konzepts werden Niveaustufen, bestehend aus Basismodulen und Aufbaumodulen (vgl. BLK 2002), gebildet, um höhere Anforderungen (Kompetenzsteigerungen) systemisch konsistent anzulegen. Die Anbindung an individuelle Ressourcen wird ergänzend über Wahl(pflicht)module (Gestaltungsmodule) erreicht, deren Konzeption und Durchführung den LiA obliegt.

Mit SPÖTTL (vgl. für die Darstellung und Herleitung der Ziele den Beitrag 2003) werden vorwiegend – insbesondere für die 2. Phase der Lehrerausbildung – folgende Ziele mit der Modularisierung verfolgt: (1) Subjektorientierung, (2) Flexibilisierung der Ausbildung und (3) Förderung des individuellen Kompetenzprofils.

Um die Zielerreichung zu verwirklichen, wird überprüft, dass in den einzelnen Modulen strukturell unterschiedliche Lern-/Lehrarrangements Gegenstand des Angebots sind (vgl. SELIN 1994; auch bei SPÖTTL 2003). Diese Forderung geht – in besonderem Maße für den umfassend auf Praxis fußenden Vorbereitungsdienst – damit einher, dass in Modulen „eine hohe Übereinstimmung zwischen dem intendierten Lernen in den Schulen und dem Lernen in der Lehrer(aus)bildung hergestellt wird“ (HAGELÜCKEN 2006, 425).

In Bezug auf die pädagogische Qualität ist es unter dieser Perspektive bedeutsam, (1) „die Teilnehmer zu aktivieren und (2) eine gestaltende Beteiligung zu ermöglichen“ (SPÖTTL 2003, 11; kursiv durch den Autor ).

Nicht unproblematisch ist die Flexibilisierung und notwendige individuelle Entwicklungslogik (vgl. zur Problemdarstellung SPÖTTL 2003) – diesbezüglich wird eine hohe Verantwortung in die Hände der LiA als selbstständige Organisatoren gelegt, was eine gewisse Mindesteingangskompetenz in diesem Bereich voraussetzt (vgl. auch Punkt 4.4).

Die Gefahr wird dadurch kompensiert, dass die „Ich-Funktion der Referendare“ (MEDER 2005, 89), d.h. deren biographischer Wandlungsprozess weit reichender befördert werden kann. Diese Individualisierung und Fokussierung auf den Lernprozess vom Ende her ist grundlegend für das Modulsystem am Studienseminar und damit für die Kompetenz- und Standardorientierung. Die Modularisierung stützt sich in besonderer Weise auf das Strukturelement 8: „Lehrerinnen und Lehrer sind umsichtige Fachleute für Selbst- und Fremdevaluation“. Das Kompetenzraster expliziert in diesem SE zu Standard 1 das Kriterium „Standards verfolgen“, zu Standard 2 „in Kausalitätsketten und Lösungsdimensionen denken“ und zu Standard 3 „ Visionen entwickeln “. Durch die Anforderungen der modularisierten Ausbildung erfolgt eine Ermöglichung der Kompetenzentwicklung in diesen Bereichen.

4.2 Portfolio für Lehrkräfte in Ausbildung

Mit REICH werden Portfolios verstanden als „Mappen, in denen Arbeitsergebnisse, Dokumente, Visualisierungen und alle Arten von Präsentationen bis hin zu audio-visuellen Dokumentationen oder Kunstwerken eigenständig von Lernern gesammelt und gesondert reflektiert werden“ (2006, 17). Am Studienseminar BBS Mainz führen die LiA in der 2. Phase seit 2005 ein Entwicklungsportfolio, welches Kompetenzfortschritte und -entwicklungen mit Bezug auf das Kompetenzraster sichtbar machen soll. (WINTER warnt vor Schematismus und vor Abrastern von Menschen durch Kompetenzraster (vgl. dazu den Didacta-Vortrag 2007); dies wird bewusst durch das hoch individuelle Portfolio ergänzt, welches die Unterrichtsnähe und den Erfahrungsbezug in den Mittelpunkt stellt.) Es wird explizit auf eine systematische, sich in Ziffern niederschlagende Bewertung verzichtet, so dass es sich nicht um reine Präsentations- oder Bewertungsportfolios handelt (vgl. dazu insb. WINTER 2004), obschon die Ausbilderinnen und Ausbilder als berechtigte Interessenten Einblick nehmen dürfen. Eine Rückmeldung ist individuell jederzeit möglich.

