Die Notwendigkeit zur Förderung von selbst organisiertem Lernen (In diesem Beitrag verwenden wir den Begriff des ‚selbst organisierten Lernens' und sprechen damit zugleich synonym verwendete Begriffe wie z. B. ‚selbst gesteuertes' oder ‚selbst reguliertes Lernen' an.), dessen Bedeutung allgemein bereits Anfang der 1980er Jahre konstatiert wurde (vgl. WEINERT 1982), begründet sich speziell in der beruflichen Erstausbildung u. a. in der Bedeutung selbständigen Lernens und Arbeitens für die Bewältigung beruflicher Anforderungen. Ein Zusammenhang zwischen der ‚beruflichen Handlungsfähigkeit' – als Voraussetzung zur Bewältigung beruflicher Anforderungen – und ‚selbst reguliertem Lernen' wurde bis dato jedoch kaum in den Blick genommen (vgl. DILGER/ SLOANE 2007d, 67). In einer Analyse der Ordnungsgrundlagen in der beruflichen Bildung arbeitet DILGER (vgl. 2007, 116 ff.) den Zusammenhang heraus. DILGER analysierte Ausbildungsordnungen und lernfeldorientierte Rahmenlehrpläne (vgl. KMK 2000) der fünf am stärksten besetzten kaufmännischen Ausbildungsberufe. Im Ergebnis der Untersuchung konnten „notwendige Aspekte der Selbstregulation“ (DILGER/ SLOANE vgl. 2007d, 72) in den Ordnungsgrundlagen identifiziert werden, die teils direkt, teils indirekt auf die Förderung von selbst organisiertem Lernen hindeuten. Als eine Konsequenz dieser Analyse konstatieren DILGER/ SLOANE, dass die berufliche Ausbildung in ihren grundlegenden Forderungen bereits auf die Förderung der Selbstregulation der beruflichen Tätigkeit resp. Handlung abzielt (vgl. 2007d, 72). Es erschließt sich daraus, dass die Selbstregulation eine, wenn auch in den Ordnungsgrundlagen zum Teil nur indirekt geforderte, Zieldimension im Rahmen der beruflichen Erstausbildung darstellt, die es über selbst organisierte Lernhandlungen zu fördern gilt.
Die strukturgleichen Betrachtungen von Arbeits- und Lernhandeln über den Handlungsbegriff mit den Handlungsphasen Antizipation, Vollzug und Kontrolle (vgl. STRATENWERTH 1988, 130 f.; vgl. STEXKES 1991, 110 ff.) erlauben sowohl selbstregulierte Lern- als auch Arbeitshandlungen anhand strukturgleicher Strategien zu explizieren (vgl. DILGER/ SLOANE 2007d, 82). Selbst organisiertes Lernen wird demnach handlungstheoretisch fundiert. So gesehen wird selbst organisiertes Lernen in zweifacher Hinsicht zum Bestandteil berufsschulischen Unterrichts. Zum einen stellt es eine zu fördernde Zieldimension der schulischen Bildungsarbeit dar, die zu einer Selbstregulation der Lernenden in beruflichen Handlungssituationen befähigen soll. Zum anderen soll selbst organisiertes Lernen im berufsschulischen Unterricht, d. h. durch Strategien des selbst organisierten Lernens, zur Anwendung gelangen. Lernfeldorientierte Lehrpläne, so geht es aus der Analyse hervor, enthalten dabei bereits in ihren Lernfeldbeschreibungen Ansätze für selbst organisiertes Lernen. Diese gilt es in didaktischen Jahresplanungen auszugestalten und die organisatorischen Rahmenbedingungen für die Umsetzung dieser Aspekte zu schaffen. Dafür bedarf es einer gestaltenden Einheit im Sinne eines Schul- resp. Bildungsgangmanagements für die beruflichen Bildungsgänge.
Genau genommen handelt es sich bei dem Bildungsgangmanagement um Teilprozesse einer didaktischen Gesamtplanung (vgl. SLOANE 2007), die die beteiligten Lehrkräfte in den Modellversuchen segel-bs (NRW) (Selbst reguliertes Lernen in Lernfeldern der Berufsschule) (Die Förderung von selbst organisiertem Lernen ist als vergleichbare Zielstellungen auch in dem Modellversuch segel-bs (Bayern) zu finden, der ebenfalls vom Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik der Universität Paderborn wissenschaftlich begleitet wird.) und mosel (Modelle des selbstgesteuerten und kooperativen Lernens und die notwendigen Veränderung in Bezug auf die Personal- und Organisationsentwicklung) des Modellversuchsprogramms skola (Selbst gesteuertes und kooperatives Lernen in der beruflichen Erstausbildung) zu bewältigen hatten.
Es kann hier nicht auf die Gesamtarbeit in den beiden Modellversuchen eingegangen werden (vgl. segel-bs Bd. I 2005 und Bd. II 2007 sowie mosel Band I und II 2007). Vielmehr soll nur ein Ausschnitt betrachtet werden. Dabei geht es um die allgemeine Frage, welchen Einfluss schulorganisatorische Rahmenbedingungen auf das Gelingen von selbst reguliertem Lernen haben. Dies wird aber nicht reaktiv interpretiert, vielmehr soll näher untersucht werden, welche aktiven Gestaltungsmöglichkeiten es hier gibt. Mit anderen Worten: Welche Managemententscheidungen können getroffen werden? Und weitergehend: Gibt es ein schulspezifisches Management? – Wir haben diese Frage bejaht und gehen dabei von einem Bildungsgangmanagement aus.
Damit ergibt sich zugleich die Frage nach der konzeptionellen Basis dieses Managements. Forschungsmethodisch schließlich wäre zu überlegen, ob man solche konzeptionellen Überlegungen aus dem Feld heraus generieren kann und soll oder ob sie als konzeptionelle Überlegungen dem Feld normativ vorgegeben werden müssen. Unsere Überlegungen hierzu sind in Abbildung 1 zusammengeführt.
Bezogen auf die hier diskutierte Teilfrage kann zwischen den Arbeiten in den Modellversuchsschulen und der konzeptionellen Arbeit der wissenschaftlichen Begleitung unterschieden werden. Beide Bereiche kooperieren über Workshops (und ähnlichen, hier aber ausgeblendeten Verfahren) miteinander. Aus Sicht der wissenschaftlichen Begleitung dienen solche Workshops der Information, Beratung und Evaluation: Es werden Konzepte und Modelle zur Gestaltung von Unterricht bzw. von Bildungsgängen angeboten. Das ist die erwähnte normative Sicht auf das Feld. Es werden Vorschläge gemacht wie Unterrichtsalltag gestaltet werden könnte. Ob und in welcher Form das von der Praxis übernommen wird, muss über Evaluationsverfahren überprüft werden. Dabei versteht sich die Evaluation responsiv, sie soll immer auch Grundlage für weitere Beratungen u. ä. sein. Modellversuchsschulen und wissenschaftliche Begleitungen verfolgen dabei u. E. unterschiedliche Zielsetzungen. Während die Schulen daran interessiert sein müssen ihre Praxis zu entwickeln und zu verbessern, geht es aus Sicht der Wissenschaft um die Entwicklung von Konzepten und Modellen, denen aber durchaus zugesprochen werden muss, dass sie in ihrer praktischen Umsetzung – also in der Perspektive von Schule – erfolgreich sind. Dies ist ein an der Ingenieurwissenschaft orientiertes handlungswissenschaftliches Konzept (vgl. SLOANE 2007a, 19).
Die Abbildung zeigt das spezifische Verhältnis von Theorie (Konzeptentwicklung) und Empirie (praktische Anwendung) im Modellversuchsgeschehen. Wir werden im Folgenden den Gesamtentwicklungsansatz der Modellversuche weiterhin ausblenden und uns auf eine Fragestellung beziehen, nämlich die nach den organisationalen Bedingungen und eines hierauf bezogenen Managements.
Die Konzeptentwicklung hat zu zwei zentralen Ansätzen geführt, die wiederum auf die Arbeit in den Modellversuchsschulen projiziert wurden: (1) zu einem Ressourcenansatz und (2) zu einem Prozessansatz.
