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 bwp@ Ausgabe Nr. 15 | Dezember 2008
Medien in der beruflichen Bildung – Mit Web 2.0, ERP & Co. zu neuen Lernwelten?
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 15 sind H.-Hugo Kremer, Jens Siemon und Tade Tramm

Lernen mit Podcasts: Ein Beispiel aus der betrieblichen Weiterbildung

           

1.  Einleitung

Im Bereich beruflicher Weiterbildung sind in den letzten Jahren zwei Trends prominent: Zum einen gewinnt informeller Erwerb von Kenntnissen und Kompetenzen an Bedeutung und zum anderen werden zunehmend Lernumgebungen unter Einbindung der Informationstechnologie gestaltet. Diese beiden Trends sind nicht unabhängig. Die Tatsachen, dass berufliche Anforderungen einem relativ schnellen Wandel unterliegen und dass insbesondere im Bereich betrieblicher Bildung die Kosten planungsrelevant sind, wirken verstärkend auf die Verbreitung von IT gestützten Angeboten für das selbstständige Lernen. Dabei macht man sich einerseits die technischen Möglichkeiten zur kurzfristigen Aktualisierung und Distribution der Inhalte zunutze und andererseits die Hoffnung auf Effizienzgewinne durch Skaleneffekte und räumliche sowie zeitliche Flexibilisierung des Lernens.

Neben Internet-Angeboten wie Wikis, Weblogs und sozialen Online-Netzwerken gehören Podcasts zu den Aushängeschildern für eine neue Entwicklungsstufe der netzbasierten Kommunikation, die auch unter dem Schlagwort Web 2.0 zusammengefasst wird. Podcast ist der Terminus für eine Serie von thematisch zusammenhängenden und aufeinander folgenden Audiodateien, die im Internet zur Verfügung stehen. Ein einzelnes Element eines Podcasts heißt Episode. Der erste Podcast, der Daily Source Code von ADAM CURRY, wurde im Sommer 2004 veröffentlicht. Die Herkunft des Begriffs, der vom New Oxford American Dictionary zum Wort des Jahres 2005 gekürt wurde, ist leicht nachvollziehbar. Es handelt sich um ein Kunstwort, das sich aus dem Namen iPod, einem mobilen mp3-Abspielgerät des Computer- und Softwareherstellers Apple, und dem englischen Verb to broadcast zusammensetzt. Der Begriff ist jedoch insofern missverständlich, da nicht nur iPods, sondern auch andere mp3-fähige Endgeräte Podcasts abspielen können. Innovativ an Podcasts sind die Möglichkeit zur Abonnierung von mp3-Dateien und die damit verbundene automatische Aktualisierung der Inhalte durch RSS Feeds. (RSS ist die Abkürzung für Really Simple Syndication und ist eine Datei im XML-Format, die den Pfad zu der auf einem Server hinterlegten Episode, deren Titel und einen kurzen Auszug des Inhalts zusammenfasst. Neben diesen obligatorischen Informationen kann die Datei optional Beschreibungselemente wie etwa das Datum der Veröffentlichung oder die Dauer der Episode enthalten (WITTENBRINK 2005). ) Eine spezielle Software, der Podcatcher, verwaltet die abonnierten RSS Feeds. Das Konzept ist mit einem Zeitungsabonnement vergleichbar: Der Podcatcher fungiert als Zeitungsbote, der - sobald eine aktuelle Ausgabe erscheint - diese dem Abonnenten zustellt. Der neue Inhalt steht ihm dann über die Benutzeroberfläche des Podcatchers zum Download zur Verfügung (RUBENS 2006).

Neben rein auditiven Podcasts unterscheidet man Enhanced Podcasts und Video Podcasts. Enhanced Podcasts enthalten Audiodateien, die in einzelne Kapitel gegliedert sind, denen Bilder oder Weblinks zugeordnet werden können. Ein Vorteil dieser Variante ist, dass visuelle Komponenten die auditive Rezeption unterstützen und Sprungmarken die Navigation innerhalb einer Episode erleichtern. Video Podcasts oder auch Vodcasts beinhalten Episoden mit integriertem Filmmaterial. Zur Nutzung von Video Podcasts benötigt man ein Endgerät mit Display, weshalb sie nicht als eine Variante von Podcasts, sondern als eigenes Medium zu betrachten sind (z. B.WUNSCHEL 2007). Im Folgenden ist unter Podcast, soweit nicht anders gekennzeichnet, die rein auditive Variante zu verstehen.

Die Beispiele für die Nutzung von Podcasts sind vielfältig. Sie reichen derzeit von privat oder professionell produzierten Musiksendungen, Ausschnitten aus Radioprogrammen, Szene- bzw. Specialinterest-News bis hin zur politischen Öffentlichkeitsarbeit (z. B. Podcasts der Bundeskanzlerin). Darüber hinaus wird in zunehmendem Maße auch der Einsatz von Podcasts im Bildungskontext erprobt. Vorreiter sind hier insbesondere US-amerikanische Universitäten, wie etwa die Stanford University, die University of Washington und die University of Wisconsin, die ihren Studierenden aufgezeichnete Lehrveranstaltungen als Podcast zur Verfügung stellen. In Deutschland bietet die Fernuniversität Hagen im Fachbereich Datenverarbeitungstechnik eine Lerneinheit zur objektorientierten Programmierung als Podcast an. Durch einen Zusammenschluss von sechs Hamburger Hochschulen ist das Projekt „podcampus“ entstanden, das der Veröffentlichung eigener Forschungsbeiträge dient. Des Weiteren werden Podcasts verstärkt im betrieblichen Weiterbildungskontext genutzt. Neben beispielsweise National Semiconductor, Siemens, SAP und Xerox nutzen auch Pepsi und IBM Podcasts in der Weiterbildung. So erhalten z. B. Vertriebsmitarbeiter von Pepsi während der Anfahrt zu einem Verkaufstermin wichtige Informationen für den erfolgreichen Umgang mit einem Kunden. Ferner berichtet GRONSTEDT (2007), dass die Mitarbeiter/-innen bei IBM aus 5000 Episoden auswählen können und dass dieses Angebot mit mehr als zwei Millionen downloads genutzt wurde. Neben den potenziellen Vorteilen, die eingangs für den betrieblichen Weiterbildungsbereich genannt wurden (d. h. kurzfristige Aktualisierbarkeit und niedrige Kosten bei großen Zielgruppen) erscheint es plausibel, dass Podcasts sich speziell eignen,