Dazu existiert ein Rückmeldebogen am Studienseminar auf Basis der SOFT-Methode ( Strengths / Stärken – Opportunities / Gelegenheiten – Faults / Defizite – Tips & Trends / Hinweise & Auffälligkeiten), welcher jedoch nur bei einem Präsentationsportfolio gezielt eingesetzt wird. Ein solches Präsentationsportfolio ist ausschließlich über den Zeitraum eines halben Jahres von Seiten-/Quereinsteigern zu führen, die über kein 1. Staatsexamen verfügen und laut Landesverordnung Rheinland-Pfalz während dieser Zeit an einer Pädagogischen Grundbildung teilnehmen müssen. Ziel ist es dabei, das prüfungstag- und stichprobenfixierte Bewerten durch einen Rückbezug auf das Portfolio während eines Kolloquiums zu überwinden. Diese LiA können im Anschluss an die Bewertung dieses Portfolios für sie relevante Bestandteile entnehmen und ihrem Entwicklungsportfolio beifügen.

Obwohl das Portfolio erst über die Kritik am bisherigen Repertoire an Bewertungsinstrumenten in deutschen Schulen Eingang in die deutschsprachige Diskussion gefunden hat (vgl. dazu ausführlicher HÄCKER 2006), wird aus Sicht des Studienseminars erst der Verzicht auf eine traditionelle Bewertung auf einer Notenskala dem hoch individuellen Charakter des Instruments gerecht. Mit dem Führen eines Portfolios wird nicht zuletzt das Ziel verfolgt, Beratungs- und Bewertungsgespräche fokussierter zu führen. Zunächst einmal können Selbst- und Fremdbild schneller kontrastiert werden und zweitens haben Auszubildende wie auch Ausbilder im Vorfeld intensiv die Gelegenheit, sich reflexiv auf Besprechungspunkte einzustellen (vgl. Punkt 4.3). Es wird von Seiten des Studienseminars nicht negiert, dass ein Bewertungsaspekt immer ins Spiel kommt, sobald Ausbilderinnen und Ausbilder das Portfolio sichten (vgl. WINTER 2004). Im Zuge der Transparenz und der Klärung für die Portfolio-Führenden, wann Einblick genommen wird (zur Bedeutung dieser Punkte vgl. JERVIS 2006), gilt, dass sowohl vor dem Beratungsgespräch zur Mitte der Ausbildung als auch vor dem Abschlussgutachten von Seiten des Studienseminars das Portfolio gesichtet wird. Dadurch soll die Perspektive der Ausbilderinnen und Ausbilder für andere Leistungen als bisher üblich erweitert werden; dies betrifft in erster Linie initiativ und über einen längeren Zeitraum erbrachte Arbeiten sowie reflexive Haltungen zur Schulpraxis als bedeutsame Faktoren zur Aneignung von Standards (vgl. zu diesen Aneignungsfaktoren OSER 2002).

Präzise Bewertungskriterien werden insofern nicht vorgegeben und festgelegt, da eine herkömmliche, wissenschaftlichen Gütekriterien entsprechende Messung nicht erfolgt; dies gilt hingegen auch nicht für sonstige Leistungsmessungen im schulischen Bereich (vgl. dazu die Untersuchungen bei INGENKAMP 1995). Es wäre auch der Individualität des Instruments in hohem Maße abträglich (vgl. dazu insb. JERVIS 2006). Wohl aber gilt es, Transparenz zu schaffen und gemeinsam mit den Lehrkräften Kriterien für die Beurteilung (nicht in Ziffern) als Basis für Einzelgespräche zur individuellen Kompetenzentwicklung festzulegen. Voraussetzung für die Beurteilung am Studienseminar sind darüber hinaus auf noch abstraktem – und durch die LiA zu spezifizierendem – Niveau folgende Kriterien (in Anlehnung an WIEDENHORN 2006):

•  Darstellung der Ziele der Portfolio-Arbeit durch das Seminar (Fokussierung von Beratungs-/Bewertungsgesprächen, Abgleich von Selbst-/Fremdevaluation, Förderung von reflexiven Grundhaltungen, Erweiterung von Perspektiven der Ausbilderinnen und Ausbilder– jeweils mit Blick auf das Kompetenzraster) und Ausformulierung der eigenen Ziele im Portfolio

•  Deutlichwerden bzw. ausreichende Dokumentation von Kompetenzfortschritten

•  Nachvollziehbare/bedeutsame Begründung der ausgewählten Arbeiten/Dokumente

•  Entwicklung der Kompetenz zur Selbstevaluation und -reflexion (mit anvisierten Konsequenzen)

•  Entwicklung der Kompetenz zur Selbstständigkeit und -organisation

•  Bedeutungsvolle und nachvollziehbare Gliederung/Organisation des Portfolios.