Ad (1) - Ressourcenansatz
Angelehnt an Detlef BUSCHFELD (2002, 12) kann Bildungsgangmanagement als Tätigkeit angesehen werden, im Rahmen derer Konditionen verhandelt werden. Diesen Überlegungen sind wir insbesondere im Rahmen des Modellversuchs segel-bs (NRW) nachgegangen und haben eine entsprechende Befragung durchgeführt. Diese wird in Abbildung 1 als Studie 1 gekennzeichnet.
Ad (2) – Prozessansatz
Die Aushandlung von Ressourcen als Grundmodell erschien uns im Laufe der Modellversuchsarbeit nicht ausreichend. U. E. bezieht sich der Aushandlungsprozess auch auf konzeptionelle Fragen. Vor diesem Hintergrund scheint die Aushandlung von Ressourcen zugleich verkürzend zu sein. Wir haben daher einen Geschäftsprozessansatz (vgl. DILGER/ SLOANE 2007a, SLOANE 2007) entworfen, der die ressourcenbasierten Überlegungen weiterentwickelt. Die zweite empirische Studie (Studie 2) liefert hierzu entsprechende Informationen.
Im weiteren Verlauf der Untersuchung werden wir die beiden Studien vorstellen (Exploration) und darauf aufbauend das Bildungsgangmanagement als Geschäftsprozessmodell für Schule vorstellen
Die organisatorische Gestaltung von Bildungsgängen impliziert Aushandlungsprozesse in der Bildungsgangarbeit, d. h. der dort gestalterisch tätigen Lehrkräfte. Die zu gestaltenden schulorganisatorischen Bedingungsfaktoren sind in der nachstehenden Abbildung systematisiert (vgl. DILGER/ SLOANE 2006, 1 ff.). In der Entwicklung wurde Bezug auf BUSCHFELD genommen. Er führt die zu gestaltenden Rahmenbedingungen in beruflichen Bildungsgängen u. a. als die Kondition ‚Ressourcen' überblicksartig zusammen. Kern dieser Konditionen – sie werden verstanden als verhandelbare Aspekte (vgl. BUSCHFELD 2002, 12) – sind die Faktorenkomplexe Zeit, Räumlichkeit und Personal, die jeweils weiter auszudifferenzieren sind (vgl. 2002, 195 ff.).
In der Abbildung wird zwischen einem bildungsgangbezogenen Tätigkeitsfeld und einem unterrichtsbezogenen Tätigkeitsfeld unterschieden. Es wird offensichtlich, dass es sich bei organisatorischen Rahmenbedingungen nicht lediglich um materielle Bedingungsbereiche handelt. Die Kompetenzen von unterrichtenden resp. entwickelnden Lehrkräften (s. dazu auch DILGER/ SLOANE 2007c, 277) spielen – als personelle Ressourcen – zugleich eine wesentliche und in der Gestaltung zu berücksichtigende Rolle. Im Folgenden soll dieser Systematisierung, vor dem Hintergrund einer durchgeführten Lehrkräftebefragung an den Modellversuchschulen, eine nähere Betrachtung zukommen.
Etwa zur Mitte der Modellversuchslaufzeit des Modellversuchs segel-bs (Auf Basis dieser Befragung wurden mit den Schulen, die am Modellversuch mosel und segel-bs (Bayern) beteiligt waren, weiterführende Arbeitsgespräche geführt, resp. der nachstehend angeführte Bilanzierungsworkshop im Modellversuch mosel durchgeführt. Die hier in Betracht gezogenen Daten beziehen sich aber ausschließlich auf die sechs Modellversuchsschulen segel-bs (NRW).) (NRW) fand eine Erhebung an den insgesamt sechs beteiligten beruflichen Schulen statt. Als Ziel dieser schriftlichen Befragung sollte die Erkenntnis stehen, welche organisatorischen Rahmenbedingungen an den Modellversuchsschulen aktuell vorherrschen. Es ging folglich in erster Linie um Fragen der Ressourcenausstattung auf Ebene des Bildungsgangs und auf Ebene des Unterrichts. Damit wurde die Idee verfolgt, aus der Beschreibung der Ist-Situation Gestaltungspotentiale für die befragten Schulen selbst abzuleiten und im zweiten Schritt eine Dokumentation der Entwicklungsarbeiten für mögliche Transferarbeiten auf andere Schulen zu liefern.
Die Schulen wurden aufgefordert, die momentanen schulorganisatorischen Bedingungen mit Hilfe strukturierter Merkmale zu beschreiben. Es ging folglich um eine Beschreibung der Ist-Situation an den Schulen resp. an den vom Modellversuch betroffenen Bildungsgängen. In allen sechs Schulen wurde der gestufte Bildungsgang Verkäuferin/ Verkäufer im Einzelhandel (zweijährige Ausbildung) resp. Kauffrau/ Kaufmann im Einzelhandel (dreijährige Ausbildung) fokussiert.
Für die Befragung bekamen die Schulen einen quantitativen Fragebogen im Datei-Format zugesandt, der innerhalb eines definierten Zeitraums von den beteiligten Lehrkräften zu beantworten und zurückzusenden war. Die 72 Fragen des Fragebogens waren offen formuliert, d. h. es gab für die Befragten keine limitierenden Antwortalternativen, jedoch wurden mögliche Ausprägungen als Ideengeber vorformuliert (siehe Tab. 1). In der Entwicklung dieses Befragungsinstruments wurde u. a. Bezug auf die Ausarbeitungen von BUSCHFELD (2002) und SCHELTEN et al. (1996) genommen.
Folgende Tabelle zeigt einen Auszug aus dem Fragebogen:
Festhaltend an der abgebildeten Struktur beinhaltete der Fragebogen offene Fragestellungen zu den vier Bereichen (vgl. DILGER/ SLOANE 2006):
1) Bildungsgangbezogene Tätigkeiten – materielle Ressourcen
2) Bildungsgangbezogene Tätigkeiten – personelle Ressourcen
3) Unterrichtstätigkeiten – materielle Ressourcen
4) Unterrichtstätigkeiten – personelle Ressourcen
Der Fragebogen wurde als Instrument entwickelt, um organisatorische Rahmenbedingungen an den Modellversuchsschulen erheben resp. beschreiben zu können. Da die Befragung an Modellversuchsschulen resp. mit denjenigen Lehrkräften durchgeführt wurde, die aktiv am Modellversuch beteiligt waren konnte nicht ausgeschlossen werden, dass mit der Beantwortung der Fragen die Förderung der Selbstorganisation impliziert wurde. Insofern enthielt die Beantwortung der Fragen in einigen Fällen bereits die Orientierung zum selbst organisierten Lernen und seiner Förderung.
An der Befragung haben sich alle Schulen des Modellversuchs segel-bs (NRW) beteiligt. Die Befragung wurde von den Schulen mit unterschiedlichen Ausprägungen durchgeführt. Während einige Schulen sich auf die Ist-Situationen an den Schulen bezogen haben, gingen andere darüber hinaus und haben zusätzlich bereits in die Zukunft gerichtete Planungen bzgl. der organisatorischen Gestaltungsaspekte in den Fragebögen festgehalten.
Die aufgezeigten schulorganisatorischen Gestaltungselemente (vgl. Abb. 2) stellen eine Spanne von Möglichkeiten der Verhandlung im Rahmen der Bildungsgangstätigkeit dar. Je nach vorhandenen Möglichkeiten der Ressourcenabfrage und des Ressourceneinsatzes gilt es ausgewählte Maßnahmen zu ergreifen. Im Weiteren sollen einige exemplarisch ausgewählte Situationsbeschreibungen und geplante Gestaltungsmaßnahmen aus der Erhebung dargestellt werden.