•  klassische Lernangebote zu ergänzen (z. B. zur Wiederholung)

•  kleinere Informationseinheiten zu distribuieren (z. B. bei Produktaktualisierung)

•  Authentizität zu wahren (z. B. von Interviews)

•  Mitarbeiter/-innen zu erreichen, die über große Entfernungen verteilt eingesetzt werden (z. B. in einer internationalen Vertriebsorganisation)

•  Mitarbeiter/-innen zu ermöglichen, Informationen während Reisen oder Wartezeiten aufzunehmen (z. B. beim Autofahren)

Wie diese Beispiele und Anmerkungen bereits vermuten lassen, ist die Euphorie in Bezug auf den Einsatz von Podcasts im Bildungskontext derzeit recht groß. Dieser Euphorie steht indes eine erhebliche Forschungslücke gegenüber, denn es liegen bislang so gut wie keine theoretisch und empirisch gestützten Erkenntnisse vor, ob und gegebenenfalls wie Podcasts zur effektiven Förderung von Lernprozessen genutzt werden können. An dieser Stelle setzt der vorliegende Beitrag an. Ziel des Beitrages ist es, Anregungen für rationales didaktisches Handeln beim Einsatz und bei der Gestaltung von Podcasts zu geben. Dazu können – mangels spezieller Forschungsergebnisse – gegenwärtig vor allem Argumentationen angeboten werden, die auf Basis lerntheoretischer Erkenntnisse potenzielle Vor- und Nachteile bzw. deren Bedingungen plausibel darlegen. Solche plausibilitätsgestützten Überlegungen werden im nachfolgenden Kapitel 2 thematisiert. Sie können für Entscheidungen im Einzelfall Orientierung geben. Eine pauschale Einschätzung des auf Lernprozesse bezogenen Nutzens von Podcasts wird dadurch erschwert, dass in der Bildungspraxis neben allgemein gültigen didaktischen Gesichtspunkten viele spezifische Faktoren (z. B. Verfügbarkeit der erforderlichen technischen Ausstattung) eine Rolle spielen. Unter diesem Aspekt können Fallstudien helfen, auch die – häufig unterschätzten – pragmatischen Anforderungen bei der Einführung von Podcasts zu beleuchten. In diesem Sinne berichten wir im dritten Kapitel aus einer Studie, welche Einblicke in die Nutzung von Podcasts in der betrieblichen Weiterbildung eines großen Unternehmens der IT-Branche ermöglichen soll. Zum Abschluss des Beitrags bieten wir eine Diskussion der Fallstudienergebnisse und stellen weiterführende Gestaltungs- und Forschungsfragen heraus.

2.  Lerntheoretische Überlegungen zum Einsatz von Podcasts im Bildungsbereich

Wirft man einen Blick in die verfügbare Literatur zum Einsatz von Podcasts im Bildungsbereich, so fällt auf, dass in Bezug auf die Bewertung dieses Lernmediums eine stark technikbezogene Perspektive dominiert. Als eine besondere Stärke wird von vielen Autoren (z. B. CAMPBELL 2005; SCHMIDT/ KETTERL/ MORISSE 2007) die Möglichkeit zur schnellen globalen Verbreitung der Audiodateien über das Internet angesehen, wobei die Technologie der RSS Feeds die regelmäßige Versorgung mit aktuellen Inhalten vereinfacht. Steigende Verkaufszahlen mobiler mp3-fähiger Endgeräte mit großer Speicherkapazität, die Zunahme von Internetzugängen über Breitband ebenso wie die steigende Anzahl mp3-kompatibler Mobiltelefone unterstützen dabei die Verbreitung von Podcasts. Als weiteren Vorteil hebt beispielsweise DOROK (2006) die vergleichsweise mühelose und damit kostengünstige Produktion von Podcasts sowie die daraus resultierende Vielfalt an Angeboten hervor. Ähnlich argumentieren LÖSER und PETERS (2007), die die kostenlose Nutzung von Podcasts als entscheidenden Erfolgsfaktor erachten. Diesen Vorzügen werden Probleme im Hinblick auf die technische und inhaltliche Qualität von Podcasts gegenüber gestellt (z. B. RICHARDSON 2006).

Wenig Beachtung fand indes bislang die Frage, wie der Einsatz von Podcasts unter lerntheoretischen Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Im nun folgenden Abschnitt soll daher die technikbezogene Perspektive um eine lerntheoretische Perspektive ergänzt werden. Zu diesem Zweck werden wir zunächst die unseren Überlegungen zugrunde liegende Lernauffassung skizzieren und die herangezogenen konzeptuellen Spezifizierungen darlegen. Vor diesem Hintergrund werden wir sodann potenzielle Vorzüge und Schwachstellen des Lernens mit Podcasts erörtern.