HÄCKER und WINTER (2006, 227ff.) formulieren zwölf Ansatzpunkte für die Einführung von Portfolios in der Lehrerbildung, um einer unreflektierten Verwendung des Konzepts entgegenzutreten, die das Studienseminar wie folgt konkretisiert:

Einer Warnung von HÄCKER zur Verwendung von Portfolios wird Beachtung geschenkt: Das Portfolio sei „gegenwärtig ein solches Modewort: von vielen aufgegriffen und schnell wieder fallen gelassen, von wenigen verstanden, nur ganz selten ernsthaft umgesetzt“ (2006, 27). HÄCKER und WINTER (vgl. dazu 2006) sehen in diesem Kontext die Standardorientierung als zentrale Bedingung für das Gelingen der Portfolioarbeit in der Lehrerbildung. Deshalb erfolgt die direkte Anbindung an die standardorientierte Ausbildung im Studienseminar: Im Rahmen des Strukturelements 3 führt das Kompetenzraster bei Standard 3 als Kriterium den „ eigenen Standort klären “, bei Strukturelement 4, Standard 9 „ Reflexion der Rolle als Lehrperson “ aus und im Strukturelement 1 erwartet Standard 3 die „ Reflexion des Lehr-Lernhandelns “ mit den Kriterien „ Ziele vereinbaren “, „ Kompetenzentwicklung dokumentieren “ und „ eigenes Unterrichtshandeln reflektieren “. Das Portfolio für LiA bietet die Chance, die eigene Entwicklung in diesen Bereichen voranzubringen.

Ein Ausblick wäre aus Sicht des Studienseminars der Einbezug des Portfolios als Grundlage für mündliche Prüfungen in 2. Staatsexamina, um per Selbstwahrnehmung zu belegen – und von den Prüfern zu hinterfragen –, ob und in welcher Weise in den Standards geforderte Kompetenzen erworben wurden. Darüber hinaus wäre es aus Sicht des Studienseminars bedeutungsvoll, das Entwicklungsportfolio auch nach dem Vorbereitungsdienst als ein Instrument lebenslanger Professionalisierung von Lehrkräften zu führen. Das Land Hessen hat als Vorreiter seinen Lehrkräften bereits das Führen eines „Qualifizierungsportfolios“ als Grundlage von Mitarbeitergesprächen, Bewerbungsverfahren und einer Laufbahnberatung zum 1. August 2005 vorgeschrieben; der bürokratische Nachweis von 150 Leistungspunkten innerhalb von drei Jahren für Fortbildungsaktivitäten im Portfolio scheint jedoch individuellen Förderanliegen und Reflexionen abträglich. Das Konzept des Studienseminars besteht vielmehr darin, Lehrkräfte nach Abschluss der Ausbildung dazu anzuregen, ihre Kompetenzentwicklung – auch im Zuge der Fortbildung – weiterhin in ihrem Portfolio zu dokumentieren und damit dem Prinzip des lebenslangen Lernens Rechnung zu tragen.

4.3 Beratungs- und Reflexionskonzept

Als Ausgangspunkt für eine Neuorientierung in Beratungs- und auch Bewertungsgesprächen dienen Befunde aus der Forschung, die darauf hindeuten, dass Lehrkräfte nach Beendigung ihrer Ausbildung theoretische Erkenntnisse von Lernen und Lehren eher nicht mehr wahrnehmen und sich an schulische Vorgehensweisen adaptieren (vgl. KORTHAGEN 2002). Das Vorgehen in der Praxis basiert auf sich (scheinbar) bewährenden subjektiven Theorien, da die Anschlussfähigkeit von theoriegestützten Konzeptionen an eigene Erfahrungen, sprich Unterrichtsbilder und -emotionen, insbesondere für LiA kaum gegeben ist (vgl. MÜLLER 2005). Vor diesem Hintergrund entwickelt sich Lehrerkompetenz im Sinne der Standards durch strukturierte Reflexion der eigenen Erfahrungen von Unterricht (vgl. dazu vor allem die Ausführungen bei ALTRICHTER/ POSCH 2007).

