In der Diskussion um veränderte Tätigkeitszuschnitte und Anforderungen am Arbeitsplatz (vgl. z. B. BAETHGE 2004; PÄTZOLD 2006) erfahren Kompetenzaspekte wie Problemlösefähigkeit eine erhöhte Relevanzzuschreibung. Daran anknüpfend stellt sich aus berufspädagogischer Perspektive die Frage, durch welche Maßnahmen die Problemlösefähigkeit gefördert werden kann.
Aus der wirtschaftspädagogischen Lehr-Lern-Forschung liegen Befunde vor, wonach sich bei Lernenden, die über einen längeren Zeitraum mit selbstorganisationsoffenen Lernumgebungen konfrontiert werden, die allgemeine und inhaltsspezifische Problemlösekompetenz günstiger entwickelte als in einer traditionell beschulten Kontrollgruppe (vgl. SEIFRIED 2004, 117). Parallele Befundmuster zeigten sich auch in weiteren, z. T. ähnlich gelagerten Untersuchungen (vgl. SEMBILL u. a. 1998; BENDORF 2002).
Für die gewerblich-technische Domäne liegen mit den Arbeiten der Forschergruppe um Sonntag ebenfalls mehrere Interventionsstudien zur Förderung der Problemlöse- und Transferfähigkeit bei Auszubildenden des Berufs Industriemechaniker sowie Facharbeitern vor (vgl. im Überblick den Sammelband SONNTAG / SCHAPER 1997). Sonntag u. a. konzeptualisierten in ihren Studien Problemlösefähigkeit/Transferfähigkeit als die Fähigkeit, in bekannten/unbekannten produktionstechnischen Anlagen Störungsursachen diagnostizieren zu können (Fehleranalysefähigkeit). Zusammenfassend belegen die Untersuchungen, dass spezielle Interventionen geeignet sein können, zur Förderung der Fehleranalysefähigkeit beizutragen. Bezüglich der Förderung des Transfers, d. h. der Fähigkeit, Fehleranalyseverfahren auch auf andere elektrotechnische Systeme zu übertragen, ließen sich die erwarteten positiven Effekte der speziellen Trainings im Vergleich zu Kontrollgruppen durchgängig nicht nachweisen. Letztlich ist dies ein weiterer Beleg für die besondere Schwierigkeit, mittels kurzfristiger pädagogischer Handlungsprogramme komplexe Fähigkeiten, wie jene des Transfers selbst innerhalb des spezifischen Tätigkeitsfelds der “Störungsdiagnose”, fördern zu können.
Neber ging ebenfalls in der elektrotechnischen Domäne der Frage nach, wie durch die didaktisch-methodische Gestaltung von Lehr-Lernarrangements der Erwerb anwendungsfähigen Wissens begünstigt werden kann. Neber kommt zum Ergebnis, dass der generativ-entdeckende Erwerb des Wissens zu den funktionalen Zusammenhängen der elektrotechnischen Systeme sowohl zu einem signifikant umfangreicheren Wissen als auch besseren Transferleistungen dieses Wissens in Fehleranalysen führt als die rezeptive Form des Wissenserwerbs. Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass es sich beim generativ-entdeckenden Lernen, wie Neber es arrangierte ( NEBER 2000), eher um eine aktivierende Variante direktiven Unterrichts handelte als um ein komplexes, durch Handlungsorientierung und Selbststeuerung gekennzeichnetes Lehr-Lernarrangement berufspädagogischer Provinienz.
In unseren eigenen Forschungsarbeiten konnte im Gegensatz zu den oben erwähnten Arbeiten aus der Wirtschaftspädagogik die positive Wirkung offener, bei uns unter der Etikette Selbststeuerung und Handlungsorientierung gefasster Arrangements auf die Problemlösefähigkeit nicht belegt werden. Dabei wurde Problemlösefähigkeit operationalisiert als die Fähigkeit, in elektrotechnischen Systemen Fehlerursachen messtechnisch diagnostizieren zu können. Die im ersten Ausbildungsjahr vorwiegend traditionell unterrichteten Klassen unterschieden sich am Ende des Schuljahres nicht signifikant von den eher selbstgesteuert-handlungsorientiert Unterrichteten in ihrer Fähigkeit, in technischen Systemen (Akkubohrschrauber, Kochplatte) Störungsursachen zu identifizieren (s. u.; vgl. NICKOLAUS/ HEINZMANN/ KNÖLL 2005, 68; KNÖLL 2007 ).
Angesichts dieser inkonsistenten Ausgangslage stellt sich erstens die Frage nach deren Ursachen und zweitens in einer eher praktischen Perspektive jene nach den Möglichkeiten, über optimierte Interventionen die Fehleranalysefähigkeit effektvoll zu fördern. In diesem Beitrag sollen in einem ersten Schritt einige theoretische Überlegungen dazu dienen, die sich bei Fehleranalysen stellenden Anforderungen näher zu charakterisieren, womit zugleich jene Kompetenzen in den Blick geraten, die für deren Bewältigung notwendig bzw. hilfreich sind. In einem zweiten Schritt werden Untersuchungsergebnisse aus drei Studien zur Fehleranalysefähigkeit vorgestellt, die in der elektrotechnischen Grundbildung aufeinanderaufbauend durchgeführt wurden.
Aufgrund der in unseren Studien ausgebliebenen Effekte methodischer Arrangements auf die Fehleranalysefähigkeit versuchten wir in Folgeprojekten u. a. der Fragestellung nachzugehen, ob mittels zeitlich relativ kurz angelegter Interventionen, die jeweils im Anschluss an die Fehleranalysen folgen, die Entwicklung dieses Kompetenzaspekts stimuliert werden kann.