Ad) Zeit
Überwiegend konnten sich die befragten Lehrkräfteteams nicht auf extra ausgewiesene, d. h. bewusst herbeigeführte Zeitfenster für Entwicklungs- und Abstimmungstätigkeiten in den Bildungsgangteams berufen. Die Abstimmungen erfolgten zumeist in unterrichtsfreien Zeiten – wurden zum Teil auch auf privater Ebene organisiert. In einem Lehrkräfteteam beruhte die Entwicklungsarbeit auf arbeitsteiligen Strukturen. Die Ergebnisse wurden an einem definierten Stichtag zusammengeführt und fehlende Zeitfenster für gemeinsame Entwicklertätigkeiten ausgeglichen.
Ad) Räume
In den meisten Fällen merkten die befragten Schulen an, dass es keine resp. nicht ausreichend viele Arbeitsmöglichkeiten für Lehrkräfteteams gibt. Teilweise würden die Teams auf Klassenräume ausweichen. In diesem Zusammenhang wurden Wünsche nach gesonderten Lehrerarbeitsplätzen für gemeinsame Unterrichtsvor- und -nachbereitungen geäußert. Lediglich eine Schule hielt bzgl. der Raumausstattung fest, dass sogar Arbeitsräume mit internetfähigen PCs vorhanden sind.
Ad) Materialien
Aus den Befragungsergebnissen geht recht deutlich hervor, dass sich die Schulen mit Fachbüchern und Zeitschriften zufriedenstellend ausgestattet fühlen. Mehrmals hingegen wird der Bedarf hinsichtlich Lernplattformen und Einsatz von Warenwirtschaftssystemen bekundet. Die nicht vorhandenen oder aber zum Teil veralteten Systeme würden nicht mehr den aktuellen Erfordernissen entsprechen.
Ad) Kompetenzen
Während allgemein die Fach- und Methodenkompetenz als weitgehend vorhandene personelle Ressource angeführt wurde, konkretisierten insbesondere zwei Schulen ihre Antworten in der folgenden Hinsicht: Lehrkräfte sollten mit den didaktischen Prinzipien wie Handlungsorientierung und Selbststeuerung vertraut sein resp. vertraut gemacht werden. An einer der beiden Schulen hat in diesem Zuge eine Methodenschulung aller Lehrkräfte stattgefunden.
Ad) Lehrereinsatz
Bezüglich des Lehrereinsatzes auf Ebene der Bildungsgangtätigkeiten haben sich zwei Varianten als leitend herauskristallisiert. Zum einen wird es etwa bei der einen Hälfte so geregelt, dass alle Lehrkräfte (die im Modellversuch mitwirken) an der Entwicklung von Lernsituationen kooperativ beteiligt sind. Auf der anderen Seite wird die Erarbeitung von einzelnen Lernsituationen in die Hand einer einzelnen Lehrkraft gelegt und die Entwicklung von Unterrichtskonzepten in die Hand einer anderen Lehrkraft.
Ad) Zeit
Als sehr wichtig wird von den Modellversuchsschulen die Auflösung des 45-Minuten- Unterrichtstaktes empfunden. So ist die Mehrzahl der Schulen dazu übergegangen, einen 90- Minutentakt einzuhalten oder 3- bis 4-Stundenblöcke einzurichten. An einigen Schulen besteht die Möglichkeit, dass die Stundentaktung bedarfsweise, d. h. flexibel verändert werden kann.
Diese Ausweitung des Unterrichtstaktes ist jedoch nicht einheitlich vollzogen worden. Zwei Schulen halten zum Zeitpunkt der Befragung am bisherigen 45-Minutentakt fest. Tendenziell werden aber auch hier größere Unterrichtseinheiten als wünschenswert erachtet. Über die Gründe der Beibehaltung kann über die bisherige Erhebung keine Aussage getroffen werden.
Ad) Räume
Die größte Spannbreite innerhalb der Modellversuchsschulen war in dem Aspekt der räumlichen Gestaltung und der Raumausstattung gegeben.
So können wenige Schulen von einer optimalen Raumverfügbarkeit und einer neuen Raumausstattung sprechen und zählen hierzu insbesondere flexible Trapeztische zur Durchführung von Gruppenarbeiten sowie gesonderte internetfähige PC-Arbeitsplätze für Lernende einerseits und für Lehrkräfte in Form eines gesonderten PC-Lehrerarbeitsplatz andererseits. Jede PC-Einheit ist an einem fest installierten Beamer angeschlossen. Neben den elektronischen Medien verfügt die Schule über Präsentationsstellwände, eine Wandtafel und einen Overheadprojektor.
Andere Schulen arbeiten mit vergleichsweise bescheidenen Arbeitsmitteln. Die Modellversuchsklassen werden als „Wanderklassen“ bezeichnet, die über keinen festen Raum verfügen. Die nutzbaren Räume waren zur Zeit der Befragung „nur“ mit Tafel und Flipchart ausgestattet. Es gab keine Möglichkeit einer PC-Nutzung in den Räumen resp. des Internetzugangs. Die Ausstattung mit PC-Arbeitsplätzen wurde aber auch in dieser Schule als hochgradig relevant eingeschätzt, so dass diese Anschaffung bereits angedacht war.
Ad) Rollen
Die Frage danach, welche Rollen von den Lehrkräften im Unterricht eingenommen werden, wurde in zweifacher Hinsicht ausgelegt. Der überwiegende Teil der Schulen verband mit der Frage nach den Rollen die Anforderung, die sich an eine Lehrkraft stellt, wenn sie als Moderator resp. Berater tätig wird. In diesem Zusammenhang wurde darauf verwiesen, dass die Lehrkräfte auf diese Rollen besonders vorzubereiten seien. Andere Schulen hingegen führten an, dass Lehrkräfte im Rahmen des Unterrichts und je nach Lernsituation und Methodeneinsatz bspw. in die Rolle des betrieblichen Abteilungsleiters des eingeführten Modellunternehmens oder aber in die Rolle des Experten zu schlüpfen hätten.
Ad) Unterstützung (von Seiten der Schulleitung)
Bezüglich der Unterstützung in der Unterrichtstätigkeit werden von den Schulleitungen bessere Rahmen- und Organisationsbedingungen erwartet. Es wird hier die „konsequente Umsetzung der erforderlichen Rahmenbedingungen“ gefordert. Konkret wurde dies bspw. an separaten Raumnutzungsmöglichkeiten mit einer guten Ausstattung gemacht. Zwei der befragten Schulen machten diesbezüglich keine Angaben.
Das Lehrkräfteteam einer Schule sah das „Propagieren des Projekts in Konferenzen“ und die Weitergabe von Anregungen an die Kolleginnen und Kollegen als eine Form der Unterstützungsleistung.
Das Ergebnis der Befragung zur Lehrkräfteentwicklung zeigt auf, dass die Lehrenden Kompetenzen als Moderator aufweisen sollten. In einigen Schulen wurden diesbezüglich gesonderte Schulungen zum erweiterten Erwerb einer Methodenkompetenz eingerichtet. Es geht sehr deutlich hervor, dass neben handlungsorientierten Unterrichtsmethoden, die Vermittlung von Lernstrategien und der Umgang mit Evaluationsinstrumenten als sehr wichtig empfunden werden.
Die obige Ausführung von schulorganisatorischen Gestaltungselementen an den Modellversuchsschulen diente dazu, den Ist-Stand an den Schulen festzustellen. Die Illustration der exemplarisch dargestellten Ergebnisse und der Entwicklungsüberlegungen an den Modellversuchsschulen ließ erkennen, wie die Modellversuchsschulen mit den gestalterischen Anforderungen und ihren Grenzen umgegangen sind. Es wurde versucht, die je spezifischen Bedingungen bestmöglich nutzbar zu machen. Einigen Schulen standen aufgrund ihrer guten Ressourcenausstattung mehr Möglichkeiten der Erprobung offen als anderen. Ein Zurückführen des Erfolgs bei der Förderung selbst organisierten Lernens auf die materielle Ressourcenausstattung allein wäre aber zu kurz gegriffen. Hierauf wird in der zweiten Erhebung im Modellversuch mosel noch genauer eingegangen.
Bezüglich eines möglichen Transfers sollten Bildungsgangsteams an beruflichen Schulen Überlegungen zu den tabellarisch aufgeführten Aspekten anstellen, wenn selbst organisiertes Lernen im Rahmen der beruflichen Erstausbildung gefördert werden soll. Die tabellarisch dargestellten Gesichtspunkte können nur einen Ausschnitt dessen darstellen, was den Bildungsgangteams zur Aushandlung steht.