2.1  Zugrunde liegende Lernauffassung und konzeptuelle Spezifizierungen

Basierend auf zeitgenössischen Ansätzen aus der Pädagogischen Psychologie (z. B. REINMANN/ MANDL 2006; WEINERT 1996) ebenso wie aus der berufs- und wirtschaftspädagogischen Lehr-Lern-Forschung (z. B. EBNER 2000; STRAKA/ MACKE 2002) gehen wir davon aus, dass es sich beim Lernen um einen individuellen Prozess der Konstruktion von Wissen handelt, welcher in Auseinandersetzung mit der Lernumgebung, d. h. also in einem gegenständlichen und sozialen Kontext, erfolgt. Ferner nehmen wir an, dass die Güte der Wissensaneignung maßgeblich von zwei Faktoren beeinflusst wird, nämlich zum einen davon, welche Denkprozesse durch die Lernumgebung angeregt werden und zum anderen von der Bereitschaft der Lernenden, sich auf diese Lernumgebung einzulassen. Eine lerntheoretische Betrachtung eines bestimmten Lernsettings oder eines Lernmediums sollte daher kognitions- wie motivationspsychologische Gesichtspunkte gleichermaßen berücksichtigen. In Fortführung dieser Ausgangsüberlegung sowie unter Bezugnahme auf in der einschlägigen Forschungsliteratur vorfindbare Rahmenkonzepte lässt sich die hier skizzierte Lernauffassung folgendermaßen spezifizieren:

•  Die individuelle Konstruktion von Wissen basiert auf der aktiven Verarbeitung von Information. In Anlehnung an MAYER (1998) nehmen wir an, dass es sich bei dieser Verarbeitung um einen komplexen Vorgang handelt, der aus den in Abbildung 1 illustrierten Teilprozessen besteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die hier vorgenommene Trennung der Teilprozesse analytischer Natur ist. Demgegenüber finden diese Prozesse in realen Lernsituationen in der Regel simultan und iterativ statt.

•  Externe Information (z. B. in Form von schriftlichen oder mündlichen Texten, Arbeitsanweisungen, Aufgabenstellungen) wird als Stimulus angesehen, der über die Sinnesorgane aufgenommen wird und zunächst in den sensorischen Speicher gelangt. Über Prozesse der Aufmerksamkeitssteuerung findet sodann eine Selektion der eingegangenen Information statt, d. h. es wird von dem oder der Lernenden entschieden, was als wichtig anzusehen ist und weiter verarbeitet werden soll. Nur die als relevant erachteten Informationselemente gelangen ins Kurzzeitgedächtnis, das in der Literatur zuweilen auch mit dem Arbeitsgedächtnis gleichgesetzt wird.

•  Im Kurzzeitgedächtnis werden die selektierten Informationselemente nun weiterverarbeitet. Um aus den Informationselementen neues Wissen – oder anders ausgedrückt: Bedeutung – zu konstruieren, müssen sie mit Elementen aus dem Vorwissen in Verbindung gebracht werden. Die im Langzeitgedächtnis gespeicherten Wissensbausteine werden abgerufen. Sie stellen die Basis zur Bearbeitung der neuen Information dar. Ferner werden sie durch die Verknüpfung mit der neuen Information auch selbst verändert. Neue und bereits vorhandene Wissenselemente müssen zudem in eine sinnvolle Struktur (z. B. hierarchische Ordnung oder Kausalbeziehung) gebracht werden. Dieser Prozess wird in der Abbildung durch den Pfeil 'Organisieren' zum Ausdruck gebracht.

•  Die so verarbeiteten Informationselemente werden im Langzeitgedächtnis integriert und gespeichert, wo sie für (sofortige oder spätere) Reaktionen (z. B. im Rahmen einer Lerndiagnose) sowie als Grundlage für künftige Lernprozesse zur Verfügung stehen.

•  Orientiert an handlungspsychologischen Grundkonzeptionen menschlichen Lernens (z. B. LOMPSCHER/ LINDNER 1991) gehen wir des Weiteren davon aus, dass das Bindeglied zwischen den subjektiven kognitiven Strukturen der Lernenden und der objektiven Lernumgebung die Lernhandlungen sind. Dem Konzept der vollständigen Handlung entsprechend kann dabei zwischen vorbereitenden, durchführenden und kontrollierenden Handlungsabschnitten unterschieden werden (EBNER 1992). Diese handlungspsychologische Perspektive gewinnt seit etwa einem Jahrzehnt auch in der internationalen Forschungsliteratur zum Instruktionsdesign bzw. zur Gestaltung von Lernumgebungen zunehmend an Bedeutung (z. B. JONASSEN/ ROHRER-MURPHY 1999). So gliedern etwa die niederländischen Forscher DE KOCK, SLEEGERS und VOETEN (2004) den Lernprozess in 'preparatory', 'executive' und 'closing learning functions' auf, wobei sie innerhalb dieser Gruppierungen nochmals weiter zwischen kognitiven, metakognitiven und affektiven Aspekten differenzieren. Beispiele für die jeweiligen Einordnungen lassen sich der nachstehenden Tabelle entnehmen.

Tabelle 1: Beispiele für 'learning functions' nach DE KOCK, SLEEGERS und VOETEN (2004, 161f.)