Die bei Facharbeitertätigkeiten in der elektrotechnischen Domäne anfallenden Fehlerdiagnoseprobleme können im Sinne von DÖRNER (1987, 14) in der Regel als Interpolationsbarrieren klassifiziert werden. Das Ziel der Fehlersuche, die korrekte Diagnose der Fehlerursache und das (wieder) funktionierende System als auch die Hilfsmittel zur Störungsdiagnose (Messtechnik) sind prinzipiell bekannt. Notwendig für eine systematische Fehlerdiagnose scheint (1) ein Wissen über die Elemente des elektrotechnischen bzw. elektromechanischen Systems und deren Zusammenspiel, (2) gegebenenfalls ein Wissen über die Funktionsweise einzelner Systemelemente, um deren Funktion überprüfen zu können, (3) ein Wissen, bei welchen Eingangs- bzw. inneren Zuständen des Systems welche äußere Funktion zu erwarten ist, (4) gegebenenfalls die Fähigkeit, von äußeren Fehlerfunktionen (z. B. unzureichende Leistungsabgabe) auf eine innere Fehlfunktion schließen zu können und (5) die Fähigkeit, Fehlfunktionen messtechnisch eingrenzen zu können, was einerseits das oben angeführte Wissen und andererseits messtechnische Fähigkeiten voraussetzt. Letztlich setzt die Fehlerdiagnosefähigkeit das „Verstehen“ des technischen Systems voraus, wobei in der Literatur z. T. auch konträre Thesen zur Rolle des Wissens um die Funktion der Systemelemente und deren Zusammenspiel (innere Funktionalität) und die äußere Funktion des Gesamtsystems vertreten werden (BROWN/ DEKLEER 1981; GREENO/ BERGER 1987; NEBER 2000). Dies scheint vor dem Hintergrund, dass durch die zunehmende Integration von Systemen partiell lediglich fehlerhafte Systemkomponenten diagnostiziert und ausgetauscht werden müssen, ohne dass die innere Funktion des Systemelements verstanden sein muss, verständlich. Dieser Integrationsprozess dominiert gegenwärtig vor allem im Bereich der Elektronik, im Bereich der Starkstromtechnik ist er weniger fortgeschritten. Unseres Erachtens kann die Frage, ob ein detailliertes Wissen über die innere Funktionalität eines Systems für die Diagnose notwendig ist, nicht generell beantwortet werden, sondern ist abhängig von der Systemcharakteristik. Je nach Aufbau, Funktionsweise und Komplexität des elektrotechnischen/elektromechanischen Systems und der Fehlercharakteristik stellen sich bei der Fehlerdiagnose je eigene Anforderungen (s. u.). Gegebenenfalls reicht auch Erfahrungswissen hin, um aus einer äußeren Fehlfunktion des Systems auf die Fehlerursache schließen oder eine einschlägige Hypothese generieren zu können.
Wie regressionsanalytische Untersuchungen in der elektrotechnischen Grundbildung zeigen, erweist sich als stärkster Prädiktor der Fehleranalyseleistung das deklarative und prozedurale Fachwissen der Probanden (NICKOLAUS/ HEINZMANN/ KNÖLL 2005; NICKOLAUS/ KNÖLL/ GSCHWENDTNER 2006). Daneben erbringen motivationale Merkmale und partiell die Intelligenz signifikante Beiträge zur Varianzaufklärung. Die in diesen Untersuchungen ebenfalls über Selbsteinschätzungen erfasste Fähigkeit zur Steuerung des eigenen Lernprozesses – als Ausdruck metakognitiver Fähigkeiten – findet hingegen keinen Eingang in die Modellbildung (ebd.). Gleichwohl ist davon auszugehen, dass metakognitive Fähigkeiten zumindest bei komplexeren Fehleranalysen bzw. dem Auftreten von Barrieren bedeutsam sind (vgl. auch DÖRNER 1982).
Im Hinblick auf die Anwendungsfähigkeit bzw. Transferfähigkeit des Wissens ist mehr oder weniger abgesichert, dass sich folgende Merkmale als günstig erweisen:
(1) eine möglichst tiefe Durchdringung des relevanten Wissens, wobei sich problemorientiertes Lernen für den Transfer als vorteilhafter erweist als faktenorientiertes Lernen,
(2) authentische Anwendungsaufgaben, wobei zu beachten bleibt, dass rein kontextualisierte Information den Transfer behindern kann,
(3) multiple Kontexte zur Flexibilisierung des Wissens,
(4) abstrakte Problemrepräsentationen, die vom Konkreten zum Abstrakten erworben werden,
(5) ein hohes Ausmaß gemeinsamer Elemente von Lern- und Transferaufgaben.
(6) Metakognitionen, die den Lernenden die Möglichkeit geben, ihre Lern- und Lösungsstrategien zu überwachen, zu reflektieren und zu verbessern, wobei sich diese in hohem Maße als domänenabhängig erweisen.
(7) die Motivation, die aufzubringen ist, um sich mit der Lösung auseinander zu setzen und
(8) (relevante) Vorerfahrungen der Lernenden, die aktiviert werden müssen (BENDORF 2002, 161 ff.).
Als eher unbefriedigend erweist sich dabei u. E. die Absicherung der gängigen Annahmen über den Einfluss der Wissenserwerbsform auf die Transferfähigkeit des Wissens. Näheren Aufschluss geben dazu die folgenden Ergebnisse. Da sich in unseren Untersuchungen Effekte methodischer Arrangements auf die Fehleranalysefähigkeit nicht in der zu erwartenden Weise einstellten, wurden auch spezielle Interventionen durchgeführt, von welchen sowohl bessere Fehleranalyseleistungen innerhalb der Ausgangssysteme als auch beim Transfer der Analyseverfahren auf andere elektrotechnische Systeme erwartet wurden.
Im Folgenden wird aus drei Untersuchungen berichtet, die alle unter der Fragestellung standen, ob und inwieweit es möglich ist, die derzeitige Präferenz für selbstgesteuert-handlungsorientierten Unterricht in der gewerblich-technischen Grundbildung hinsichtlich der Kompetenz- und Motivationsentwicklung empirisch abzusichern.
Geprüft wurden u. a. die Hypothesen, dass sich das prozedurale Wissen, die Problemlöse- bzw. Feheranalysefähigkeit und die Motivation in den eher handlungsorientiert unterrichteten Klassen günstiger entwickeln.