Gerade die Gespräche in den Modellversuchsschulen, insbesondere in Abgleich zur konzeptionellen Position (siehe oben), machten deutlich, dass eine rein ressourcenorientierte Betrachtung des Bildungsgangmanagements zu kurz greift. Bildungsgangarbeit, so wurde deutlich, muss weiter gefasst werden als die Aushandlung von Ressourcen.
Diese sich im Modellversuchsverlauf ergebende Sichtweise wurde im Rahmen einer weiteren empirischen Studie im Rahmen des Modellversuchs mosel näher erläutert, bei der es darum ging, die Gestaltungsprozesse der beteiligten Lehrkräfte zu erfassen. Hierauf wird nachfolgend eingegangen.
Die Schreib- und Evaluationswerkstatt, die in Form eines Bilanzierungsworkshops konzipiert war, hatte als grundlegendes Ziel, den Erfahrungshintergrund der beteiligten Lehrkräfte am Modellversuch mosel aufzuarbeiten. Konkretes Ziel war die Anregung eines selbstreflexiven Prozesses hinsichtlich der Erfahrungen der Lehrkräfte mit der Implementation selbst regulierten Lernens im Modellversuch mosel , um den Modellversuchsverlauf dokumentieren und evaluieren zu können. In diesem zweitägigen Workshop wurde den Lehrkräften für ihre Erfahrungen weitgehend Raum gelassen, um über schulorganisatorische Gestaltungsaspekte im Sinne von Ressourcenfragen hinausgehen zu können. Es ging der wissenschaftlichen Begleitung um die Erfassung folgender Erfahrungsbereiche, die sich im Modellversuchsverlauf wiederholt als diskussionswürdige Felder aufgetan haben:
Der Bilanzierungsworkshop wurde zur Mitte des letzten Laufjahres des Modellversuchs mosel durchgeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Kernentwicklungs- und Implementationsarbeiten im Modellversuch bereits vorgenommen oder aber weitestgehend abgeschlossen. Teilnehmer des Workshops waren die Lehrkräfte der drei Schulen des Modellversuchs mosel , die aktiv am Entwicklungs- und Implementationsprozess beteiligt waren. Sie haben im Modellversuch die Gestaltungsarbeit von Bildungsgangteams vollzogen. Anders als im Modellversuch segel-bs (NRW) waren hier sieben unterschiedliche Bildungsgänge involviert:
Bildungsgang Sozialhelfer/-innen
Bildungsgang Kinderpfleger/-innen
Bildungsgang Metallbauer/Metallbauerin
Bildungsgang Informationstechnische/r Assistentin/ Assistent
Bildungsgang Arzthelferin/ Arzthelfer
Bildungsgang Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r
Bildungsgang Zweijährige Berufsfachschule für Wirtschaft und Verwaltung
Die Workshopteilnehmer konnten auf ein breites Spektrum an Erfahrungen zurück blicken. Hinsichtlich des weiten – und aufgrund der unterschiedlichen Bildungsgänge anzunehmenden heterogenen – Erfahrungswissens wurde von der wissenschaftlichen Begleitung das Problem der Operationalisierung bei einer offenen Aufforderung zur Dokumentation und Evaluation gesehen. Vor diesem Hintergrund wurde ein ‚halb-offenes' Verfahren gewählt, welches sich in nachfolgend dargestelltem Workshopdesign widerspiegelt (vgl. Abb. 3). Basis dieser dialogischen Verfahrensweise ist die Aufarbeitung der Erfahrungen durch die Beteiligten selbst, die auf eine Verschriftlichung von Erfahrungen hinausläuft.
Ad) Phase I – schriftliche Reflexion
In der Phase I ging es um die Aufarbeitung und Verschriftlichung bildungsgangsspezifischer Erfahrungen. In diesem Teil des Workshops haben die Lehrkräfte eines Bildungsgangs – in diesem Fall auch immer derselben Schule zugehörig – zusammengearbeitet. Die Phase bezog sich in erster Linie auf die ersten beiden Erfahrungsbereiche. Die Verschriftlichung erfolgte in Form einer Textproduktion in Stichworten zu den Erfahrungsbereichen I und II.
Ad) Phase II – Interviews zwischen Lehrkräften
In Phase II stand der Vergleich der eigenen Erfahrungen mit Erfahrungen in Bildungsgängen an anderen Schulen an. Aus diesem Grund wurden Interviews zwischen den Bildungsgängen initiiert. Aufgabe jedes Bildungsgangs war es, einen anderen Bildungsgang zu befragen. Hierfür sollte aufgrund eigener Erfahrungen ein Interviewleitfaden entwickelt und ein Interview durchgeführt werden. Die Ergebnisse des Interviews sollten dann dem befragten Bildungsgang zurückgespiegelt werden. Auf diese Weise wurde eine Reflexion zum Erfahrungsbereich III angestrebt.
Ad) Phase III – Stationen
Die Phase III beinhaltete eine Aufarbeitung von Erfahrungen zu vorgegebenen übergreifenden Fragestellungen. Dies wurde in Form von Stationen durchgeführt. Die Lehrkräfte gingen von Station zu Station und hielten ihre Erfahrungen zu den jeweiligen Themenblöcken schriftlich fest. Als Stationen wurden bspw. ‚Ist-Situation', ‚Lehrkräfteeinsatz' und ‚Schulorganisatorischen Bedingungen' vorgegeben.
Hintergrund dieser Fragebereiche sind vor allem die Erfahrungsbereiche V und VI. Die Stationen waren in Form von Schreibwerkstätten aufgebaut. Die Ergebnisse liegen in Form einer ergebnisorientierten Zusammenfassung dieser Arbeiten an den Stationen vor.
Ad) Phase IV – Relay-Interviews
Vor dem Hintergrund der aufgearbeiteten Erfahrungen wurden die Bildungsgangteams aufgefordert ein Interview zum Erfahrungsbereich IV vorzubereiten, um jeweils einen anderen Bildungsgang zu befragen. Dabei bestand die Aufgabe des befragten Bildungsgangs darin, ausgehend von dem geführten Interview, selbst ein Interview zu entwickeln und mit einem weiteren Bildungsgang zu führen. Die Idee des Relay-Interviews ist es, nicht nur die Ergebnisse der Befragung zu erfassen, sondern zugleich auch die Rezeption und Weiterführung der Fragen des Interviews durch den Interviewten einzubeziehen. Die Ergebnisse wurden in Form von Tonmitschnitten der Interviews festgehalten. Die Auswertung erfolgte durch eine Klassifikation der Fragen und Antworten.
Die angeführten Phasen der Schreib- und Evaluationswerkstatt zielen auf die Erfassung unterschiedlicher Erfahrungsbereiche. In einer Matrix lässt sich die Konzeption wie folgt verdeutlichen:
Diese Zuordnung stellt eine Orientierung für die Teilnehmer des Workshops dar. Bereichsübergreifende Reflexionen waren in allen Phasen zulässig. Als Hilfestellung wurden zu den Erfahrungsbereichen Orientierungspunkte gegeben. Die Reflexionen zum Erfahrungsbereich I ‚Die Zielsetzung selbst gesteuerten Lernens' wurden bspw. durch folgende Leitfrage angeregt: ‚ Wie wurden die Förderaspekte selbst regulierten Lernens für den Beruf bestimmt?'
Die von der wissenschaftlichen Begleitung des Modellversuchs definierten Erfahrungsbereiche und operationalisierten Fragestellungen sollten den Lehrkräften eine Leitstruktur zur Dokumentation und Evaluation der Erfahrungen bieten. Hierbei handelte es sich nicht allein um Fragen der Ressourcenausstattung und des -einsatzes: Die zu erfassenden Erfahrungsbereiche stellen einen Komplex dar, der zwar ressourcenbezogene Fragen aufgreift, dennoch aber ‚organisatorische Gestaltungsaspekte' weiter fasst und darunter u. a. auch didaktische Planungen als Aushandlungsobjekte zur Förderung selbst organisierten Lernens begreift.