Diese Einsicht führt im Studienseminar dazu, Rückgriffe auf Ansätze der systemischen Beratung zu nehmen, die Beratungsprozesse vornehmlich als Hilfe zur Selbsthilfe verstehen (vgl. REICH 2005) und von – bewusst überzeichneten – Ratschlägen wie „ Das ist aus diesem Grund falsch gelaufen: … “, „ Ich hätte das an Ihrer Stelle so gemacht: … “ und „ Das nächste Mal sollten Sie wie folgt vorgehen: … “ Abstand zu nehmen. Zwar besteht die Beratungssituation zwischen Ausbilderinnen und Ausbildern sowie LiA immer aus Beratenden und zu Beratenden, wobei erstere von ihren Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten her in der Lage sein müssen, Unterricht umfassend zu beurteilen. Darüber hinaus sind jedoch Kompetenzen im Bereich der Gesprächsführung und Moderation sowie eine den zu Beratenden zugewandte Grundhaltung vonnöten (vgl. dazu die umfangreichen Hinweise bei ZIMMERMANN 2003). Zu diesem Zweck wird am Studienseminar die „Kollegiale Fallberatung“ zwischen Fachleitern praktiziert und an Studientagen Beratungskompetenz zum Gegenstand gemacht, um die Kompetenzen auf Seiten der Ausbilderinnen und Ausbilder voranzubringen. Korrespondierend sind auf Seiten der LiA kommunikative und kooperative Kompetenzen sowie eine kritische Einsichts- bzw. Selbstevaluationsfähigkeit nötig, welche für Entwicklungen von einer auf gegenseitiger Akzeptanz beruhenden Beziehung flankiert sein müssen (edb.). (Die Bedeutung der Beziehungsebene – und die Ausrichtung der Fachleiter/innen darauf – drückt sich im Leitbild des Studienseminars BBS Mainz aus: „ Der Mensch steht in seiner Einmaligkeit, seiner Würde, seinen (Entwicklungs-) Potentialen und in seinen sozialen Bindungen im Mittelpunkt“.) Bevor diese Kompetenzen anhand des Kompetenzrasters konkretisiert werden, erfolgt an dieser Stelle das im Winter 2006/2007 implementierte und von einem Arbeitsteam aus Fachleiterinnen und Fachleitern, Seminarleitung und LiA über einem Jahr entwickelte Beratungs- und Reflexionskonzept:

Dabei lässt sich das Konzept in drei Bereiche aufteilen: Bereich 1 (das Reflexionskonzept direkt nach Unterricht) mit vier Phasen, Bereich 2 (das Reflexionskonzept im Nachgang zum Unterricht) mit zwei Phasen und Bereich 3 (das Reflexionskonzept des Unterrichts von Fachleitern und Schulpraktikern).

Zum Bereich 1 (als Anregungen sind die Besprechungsmodelle nach BÖTTCHER 2004; GOLL/ KLUPSCH-SAHLMANN/ THESSLING 2002; KORTHAGEN 2002 eingegangen):

 

Phase 1: Die Phase „Im Vorfeld der Unterrichtsstunde“ ermöglicht den LiA in ihrer Ausarbeitung bereits Entwicklungsschwerpunkte für eine fokussierte Beobachtung anzugeben und den Fachleiterinnen und Fachleitern untereinander bereits eigene Schwerpunkte zu benennen bzw. anzusprechen.

Phase 2: Die „Klärungsphase“ (ca. 10 Min.) erlaubt den Besprechungsteilnehmern Schwerpunkte und die jeweils feedbackgebende Person festzulegen sowie eventuell schon nächste Schritte bzw. Ziele für die LiA anzudenken. In dieser Phase klären die LiA für sich alleine, wozu sie Rückmeldung haben möchten und was die nächsten Schritte bzw. Ziele sein könnten.

Phase 3: Die „Besprechungsphase“ (ca. 45 Min.) steht im Zentrum des Gesprächs und fokussiert folgende Leitfrage: „ Was war nützlich/ hilfreich für die Lerner und woran mache ich das fest? “. Unter der gesprächsleitenden Maxime der Ressourcenorientierung (Bestärkung und Konzentration auf vorhandene, den in den Standards erwarteten Kompetenzen förderliche Ressourcen der Lehrperson) erfolgt eine Feinphasierung der Besprechung in der folgenden Tabelle:

 

Phase 4: Im Rahmen der „Metakommunikation“ (ca. 5-10 Min.) wird gefragt, wie alle Teilnehmenden die Besprechungssituation erlebt haben, um die Beratungsdeterminanten Akzeptanz, Übereinstimmung und Empathie abschließend zu thematisieren (vgl. dazu auch Böttcher 2004). Nachdem die LiA den Raum verlassen haben, erfolgt unter Schweigepflicht noch eine Metakommunikation aller Ausbilderinnen und Ausbilder im Hinblick auf die Interaktion untereinander in der Besprechungsphase.

Zum Bereich 2:

Phase 1: Bis zu einer Kalenderwoche nach dem Unterricht ergeht eine Reflexion der LiA nach dem Konzept zum pädagogischen Denken von REICH (vgl. zum Konzept REICH 2005) auf einem Formblatt mit den Bestandteilen Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion. Nach den Unterrichtsbesuchen und unbenoteten Lehrproben sind die LiA zwar immer noch gehalten, ihren Unterricht unter der Perspektive Kompetenzförderung zu reflektieren, hingegen wird ihnen die Form dann zur Berücksichtigung der Ausprägungen individueller Reflexionsformen freigestellt.