Die erste Studie (Pilotstudie, N=69) wurde in Hannover im Schuljahr 1999/2000 in Elektroinstallateurklassen durchgeführt. Im Anschluss hieran folgten zwei von der DFG geförderte und im Großraum Stuttgart durchgeführte Projekte (GZ: Ni 606/2-1 bzw. Ni 606/2-2), zunächst erneut im Beruf Elektroinstallateur/-in (N=224, Schuljahr 2002/2003), daraufhin in den Berufen Elektroniker/-in für Geräte und Systeme sowie Automatisierungstechnik (N=179, Schuljahr 2004/2005), wobei die SchülerInnen des letzten Berufs deutlich günstigere kognitive und motivationale Eingangsvoraussetzungen aufweisen (vgl. KNÖLL/ GSCHWENDTNER/ NICKOLAUS 2006). So beträgt z. B. die Mittelwertdifferenz bei den kognitiven Grundfähigkeiten (IQ-CFT) zwischen den beiden Ausbildungsgruppen ca. eine Standardabweichung. Gleiches gilt für das deklarative und prozedurale fachspezifische Eingangswissen zu Beginn der Lehre. Erhebliche Unterschiede zugunsten der Elektroniker ergeben sich auch bei den formalen Schulabschlüssen und der Einmündung in den Wunschberuf. In beiden Untersuchungsgruppen wurde ein Teil der Auszubildenden eher direktiv bzw. handlungsorientiert unterrichtet, wobei keine Reinformen eines direktiven bzw. handlungsorientierten Unterrichts praktiziert wurden, sondern unterschiedlich akzentuierte Mischformen.
Der Beitrag berichtet im Weiteren ausschließlich Befunde, die sich auf den Kompetenzaspekt der Fehleranalysefähigkeit beziehen. Zu den weiteren Befunden sei auf bereits publizierte Beiträge verwiesen (vgl. z. B. KNÖLL/ GSCHWENDTNER/ NICKOLAUS 2006; NICKOLAUS/ GSCHWENDTNER/ KNÖLL 2006; NICKOLAUS/ HEINZMANN/ KNÖLL 2005; NICKOLAUS/ KNÖLL/ GSCHWENDTNER 2006).
Die technischen Systeme wurden den Auszubildenden über das Computersimulationsprogramm MILAS präsentiert. Im Einzelnen handelt es sich um einen Akkubohrschauber, eine Einfeld-Kochplatte mit Siebentaktschalter sowie eine Zimmerinstallation. Da das Simulationsprogramm sukzessive erweitert wurde, standen in der Pilotstudie zunächst lediglich der Akkubohrschrauber mit 3 Reparaturaufträgen und im ersten Stuttgarter Projekt zusätzlich noch die Kochplatte mit 2 weiteren Reparaturaufträgen zur Verfügung. In der Elektronikeruntersuchung wurde zusätzlich eine Zimmerinstallation (Wechselschaltung) mit 2 Reparaturaufträgen implementiert und die Kochplatten-Simulation überarbeitet und dabei deutlich erschwert, da nach den Ergebnissen von Pretests zu erwarten war, dass bei den „stärkeren“ Auszubildenden der Elektronikerberufe in der Darstellungsform der vorausgegangenen Installateuruntersuchung Deckeneffekte in der Lösungsquote auftreten. Als Erschwernis wurde der Siebentaktschalter, der die 3 Heizwiderstände in Abhängigkeit der Schalterstufen durch Kombinationen aus den Grundschaltungstypen Reihen- und Parallelschaltung miteinander verschaltet, verdeckt dargestellt und realitätsgerecht lediglich dessen Ein- und Ausgänge messtechnisch zugänglich gemacht. Um in der Schaltung operieren zu können, erfordert die Bearbeitung der Kochplattensimulation von den Lernenden nun eine Modellierung der Systemkomponente Schalter. Die Bearbeitungsreihenfolge wurde gegenüber der Installateuruntersuchung verändert, da eine veränderte Simulation der Kochplatte die Störungsdiagnose erschwerte. Zuerst wurden die Elektroniker nun mit dem Akkubohrschrauber, daraufhin mit der Kochplatte und schließlich mit der Zimmerinstallation konfrontiert.
Als Störungsursachen sind in der Akkubohrschraubersimulation eine defekte Steuerung, ein defekter Motor und im dritten Fehlerfall ein defekter Akku zu identifizieren. In der Kochplattensimulation ist zunächst im ersten Fehlerfall der Heizwiderstand R1, im zweiten Fehlerfall der Heizwiderstand R3 defekt. Als Fehler in der Wechselschaltung wurde der Drahtbruch eines Korrespondierenden und ein defekter Schalter simuliert.
Im Hinblick auf die verschiedenen Problemcharakteristiken scheinen folgende Aspekte besonders bedeutsam:
Akkubohrschrauber: Bei den beiden ersten simulierten Störungsursachen (defekte Steuerung, defekter Motor) genügt für die Analyse der Fehlerursache funktionales Wissen zu den elektrotechnischen Komponenten des Systems, gepaart mit dem Wissen bei welchen Messwerten an den Ein- und Ausgängen der Systemkomponenten auf eine (Fehl)funktion geschlossen werden kann sowie die in allen Fällen notwendige Fähigkeit, relevante Werte messtechnisch angemessen zu erfassen. Der Fehlerfall des defekten Akkus erfordert zusätzlich ein topologisches Wissen, d. h. ein Wissen über die Funktionsweise dieses Elements und die Fähigkeit, Messwerte in belastetem/unbelastetem Betriebsfall bezogen auf das Funktionsmodell zu interpretieren.