In der Schreib- und Evaluationswerkstatt dokumentierten und evaluierten die Lehrkräfte die Erfahrungsbereiche im dialogischen Verfahren. Die Dokumentationen liegen in Form von Textmaterialen vor, welche teilweise auch nur stichpunktartige Ausführungen beinhalten. Hier hatten die Befragten in der Schreib- und Evaluationswerkstatt Gestaltungsfreiheit. Es ging vornehmlich darum qualitative Deskriptionen über das Erfahrungswissen der Lehrkräfte zu generieren. Die Auswertung des Textmaterials folgte in einer Zusammenfassung der Deskriptionen innerhalb der einzelnen Erfahrungsbereiche, um hierüber die wesentlichen Aussagen herauszustellen. Es zeigte sich, dass die Struktur über die sechs Erfahrungsbereiche in der Auswertung nicht mehr trennscharf aufrecht erhalten werden konnte, so dass hier weitere Zusammenfassungen zwischen den Erfahrungsbereichen vorgenommen wurden. Anders herum wurden aber von den Lehrkräften einzelne Aspekte so stark betont resp. häufig wiederholt, dass sie als gesonderte Auswertungsgesichtpunkte herauszustellen sind.
Im Folgenden sollen die wesentlichen Gesichtspunkte aus der Dokumentation dargestellt werden. Dabei wird versucht von Einzelentscheidungen der Bildungsgänge zu abstrahieren, um möglichst ein Gesamtbild aller Bildungsgänge wiederzugeben. In einigen Fällen erscheint die Darstellung der differenzierten Erfahrungen aber sinnvoll, um bspw. die heterogenen Herangehensweisen der einzelnen Bildungsgänge deutlich zu machen.
Das Verständnis von selbst organisiertem Lernen wurde von den Lehrkräften zu Beginn der Modellversuchslaufzeit diskutiert und definiert, damit eine Einheitlichkeit innerhalb eines jeden Lehrkräfteteams vorlag. Die verschiedenen Bildungsgänge, resp. Bildungsgangteams, definierten für sich ein Verständnis, was selbst organisiertes Lernen bedeutet und wie es sich im jeweiligen Bildungsgang niederschlagen kann. Aufgrund der heterogenen Bildungsgänge im Modellversuch mosel fielen auch die Ausprägungen und Deskriptionen von selbst organisiertem Lernen z. T. unterschiedlich aus. Als Zielsetzung von selbst organisiertem Lernen wurde aber einheitlich die Berufsfähigkeit herausgestellt und damit in der schulischen Förderung die Bedeutung eines fall- resp. handlungsorientierten Ansatzes hervorgehoben.
In der Förderung des selbst organisierten Lernens war es den Lehrkräften wichtig, aufgrund der oftmals andersartigen Lehr-/ Lernmethoden die Lernenden behutsam an selbst organisiertes Lernen heranzuführen, d. h. (1) durch eine schrittweise Einführung neuer Methoden und (2) durch eine anwachsende Komplexität der Arbeitsaufträge. Als Grundvoraussetzung für die notwendig werdenden Schüleraktivitäten kennzeichnet ein Bildungsgang den Umgang mit neuen Medien und die Lesekompetenz der Lernenden.
Aus methodischer Sicht verbinden die befragten Lehrkräfte mit selbst organisiertem Lernen möglichst umfassende und eigenständige Team- resp. Gruppenarbeiten der Lernenden, die dazu führen sollen, dass vermehrt Schüleraktivität in den Bereichen Analyse, Planung, Entwicklung und Präsentation in den Vordergrund tritt. Die Lernenden gestalten den Unterricht aktiv mit und organisieren ihre Lernprozesse selbst.
Entsprechend der Dokumentationen der Lehrkräfte zeichnet sich der erfolgreiche selbst organisierte Lerner durch (selbst-)reflexives und selbständiges Handeln aus und ist in der Lage seinen Lernprozess selbst zu organisieren. In der Förderung war es nach Meinung der Befragten oftmals notwendig, das Selbstvertrauen und die Persönlichkeit der Lernenden zu fördern in dem bspw. Ängste genommen wurden. Viele Schüler/-innen hatten zuvor kaum resp. gar keine Vorerfahrung mit selbst organisierten Lern- und Arbeitsprozessen. Dies zeichnete sich u. a. dadurch ab, dass ein Konsumentenverhalten im Vordergrund stand. Die Lernenden waren zu Beginn darauf geprägt, den Unterrichtsinhalt präsentiert zu bekommen und reproduktiv zu lernen. Erschwert wurde dieser Umstand durch fehlendes Zeitmanagement, mangelnde Selbstlernstrategien sowie fehlende Erfahrungen bei Präsentationen.
Die Rolle der Lehrkraft wird – ähnlich wie in der Erhebung im Modellversuch segel-bs – so beschrieben, dass der Lehrkraft die Funktionen resp. Aufgaben der Beratung, Unterstützung und Moderation zukommen. Dies benötige zwar mehr Vorbereitung, aber teilweise weniger Präsenz im Sinne von Aktivität im Unterricht. Das Einschreiten der Lehrkraft ins Unterrichtsgeschehen soll in erster Linie dann erfolgen, wenn Hilfestellungen erbeten oder aber Schwierigkeiten z. B. in Gruppenarbeitsprozessen offensichtlich werden. Maßgeblich sollen die Schüler aktiv sein; dennoch wird aber der mögliche Kontakt zur Lehrperson als sehr wichtig eingeschätzt. Das Lehrkräfteverhalten ändere sich im Prozess. Lehrkräfte müssten sich zurücknehmen, aber auch situativ flexibel reagieren können, d. h. sich auf Ungewissheiten im Lernprozess einlassen können.
In den Dokumentationen zur Unterrichtsplanung und -durchführung spiegeln sich die zuvor genannten Aspekte wider. Es wird noch mal deutlich, dass Unterricht, der selbst organisiertes Lernen fördern soll, ein größtenteils offenes Konzept beinhaltet. Dies zeigt sich dadurch, dass die Befragten in ihren Unterrichtsplanungen Wert auf Auswahlmöglichkeiten im Vorgehen der Lerner legen und eigene Ideen der Lerner zulassen resp. forcieren. Die Lernenden sollen selbständiges und selbst organisiertes Lernen und Arbeiten erfahren. Dabei kommt auch hier noch einmal zur Sprache, dass praxisnahe Situationen, d. h. mit hohem Handlungsbezug, hoher Arbeitsrealität und ansteigender Komplexität als wertvoll eingeschätzt werden. Die Arbeitsaufträge sollen jedoch so konzipiert sein, dass Lösungen auffindbar und zu dem aufgezeigten Problem auch Orientierungen in Fachbüchern zu finden sind. Die Unterrichtsdurchführungen sollten nach Möglichkeit in ein Handlungsprodukt der Lernenden münden, um somit eine Ergebnissicherung zu gewährleisten.
Die Evaluation selbst organisierten Lernens wurde in den Bildungsgängen des Modellversuchs mosel auf verschiedenen Wegen durchgeführt. Als Diagnoseinstrumente wurden Lerntypentests eingesetzt. In Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Begleitung wurden das Paderborner Lerntableau – als Fragebogen zur Selbsteinschätzung der Lerngewohnheiten der Schüler/-innen – sowie Lerntagebücher eingesetzt (vgl. dazu DILGER/ GLOWACKI/ HEYER 2007, 191 ff.). Neben der Sicherung der Lernergebnisse über Mitschriften bei Präsentationen und Informationsblätter erschien es den Befragten wichtig, dass in der Bewertung – als nicht unwesentlicher Teil der Evaluation – die Progression der Kompetenz selbst organisierten Lernens Berücksichtigung finden müsse.
Ein Bildungsgang äußerte sich so, dass durch die Modellversuchsteilnahme das Arbeitsverhalten, die Teamfähigkeit, Präsentationen und die Leistung in der Gruppe verstärkt in die Beurteilung mit einbezogen würden und die Bewertung sich nicht mehr vorrangig am Ergebnis orientiere. Die Ergebnissicherung bei den Lernenden wird durch Besprechungen bei Gruppenarbeiten, im Plenum, bei Präsentationen oder aber durch Wiederholungsaufgaben angestrebt.