Preparatory learning functions:

•  Finding missing prior knowledge (cognitive)

•  Finding challenges (affective)

•  Orientation towards learning goals (metacognitive)

Executive learning functions:

•  Practicing and applying (cognitive)

•  Maintaining motivation and self-confidence (affective)

•  Diagnosing causes of failures and problems (metacognitive)

Closing learning functions:

•  Thinking about future use and transfer categories (cognitive)

•  Attributions of outcomes (affective)

•  Evaluating learning process and outcomes (metacognitive)

Eine den Überlegungen von DE KOCK, SLEEGERS und VOETEN (2004) sehr ähnliche Differenzierung findet sich zudem bei den an den Arbeiten von GAGNÉ orientierten US-amerikanischen Instruktionsdesignern SMITH und RAGAN (1999). Diese beiden Autoren unterscheiden unter anderem folgende, für bedeutungsvolles Lernen notwendige Aktivitäten (SMITH/ RAGAN 1999, 112ff.):

•  Problem / Aufgabe wahrnehmen

•  Aufmerksamkeit aktivieren

•  Ziele festlegen

•  Vorgehensweise planen

•  Motivation und Interesse sichern

•  Relevantes Vorwissen aktivieren

•  Problem- /aufgabenrelevante Information suchen

•  Problem- /aufgabenrelevante Information verarbeiten

•  Problem/ Aufgabe bearbeiten

•  Lernergebnis und Lernprozess prüfen und reflektieren

•  Gelerntes Wissen integrieren und festigen

•  Gelerntes Wissen auf neue Situationen übertragen

Eine Lernumgebung sollte so beschaffen sein, dass die hier skizzierten Lernhandlungen evoziert werden. In welchem Ausmaß die Regulation dieser Handlungen dabei durch die Lernenden selbst erfolgt oder stärker von der Lehrperson angeleitet wird, hängt nach Ansicht von SMITH und RAGAN (1999) nicht nur von der zu erlernenden Aufgabenstellung und den vorliegenden Rahmenbedingungen ab, sondern sollte sich insbesondere nach den bereits vorhandenen Kenntnissen und Fähigkeiten der Lernenden richten.

•  Wie andere intentionale Aktivitäten erfordern Lernhandlungen Motivation. Ein mögliches Konzept zur Klärung der Frage, wie diese Lernmotivation zustande kommt und wie sie aufrecht erhalten werden kann, liefert die Selbstbestimmungstheorie von DECI und RYAN (z. B. 1993). Neben anderen motivationsrelevanten Faktoren (z. B. Emotionen, physiologische Bedürfnisse) postulieren diese Autoren drei universelle, also jedem Menschen eigene, angeborene psychologische Grundbedürfnisse, nämlich (1) das Bedürfnis nach Kompetenzerfahrung , (2) das Bedürfnis nach Autonomie und (3) das Bedürfnis nach sozialer Einbindung . Erstgenanntes Bedürfnis umfasst das Bestreben, die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erproben und auszuweiten sowie sich als selbstwirksam zu erfahren. Das Autonomiebedürfnis äußert sich in dem Bestreben, sich als Zentrum des Handelns zu erfahren und wird durch die Verfügbarkeit individueller Handlungsspielräume ermöglicht. Das Erfahren von sozialer Eingebundenheit ergibt sich schließlich als Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe.

•  Ein speziell auf den Bereich der Weiterbildung orientiertes Motivationskonzept wurde von HAEBERLIN (1986) vorgelegt. Der Autor definiert Weiterbildungsmotivation als Konstrukt aus Teilnahme-, Zugangs- und Durchhaltemotivation. Diese Differenzierung der Weiterbildungsmotivation kann mit Bezug auf das erweiterte kognitive Motivationsmodell (HECKHAUSEN 1980) gestützt werden. Die Weiterbildungsmotivation gilt dabei als genereller Antrieb, ein Ergebnis (Wissen, Kompetenz) durch Lernen zu erreichen, und sie besteht, wenn sich ein Individuum in der Situation sieht, dass es ohne Weiterbildung ein gewünschtes Ergebnis nicht erreichen wird. Ist ein Individuum generell motiviert, sich weiterzubilden, ergibt sich die Teilnahmemotivation aus der Wertschätzung des antizipierten Ergebnisses der Weiterbildung und der subjektiven Wahrscheinlichkeit, dieses durch die Teilnahme zu erreichen (Handlungs-Ergebnis-Erwartung). Ist die Teilnahmemotivation zu gering, entscheidet sich das Individuum für einen anderen Weg, das gewünschte Lernergebnis zu erreichen. Die Zugangsmotivation beschreibt jene Motivation, sich für ein bestimmtes Weiterbildungsangebot zu entscheiden, die notwendigen Formalitäten zu erledigen und mit der Teilnahme zu beginnen (vgl. HAEBERLIN 1986, 590). Besteht Zugangsmotivation, d. h. wird der ‚Rubikon' überschritten, ist in der volitionalen Bewusstseinslage für die Zielereichung entscheidend, dass die Lernhandlungen aufrechterhalten werden. Diese Durchhaltemotivation kann durch eine positive und während der Weiterbildung ständig neu gebildete Handlungs-Ergebnis-Erwartung gewährleistet sein sowie durch tätigkeitsspezifische Vollzugsanreize unterstützt werden.