Kochplatte: Hier stellen die beiden Fehlervarianten strukturell gleiche Anforderungen, gravierende Unterschiede bestehen jedoch zwischen der Problemstellung bei den Elektroinstallateuren und den Elektronikern. Während die Simulation bei den Elektroinstallateuren die Topologie direkt, d. h. über einen überschaubaren Schaltplan zugänglich macht, muss in der Variante bei den Elektronikern die Topologie bzw. der Funktionszusammenhang des Systems von der Funktion/Fehlfunktion des Systems ausgehend erschlossen werden. Dazu ist es erforderlich, selbst eine Schaltfunktion zu modellieren, die bei den verschiedenen Schalterstellungen erwartungsgemäße Wirkungen (gestufte Leistungsaufnahme) hervorruft. Das bedeutet, dass nicht nur eine vorgegebene Schaltung in ihrer Wirkungsweise erfasst, sondern, sofern im Vorfeld nicht bekannt, selbst eine funktionsgemäße Schaltung entworfen und auf diesen Entwurf aufbauend zu analysieren ist. Topologisches und funktionales Wissen müssen hier in konstruktiver Perspektive aufeinander bezogen werden. Bei der Analyse muss primär auf das selbst generierte topologische Wissen rekurriert werden.
Wechselschaltung: In diesem Fall sind die Anforderungen so gestaltet, dass das funktionale Wissen zu den Elementen und der Gesamteinheit eher auf der Ebene des allgemein zugänglichen Alltagswissens angesiedelt ist. Komplexer und anforderungsreich stellt sich hingegen die Topologie dar. Zwar kann das schaltplanmäßig dargestellte Funktionsprinzip, das im Curriculum fest verankert ist, als bekannt vorausgesetzt werden, die realitätsgerechte Simulation bietet jedoch keinesfalls die Transparenz der symbolischen Schaltungsdarstellung und setzt eine systematische Relationierung der symbolischen Schaltungsdarstellung mit der realitätsgerechten Simulation voraus. Diese systematische Relationierung muss im Verlauf des Analysevorgangs präsent gehalten werden oder ist abschnittsweise erneut zu generieren. Auch wenn dies gelingt, bietet das System für die Analyse weit mehr Freiheitsgrade als die Simulationen des Akkuschraubers und der Kochplatte. Daraus resultieren höhere Anforderungen an das systematische, messtechnische Erschließen des Fehlers.
Zur Eingrenzung der Fehler stand den Auszubildenden bei allen Simulationen ein digitales Messgerät zur Verfügung, um an vordefinierten Messpunkten Messungen vornehmen zu können. Um triviale Lösungswege zu verhindern, wurden die Messfunktionen in Abhängigkeit des technischen Systems partiell eingegrenzt. So wurde z. B. bei der Kochplattensimulation die direkte Widerstandsmessung unterbunden. Die Möglichkeit, deffekte Bauteile versuchsweise durch neue zu ersetzen, wie das bei Sonntag u. a. realisiert wurde und die in der Praxis zu Lasten des Kunden häufig genutzt wird, wurde ebenso ausgeschlossen.
Vor der Bearbeitung der Reparaturaufträge wurden die Auszubildenden über einführende, systembezogene Übungsaufgaben am fehlerfreien System mit den Funktionen der jeweiligen Simulation und den Bedienmöglichkeiten des Programms bekannt gemacht. Die Bearbeitungszeiten zur Störungssuche waren in Abhängigkeit der Komplexität des technischen System auf 6 bis 8 Minuten begrenzt.
Um die Lösungen und deren Wege zu dokumentieren, wurden Arbeitsblätter mit kurzen Schilderungen der Kundenbeanstandung ausgeteilt und mit der Aufforderung versehen, ein Fehlersuchprotokoll zu verfertigen, den gefundenen Fehler zu notieren und die Entscheidung zu begründen. Weiterhin wurden die Mausklicks der Probanden in einer Datenbank aufgezeichnet. Die folgenden Auswertungen basieren jedoch überwiegend auf den Angaben der Auszubildenden auf den Arbeitsblättern respektive Reparaturaufträgen. Die Informationen des Dokumentationssystems wurden bedarfsbezogen zur Überwindung von Unklarheiten herangezogen.
Wie in der Einleitung bereits erwähnt, waren Fehleranalyseleistungen der Hannoveraner Auszubildenden unabhängig von methodischen Grundentscheidungen. So unterscheidet sich erwartungswidrig die Gruppe der selbstgesteuert-handlungsorientiert und die Gruppe der direktiv-fachsystematisch unterrichteten SchülerInnen bei der Bearbeitung der drei Reparaturaufträge des Akkubohrschraubers nicht signifikant in der Lösungsquote. Auffällig ist zudem ein starker Einbruch der Lösungsquote bei Reparaturauftrag 2 (vgl. Abb. 1).
Während die Hannoveraner Auszubildenden die Fehleranalysen sequentiell ohne dazwischen geschaltete Intervention bearbeiteten, wurde in der Stuttgarter Untersuchung versucht, durch eine explizite Thematisierung einer Diagnosestrategie die Lösungsquote zu steigern. Dies beinhaltete auch den Anspruch, die Auszubildenden in der Anwendung der Lösungsstrategie über Systemgrenzen hinweg zur erfolgreichen Störungsdiagnose zu befähigen (Transferfähigkeit). Die Interventionen im Anschluss an die Reparaturaufträge bestanden bei den Elektroinstallateuren aus kurzen, direktiv gehaltenen Lehrsequenzen, in denen bezogen auf das jeweilige technische System ein systematisches Vorgehen zur Fehleridentifizierung erläutert und zugleich vorgeführt wurde. (Über einen Beamer konnten die Probanden die einzelnen Lösungsschritte nachvollziehen. Die Probanden wurden darauf hingewiesen, dass auch alternative, ebenfalls als systematisch zu charakterisierende Lösungswege aufgrund der Freiheitsgrade, die die Simulation bietet, möglich sind.) Die Intervention war in allen Klassen gleich angelegt.
Zunächst erzielten sowohl die primär direktiv-fachsystematisch als auch die selbstgesteuert-handlungsorientiert unterrichteten Schüler vergleichbare, d. h. nicht signifikant verschiedene Lösungsquoten in der Bearbeitung des ersten Reparaturauftrags der Kochplatte, so dass an dieser Stelle der Befund ausbleibender Effekte auf die Fehleranalysefähigkeit durch methodisch differente Lehr-Lern-Arrangements repliziert werden konnte.