Phase 2: Nach Erhalt der Reflexion durch die LiA verschickt der Fachleiter die Dokumentation des Gesprächs elektronisch und bei Bedarf kommentiert die Reflexionsleistung der LiA (aus Gründen der Wertschätzung sowie aus Verantwortung für die Entwicklung der reflexiven Kompetenz) in freier Form.

Zum Bereich 3:

Um Kompetenzentwicklungen ohne Beurteilungsdruck zu ermöglichen, werden Reflexionen im Anschluss an den Unterricht von Fachleitern und anderen Schulpraktikern eingesetzt. Zunächst finden zwischen vier und sechs solcher Runden in den ersten drei, für die LiA noch nicht mit eigenverantwortlichem Unterricht belegten Monaten statt. In der Folgezeit hospitieren die LiA fünf Wochenstunden, die nicht systematisch mit Schulpraxisreflexionen gekoppelt werden, jedoch ist es ausdrücklich vom Studienseminar erwünscht, dass untereinander bzw. mit Mentoren Stunden reflektiert werden. Die Schulpraxisreflexionsgespräche erfolgen nach der gleichen Struktur wie im Bereich 1, erlauben jedoch den LiA in mit anderen Emotionen belegtem Raum Professionalisierungsprozesse einzuleiten (vgl. die Erfahrungsberichte bei MÜLLER 2005).(Zurzeit arbeitet eine Arbeitsgruppe aus Fachleitern am Studienseminar BBS Mainz an einem umfassenden Hospitations- und Reflexionskonzept für den gesamten Bereich 3.)

Der Methode des zirkulären Fragens wird in den Bereichen 1 und 3 in der Besprechungsphase tragende Bedeutung eingeräumt. Dabei eröffnen die Berater allen Beteiligten und den Lehrkräften in Ausbildung durch „triadische Frageweise Möglichkeiten, sich in andere Positionen hinein zu versetzen und sich dabei auf einen Perspektivenwechsel innerhalb des Systems einzulassen. Die triadische Frageweise provoziert ein ‚Mutmaßen im Beisein der Anderen', denn die Beteiligten werden angeregt, ihre Vermutungen über Wünsche, Bedürfnisse, Meinungen, Beziehungen usw. anderer Beteiligter zu äußern“ (REICH 2007, 1). Der Erwerb der Standards durch Verknüpfung von Orientierung an Expertenhandeln, Üben sowie Reflexion (vgl. dazu insb. OSER 2002) wird durch zirkuläres Fragen insofern gefördert, dass für LiA ein interdependenter Bezug auf Denkweisen von schulischen Vertretern und Fachleitern als Experten und ein Hinterfragen der eigenen Position möglich wird. (Auch Ausbilder/innen werden somit selbst zu lernenden Subjekten und können eigene Positionen hinterfragen und abgleichen.)

Das Besprechungs- und Reflexionskonzept des Studienseminars BBS Mainz stützt sich mit dem vorgestellten Ansatz auf ein Verständnis des Kompetenzerwerbs von Lehrkräften durch eine Anbindung an die eigene Biografie und aktuell ganzheitlich erlebtem, noch diffusem Unterricht auf Basis von Reflexion, um Zusammenhänge zu erkennen und Ereignissen Deutungen beizumessen. Nach KORTHAGEN (vgl. dazu die Darstellung des Modells in KORTHAGEN 2002) erlaubt die Reflexion eine Schemabildung (Abhängigkeiten, Charakteristiken, Transfer etc. herausfinden). Zum Gewinnen von Sicherheit im Hinblick auf eigenes Lehrerhandeln ist danach eine Theoriebildung möglich, um Zusammenhänge und Wirkungen erklären zu können. Diese Theorien fußen auf eigenem Erleben und lassen sich anhand von wissenschaftlichen Theorien überprüfen. Nach Verfestigung solcher Bewusstwerdungen im Rahmen von Unterrichtsreflexion ist ein Übergang in Handlungsroutinen bei der erfahrenen Lehrkraft möglich (sensu KORTHAGEN eine Reduzierung des Levels bzw. des Niveaus, 2002). Eine Fokussierung auf andere, selbstständig wahrgenommene Probleme im Unterricht ist im Zuge der fortgesetzten Unterrichtsreflexion in der Folge gangbar.