Die Lehrkräfte hielten fest, dass sie die entwickelten Lernsituationen, die zur Förderung von selbst organisiertem Lernen beitragen sollten, einer wiederholten Überarbeitung unterziehen mussten. Ein Bildungsgang erkannte die Überarbeitungsnotwendigkeit der bereits entwickelten Lernsituation nach einem Treffen mit den Praxisanleitern aus den Betrieben. Hieraus ergaben sich wichtige Anregungen und Impulse, um teilweise auch völlig neue Lernsituationen entstehen zu lassen.
Die Vertreter eines anderen Bildungsgangs äußerten sich hinsichtlich der Überarbeitung von Lernsituationen drastischer, in dem eine ständige Evaluation der Lernsituationen aufgrund der gewonnen Ergebnisse im Unterricht und der Individualität der jeweiligen Lerngruppe stattfinden müsse.
Die Lehrkräfte betonten auf personeller Seite die Teambildung als wesentlichen Faktor für die Implementation und Förderung selbst organisierten Lernens. In einem Bildungsgang wurde das Lehrkräfteteam als zu klein empfunden, um die anstehenden Aufgaben umzusetzen und die gemeinsamen Ziele zu erreichen.
Bezogen auf die räumlichen Gegebenheiten kennzeichnete ein Bildungsgang die Einrichtung des Klassenraums nach modernen, schülerorientierten Gesichtspunkten als förderlich. Dazu zählten die Lehrkräfte bspw. Computer mit Internetzugang, Fachbücher und aktuelle Unterlagen, wie Gesetzestexte sowie den Zugang zu einer Mediothek.
Daneben war es einigen Bildungsgängen möglich, feste Teamarbeitszeiten durch eine Umstrukturierung des Stundenplans zu nehmen und darüber hinaus den Stundenplan so zu gestalten, dass Selbstlernphasen in den Modellversuchsklassen begünstigt werden. Neben den Teamsitzungen der Klassenlehrerteams waren weitere Treffen mit Fachlehrern notwendig, um auch hier curriculare und organisatorische Abstimmungen vorzunehmen.
Das Workshopdesign im ‚halb-offenen' Verfahren hat dazu geführt, dass die Bildungsgangteams des Modellversuchs mosel ihre Erfahrungen hinsichtlich ihrer Aktivitäten und Bedingungen während der Modellversuchslaufzeit reflektiert, evaluiert und dokumentiert haben. Die Dokumentationen zeigten, wie weit reichend sich Entscheidungen auf der Ebene von Bildungsgangteams auswirken. Fragen zum Verständnis von selbst organisiertem Lernen und den damit verbundenen lerntheoretischen Annahmen sind deshalb bereits auf Ebene des Bildungsgangs zu diskutieren und zu klären. Eine gemeinsame Linie für die Entwicklung von Lernsituationen und komplexen Lehr-/Lernarrangements ist für die Verfolgung einer gemeinschaftlichen Zielsetzung für die unterrichtliche Umsetzung und das Erreichen eines gemeinsamen Bildungsanspruchs notwendig. Damit einher gehen Fragen zum Menschenbild, um die Förderung der Zielgruppe des Bildungsgangs daran ausrichten zu können. Die befragten Lehrkräfte taten dies bspw. über gemeinsame Vorstellungen eines (selbst-) reflexiven und selbständigen Lerners. Aus lerntheoretischer Sicht spielt die Lernergebnissicherung und -bewertung eine bedeutende Rolle. Hier ist im Bildungsgang zu klären, mit welchen Instrumenten oder Verfahren Lernergebnisse und selbst organisiertes Lernen beobachtet und bewertet werden soll.
Auch in der Schreib- und Evaluationswerkstatt wurden Ressourcenfragen dokumentiert. Begreift man die Kompetenzen von Lehrkräften als Ressourcen, so ist auf Bildungsgangebene zu überlegen, wie den Anforderungen an die Lehrkräfte als Moderator und Berater Rechnung getragen werden kann. Letztlich geht es auch darum, die Bildungsgangsarbeit selbst zu evaluieren. Die Lehrkräfte haben sehr deutlich aufgezeigt, dass die Entwicklung von Lernsituationen kein linearer Prozess war. Aufgrund neuer Impulse und Anregungen wurden Lernsituationen überarbeitet oder gar neu entwickelt, um den erweiterten Ansprüchen gerecht werden zu können. Für die Bildungsgangarbeit wird ein Evaluationskonzept benötigt, um kontinuierlich die benötigte Qualität der Bildungsarbeit zu gewährleisten.
Während die erste Erhebung den Ressourcenansatz widerspiegelt, wonach Ressourcen als die zentralen aushandelbaren Konditionen erscheinen, wird in der zweiten Studie sichtbar, dass es auch um die Aushandlung von Konzepten und Positionen geht. Der Managementprozess kann nicht als reine Ressourcenverteilung und -aushandlung begriffen werden. Vielmehr ist es ein Prozess der dialogischen Verständigung über konzeptionelle Positionen. Weitergehend ist es ein gemeinsamer Entwicklungsprozess der beteiligten Lehrkräfte. Damit ist er zugleich auch anspruchsvoller. Es handelt sich um ein strategisch-konzeptionelles und nicht um ein operatives Vorgehen. Mit anderen Worten: es handelt sich um strategisches und nicht um operatives Management.
Diese Erweiterung wurde in den Modellversuchen in einem Konzept der Bildungsgangarbeit resp. des Bildungsgangmanagements berücksichtigt, bei dem wir davon ausgehen, dass Bildungsgänge die fokalen Einheiten einer Schulorganisation sind (vgl. DILGER/ SLOANE 2007e).
Verkürzt ausgedrückt geht es zum einen darum, die Lehrpläne der betroffenen Bildungsgänge in einer Makroplanung zu analysieren und in einer Mikroplanung Lernsituationen zu entwickeln, die das selbst organisierte Lernen fördern. Diese didaktischen Planungsprozesse lassen sich als Prozessperspektive eines Bildungsgangs festhalten. Hinweise, die auf die Prozessperspektive einer Bildungsgangsorganisation hindeuten, können bspw. unter dem Aspekt der ‚ Evaluation von Bildungsgangarbeit' gesehen werden. Insbesondere die Forderung eines befragten Bildungsgangs nach einer ständigen Evaluation der makro- und mikrodidaktischen Planungen zeigt den Prozesscharakter der Planungsarbeiten auf.
Auf der anderen Seite wurde erkennbar, dass für diese prozessorientierte Bildungsgangsarbeit, aber auch der unterrichtlichen Umsetzung, gewisse grundlegende organisatorische und didaktische Gestaltungsaspekte innerhalb eines Bildungsgangs bedacht, konsensual definiert und grundgelegt werden müssen. Es zählen dazu u. a. die Ressourcenbereitstellung und der -einsatz, wie z. B. Lehrkräftekompetenzen (Moderator und Berater), flexible Raumausstattungen und darüber hinaus konzeptionelle Überlegungen zur Sicherung der Qualität in den Bildungsgängen. Greifen wir den Punkt ‚Evaluation der Bildungsgangarbeit' aus struktureller Sicht auf, so müssen Bildungsgangteams konzeptionelle Gedankengänge zur Evaluation ihrer Arbeit anstellen, die bestenfalls in einem Qualitätssicherungskonzept münden . Unseres Erachtens wird hier von strukturellen Überlegungen der Organisation eines Bildungsgangs gesprochen: der Strukturperspektive . Weitere strukturelle Überlegungen wurden zuvor bereits im Zwischenergebnis der Schreib- und Evaluationswerkstatt angedeutet.
