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 bwp@ Ausgabe Nr. 13 | Dezember 2007
Selbstorganisiertes Lernen in der beruflichen Bildung Herausgeber der bwp@ Ausgabe 13 sind Karin Büchter und Tade Tramm

Unterstützung didaktischer Innovation durch Qualitätsmanagement – Ergebnisse einer Schulleitungsbefragung


 

 


1. Einleitung

Der folgende Beitrag beschreibt Ergebnisse einer empirischen Studie, die einen Zusammenhang zwischen der Unterstützung didaktischer Innovationen und dem Vorhandensein eines Qualitätsmanagementsystems untersucht. Die Befragung ist Teil des Forschungsprojektes „ Ansatzpunkte zur Unterstützung und Absicherung der didaktischen Innovationen im Rahmen von Schulentwicklung“ , das im Rahmen des BLK-Modellversuchsprogramms SKOLA durchgeführt wird („Selbstgesteuertes und kooperatives Lernen in der beruflichen Erstausbildung“; www.blk-skola.de ).

Im ersten Abschnitt wird zunächst der Stellenwert didaktischer Innovation in weit verbreiteten QM-Systemen beschrieben sowie das zu Grunde liegende Verständnis von Innovation als ganzheitlicher (systemischer) Prozess dargelegt. Im zweiten Abschnitt werden das Untersuchungsdesign und das Instrument der Onlinebefragung beschrieben. Drittens folgen Ergebnisse der Schulleitungsbefragung, die einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems und der Unterstützung didaktischer Innovationen belegen können.

2.  Didaktische Innovation und Qualitätsmanagement

Die zentrale Bedeutung von Schulleitungshandeln für Schulentwicklung und Innovationen, für die Schulprogramm ­ arbeit und das Qualitätsmanagement an beruflichen Schulen ist unstrittig. Gegen den Willen und die Absichten von Schulleitungen können keine Innovationen erfolgreich eingeführt werden, schon das Fehlen einer aktiven, deutlich sichtbaren Unterstützung wird z. B. in Studien zu Transfer und Verstetigung von Modellversuchsergebnissen als hinderliche Bedingung beschrieben. Unklar sind allerdings die konkreten Wirkmechanismen, durch die Leitungshandeln die Implementation und Verstetigung von Innovationen fördert.

Innovation bezeichnet nicht allein neue Maßnahmen, Produkte oder Ergebnisse, sondern sie wird immer auch als ganzheitlicher (systemischer) Prozess verstanden. Wichtig ist die normative Einschränkung, dass nicht jede Neuerung, nicht jeder Wandel auch schon als Innovation zu werten ist. Diese müssen erkennbar auf die Verbesserung der Schul- und Unterrichtsqualität ausgerichtet sein. Dabei können Innovationen allgemein anhand verschiedener Kriterien ausdifferenziert und beschreiben werden:

Innovationsbereiche an beruflichen Schulen können verschiedene Entwicklungen auf der pädagogischen und didaktischen Ebene (Curriculum, Unterricht etc.), der Ebene der Organisation, der Führungsentwicklung (Teamarbeit, Entscheidungsstrukturen, Schulprogrammarbeit) umfassen sowie die Bereiche von Evaluation und Qualitätssicherung einschließen.

Innovationsphasen wurden bereits in den 1940er Jahren im Grundmodell der Organisationsentwicklung durch Kurt Lewin beschrieben. Das Modell umfasst die drei Phasen: De-freeze/ Move/ Re-Freeze. In der ersten Phase werden starre Verhaltensmuster und Kommunikationsroutinen „aufgetaut“, in der zweiten „bewegt“ sich die Organisation, indem Innovationen eingeführt bzw. neue Verhaltensmuster erprobt und dann in der dritten Phase erneut gefestigt werden. Im Kontext von Innovationsprojekten an (beruflichen) Schulen wurde das Grundmodell vielfach angewandt und modifiziert und in einer zurzeit aktuellen Variante auf vier Phasen ausdifferenziert: Initiative, Programm, Implementation, Institutionalisierung (SLOANE 2005). Die Anforderungen an die Akteure sind phasenabhängig und im Hinblick auf die Innovationsziele zu differenzieren.

Innovationsziele sind im Spannungsfeld zwischen den Polen Optimierung und grundlegender Neuerung ebenso auszudifferenzieren wie in der zeitlichen Dimension zwischen kurzfristigem Umbruch und langfristiger Entwicklung. Ziele von Innovationen sind auch in Abhängigkeit ihrer Reichweite zu beschreiben. Sie können flächendeckend für die ganze Schule oder punktuell für bestimmte Klassen oder Bildungsgänge angestrebt werden.