Das Besprechungs- und Reflexionskonzept unterstützt u. a. Entwicklungspotenziale im Strukturelement 1 „ Lernen und Verstehen “ (allen voran bei den Standards 2 „ Moderation von (Selbst-)Aneignungsprozessen “ und 3 „ Reflexion des Lehr-/Lernhandelns “ sowie 4 „ Transfer aktueller wissenschaftlicher Forschung auf Lehr-/Lernsituationen “) sowie im Strukturelement 2 „ Kommunizieren und Interagieren “ (dabei vor allem beim Standard 1 „ Analyse von Kommunikation und Interaktion “). Darüber hinaus bieten sich im Rahmen der Besprechungsphase umfassende Entwicklungspotenziale im Hinblick auf die Strukturelemente 3 und 4 an (dabei im Besonderen für die Standards „ ganzheitliche Entwicklung von vernetztem Handlungswissen “ und „ zur Reflexion des Rollenverständnisses als Lernbegleiter “). Auch können LiA speziell in Bezug auf Standard 1 „ Transfer zeitgemäßer didaktischer Ansätze “ aus Strukturelement 5 und Standard 5 „(Selbst-)Reflexion einer kontinuierlichen Weiterentwicklung des beruflichen Handelns “ Fortschritte machen. (Zitate entnommen aus ARBEITSGRUPPE 2002.) Zum Abschluss ist aus Sicht des Studienseminars zu erwähnen, dass durch Steuerung der Besprechungsschwerpunkte individuellen Entwicklungsschwerpunkten der LiA im Kompetenzraster – ausgelöst durch ein exponiertes Zusammenfallen von Selbst- und Fremdwahrnehmungen – nachgegangen werden kann.

4.4  Verzahnung der ersten und zweiten Ausbildungsphase

Die in den Standards beschriebenen Kompetenzen erlauben es, die universitäre und schulpraktische Ausbildungsphase systematisch und output -orientiert zu verschränken (vgl. OELKERS 2003). Dabei werden – hingegen eher durch glückliche Fügung als systematisch bewirkt – an der Universität Mainz im Studiengang Wirtschaftspädagogik von Fachleitern des Studienseminars Vor- und Nachbereitungsveranstaltungen der schulischen Praktika per Lehrauftrag übernommen.

Im Rahmen der Praktika-Vorbereitung werden pädagogische Rahmenbedingungen für den Unterricht in berufsbildenden Schulen und didaktisch-methodische Vorüberlegungen hinsichtlich Planung und Umsetzung einer Unterrichtsstunde gemeinsam erarbeitet. Es wird konkreter Unterricht durch individuell ausgearbeitete und standardisierte Beobachtungsbögen beobachtet. In diesem Zusammenhang werden teilnehmende versus nicht teilnehmende und standardisierte versus offene Beobachtungsformen kontrastiert. Insofern sollen die Teilnehmer zu der Beurteilung von Unterricht unter Berücksichtigung von Beobachtungskriterien befähigt werden. In Bezug auf die Standards werden damit insbesondere die Kompetenzen (entnommen aus: ARBEITSGRUPPE 2002) zur „ Einordnung des … pädagogischen Handelns in biografische, gesellschaftliche und Prozesse “ (SE 3), „ zur Synthese von didaktischen und methodischen Elementen in Unterrichtskonzeptionen “ (SE 4), „ zur Partizipation an Lebens-, Lern- und Arbeitsgemeinschaften “ (SE 7) und zur „ Vereinbarung von Beurteilungskriterien “ (SE 7) angesprochen. Nicht zuletzt sind dabei vom Studienseminar vier Startkompetenzen, als Voraussetzungen für die 2. Phase, im Blick des Studienseminars (vgl. dazu die Untersuchung von HEINEN-LUDZUWEIT 2005): Reflexionsfähigkeit, forschender Blick (Fähigkeit zur Beobachtung und kritischen Hinterfragung von Beobachterperspektiven und -kriterien), Fähigkeit zum Erkennen von Entwicklungsaufgaben und -stufen, die als Startkompetenzen (noch) nicht im Kompetenzraster expliziert sind. Startkompetenz bezeichnet damit die in der 1. Phase aufgebauten Kompetenzen, „um dann im Referendariat nach relativ kurzer Zeit unterrichtend und lehrend weiter zu lernen“ (ebd., 135).