Aus der Erfahrung der wissenschaftlichen Begleitung der Modellversuche mosel und segel-bs zeigt sich, dass die Förderung selbst organisierten Lernens nicht eng im Sinne einer isolierten methodischen Betrachtung allein gesehen werden kann. Das mikrodidaktische Konzept ist zu erweitern. So ist eine der grundlegenden Erfahrungen, dass sich die intendierte Förderung selbst organisierten Lernens – systematisch konzipiert – durch alle Prozesse und Entscheidungen im Rahmen der makro- und mikrodidaktischen Arbeit zieht (vgl. DILGER/ SLOANE 2007a, 184). Didaktische Arbeit muss die organisatorische Dimension in die Planungen integrieren.
Die perspektivische Betrachtung der Bildungsgangorganisation wird im Weiteren aufgegriffen und als Grundlage zur Entwicklung einer Bildungsgangkonzeption hergenommen.
Bereits in der Hinführung wurde der Begriff des Bildungsgangmanagements als gestaltende Einheit zwischen didaktischer Jahresplanung und organisatorischer Rahmenbedingungen beschrieben. Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Kapitel soll unter dem Bildungsgangsmanagement das Lehrkräfteteam verstanden werden, welches die gestalterischen Aufgaben der Lehrkräfte in den Modellversuchen wahrnimmt. Abstrahiert man von den Modellversuchen, so lässt sich das Bildungsgangmanagement an beruflichen Schulen wie folgt beschreiben.
Das Bildungsgangmanagement steht der anspruchsvollen Aufgabe gegenüber, die lernfeldorientierten Lehrpläne in einer didaktischen Jahresplanung zu konkretisieren. Die weitgehend offen formulierten curricularen Vorgaben in den lernfeldorientierten Lehrplänen sind zu interpretieren, Lernsituationen sind zu entwickeln und zu gestalten. Darüber hinaus gilt es organisatorisch-didaktische Elemente zur Förderung von selbst organisiertem Lernen zu integrieren resp. zu berücksichtigen. So gesehen geht es um einen ‚didaktischen Geschäfts- oder Wertschöpfungsprozess' (vgl. SLOANE 2007; DILGER/ SLOANE 2007b).
Das Bildungsgang- resp. Schulmanagement wird auf diese Weise zum Gestalter der Bedingungen für erfolgreiches Lehren. Abbildung 4 zeigt das Zusammenwirken von organisatorisch-institutionellen Bedingungsbereichen an beruflichen Schulen.
Es kann unterschieden werden nach der Organisation von beruflichen Schulen im Sinne einer Aufbau- und Ablauforganisation (vgl. BUSCHFELD 1994; HERTLE 2007) einerseits und einer Gestaltungsaufgabe Management im Sinne einer Organisations- resp. Schulentwicklung, d. h. der Schaffung von strukturellen Voraussetzungen andererseits.
Management in Schulen kann im Allgemeinen also als Gestaltungsaufgabe für die Gesamtheit schulischer Rahmenbedingungen verstanden werden. Im Speziellen geht es hier um die Gestaltung von organisatorischen Kontexten des Lehrens und Lernens.
In diesem Beitrag begreifen wir die Arbeit von Bildungsgangteams daher als eine Managementaufgabe, wobei spezielle bildungstheoretische Implikationen zu beachten sind (vgl. SLOANE 2007; REINISCH 2003). Betrachtet man das Bildungsgangmanagement als Bestandteil der Organisation beruflicher Schulen, so könnte man sich diesem Gebilde auf Basis der Ergebnisse von zwei Seiten aus annähern: (1) einer Strukturperspektive und einer (2) Prozessperspektive. Dabei kann die strukturelle Sicht Aufschlüsse über die Zusammensetzung, die Gestalt und das Profil des Bildungsgangmanagements in der Gesamtorganisation ermöglichen. Für die Förderung selbst organisierten Lernens wird damit der Handlungsraum deutlich, in dem das Bildungsgangmanagement tätig wird. Die Prozessbetrachtung hingegen bietet die Möglichkeit, sich den Funktionen eines Bildungsgangmanagements anzunähern – insbesondere vor dem Hintergrund der Förderung von selbst organisiertem Lernen und der Integration in lernfeldorientierten Unterricht.
Es soll hier keine neue tiefgehende Analyse der Organisation Schule erfolgen, um das Bildungsgangmanagement einordnen zu können. Dies wurde bereits in weit gefächerter Weise von anderen Autor/-innen getan (vgl. BUSCHFELD 1994; HASENBANK 2001; HERTLE 2007). Dennoch scheint es notwendig, das Bildungsgangmanagement und dessen Struktur vor dem Hintergrund der besonderen Anforderungen durch die Förderung von selbst organisiertem Lernen zu betrachten.
Eine erste Annäherung erfolgt über das nachstehend beschriebene Strukturmodell (vgl. SLOANE 2004, 47 ff.). Das Strukturmodell umschließt mit den vier Merkmalen (1) Leitbild, (2) Ressourcen, (3) Didaktisches Modell und (4) Evaluationskonzept die planerischen Tätigkeiten auf Makro- und Mikroebene des Bildungsgangmanagements. Abbildung 4 veranschaulicht das Gesamtkonzept Bildungsgangmanagement als Strukturmodell.
Vor dem Hintergrund der Förderung selbst organisierten Lernens können die Merkmale wie folgt verstanden werden:
Ad 1) – Leitbild
Die Lehrkräfte, die in Bildungsgangteams zusammen arbeiten und somit das Bildungsgangmanagement verkörpern, sollten Einigkeit darüber besitzen, welchen Bildungsanspruch sie verfolgen wollen und können (vgl. SLOANE 2004, 47). Damit verbunden ist in der Diskussion um selbst organisiertes Lernen zugleich eine konsensuale Definition, was unter selbst organisiertem Lernen verstanden wird, was das für den Bildungsgang bedeutet und wie sich selbst organisiertes Lernen im Bildungsgang niederschlagen soll.
In den Befragungsergebnissen spiegelt sich diese Anforderung bspw. in der Auseinandersetzung der Lehrkräfteteams mit dem Verständnis selbst organisierten Lernens und dem, was einen selbst organisierten Lerner ausmacht.
Ad 2) – Ressourceneinsatz
Die Planung und Umsetzung von Bildungsgängen bedarf der Berücksichtigung von Ressourcenvorgaben. Speziell die Raumsituation darf nicht nur vor dem Hintergrund des Tätigkeitsfeldes Unterricht gesehen werden, sondern ist zugleich auch als Anforderung für Teamarbeiten von Lehrkräften zu verstehen (vgl. SLOANE 2004, 47 f.). Für die Gestaltungsaufgabe eines Bildungsgangmanagements stellen die Kompetenzen von Lehrkräften eine ebenso bedeutsame Ressource dar.
Die Förderung von selbst organisiertem Lernen in Bildungsgängen der dualen Berufsausbildung ist untertrennbar mit der Analyse von Lernfeldlehrplänen und der Ressourcen gebundenen Entwicklung von Lernsituationen verbunden (Makro- und Mikroplanung). Hier weisen die bereits bekannten Anforderungsmuster von handlungsorientiertem Unterricht den Weg, der für die Förderung von selbst organisiertem Lernen als Mindestvoraussetzung stehen muss. Der Einsatz förderlicher Ressourcen lässt sich bis hin zur Einrichtung berufsfachspezifischer Räume ausdehnen und endet nicht zuletzt bei der Kompetenzentwicklung von Lehrkräften.
Der Umfang des Ressourceneinsatzes wird insbesondere in den Ergebnissen der quantitativen Erhebung im Modellversuch segel-bs (NRW) erkennbar.
Ad 3) – Didaktisches Modell
Das Merkmal ‚Didaktisches Modell' umfasst die Verständigung im Lehrkräfteteam über die einheitliche Verfolgung einer Lehr- und Lernkonzeption. Es geht um die Klärung der Frage, wie Unterricht aufgebaut und auf welcher lerntheoretischen Basis Interventionen vorgenommen werden sollen (vgl. SLOANE 2004, 48). Diese Auseinandersetzung erhält für die Förderung von selbst organisiertem Lernen eine besondere Relevanz. Hier spielt die Verständigung über die lerntheoretische Ausrichtung eine grundlegende Rolle, um die Voraussetzungen für selbst organisiertes Lernen herbeiführen zu können.