Innovationsstrategien bewegen sich traditionell zwischen top-down und bottom-up Ansätzen. In einem modernen Verständnis von Schulentwicklung werden Innovationen aber eher in einem horizontalen Strategiemodell implementiert, das als middle-up & down (SEITZ/ CAPAUL 2004) zu beschreiben ist.

Für alle Formen schulischer Innovationen gilt, dass Initiative, Gestaltung und Umsetzung letztlich von der Mehrheit akzeptiert und aktiv mit getragen werden müssen. Hierbei haben persönliche Werte, das professionelle Selbstverständnis, innere Einstellungen und emotionale Grundhaltungen aller Akteure eine besondere Bedeutung. Innovationen brauchen zugleich ein Mindestmaß an Langlebigkeit und Nachhaltigkeit, um in den Routinebetrieb der Organisation überzugehen zu können. Dies ist das erwünschte Ende einer Innovation und der mögliche Beginn einer weiteren Entwicklung.

2.1  Stellenwert didaktischer Innovationen in Qualitätsmanagement-Systemen

Die zentrale Rolle der Schulleitung in der Initiierung von Qualitäts-Projekten und vor allem der Schulprogrammarbeit ist vielfach beschrieben worden. Zugleich sind erfolgreiche Schulentwicklungsprozesse (häufig) mindestens so stark von Kontextfaktoren (wirtschaftliches Umfeld, politische Maßgaben, regionale Entwicklungsprozesse etc.) als von pädagogischen Grundorientierungen der Lehrenden abhängig. Zugespitzt formuliert kann Schulleitungshandeln (allein) die Qualität von Unterricht nicht direkt beeinflussen, es bedarf zumindest einer Ergänzung des Führungsverhaltens der Schulleitung durch selbst organisierte und selbst gesteuerte Prozesse der Lehrenden (BONSEN 2003). Vor diesem Hintergrund wird die Beeinflussbarkeit der organisationalen Kernprozesse durch Schulleitung in schulischen QM-Systemen (i. d. R. adaptierte Q2E bzw. EFQM Modelle) im Hinblick auf den Stellenwert didaktischer Innovationen untersucht. Wie sind didaktische Innovationen in den Modellen Q2E und EFQM systematisch verankert?

Bundesweit gab es in den letzten Jahren einen starken Entwicklungsschub in der Einführung von Qualitätsmanagement-Systemen (QMS), zunächst an beruflichen Schulen, der sich jüngst und verstärkt auch an allgemein bildenden Schulen fortsetzt. Dabei handeln die Bundesländer sehr unterschiedlich (ZÖLLER 2007). Während einige vorgeben, welches QMS einzuführen ist, stellen andere Länder lediglich die Anforderung, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ein zertifiziertes QM nachzuweisen oder verzichten zur Zeit noch völlig auf landesweite verbindliche Regelungen. Derzeit haben sich sechs Bundesländer zur landesweit einheitlichen Einführung von QM-Systemen entschlossen und diese im Rahmen von Modellvorhaben geprüft. Das in der (deutschsprachigen) Schweiz in den 1990er Jahren entwickelte Modell „Qualität durch Evaluation und Entwicklung (Q2E)“ scheint sich dabei gegenüber anderen v. a. in Unternehmen entstandenen Modellen EFQM und ISO 9000ff. durchzusetzen. Mit Baden-Württemberg hat ein Bundesland die Einführung eines Q2E-basierten Modells für alle beruflichen Schulen verpflichtend eingeführt. Niedersachsen hat ebenfalls die Einführung eines bestimmten QMS angeordnet, in diesem Fall EFQM. In Bayern, Hessen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern wird jeweils eine landesspezifische Adaption des Q2E Modells flächendeckend eingeführt werden, entsprechende Pilot- oder Projektphasen laufen (Tab. 1; sie ist als eine Momentaufnahme zu Beginn des Jahres 2007 zu lesen).

Allerdings unterscheiden sich die weit verbreiteten Modelle Q2E, EFQM und ISO im Stellenwert, den sie didaktischen Innovationen einräumen (können).