2.2  Analyse der potenziellen Vorzüge und Schwachstellen des Lernens mit Podcasts

Vor dem Hintergrund der soeben dargestellten kognitions- und motivationspsychologischen Überlegungen liegen in Bezug auf eine Bewertung des Lernens mit Podcasts aus unserer Sicht die folgenden Schlüsse nahe:

•  Mit Blick auf den Prozess der Wissenskonstruktion als Verarbeitung von Information sind die Stärken von Podcasts nach unserem Dafürhalten vor allem bei der Unterstützung der Aufmerksamkeitssteuerung und der Informationsselektion zu verorten, da Akzentuierungen durch die Vertonung der Information sehr gut darstellbar sind. Des Weiteren ist zu vermuten, dass die Lernenden beim Hören eines Podcasts persönlicher angesprochen werden als etwa beim Lesen von Texten mit vergleichbarem Inhalt. Die hierdurch induzierte emotionale Färbung könnte eventuell positiv auf die Informationsspeicherung und damit die Behaltensleistung wirken. Die Speicherung bzw. das Behalten der zu verarbeitenden Information werden unseres Erachtens weiterhin dadurch unterstützt, dass eine Episode so oft wie gewünscht wiederholt werden kann. Aufgrund der durch die auditive Sinnesmodalität erzwungenen sequenziellen Informationspräsentation ist demgegenüber anzunehmen, dass lernadäquate Organisationsprozesse zumindest bei rein auditiven Podcasts und ohne zusätzliche selbst- oder fremdinitiierte Lernmaßnahmen (z. B. eigenständiges Anfertigen einer Zusammenfassung oder einer graphischen Abbildung) nicht hinreichend gefördert werden.

•  Betrachtet man Podcasts unter dem Aspekt der Regulation von Handlungen, so kann diesem Lernmedium zumindest der Möglichkeit nach - wie in der Literatur (z. B. RICHARDSON 2006) zumeist hervorgehoben - ein hohes Potenzial zur Anregung selbstgesteuerter Lernprozesse zugesprochen werden, denn ein besonderer Vorteil von Podcasts ist darin zu sehen, dass sie von den Lernenden zeit- und ortsunabhängig, und damit weitgehend selbstbestimmt eingesetzt werden können. Mit Blick auf die oben dargelegten Lernhandlungen lassen sich unserer Ansicht nach durch den Einsatz von Podcasts vor allem lernvorbereitende Handlungen - und hier speziell die Lernhandlung ‚Problem- /aufgabenrelevante Information suchen' gemäß SMITH und RAGAN (1999) - anregen. Betrachtet man die Lernhandlungen indes in ihrer Gesamtheit, so ist zu vermuten, dass die Förderung selbstgesteuerten Lernens durch Podcasts an hohe Eingangsvoraussetzungen seitens der Lernenden geknüpft ist, denn diese müssen bereits über jene Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die zur eigenständigen Initiierung der verbleibenden Lernhandlungen erforderlich sind. Während diese Eingangsvoraussetzungen im Bereich der Weiterbildung gegeben sein mögen, sind diesbezüglich für schulisches und universitäres Lernen angesichts der eher ernüchternden Befunde, wie sie beispielsweise aus der PISA-Studie sowie aus der Forschung zu Lernstrategien und zum selbstregulierten Lernen mit neuen Medien (z. B. ARTELT/ MOSCHNER 2005; ASLEITNER 2000) vorliegen, nach unserem Dafürhalten Zweifel angebracht. Im Falle des Fehlens entsprechender Befähigungen auf Seiten der Lernenden ist die Realisierung des Potentials von Podcasts daran gebunden, inwieweit die Initiierung der ausstehenden Lernhandlungen durch weitere instruktionale Maßnahmen abgedeckt wird.

•  Im Hinblick auf die Grundbedürfnisse nach DECI und RYAN (1993) ist eine Stärke von Podcasts angesichts des bereits im vorangehenden Aufzählungspunkt angesprochenen Potentials zur Unterstützung selbstgesteuerten Lernens vor allem in der Förderung des Autonomieerlebens zu vermuten. Inwieweit Podcasts auch dazu beitragen können, dass sich Lernende als kompetent wahrnehmen, hängt nach unserem Dafürhalten sehr stark vom speziellen Lernkontext ab. Werden Podcasts z. B. beim Lernen in der Arbeit oder beim problemorientierten Lernen eingesetzt, so könnte ein Vorzug dieses Mediums darin bestehen, dass lernrelevante Information 'just-in-time' abgerufen werden kann. Wird dieser Vorzug von den Lernenden erkannt und für die Lern- bzw. Arbeitshandlung effektiv genutzt, so liegt es durchaus nahe, von einer Steigerung des Kompetenzerlebens auszugehen. Indes bleibt anzumerken, dass diese Steigerung wohl eher nicht aus dem Lernmedium als solches, sondern aus der unmittelbaren Verwertbarkeit des angeeigneten Wissens resultieren dürfte. Die Unterstützung des Erlebens von sozialer Einbindung kann durch das Hören von Podcasts nicht ermöglicht werden. Diesbezüglich könnte die Implementierung von so genannten Podcast-Directories eventuell Abhilfe schaffen. Hierbei handelt es sich um Web-basierte Portale, in denen Podcast-User im Rahmen einer Gemeinschaft selbst produzierte Podcasts veröffentlichen können und diese von anderen Mitgliedern der Gemeinschaft bewerten und kommentieren lassen.