In der von Fachleiterinnen und Fachleitern des Studienseminars verantwortlich durchgeführten Nachbereitungsveranstaltung von Schulpraktika geht es um angewandte Unterrichts- bzw. Unterweisungsmethoden und ihre lehr-lern-theoretische Grundlagen. Im Zentrum einer kritischen Reflexion steht die Frage, inwiefern die Lehr-Lern-Arrangements tatsächlich Lernen förderlich waren. In diesem Zusammenhang spielen auch Lernschwierigkeiten und Disziplinprobleme auf Basis der eigenen Erfahrungen eine Rolle. Im Rahmen der Output -Orientierung geht es in diesem Kontext erneut insbesondere um den forschenden Blick, dabei insbesondere um die Startkompetenzen (entnommen aus: ARBEITSGRUPPE 2002) zum „ Transfer aktueller wissenschaftlicher Forschung auf Lehr-/Lernsituationen “ (SE 1, Standard 4) und zur „ Differenzierung eines lernerorientierten Unterrichts “ (SE 4, Standard 3).

Mit der geplanten Reform der Lehrerbildung in Rheinland-Pfalz, die an den Landesuniversitäten i.d.R. zu Beginn des Wintersemester 2007/08 auch Lehramtsstudiengänge auf Bachelor - und Master -Strukturen mit Modulsystem und curricularen Standards umstellt, wird die Vor- und Nachbereitung von Praktika nach der Vernetzungsvorstellung der Quedlinburger Beschlüsse der KMK von 2005 auch strukturell in die Hände der Fachleiter der Studienseminare gelegt (vgl. zum Konzept MBWKJ 2005). Dabei sind im Bachelor -Studium insgesamt drei orientierende (die ersten beiden zehntägigen Praktika schulartübergreifend) und zwei vertiefende Praktika (15-tägig) – teils semesterbegleitend, teils in der vorlesungsfreien Zeit – und drei Fachpraktika (je 30-tägig) im Master-Studiengang. Für vertiefende und Fachpraktika zeichnen sich auch die Fachleiterinnen und Fachleiter für die Durchführung und Bewertung in enger Abstimmung mit den Schulen und mit einer Lehrkraft der Universitäten verantwortlich (vgl. ebd.). Damit einher geht eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes auf 15 Monate, so dass in den Praktika bereits umfangreiche Entwicklungsmöglichkeiten für LiA im Hinblick auf die Standards gegeben werden müssen. Die gemeinsame Verantwortlichkeit von Universität, Studienseminar und Schulen bedingt dabei eine intensive Verzahnung – am Standort Mainz ist diese Entwicklung mit den überlappenden Verantwortlichkeiten und der Anbindung der Vor- und Nachbereitungsveranstaltungen bereits eingeleitet worden.

Nicht zuletzt wird im Zuge der Vernetzung und umfassenden Modularisierung des Gesamtsystems Lehrerbildung – einhergehend mit der Reform der Lehrerbildung – für die 2. Phase eine angemessene Startkompetenz im „selbstständigen Organisieren der Ausbildung“ – einhergehend mit Selbstdiagnosefähigkeiten – erwartet, was in Zukunft zusätzlich einen selbstverantwortlichen Umgang zur Herausbildung des individuellen Kompetenzprofils mit dem flexiblen Modulsystem der 2. Phase befördern sollte.

Weiterhin wird diskutiert, schon zu Beginn des Studiums ein Entwicklungsportfolio (bzw. Lerntagebuch) einzuführen, welches dann phasenübergreifend geführt werden kann. Insbesondere können darin auch die Erfahrungen der Schulpraktika und die modulbezogene Kompetenzentwicklung unter Berücksichtigung der Lehrerbildungsstandards langfristig dokumentiert und reflektiert werden.

4.5  Weitere Bausteine eines kohärent standardorientierten Ausbildungskonzepts

Nach § 11 Absatz 1 der Landesverordnung über die Ausbildung und Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an berufsbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz sind nach der Hälfte der Ausbildungszeit durch alle Ausbilderinnen und Ausbilder mit der LiA ein ausführliches Gespräch mit beratendem, über den Ausbildungsstand Auskunft gebendem Charakter zu führen. Dieses beruht auf einer Selbsteinschätzung der LiA, strukturiert nach den Strukturelementen unter Auswahl derjenigen Standards, welche die LiA individuell als relevant einstufen. Dann erfolgt ein Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung. Das Portfolio wird dabei als Basis bzw. als Beleg für Kompetenzentwicklungen herangezogen.