Beide Gruppen können im Anschluss an die systembezogene Intervention ihre Lösungsquoten steigern und von der Anleitung profitieren. Die direktiv Unterrichteten profitieren jedoch in stärkerem Maße, so dass die Differenz beim 2. Reparaturauftrag (der Kochplatte) signifikant ausfällt (Exakter Test nach Fisher: p=,046). Erwartungswidrig gelingt es beiden Gruppen nicht an der Transferstelle, d. h. beim Wechsel des technischen Systems von der Kochplatte zum Akkubohrschrauber, Rep.1, an die vormals erreichten Lösungsquoten anzuschließen. In beiden Gruppen sank die Lösungsquote wieder ab und erreichte in etwa das Ausgangsniveau der Quote von Rep. 1 der Kochplatte. Der Unterschied zwischen den Gruppen verfehlt die Signifikanzgrenze nur knapp (Exakter Test nach Fisher: p=,078). Im Vergleich zu Hannover ergibt sich bei den Stuttgartern trotz Intervention eine ähnliche Lösungsquote für diese Problemstellung. Konträr zur negativen Entwicklung in Hannover kann aber im Anschluss an den Akkubohrschrauber, Rep. 1 bei der Bearbeitung des Rep. 2 durch die Intervention bei den Stuttgartern die Lösungsquote gesteigert werden. Der folgende Reparaturauftrag 3 des Akkubohrschraubers war in den beiden Untersuchungen unterschiedlich gestaltet, so dass ein direkter Vergleich erschwert ist. Die Modifikation führte in der Stuttgarter Untersuchung zu einem höheren Schwierkeitsgrad der Fehleranalyse. Die Lösungsquoten bleiben dennoch in etwa gleich, was auf die Intervention zurückgführt werden könnte.
Die Stuttgarter Installateuruntersuchung zeigt erneut, dass systembezogene Interventionen innerhalb eines technischen Systems Effekte zeigen können, die Transferproblematik jedoch bestehen bleibt. In der folgenden Untersuchung bei den Elektronikern wurde untersucht, ob mit neuen Interventionsvarianten ggf. auch Effekte auf die Transferfähigkeit zu erzielen sind (vgl. Abschnitt 4.2) und ob sich bei dieser kognitiv deutlich stärkeren Gruppe die in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik üblicherweise unterstellten positiven Effekte “handlungsorientierter” Lehr-Lernarrangements auf die Problemlösefähigkeit belegen lassen.
Praktisch bedeutsame Effekte der didaktisch methodischen Präferenzen ergeben sich bei den Elektronikern nicht (vgl. Abb. 2). Wie Abb. 2 zeigt, erreichen die Auszubildenden beim ersten Reparaturauftrag (Akku, Rep. 1) unabhängig von der Unterrichtsform relativ hohe Lösungsquoten, steigern diese nach einer Intervention/Reflexion des Analyseverfahrens leicht und sinken in ihren Lösungsquoten bei Reparaturauftrag Akku, Rep. 3 trotz erneuter Reflexion des Analyseverfahrens ab. Bei den Installateuren fällt dieser Rückgang der Lösungsquote wesentlich deutlicher aus. Als Grund vermuten wir, dass bei Rep. 3 die lösungsadäquate Interpretation der Messdaten eine eigene Modellbildung zur belasteten Spannungsquelle voraussetzt. Solch eigene systemfunktionale Modellbildungen waren auch zur Lösung der Reparaturaufträge bei der Kochplatte und der Wechselschaltung nötig. Ob die Probanden die Modellbildung nicht vornehmen konnten oder daran scheiterten, das ihnen prinzipiell zugängliche Wissen zur Modellbildung in diesem Anwendungsfall zu aktualisieren, kann mit den erhobenen Daten nicht geklärt werden (vgl. Abb. 2).
Vergleicht man am Beispiel der Kochplatte die Leistungsquoten bei Aufgabenstellungen mit und ohne Abforderung eigener Modellbildung (Entwickelt wurden zwei Varianten, wovon die erste bei den Elektroinstallateuren zum Einsatz kam und in aufgelöster Darstellung des Stromlaufplans bereits eine funktionale Modellbildung des Systems bereitstellte. In Pretests bei den Elektronikern zeigte sich, dass sich in dieser Variante Lösungsquoten von ca. 80% ergaben, weshalb das Schalterelement realitätsadäquat dargestellt wurde und damit für die Lösung eigene funktionale Modellierungen notwendig machte. Die Elektroniker erreichten in dieser realitätsadäquaten Form zunächst nur noch eine Lösungsquote von 43,5%, die nach der Reflexion auf 52,3% anstieg.), so zeigen sich Differenzen von ca. 30%. Als noch komplexer schätzen wir die abgeforderten Modellbildungen bei der Wechselschaltung ein, womit auch das niedrigste Niveau der Lösungsquote korrespondiert .
Wie aus Abb. 2 ebenfalls zu entnehmen ist, ergeben sich bei den Elektronikern lediglich bei zwei Reparaturaufträgen größere Unterschiede in den Lösungsquoten in Abhängigkeit von der Unterrichtsform. Signifikant ist davon lediglich der Mittelwertsunterschied beim Reparaturauftrag Kochplatte, Rep. 1 zugunsten der eher direktiv Unterrichteten, beim Reparaturauftrag Akku, Rep. 3 ergibt sich eine Tendenz (sig = 0,07) zugunsten der eher handlungsorientiert Unterrichteten. Diese eher punktuellen Vor- bzw. Nachteile zugunsten der einen oder anderen Unterrichtsform sollten in ihrer praktischen Bedeutsamkeit u. E. nicht überbewertet werden, bei den Elektroinstallateuren treten die Unterschiede jedoch beständiger und in erwartungswidriger Richtung auf ( NICKOLAUS/ HEINZMANN/ KNÖLL 2 005). Als bemerkenswert bleibt beim Vergleich der Elektroinstallateure und der Elektroniker festzuhalten, dass bei diesen praxisnahen Fehleranalyseaufgaben deutlich geringere Leistungsunterschiede als in den Leistungstests zum deklarativen und mathematische Operationen erfordernden prozeduralen Wissen auftreten. D. h., die Elektroinstallateure erreichen nahezu gleich hohe Leistungsstände. In die gleiche Richtung weist auch der Befund, wonach sich, gemessen am deklarativen und prozeduralen Wissen, leistungsschwächere und -stärkere Elektroinstallateure in diesem Segment vergleichsweise wenig unterscheiden ( NICKOLAUS/ ZIEGLER 2005).