In den Befragungen legen die Lehrkräfte in der Förderung selbst organisierten Lernens großen Wert auf handlungsorientierten Unterricht. Diese didaktischen Überlegungen bedürfen eines didaktischen Modells, dem in der didaktischen Jahresplanung gefolgt wird.
Ad 4) – Evaluationskonzept/ Qualitätssicherung
Mit der Einführung lernfeldorientierter Lehrpläne verlagern sich Entscheidungen an die Schule. Es wird weitgehend in den Verantwortungsbereich der Schule und der Lehrenden gelegt, wie die Kompetenzentwicklung der Lernenden gezielt gefördert werden soll. Eine Evaluation dessen, was in Schulen auf der Grundlage des Lernfeldkonzepts faktisch gemacht wird, gewinnt eine zentrale Bedeutung für die Professionalität von Schule und pädagogischer Arbeit (vgl. SLOANE 2004, 48).
Dies schließt die Evaluation der schulischen Maßnahmen zur Förderung von selbst organisiertem Lernen – sowohl organisatorischer als auch didaktischer Art – mit ein. Ein Evaluationskonzept als Rückversicherung für die Lehrenden stellt eine Anforderung professionell pädagogischer Arbeit dar und wird insbesondere für didaktisch-organisatorische Neuerungen – wie dem selbst organisierten Lernen – bedeutsam (vgl. SLOANE 2004, 48).
Mehrfach wird von den befragten Lehrkräften die Bedeutung von Evaluationen kenntlich gemacht. Sie haben die Lehrkräfte in responsiven Verfahren dazu geführt, kontinuierlich an den Entwicklungsarbeiten Verbesserungen aufzunehmen.
Erste Hinweise auf eine Prozessperspektive werden im oben beschriebenen Strukturmodell in Form der Makro- und Mikroplanung deutlich. Eine Konkretisierung dieser Planungsaufgaben erfolgt im nachfolgenden Prozessmodell von Bildungsgangarbeit (vgl. SLOANE 2007, 481 ff.).
Dabei werden die Prozessschritte (1) Curriculare Analyse, (2) Didaktische Jahresplanung, (3) Sequenzierung, (4) Modellierung des Lerngegenstands, (5) Entwicklung von komplexen Lehr-/Lernarrangements und (6) Evaluation in Beziehung zueinander gesetzt und führen in ihrer Gesamtheit zu einer begründeten Bildungsgangkonzeption (vgl. SLOANE 2007, 482 f.).
Bildungsgangarbeit bedeutet in Folge dessen also eine didaktisch-organisatorische Gestaltung von Bildungsgängen, in der die Bedingungsbereiche zur Förderung von selbst organisiertem Lernen zu identifizieren und für die Lernzielerreichung richtig auszugestalten sind.
Dabei kann für die didaktische Jahresplanung ein Spannungsfeld ausgemacht werden, wenn die Ambivalenz zwischen der „Verfolgung des didaktisch Wünschenswerten“ und der Berücksichtigung der Gegebenheiten, d. h. dem „organisatorisch Machbaren“ (vgl. DILGER/ SLOANE 2007a, 187) in den Blick genommen wird. In der Förderung des selbst organisierten Lernens sind bzgl. der schulorganisatorischen Bedingungen besondere Ansprüche zu konstatieren. Diese wirken sich sowohl auf die Ausstattung, die räumliche Gestaltung, den Lehrendeneinsatz sowie die zeitliche Organisation aus (vgl. DILGER/ SLOANE 2007a, 187).
Bildungsgangarbeit – zu verstehen als responsiver Planungsprozess – fordert das Bildungsgangmanagement dazu auf (a) Elemente des selbst organisierten Lernens in der curricularen Analyse interpretativ zu bestimmen (s. SLOANE 2005, 32 ff.; DILGER 2007, 114 ff.) und in die (b) didaktische Jahresplanung sinnvoll sequenziert zu integrieren (s. SLOANE 2005, 32 ff.). Dabei können bspw. Lernsituationen so angeordnet werden, dass Lern- und Arbeitsstrategien, die das selbst organisierte Lernen begünstigen, aufeinander aufbauend zum Kompetenzerwerb bei den Lernenden führen. Für die Modellierung des Lerngegenstands gilt es zu fragen, (c) wie berufliche Situationen formuliert und dargestellt werden können, um eine Selbststeuerung des Lerners im Lern- und Arbeitsprozess herauszufordern. Für die unterrichtliche Umsetzung (d) ist einerseits das Verhältnis von Schülersteuerung und Lehrerintervention zu klären und abzustecken. Für die Zieldimension des selbst organisierten Lernens sind die Zurücknahme von Lehrerinterventionen und die Zunahme von Lernerhandlungen entscheidende Kriterien. Darüber hinaus sind Entscheidungsbereiche wie Thematik, Intention, Methodik und Medienwahl ebenso bei der Entwicklung von komplexen Lehr-/Lernarrangements zu berücksichtigen wie sozio-ökonomische und schulorganisatorische Bedingungsbereiche (vgl. SLOANE 2007, 492). Nicht zuletzt (e) sind die eingesetzten didaktisch-organisatorischen Maßnahmen zur Förderung selbst organisierten Lernens kontinuierlich auf ihre Erfolgswirksamkeit hin zu überprüfen und im Sinne der responsiven Planung ggf. auch zu revidieren.
Die beiden Erhebungen in den Modellversuchen waren mit unterschiedlichen Zielstellungen und methodischen Designs angelegt und durchgeführt worden. Während die quantitative Erhebung im Modellversuch segel-bs (NRW) stark auf organisatorische Gestaltungsaspekte im Sinne von Ressourcen ausgerichtet war, fokussierte die qualitativ angelegte Untersuchung im Rahmen der Schreib- und Evaluationswerkstatt mit Lehrkräften des Modellversuchs mosel das breite Erfahrungswissen. In diesem Workshop evaluierten und dokumentierten die Lehrkräfte die Bedingungen und Aktivitäten zur Förderung von selbst organisiertem Lernen im jeweiligen Bildungsgang und der unterrichtlichen Umsetzung.
Begreift man die gestaltenden Lehrkräfteteams der Modellversuche in ihren Funktionsausübungen als Bildungsgangmanagement, so wurde in ihren Erfahrungen das Ausmaß dieser Funktion in der Prozessperspektive erkennbar. Die Bildungsgangarbeit, dargestellt als Prozessmodell, gibt die Prozessschritte eines Bildungsgangmanagements von der curricularen Analyse über die Entwicklung von Lernsituationen und komplexen Lehr-/ Lernarrangements bis hin zur Evaluation in einem responsiven Planungsprozess wieder. Dabei spielte in der Modellversuchsarbeit die Förderung selbst organisierten Lernens die zentrale Rolle.
Grundlage der prozessorientierten Bildungsgangarbeit ist die strukturelle Betrachtung des Bildungsgangmanagements, geht es doch hier um Fragen der Leitbilddiskussion, die Zugrundelegung didaktischer Modelle für den jeweiligen Bildungsgang, die Konzeption einer Bildungsgangevaluation und Qualitätssicherung sowie die Aushandlung der Ressourcenausstattung.
Die induktive Vorgehensweise lässt erkennen, dass Elemente sowohl der prozessorientierten als auch der strukturellen Betrachtung von Bildungsgängen in den Modellversuchsschulen zwar vorhanden sind, aus unserer Erfahrung heraus aber häufig nur unsystematisch thematisiert und zur Grundlage schulorganisatorischer Gestaltungsprozesse gemacht werden. Dies ist unseres Erachtens aber ein wichtiger Bestandteil der Bildungsgangarbeit, um eine Orientierung für das Handeln des Bildungsgangmanagements und der unterrichtenden Lehrkräfte zu erhalten. Organisatorisch-didaktische Entscheidungen, die ein Bildungsgangmanagement zu verantworten hat, benötigen ein Fundament. In diesem Beitrag wurde auf Basis der Förderung selbst organisierten Lernens ein Ansatz einer grundlegenden Bildungsgangkonzeption über die Prozess- und Strukturperspektive aufgezeigt.
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