2.2  Stellenwert didaktischer Innovationen im Q2E Modell

Es hat sich vor allem in den Jahren 2005-2007 eine Tendenz hin zu dem aus der Schweiz kommenden Q2E gezeigt. Dieses System wurde von Schulen für Schulen entwickelt und basiert auf dem TQM-Ansatz. Durch „Entwickeln“ und „Evaluieren“ wird Qualität erzeugt und überprüft. Durch seine Entwicklungsgeschichte im schulischen Bereich bietet es den Vorteil, in der Verbesserung von Unterrichtsprozessen Orientierung zu bieten. Die Erfahrungen aus Modellversuchen haben gezeigt, dass es Akzeptanz in den Kollegien genießt, die nicht zuletzt durch die starke Einbeziehung aller Mitarbeitenden erforderlich ist. Q2E ist übersichtlich aufgebaut, basiert auf einem, in einem partizipativen Vorgehen erstellten, Qualitätsleitbild und kann schrittweise in die Schule eingeführt werden.

Bei Q2E (OES, ReBiz) ist die Erstellung eines Qualitätsleitbildes, das konkret formulierte Aussagen zu schulischer Qualität in vier vorgegebenen Qualitätsbereichen umfasst, von zentraler Bedeutung (LANDWEHR/ STEINER 2003). Darin sind auch Anforderungen an Unterrichtsqualität enthalten, an denen sich die jeweilige Schule selbst messen will. Jegliche didaktische Innovation kann hier durch die Schule aufgenommen werden. Als hilfreich und im weiteren Verlauf effektiv hat sich Priorisierung einzelner Qualitätsaussagen erwiesen. Konkret bedeutet dies, dass sich eine Schule entscheidet, welche Qualitätsbereiche sie in einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren sowohl intern als auch im Bereich des Individual-Feedbacks intensiv reflektieren möchte. Diese am Leitbild ausgerichtete systematische Vorgehensweise ermöglicht die Einbeziehung didaktischer Innovationen. Von daher umfasst das Modell die Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung immer auch didaktische Themen und es entsteht eine hohe Identifikation mit der schuleigenen Qualität, da in vielen Leitbildern Aussagen darüber getroffen werden. Das Leitbild wird als Steuerungs- und Reflexionsinstrument verstanden, das in einen Regelkreis von Entwicklung und Evaluation eingebunden ist (LANDWEHR 2003).

 

Die Veränderungen sind u. a. im Bereich der Lernkultur zu spüren, in der ein anderes Verständnis von Unterricht verankert wird. Die Bedeutung dieser neuen Kultur, die von Vertrauen geprägt ist, wird zum einen für die direkte Umsetzung didaktischer Innovationen auf der Ebene Lernende-Lehrpersonen als auch für das Arbeiten zwischen den Hierarchien betont. Auf dieser übergreifenden Ebene kommen die Zielvereinbarungen zu didaktischen Innovationen zwischen Behörde bzw. Ministerium und den Schulen zum Tragen.

2.3  Stellenwert didaktischer Innovationen im EFQM-Modell

EFQM hat seinen Ursprung in europäischen Unternehmen und muss für schulische Zwecke (z. T. aufwendig) angepasst werden. Da Unterrichtsprozesse im Modell zunächst nicht benannt sind, ist hier ein hohes Engagement der jeweiligen Schule gefordert. Eine Unterstützung bieten verschiedene Handbücher und Leitfäden (exemplarisch: KOTTER 2005). Das Vorgehen in EFQM orientiert sich u. a. an der ‚Radar-Logik', mit der ein Fortschritt in den Excellencebereichen festgestellt werden kann. Results= Ergebnisse, die erreicht werden sollen, Approach=Vorgehen zum Erreichen der Ziele, Deployment= Umsetzung, Assessement, Review=Bewertung, Überprüfung. Die vereinbarten Verbesserungsprojekte werden mit Radar geplant, durchgeführt und bewertet. Zugleich dient das Vorgehen auch der gesamten Entwicklung des QMS. EFQM ist ein sehr komplexes System, wodurch eine hohe Anforderung an den systematischen Aufbau besteht.

EFQM (ProReKo) bietet den Schulen ein offenes Referenzsystem. Lehrerbefragungen im Modellversuch haben gezeigt, dass es ein umfassendes Instrument ist, das im schulischen Einsatz an die Lehrpersonen sehr hohe Anforderungen stellt, die für einige Schulen auch eine Überforderung mit sich bringen. Auch der Einsatz ausgebildeter Assessoren an den Schulen und externer Berater/innen ändert an dieser erfahrungsbasierten Einschätzung nichts, da diese häufig nicht über die Kompetenz der Gruppenmoderation verfügen.