Wichtig scheint, dass auch bei den Industrieelektronikern trotz kognitiv deutlich besseren Voraussetzungen die üblicherweise erwarteten Effekte selbstgesteuert-handlungsorientierten Unterrichts auf die Fehlerananysefähigkeit ausbleiben. Bermerkenswert scheint auch, dass bei den Industrieelektronikern kein umfangreicherer Einsatz selbstgesteuert-handlungsorientierten Unterrichts feststellbar ist als bei den kognitiv schwächeren Elektroinstallateuren ( NICKOLAUS/ KNÖLL/ GSCHWENDTNER 2006).
In der Elektronikeruntersuchung wurden im Anschluss an die Bearbeitung der Reparaturaufträge verschiedene Interventionsvarianten eingesetzt, um vergleichend zu prüfen, ob neben der Fehleranalysefähigkeit auch die Transferfähigkeit durch geeignete didaktische Maßnahmen gefördert werden kann und welche Variante hierzu am stärksten beiträgt. Die erste Interventionsvariante (Experimentalgruppe 1 (EG 1)) war konzeptionell identisch mit derjenigen der Installateuruntersuchung. Die zweite (EG 2) bediente sich der Grundelemente der ersten Variante (EG 1), wurde jedoch zusätzlich um eine Lehrsequenz angereichert, die eine abstrakte, systemübergreifende Modellierungsstrategie vermitteln sollte. Ferner wurden metakognitive Leitfragen integriert, mit welchen der Problembereich systematisch erschlossen werden sollte, wobei die Probanden aufgefordert waren, diese in ihren Problemlöseprozessen selbstständig einzusetzen. Dieser Variante lag die Überlegung zugrunde, dass eine Fehlerlokalisierung im System am ehesten dann gelingt, wenn durch einen Fragenkatalog die Systemelemente und -verbindungen sowie deren Funktionalität vergegenwärtigt werden.
Da sich die erwarteten Effekte nicht einstellten und Hinweise gewonnen wurden, dass die mangelnde Fehleranalyseleistung auf mangelnde Modellierungsleistungen der elektrotechnischen Funktionszusammenhänge zurück zu führen ist, wurde ein erneuter Feldzugang realisiert. Dabei wurde eine dritte Interventionsvariante (EG 3) erprobt, die ebenso an die Struktur der EG 1 anschloss und um Lehrsequenzen zu konkretem modellierungsrelevantem Systemwissen bezüglich der vergleichsweise komplexeren Systeme Kochplatte und Wechselschaltung ergänzt wurde. D. h., die Aktualisierung des Wissens um die innere Funktionalität des Systems (Topologie) stand im Vordergrund. Eine Kontrollgruppe (KG) bearbeitete ohne eine Intervention die Reparaturaufträge, d. h. im Anschluss an die Bearbeitung wurde lediglich die Störungsursache genannt. (Während der Testdurchführung wurde von keinem der Probanden in der Kontrollgruppe eine Begründung im Anschluss an die Lösungsnennung eingefordert. Dies könnte als Hinweis auf Probleme der finalen Ausrichtung von Lernenden in handlungsorientierten Lehr-Lernarrangements gedeutet werden (SCHELTEN 2004, 191).) Für die drei Interventionsvarianten erwartete die Forschergruppe Lösungsquoten und Leistungen in der Transferfähigkeit in aufsteigender Reihenfolge entlang der Zugehörigkeit der Probanden zur KG, EG 1, EG 2 und EG 3. In der fogenden Ergebnisdarstellung werden ergänzend auch Befunde referiert, die aus Vorlaufuntersuchungen bei den Elektronikern entstanden sind und Aufschluss geben, inwieweit Partnerarbeit (kooperative Problemlöseprozesse) die erzielten Leistungen gegenüber Alleinarbeit begünstigt.
Über die Lösungsquoten und deren Verlauf in Abhängigkeit von der Gruppenzugehörigkeit gibt Abb. 3 Auskunft. Bei der ersten Problemdarstellung (Akku., Rep. 1) starten die Gruppen mit je unterschiedlichen Lösungsquoten, mit der KG am unteren und der EG 1 am oberen Lösungsrand, wobei die Unterschiedlichkeit jedoch keine Signifikanz annimmt (Chi-Quadrat: p=,089). Infolge der feldrestringierten Platzierung des Problemlösemesszeitpunkts kurz vor dem Abschlusstest (deklaratives und prozedurales Wissen) konnten die Wissensdaten nicht als Matchingkriterium für die Klassen-Gruppenzuordnungen herangezogen werden. Insofern mussten Klassenhalbierungen mit anschließender randomisierter Zuordnung in Abhängigkeit von der methodischen Ausrichtung ausreichen. Ex-post ergaben sich im Abschlusstest keine signifikanten Gruppenunterschiede im deklarativen und prozeduralen Wissen (Die Aussage bezieht sich auf die Varianten KG, EG 1 und EG 2. Für die EG 3 wurden Daten zu jenen Aufgaben aus dem Wissenstest erhoben, die mit den Reparaturaufträgen höher korrelieren. ). Insofern könnten hier nicht berücksichtigte Störgrößen (bspw. eingeschränkte Durchführungsobjektivität durch unterschiedliche Randbedingungen wie hohe Umgebungstemperaturen bei einzelnen Erhebungen) für die, wenn auch nicht signifikanten Unterschiede mit verantwortlich zeichnen.