•  Weiterbildungsmotivation wird, wie oben geschildert, dadurch hervorgerufen, dass ein Individuum erkennt, wenn eine erwünschte Kompetenz ohne weiteres Zutun nicht erlangen wird. Auf Basis bestehender Weiterbildungsmotivation wird die Teilnahmemotivation davon abhängen, ob die Inhalte des Podcasts für das gewünschte Lernergebnis wertvoll sind und ob neben einem Interesse an der Nutzung des Mediums Podcast die Erwartung besteht, mit diesem Medium erfolgreich lernen zu können. Bei Podcasts handelt es sich in der Regel um kurze Lerneinheiten (Episoden) mit aktuellen Inhalten, die zeitnah produziert, veröffentlicht und mit prägnanten Titeln bezeichnet werden. Mit ihnen wird nicht beabsichtigt, komplexe Inhalte darzustellen. Insofern können Podcasts auch dann zur ‚Teilnahme' motivieren, wenn sie z. B. aufgrund ihrer Aktualität oder Exklusivität, einen Wissenserwerb versprechen, der ohne ihre Nutzung nicht möglich wäre. Die Zugangsmotivation entspricht der Motivation, tatsächlich eine Episode herunter zu laden und zu beginnen, diese anzuhören. Diese Motivation kann durch klare Information über Angebot und Inhalt sowie durch einen benutzerfreundlichen Zugriff auf die Podcasts unterstützt werden. Dazu dient z. B. eine informative Intranetseite mit einfacher und übersichtlicher Menüführung. Durch eine lernerorientierte Gestaltung der Episoden wird die Durchhaltemotivation gefördert. Sie sollten die inhaltlichen Erwartungen der Lerner erfüllen, d. h. für die Lernzielerreichung nützlich sein und durch anregende und unterhaltsame Gestaltung dazu beitragen, dass nicht vorzeitig abgebrochen wird.

3.  Fallstudie zur Evaluation des Einsatzes von Podcasts in der betrieblichen Weiterbildung

Wie einleitend erwähnt, sollen die bisherigen, auf Plausibilitätserwägungen beruhenden Ausführungen zum Lernen mit Podcasts im nun folgenden Kapitel durch eine Fallstudie ergänzt werden, welche in einem Unternehmen der IT-Branche durchgeführt wurde. Zum Zeitpunkt der Durchführung der Fallstudie kamen Podcasts in diesem Unternehmen bereits im Produktmarketing und in der Unternehmenskommunikation zum Einsatz. Inspiriert durch diese Erfahrungen sowie die positive Berichterstattung aus der Fachpresse (z. B. JUMPERTZ 2006; GAMBÖCK/ PICHLER 2006) und Gespräche auf Fachmessen wurde von den zuständigen Entscheidungsträgern beschlossen, dieses Medium nun auch in der betrieblichen Weiterbildung zu nutzen. Dabei war nicht intendiert, bereits etablierte Lernmaßnahmen zu ersetzen, sondern den konzeptuellen Rahmen der betrieblichen Weiterbildung zu erweitern. In dem betrachteten Unternehmen basiert dieser Rahmen auf einem 10-20-70-Ansatz, d. h. „On-the-job“-Aktivitäten (z. B. Job-Enlargement, Job-Enrichment und Job-Rotation) sollen 70 Prozent der Weiterbildungsaktivitäten ausmachen; 20 Prozent der Weiterbildung ist für Coaching und Mentoring vorgesehen; die verbleibenden 10 Prozent der Lernzeit sollen in die eigenständige Aneignung von Fachwissen investiert werden. An dieser Stelle sollte die Implementierung von Podcasts ansetzen. Mit der Implementierung wurden mehrere Ziele verfolgt. Zum einen sollte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein benutzerfreundliches und lernwirksames Hilfsmittel für die Wissensaneignung zur Verfügung gestellt werden. Zum anderen war intendiert, sie durch den Einsatz von Podcasts zu weiterem selbstgesteuerten Lernen zu motivieren und dadurch einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Lernkultur des Unternehmens zu leisten. Die Maßnahme wurde in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik der Universität Mannheim evaluiert.

In den nachstehenden Ausführungen werden als erstes die Fragestellungen und der Gegenstand dieser Evaluation präzisiert. Als nächstes folgen methodische Aspekte und sodann wird über ausgewählte Ergebnisse berichtet.

3.1  Fragestellungen und Gegenstand der Evaluation

Mit der Evaluation sollten die beiden folgenden Fragen beantwortet werden:

•  Erstens sollte eruiert werden, inwieweit Podcasts zur eigenständigen Aneignung von Fachwissen genutzt werden und was deren Nutzung befördert bzw. behindert.

•  Zweitens sollte geklärt werden, inwieweit die oben genannten Implementierungsziele (Benutzerfreundlichkeit, Lernwirksamkeit und Motivation zum weiteren selbstgesteuerten Lernen) durch den Einsatz von Podcasts erreicht werden können.

Gegenstand der Evaluation war ein Podcast, der in einer Unternehmenssparte mit etwa 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingesetzt wurde. Inhaltlich geht es bei diesem Podcast um die Handhabung, um die Funktionalität sowie um potentielle Fehlerquellen eines vom Unternehmen hergestellten Produkts. Der Podcast besteht aus vier Episoden, die entweder die Struktur eines Interviews oder eines Rollenspiels haben. Die Basis für die Erstellung des Podcasts bildete ein Skript, welches den zu sprechenden Text nebst Anweisungen für den Sprecher (z. B. fragend, erstaunt oder dankbar) dokumentiert. Die einzelnen Episoden des Podcasts sind so aufgebaut, dass zu Beginn jeweils eine Begrüßungsmelodie ertönt und der Sprecher einen kurzen Überblick über den Inhalt gibt. Dieser Inhalt wird am Ende einer Episode zusammenfasst. Die Länge des Podcasts beträgt insgesamt circa 35 Minuten. Alle Episoden des Podcasts sind in englischer Sprache, der Geschäftssprache des betrachteten Unternehmens, abgefasst.