Eine weitere Schwierigkeit des Modells hinsichtlich didaktischer Innovationen besteht darin, dass der Bezug zum unterrichtlichen Alltagsgeschäft und der damit verbundene direkte Nutzen für die pädagogische Arbeit wenig offensichtlich sind. In der Umsetzung von EFQM hat es sich als hilfreich erwiesen, entlang der gewählten Strategie einige wenige Projekte zu vereinbaren, die systematisch verfolgt werden. Vor dem Hintergrund des offenen Referenzrahmens und der je spezifischen Ausrichtung der Schulen bleibt es somit offen, ob didaktische Innovationen im EFQM der Schule systematisch aufgenommen werden.

Die DIN EN ISO 9000 Normenreihe ist in der Industrie entwickelt worden und hat seitdem erheblich an Bedeutung im Nonprofit-Bereich gewonnen, z.B. in Sozialunternehmen und im Pflegebereich. Im Zuge der Diskussion um schulische Qualität scheint sich die ISO-Reihe auf Länderebene insgesamt nicht durchzusetzen. Es gibt allerdings eine ganze Reihe von beruflichen Schulen v. a. mit fachlichen Schwerpunkten in den Feldern von Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen; möglicherweise auf Grund der sehr starken Verbreitung von QMS der ISO-Reihe in der Sozialwirtschaft, in Krankenhäusern etc.

Unabhängig vom zu Grunde liegenden Modell ist die Einführung von Qualitätsmanagement-Systemen (QMS) selbst ein Innovationsprojekt. Sie zielt systematisch auf Kontinuität, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Maßnahmen und eingeführten Änderungen, z.B. in der verstärkten Förderung und Etablierung von selbstgesteuerten und kooperativen Lernformen. Die Implementierung von QMS bedeutet, eine standardisierte Schulentwicklung anzustreben, die – unabhängig vom gewählten oder landespolitisch verordneten QM-System – sowohl Prozesse auf der Mikroebene (Unterricht) als auch auf der Mesoebene (Schule als Gesamtorganisation) analysiert, beschreibt, im Hinblick auf gesetzte Ziele evaluiert und gegebenenfalls verändert.

Ob nun das Vorhandensein eines Qualitätsmanagement-Systems tatsächlich die Unterstützung didaktischer Innovationen an beruflichen Schulen fördert, wurde im Rahmen einer Schulleitungsbefragung untersucht, deren Methode und Ergebnisse in den beiden folgenden Abschnitten dargestellt werden.

3.  Methode der Datenerhebung

Es wurde ein Online-Fragebogen erstellt und auf einem Internetserver platziert, der über ein anonymisiertes Verfahren zugänglich gemacht wurde. Per Email wurden alle Schulleitungen beruflicher Schulen in Deutschland angeschrieben und gebeten, sich an der Befragung zu beteiligen, dem mit gesendeten Internetlink zu folgen und die ebenfalls mit gesendete TAN als Zugang zum Erhebungsinstrument einzusetzen. Der Erhebungszeitraum war von Juni bis August 2007. Die Zielgruppe waren alle Schulleiter/inne/n beruflicher Schulen in Deutschland. Die Beteiligung lag mit n=286 bei14% (bezogen auf die Anzahl versendeter Email) bzw. 16% bezogen auf die Anzahl beruflicher Schulen lt. DESTATIS 2005 noch im zufrieden stellenden Bereich. Bezogen auf einzelne Bundesländer war sie allerdings mit Werten zwischen 7-30% (bzw. 5-50% auf Basis der Angaben des statistischen Bundesamtes) sehr unterschiedlich, sodass auf eine länderspezifische Auswertung verzichtet wurde. An der Umfrage haben sich mit 82% weit überwiegend Schulleiter/innen (davon 22% Frauen) beteiligt, knapp ein Viertel der Fragebögen wurde von Mitgliedern der erweiterten Schulleitung bzw. von Abteilungsleitungen bearbeitet.