Im Folgenden wird nun näher auf die Unterschiede in den Entwicklungen eingegangen: Keine Gruppe verzeichnet signifikante Veränderungen zum zweiten Reparaturauftrag. Die relativ hohen Lösungsquoten, vor allem der EG 1 ließen ohnehin wenig Spielraum für Verbesserungen. Im Ergebnis ist die Gruppendifferenz zum Messzeitpunkt Akku., Rep. 2 nicht signifikant. Die Bewegungen zum Folgeauftrag Akku., Rep. 3 sind bis auf die EG 1 sehr einheitlich, nach unten gerichtet. Signifikante Abnahmen sind bei der EG 2 zu verzeichnen (Cochran-Q-Test: p=,006). Die EG 3 fällt nicht signifikant ab. Die einzige ansteigende Lösungsstrecke weist die EG 1 auf, wenn auch nicht signifikant. Im Ergebnis sind die Lösungsquoten zwischen der EG 1 und den anderen Gruppen eklatant unterschiedlich (38%-Punkte), womit sich die Gruppen hochsignifikant unterscheiden (Chi-Quadrat: p=,001). Da sich der dritte Reparaturauftrag des Akkubohrschraubers durch erhöhte Ansprüche der Modellbildung zur Interpretation der Messergebnisse auszeichnet, waren vorteilhafte Lösungsquoten insbesondere in den Gruppen EG 2 und EG 3 zu erwarten. Die dort bereit gestellten Lösungsstrategien zeigten jedoch nicht die erwarteten Effekte: die Lösungsquote der EG 2 sank auf ein Niveau, das auch von den ungeleiteten Kontrollgruppenmitgliedern erreicht werden konnte. Wenn das von der EG 1 gezeigte Leistungsniveau tatsächlich auf Interventionseffekte zurückzuführen wäre, müsste die EG 3 ein ähnliches Verlaufsmuster der Lösungsquoten zeigen, da die Intervention der EG 3 sich erst ab der Kochplatte, Rep. 1 von der Gruppe EG 1 unterscheidet. Wie in Abb. 2 zu sehen, ist dies nicht der Fall, womit sich obige Argumentation nicht stützen lässt. Verrechnet man die Lösungen der EG 3 mit jenen der EG 1, fallen die Unterschiede zu dem Messzeitpunkt Akku. Rep. 3 nicht mehr signifikant aus.
An der Systemgrenze Akkubohrschrauber, Rep. 3 – Kochplatte, Rep. 1 ist vor allem das starke Absinken der EG 1 von 78% auf 49% (Cochran-Q-Test: p=,001) auffällig. Die Bewegungen der anderen Gruppen sind ebenso wie die Gruppenunterschiede zu diesem Zeitpunkt nicht signifikant.
Innerhalb des Systems profitieren erwartungskonform die EG 2 und die EG 3, deren Lösungsquoten hochsignifikant (p=,016; p=,011) zunehmen, wohingegen die beiden anderen Gruppen stagnieren. Am Messzeitpunkt Kochplatte, Rep. 2 unterscheiden sich die Gruppen annähernd signifikant ( Chi-Quadrat: p=,053). Das Fehlen von Zuwächsen der EG 1 verdeutlicht Modellierungsprobleme seitens der Probanden durch fehlende Information, wie die 3 Widerstände bei entsprechenden Stellungen des 7-poligen Schalters verschaltet sind. Am erfolgreichsten erweist sich die systembezogene Wissensvermittlung (EG 3), die zugleich ein Modellierungsmodell der Funktionszusammenhänge (Topologie) bereit stellt.
Die Systemgrenze Kochplatte – Wechselschaltung erweist sich als Transferhürde unabhängig von der vormals erhaltenen Intervention. Die Gruppen brechen alle, zudem unabhängig von den bisherigen Lösungsquoten, auf ein annähernd gleiches Niveau von ca. 15% ein. Die Entwicklungen innerhalb des Systems zeigen, dass lediglich die Lösungsquote der EG 1 signifikant ( Cochran-Q-Test: p=,027) von 16% auf 32% im Reparaturauftrag 2 der Wechselschaltung zunimmt, wobei der Gruppenunterschied an dieser Stelle keine Signifikanz erreicht. Entscheidend für das annähernd durchgängige Scheitern der Probanden im System der Wechselschaltung scheinen der Komplexitätsgrad, die Ansprüche an die Modellbildung der technischen Funktionalität (Erschließung der Topologie) und die im begrenzten Zeitrahmen erforderliche Anwendung der (bekannten) Analysestrategien in einer relativ unübersichtlichen Situation.
Berücksichtigt man Befunde zum kooperativen Lernen (SLAVIN 1992), so wäre zu vermuten, dass Partnerarbeiten an geteilten Problemlösesituationen qua austauschbarer Erschließungsprozesse (gegenseitige Hilfen) zu besseren Resultaten führen könnte, die gegebenenfalls auf Grund der Verarbeitungstiefe auch auf andere Kontexte transferierbarer sind. Unsere Befunde zeigen, dass die Problemlöseleistung der Kooperationsgruppe durchgängig auf dem Niveau der EG 1 liegt. Die Veränderungen der Lösungsquoten in der Kooperationsgruppe sind in den ersten beiden Systemen durchgängig nicht signifikant, d. h. die Hürde des Akkubohrschrauber, Rep. 3 scheint diese Gruppe unbeeindruckt zu lassen, wohingegen der Übergang auf die Wechselschaltung ebenso nicht gelingt. So findet sich auch diese Gruppe annähernd im gemeinsamen „Sammelpunkt“ ein und entwickelt sich nicht mehr wesentlich weiter. Die Daten dieser Gruppe zur Kochplatte sind nicht direkt mit den anderen Befunden vergleichbar und bleiben hier unberücksichtigt.