3.2  Methodische Aspekte

Als Instrument zur Datenerhebung wurde ein internetgestützter Fragebogen (Web-Survey) eingesetzt. Ebenso wie der Podcast waren die Fragen dieses Surveys auf Englisch formuliert. Der Fragebogen sah vor, dass die teilnehmenden Personen neben ihrer Funktion in der Unternehmenssparte zunächst mitteilen, auf welchem Wege sie über den Podcast informiert wurden. Anschließend wurde anhand der Frage, ob schon mindestens eine Episode heruntergeladen und gehört wurde, zwischen Nutzern und Nichtnutzern des Podcasts unterschieden. Eine programmierte Filterführung leitete die teilnehmenden Personen dann automatisch zu den für sie zutreffenden Fragen weiter. Neben Fragen zur Bekanntheit des zu evaluierenden Podcasts und zur generellen Einschätzung des Lernpotentials dieses Mediums wurden die Nichtnutzer vor allem danach befragt, aus welchen Gründen sie keine der angebotenen Episoden heruntergeladen bzw. gehört haben. Demgegenüber bezogen sich die Fragen des Nutzerfragebogens insbesondere auf die beiden Implementierungsziele ‚Benutzerfreundlichkeit' und ‚Lernwirksamkeit'. Bei der Zieldimension ‚ Benutzerfreundlichkeit' wurde weiterhin zwischen einem technischen und einem inhaltlichen Aspekt unterschieden. In Bezug auf den erst genannten Aspekt wurden die Podcast-User anhand von zwei Fragen dazu aufgefordert, die Einfachheit der Datenübertragung auf einer sechsstufigen Ratingskala einzuschätzen. Mit den insgesamt vier Fragen zum letztgenannten Aspekt sollte eruiert werden, inwieweit die Nutzer mit der inhaltlichen Gestaltung des Podcasts zufrieden waren und dieses Medium als angemessene Form der Informationspräsentation ansehen. Zur Operationalisierung der Zieldimension ‚ Lernwirksamkeit' wurden Einschätzungen zum Verstehen, zum Behalten und zum Transfer der im Podcast enthaltenen Information herangezogen. Weitere Fragen an die Personengruppe der Nutzer bezogen sich auf die Rahmenbedingungen der Nutzung des Podcasts (z. B. Zeit, Ort, verwendetes Abspielgerät), die Häufigkeit von Wiederholungen sowie die Gründe, welche die Nutzung unterstützen. Zur Messung der Erreichung des dritten Implementierungsziels, nämlich der Motivation zum weiteren selbstregulierten Lernen mit Podcasts , wurden sowohl die Nutzer als auch die Nichtnutzer danach gefragt, inwieweit sie daran interessiert sind, weitere Episoden des eingesetzten Podcasts bzw. weitere Podcasts zu anderen auf ihre Arbeit bezogenen Themen anzuhören. Um schließlich einen möglichen Anhaltpunkt zur Erklärung des Nutzungsverhaltens zu bekommen, wurden beide Personengruppen gebeten, den von ihnen bevorzugten Lernmodus (visuell, haptisch, auditiv) anzugeben.

Der Aufruf zur Teilnahme an der Befragung erfolgte mittels einer Mailaktion. Es nahmen insgesamt 96 Personen teil, was einer Rücklaufquote von etwa sieben Prozent entspricht. Alle erhaltenen Antworten wurden einer deskriptiven statistischen Analyse unterzogen.

3.3  Ausgewählte Ergebnisse

Im Hinblick auf die beiden Fragen nach der Nutzung bzw. Nichtnutzung des Podcasts sowie die Erreichung der mit dieser Weiterbildungsmaßnahme verfolgten Implementierungsziele ergab die Datenauswertung die folgenden Ergebnisse:

(1) Nutzungs- und Nichtnutzungsverhalten

Die Analyse der Nutzung und Nichtnutzung des Podcasts orientiert sich an einem Modell, das in Anlehnung an die Differenzierung der Weiterbildungsmotivation von HAEBERLIN (1986; vgl. Abschnitt 2.1, Punkt 4) erstellt wurde.

Von den 96 Befragten gaben rund 49 Prozent an, vor der Befragung schon von dem betrieblichen Bildungsangebot Podcast gehört zu haben. Folglich sind etwa 51 Prozent als Nichtnutzer aufgrund mangelnder Information über dieses Angebot anzusehen. Von denen, die über das Podcastangebot informiert waren, äußerten sich rund 9 Prozent in dem Sinne, dass sie als nicht weiterbildungs- bzw. teilnahmemotiviert zu klassifizieren sind: Die Items für mangelnde Weiterbildungsmotivation lauten: ‚no need for content', ‚no interest in content' und die für mangelnde Teilnahmemotivation: ‚no interest in the medium podcast' und ‚interest in content, but preferred other way of learning'.

Fehlende Zugangsmotivation ist bei allen Befragten festzustellen, die mindestens eine Episode aus dem Intranet herunter geladen, sie jedoch nicht angehört haben. Dies trifft auf 4,5 Prozent der Befragungsteilnehmer zu, die für das Nicht-Anhören der herunter geladenen Episode mangelnde Zeit als Grund nannten oder keine näheren Angaben machten. Somit sind insgesamt zwei Drittel der Befragten als Nicht-Nutzer zu klassifizieren. Mit dem Hören einer Episode begannen 33 Prozent der Befragten, allerdings hörten nur rund 18 Prozent diese vollständig. Die häufigsten Ursachen für den Abbruch, also die mangelnde Durchhaltemotivation, waren überwiegend ‚zeitliche Gründe' und in wenigen Fällen ‚zuviel enthaltene Information'.