Gemessen an den Lehrerstellen arbeiten ein Drittel der sich beteiligten Personen an mittelgroßen (60-90 Stellen), ein Viertel an kleineren Schulen (30-59 Stellen) sowie jede/r sechste an einer großen Schule (91-120 Stellen). Zum Vergleich: berufliche Schulen in Baden-Württemberg haben im Durchschnitt 66 Lehrerstellen (Tab. 2)

Betrachtet man weiterhin die Verteilung auf bestimmte Berufsfelder sowie den Einsatz von Lehrerstunden im Dualen System (Tab. 3 und 4) ergibt sich eine aussagekräftige Beteiligung an der Befragung, die – bis auf den vermutlich leicht überproportionalen Anteil gewerblich-technischer Schulen – den Verteilungen in der Grundgesamtheit aller beruflichen Schulen in Deutschland entsprechen dürfte. Ein Vergleich mit der tatsächlichen Verteilung von beruflichen Schwerpunkten, Lehrereinsatz in bestimmten Schulformen sowie der Größe von beruflichen Schulen (in Lehrerstellen) kann nicht vorgenommen werden, da dazu keine bundesweit einheitlich erhobenen Daten vorliegen. Die Ergebnisse der Befragung beziehen sich somit auf eine aussagekräftige Stichprobe, sie sind aber nicht repräsentativ.

 

4.  Ergebnisse der Schulleitungsbefragung

Der Stellenwert didaktischer Innovationen an einer Schule zeigt sich u. a. auch durch deren Beteiligung an entsprechenden Modellversuchen oder Projekten sowie der Fortbildungsbeteiligung von Lehrer/innen. Ob sich die Schule in den letzten drei Schuljahren an Modellversuchen/Projekten beteiligt hat, die ausdrücklich didaktische Innovationen zum Ziel hatten, verneinen immerhin 42% der Befragten. Knapp 30% beteiligten sich an Landesprojekten und ca. 20% an EU-finanzierten Maßnahmen. Mit ca. 60% gab die deutliche Mehrheit der Befragten an, dass seit 2005 weniger als die Hälfte der Lehrer/innen Fortbildungen zu didaktisch-methodischen Themen absolvierten (Mindestdauer: ein ganzer Tag). Dem stehen 14% der Schulen gegenüber, bei denen über 90% der Lehrer/innen eine solche Fortbildung besuchten. Bemerkenswert im Hinblick auf die Einführung systematischer Schul- und damit auch Personalentwicklung ist der Umstand, dass genau die Hälfte der Antworten zu Fragen der Fortbildung auf systematisch dokumentierten Daten beruht. Noch vor wenigen Jahren konnten die Angaben zur gleich lautenden Frage im Rahmen einer Untersuchung zur Lehrerweiterbildung in Hessen, von fast allen der befragten Schulleiter/innen lediglich geschätzt werden ( FAßHAUER 2005).

Der Verbreitungsgrad von QMS im Rücklauf der Befragung ist differenziert zu betrachten. Für etwas mehr als ein Drittel der Schulen wird die Frage, ob es ein QMS gibt, verneint (Tab. 3). jeweils ca. ein Viertel der Befragten führt zurzeit ein QMS ein oder hat bereits ein QMS, allerdings (noch) ohne Zertifizierung. Immerhin jede siebte Schule verfügt über ein bereits zertifiziertes QMS. Auch zu dieser Frage fehlen leider bundesweite, verlässliche statistische Angaben, sodass eine Bewertung dieser Zahlen nicht möglich ist. Für die Beantwortung der Leitfrage, ob es einen Zusammenhang zwischen QMS und der Unterstützung didaktischer Innovationen gibt, kann aber somit auf eine aussagekräftige Anzahl von Schulen mit und ohne QMS zurückgegriffen werden. Zugleich wurde von den Schulleitungen auch erfragt, welches QMS an ihrer Schule eingeführt ist bzw. eingeführt wird. Die Werte in Abb. 1 sind ohne Berücksichtung der Antworten aus Niedersachsen und Baden-Württemberg, da diese Bundesländer ein bestimmtes QMS verpflichtend für alle beruflichen Schulen eingeführt haben. Für diese Bundesländer können also mögliche Präferenzen für bestimmte QMS in Abhängigkeit von Schultyp und -größe erkannt werden. Mit Ausnahme der Schulen mit Schwerpunkt im Sozial-, Gesundheits- und Pflegebereich, wird durchgängig über die Schultypen die größere Akzeptanz des Q2E deutlich. Dabei spielt, neben der eingangs erwähnten Verbreitung der ISO-Normenreihe in der Sozialwirtschaft und im Gesundheitswesen, möglicherweise eine bedeutende Rolle, dass Schulen in den genannten Bereichen mit durchschnittlich 35 Lehrerstellen relativ klein sind. Damit fällt es unter Umständen leichter, ein hoch formalisiertes QMS wie die ISO Reihe umzusetzen.