Gemäß § 11 Absatz 2 der Verordnung (Startkompetenz kann als Ansatzpunkt über Portfolios bestimmt werden (HEINEN-LUDZUWEIT 2005). Insofern wäre dies ein weiterer Verknüpfungspunkt zwischen der 1. und 2. Phase der Lehrerbildung sowie ein Argument für das durchgehende Führen eines Entwicklungsportfolios.) erstellen am Ende der Ausbildungszeit die Fachleiter, der Seminarleiter sowie der Leiter der Ausbildungsschule im Benehmen mit dem Mentor jeweils eine Beurteilung der LiA. Auch diese sind nach Strukturelementen auf Basis der Standards zu formulieren und anhand von Beobachtungen (und gegebenenfalls des Portfolios) im Einklang mit den Präzisierungen im Kompetenzraster zu belegen. (Weitere Bestandteile der Ausbildung am Studienseminar BBS Mainz, welche dem standardbasierten Konzept verpflichtet sind, werden hier aus Gründen des Umfangs nicht dargestellt (z.B. Einstellungsgespräche für Quer- und Seiteneinsteiger, Forum Lehrerbildung als Verbindungsstelle Schulen-Seminar etc.). )

5. Und wo liegt der Ansatz der Neugestaltung? – Quo Vadis?

Eine Neugestaltung bzw. Reform – verstanden als Umgestaltung und Verbesserung des Bestehenden – war vor dem Hintergrund von Befunden zur potenziellen Wirkungslosigkeit der 2. Phase (die Kritik gilt wohl auch der 1. Phase) der Lehrerausbildung in Bezug auf die Nachhaltigkeit dringend geboten. Der fokale Punkt der Reform liegt auf der stringenten Ausrichtung aller Ausbildungsbestandteile am Studienseminar BBS Mainz auf die Standards in der Architektur der Lehrerbildung, welche mit den KMK-Lehrerbildungsstandards kompatibel sind, und in einem Kompetenzraster für beobachtbares Verhalten von LiA operationalisiert werden. Auf dieser Basis können summativ oder formativ gewonnene Rückschlüsse auf Kompetenzausprägungen von LiA durch Ausbilderinnen und Ausbilder gezogen werden. Zum Ansatz gehören flexible und wählbare Module, die zur Auswahl angeben, welche Kompetenzen (geordnet nach Standards und Strukturelementen) in ihnen befördert werden können, das Führen eines Entwicklungsportfolios zur (selbst-)reflexiven Dokumentation der standardbezogenen Entwicklungen und der Förderung der reflexiven Kompetenz. Schließlich trägt die Einbettung des Besprechungs- und Reflexionskonzeptes nach Unterricht in die Ansätze zur Selbstreflexion und zur selbstständigen Initiierung von Veränderungsprozessen als Schwerpunkte im Kompetenzraster zur Standardorientierung bei. Die zunehmende Vernetzung von 1. und 2. Phase erlaubt es, gemeinsam die Standardorientierung zum Ende der Ausbildung hin anzustreben.

Zuletzt ist darauf hinzuweisen, die Gefahren von Standards nicht als „blinde Flecken“ zu ignorieren (vgl. z.B. HERZOG 2005 oder HORSTKEMPER 2005). Schließlich sind sie gesetzt-normativ und damit nicht unveränderlich. Darüber hinaus müssen sich auch erst die Präzisierungen im Kompetenzraster in der Verwendung bewähren. Außerdem gilt es Individualität und Entfaltungsmöglichkeit zu bewahren (vgl. zu diesen Aspekten KLIEME 2005), so dass am Studienseminar ausdrücklich auch Kompetenzen in Bewertungen erfasst werden, die nicht standardisiert sind, aber dem Individuum als professionelle Lehrperson Dienste erweisen.

Wohin führt der Weg? (Quo vadis?)

Ob die Standards und die Präzisierung im Kompetenzraster beispielsweise OELKERS' fünf zentralen Anforderungen an Standards genügen (prägnant – und verkürzt – dargestellt: begrifflich klar, auf Unterricht spezifiziert, erfüllbar, beschränkt und überprüfbar; vgl. dazu ausführlicher bei OELKERS 2005), um den Vorwurf der Beliebigkeit, der gerade in der Vergangenheit häufig der 2. Phase anhaftete (vgl. z.B. MÜLLER 2005), zu entkräften, muss sich im Wege der internen und externen Evaluation noch erweisen. Im Rahmen der Bestrebungen nach Qualitätssicherung am Studienseminar BBS Mainz existiert ein Funktionsteam, welches sich als Aufgabe mit dem Evaluationskonzept beschäftigt. Dabei geht es um die systematische Sammlung, Verarbeitung und Interpretation von Informationen, um zu Bewertungen zu dieser Frage, z.B. nach den Kriterien der fünf OELKERS'schen Anforderungen, zu kommen. Das Ziel ist eine kontinuierliche Seminarentwicklung als planvolle und systematische Entwicklung der Anwendung des vorgestellten, konsequent auf Standards ausgerichteten Konzepts, welche in der periodischen Nivellierung des Seminarprogramms ihren Niederschlag finden kann.

 

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