Ergänzende Befunde zu den oben dargestellten Gruppenverläufen liefern Interkorrelationen der Lösungen der einzelnen Reparaturaufträge und lineare, schrittweise Regressionsanalysen mit den Reparaturaufträgen als abhängige Variable. Die Interkorrelationen ergeben, dass nur Reparaturauftrag 1 des Akkubohrschraubers fast durchgängig signifikant, dabei jedoch nur mit sehr geringen Beträgen, mit den weiteren Reparaturaufträgen korreliert (Spearman´s Rho zwischen r Rho =,15* und r Rho =,20**). Weitere Interkorrelationen bestehen nur vereinzelt. Dies macht deutlich, dass die Fehlerdiagnosen jeweils weitgehend eigenständige Anforderungen bzw. Lösungsleistungen darstellen. Vor dem Hintergrund der in Abschnitt 3.2 beschriebenen und stark variierenden Anforderungssituationen der einzelnen Problemstellungen scheint dies plausibel. Die Lösungsleistungen in den Reparaturaufträgen korrelieren mit Ausnahme des Reparaturauftrags 2 der Kochplatte signifikant mit dem deklarativen und/ oder prozeduralen Wissen am Schuljahresende (r Rho =,16* … r Rho =,29**). Signifikante Korrelationen mit dem IQ finden sich in 2 Fällen. Die geringen Zusammenhänge spiegeln sich auch in Regressionsanalysen wider. Die Analysen führen im Wesentlichen zu uneinheitlichen Modellbildungen mit der einzig wiederkehrenden Variablen des prozeduralen Wissens. Die erzielten Varianzaufklärungen liegen zwischen ca. 8 und 11%. Der IQ geht nur im Reparaturauftrag 2 der Wechselschaltung als Prädiktor mit einem Beitrag von 5,5% ein.
Die Befundlage zur Förderung der Problemlösefähigkeit im Berufsfeld Elektrotechnik ist uneinheitlich und nur partiell erwartungskonform. Wurden die Befunde zur Problemlöseleistung bei den Installateuren seinerzeit noch dahingehend gedeutet, dass, wenn dies schon nicht in erwarteter Weise durch die Unterrichtsform möglich ist, bemerkenswerte Effekte durch kurzfristige Interventionen zu erzielen sind, so begründen die Ergebnisse der Elektronikeruntersuchung Zweifel an der durchgängigen Haltbarkeit dieser Annahme. Bei den Elektronikern wurde an Hand weiterer Problemfälle und weiterer Interventionsvarianten versucht, die Befundlage zu Interventionseffekten bei den Installateuren zu replizieren und auf die Transferfähigkeit zu erweitern. Festzuhalten ist, dass sich keine Interventionsform durchgängig als vorteilhaft erweist. Auf der Ebene einzelner Reparaturaufträge fällt auf, dass sich in einem für die Probanden prinzipiell gut überschaubaren Anwendungsfall (Akku., Rep. 3) die systemnahe Intervention EG 1 als am günstigsten erwiesen hat, in einem komplexeren und durch Modellierungshürden charakterisierbaren Fall (Kochplatte, Rep. 2) die Vermittlung systemrelevanten Wissens, das zur Erschließung der Topologie geeignet ist, zur besten Leistung führte und in Fällen sehr hoher Grade an Komplexität, Modellierungsnotwendigkeit und systematischer Nutzung von Eingrenzungsstrategien in einer unübersichtlichen Situation keine Intervention das Scheitern der Probanden verhindern konnte (Wechselschaltung). Im Fall der Wechselschaltung wird deutlich, dass trotz der Bereitstellung des notwendigen topologischen Wissens in einer relativ unübersichtlichen und durch viele Freiheitsgrade gekennzeichneten Situation die Barriere in der Regel nicht überwunden werden kann. Wir vermuten dafür eine mangelnde Systematik bei der messtechnischen Eingrenzung bzw. hohe Anforderungen an diese Systematik als ursächlich. Dass abstraktere Interventionsverfahren wie jenes der EG 2 nicht zum erhofften Erfolg führte, könnte auch auf mathematische Effekte auf Grund von Verunsicherung und mangelnder Trainingszeit zurück zu führen sein. Dass Partnerarbeiten sehr gute, jedoch nicht bessere Ergebnisse als die EG 1 erzielen konnten, gibt Anlass, entsprechende Effekte systematischer zu prüfen. Bei dem komplexen System Wechselschaltung führt auch die Partnerarbeit zu geringen Lösungsquoten.
Mit den Befunden aus den Interkorrelationsrechnungen der Reparaturaufträge kann mitnichten von einer Fehleranalyse- oder Problemlösefähigkeit der elektrotechnischen Grundbildung gesprochen werden, wie der Titel dieses Aufsatzes zunächst nahe legen mag, sondern von noch nicht weiter aufgedeckten Subdimensionen der Problemlösefähigkeit (oder sind es gar eigenständige Dimensionen?). Will man, auch um künftige Forschung besser anleiten zu können, differenziertere Analysen durchführen, so bieten sich auf der Basis erweiterter Aufgabensets modellgeleitete Aufgabenanalysen an (Signierung von Aufgabenmerkmalen durch mehrere Rater und anschließende regressionsanalytische Testung des Merkmalkatalogs an Hand der empirischen Aufgabenschwierigkeit (HARTIG/ KLIEME 2006, 135f.) und die Integration der so gewonnenen Erkenntnisse in ein dann weiter empirisch zu validierendes Kompetenzmodell der elektrotechnischen Grundbildung, das auch die Dimensionen deklaratives und prozedurales Wissen umfasst (vgl. zu ersten Ansätzen NICKOLAUS/ GSCHWENDTNER/ KNÖLL 2006; NICKOLAUS/ KNÖLL/ GSCHWENDTNER 2006). Drei Merkmalen der Analyseaufgaben kommt u. E. besondere Bedeutung zu: (1) der Anforderung an die Erschließung der Funktionszusammenhänge (Topologie), (2) dem Wissen über die Wirkung/Effekte von Systemelementen und des Gesamtsystems (Funktionswissen) und dessen Verknüpfung mit dem topologischen Wissen sowie (3) der Anforderung an die regelgeleitete systematische messtechnische Eingrenzung der Fehlfunktion.
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