 

Um den Grad der Unterstützung didaktischer Innovationen durch das Schulleitungshandeln erfassen zu können, wurden Items zur Nutzung räumlicher, zeitlicher und personaler Ressourcen formuliert. Weiterhin wurde der Stellenwert didaktischer Innovationen im Rahmen der Bedarfserhebung von Lehrerfortbildung und in Sitzungen von Leitungsgremien der Schule erfragt. In der Formulierung der Items wurde kein Bezug zu QMS genommen. Die Befragten konnten ihre Einschätzungen auf einer fünfstufigen Skala geben (1 = stimme voll zu; 5 = stimme gar nicht zu). Die interne Konsistenz der eingesetzten Items ist als gut zu bewerten (Cronbachs alpha = ,768). In den hier dargestellten Ergebnissen werden die Einschätzungen aus Schulen mit QMS zusammengefasst, unabhängig davon, welches QMS eingeführt ist bzw. zurzeit eingeführt wird und ob eine Zertifizierung vorliegt.

Zunächst fällt in Abb. 2 das insgesamt niedrige Zustimmungsniveau in den Einschätzungen der Befragten auf. Bei allen Items zu potenziellen Unterstützungsfaktoren ergibt sich eine Zustimmung nur knapp um den mittleren, neutralen Wert 2,5. Vor allem in Sitzungen der Schulleitungen sind didaktische Innovationen und Maßnahmen zu deren Unterstützung kaum ein Thema. Offensichtlich werden diese Faktoren aber in Schulen mit einem QMS durchgängig positiver eingeschätzt. Der Zusammenhang ist – mit Ausnahme des flexiblen Einsatzes räumlicher Ressourcen – signifikant (T-Test für Mittelwertgleichheit zwischen ,001 und ,058).

Bei genauerer Betrachtung der Einschätzung zum flexiblen Einsatz von Ressourcen fällt auf, dass offensichtlich vor allem die zeitlichen Strukturen eine Schwierigkeit in der Unterstützung darstellen (Abb. 3). Zugleich wird in der starken Streuung der Einschätzungen deutlich, dass es durch schulspezifische Maßnahmen gelingen kann, auch diese Rahmenbedingungen förderlich zu gestalten. Der flexible Einsatz räumlicher Ressourcen wird von den Befragten relativ einheitlich als (noch) gut eingeschätzt. Immerhin 60% der Befragten geben darüber hinaus an, dass an ihrer Schule Lern-/Arbeitsräume zur Verfügung stehen, die an Schultagen für Schüler/innen frei zugänglich und mit PC/Internet ausgestattet sind. Weitere 10% haben solche räumlichen Ressourcen ohne IT-Infrastruktur.

 

 

Abschließend werden in Abb. 4 die Einschätzungen der Befragten zur Unterstützung didaktischer Innovationen durch das QMS und das Schulprogramm/Leitbild dargestellt, das fast alle Schulen in der Stichprobe vorweisen können. Beide Instrumente werden ebenfalls nur mäßig positiv als unterstützend bewertet. Allerdings fällt die positive Einschätzung des Schulprogramms in Schulen mit QMS erheblich deutlicher aus als in Schulen ohne QMS (Mittelwerte 2,24 bzw. 2,8). Möglicherweise wird durch die systematische Schulentwicklung das Schulprogramm/Leitbild häufiger oder intensiver in die Tätigkeit der Leitung mit einbezogen. In dem weit verbreiteten Q2E-Modell, auch in all seinen unterschiedlichen landesspezifischen Adaptionen, ist das Leitbild fester Bestandteil. Mit einem Mittelwert von 2,34 wird das QMS selbst insgesamt sogar knapp schwächer in der Unterstützung didaktischer Innovationen gesehen als das Schulprogramm/Leitbild (nur Antworten von Schulen, die ein QMS haben).

5.  Fazit

Die Selbstauskünfte von Schulleiter/innen bzw. Schulleitungsmitgliedern aus 286 beruflichen Schulen, die an der bundesweiten Befragung im Sommer 2007 teilgenommen haben, können einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems und der Unterstützung didaktischer Innovationen in bestimmten Bereichen belegen. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, welches QMS eingeführt ist bzw. wird. Offensichtlich führt die systematische Schulentwicklung, die mit einem QMS unweigerlich verbunden ist, zu innovationsförderlicheren Rahmenbedingungen. Das Vorhandensein eines QMS kann zugleich die innovationsförderlichen Wirkungen anderer Steuerungsinstrumente stärken, wie z.B. die des Schulprogramms.

 

Literatur

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