Als Gründe für die Nutzung des Podcasts gaben 46 Prozent der Nutzer das Interesse am Inhalt und 30 Prozent das Interesse am Medium Podcast an. Weitere 13 Prozent äußerten, dass das Interesse am Lernen selbst (‚interest in learning something') sie zur Nutzung des Podcasts motivierte. Bei den Benutzern ist keine eindeutige Präferenz für die Tageszeit des Hörens zu erkennen. Bezüglich des Ortes kann ausgesagt werden, dass die Episoden in rund zwei Drittel der Fälle am Arbeitsplatz und zu einem Viertel der Fälle zu Hause von einem stationären PC oder Laptop gehört wurden. Die meisten Nutzer (70 Prozent) hörten die jeweilige Episode einmal; weitere 25 Prozent der Nutzer hörten sie zweimal.

Schließlich gab rund die Hälfte der befragten Nutzer und Nichtnutzer an, am besten über den visuellen Sinneskanal zu lernen. Lediglich 12,5 Prozent beschrieben sich als auditiven Lerntyp.

(2) Implementierungsziele

Die Ergebnisse der deskriptiven Analyse zur ‚ Benutzerfreundlichkeit' sind in Tabelle 2 wiedergegeben. Wie dieser Tabelle zu entnehmen ist, wird die technische Handhabung des eingesetzten Podcasts (Fragen B 1 und B 2) von dessen Nutzern im Durchschnitt als (sehr) einfach wahrgenommen. Deutlich verhaltener fallen demgegenüber ihre Einschätzungen bezüglich der Angemessenheit der Informationsrepräsentation (Frage B 6) aus. Mit Ausnahme der Frage nach der Aktualität der Inhalte (B 4) gilt ähnliches für die Antworten auf die Fragen zur inhaltlichen Gestaltung des Lernmediums (B 3 und B 5).

Ebenso eher zurückhaltend votieren die Nutzer im Hinblick auf die Lernwirksamkeit des eingesetzten Podcasts (vgl. Tabelle 3), wobei sich die Mittelwerte bei den Fragen zu dieser Zieldimension in einem Bereich zwischen 3,60 für die subjektive Einschätzung der Verstehensleistung (Frage L 1) und 3,83 für den Transfer des angeeigneten Wissens (Frage L 3) bewegen.

Zur ‚Motivation zum weiteren selbstregulierten Lernen mit Podcasts' äußern die Befragten eher schwache Zustimmung (Tabelle 4). So lässt insbesondere der Mittelwert zur Frage M 2 auf ein prinzipiell zwar vorhandenes, aber doch eher mäßiges Interesse und damit Selbstregulierungspotential des Mediums 'Podcast' schließen.

4.  Diskussion und Ausblick

Angesichts des explorativen Charakters der Untersuchung sowie der geringen Rücklaufquote bei der Beantwortung des Web-Surveys ist es geboten, die Ergebnisse der Fallstudie mit höchster Vorsicht zu interpretieren. Gleichwohl lassen deren Befunde unserer Ansicht nach erste Rückschlüsse auf das Lernen mit Podcasts zu, die insbesondere auch Ansatzpunkte für Optimierungen sowie weiteren Forschungsbedarf inkludieren. Diese Schlussfolgerungen und Vorschläge sollen nun abschließend skizziert werden.

Vergegenwärtigt man sich die Ergebnisse im Ganzen, so bleibt aufgrund der geringen spontanen Nutzung des eingesetzten Podcasts sowie der überwiegend zurückhaltenden Einschätzung bei den Implementierungszielen zunächst festzuhalten, dass die in der Literatur zuweilen vernehmbare Euphorie bezüglich dieses Lernmediums nicht uneingeschränkt geteilt werden kann. Als besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang zudem zu erwähnen, dass auch der viel gepriesene Mobilitätsvorteil, nämlich der orts- und zeitunabhängige Einsatz von Podcasts, in den Erhebungsdaten keine Bestätigung findet. Insgesamt ist auf Basis der Befunde der Fallstudie aus unserer Sicht eine 'nüchterne' Betrachtungsweise zu empfehlen, welche ausgehend von den im zweiten Kapitel dargelegten lerntheoretischen Argumentationslinien die für Podcasts spezifischen Gestaltungsvoraussetzungen genauer in den Blick nehmen sollte.

•  Hinweise auf solche Voraussetzungen finden sich zunächst in den Ergebnissen zum Nutzungs- bzw. Nichtnutzungsverhalten . Schaut man sich die entsprechenden Analyseschritte in Abbildung 2 an, so fällt vor allem die hohe Quote jener Personen auf, die vor der Befragung noch nichts von der Existenz der Audiodateien gehört haben. Um ein effektives Lernen mit Podcasts überhaupt erst zu ermöglichen – und auch weiter erforschen zu können – ist daher als erstes die hinreichende Bekanntmachung dieses Bildungsangebots sicherzustellen. Mit Bedacht auf den Anteil an Personen, die als nicht teilnahme- bzw. zugangsmotiviert zu klassifizieren sind, empfiehlt es sich darüber hinaus, in künftigen Untersuchungen die Nutzenüberzeugungen (z. B. AEBLI/ RUTHEMANN 1987) der potentiellen Podcast-User zu eruieren und diese bei der Gestaltung des Mediums sowie der darauf bezogenen Kommunikation zu berücksichtigen. Als ein Indiz für Schwächen des Podcasts werten wir ferner die Quote der Personen, die die Episode nicht zu Ende gehört haben. Vereinzelten Auskünften der Befragten entnehmen wir, dass eine klarere Sprechweise, die Auswahl weniger komplexer Inhalte und eine unterhaltsamere Gestaltung Ansatzpunkte für eine zukünftige Verbesserung darstellen.

•  Die Einschätzungen zu den Implementierungszielen Benutzerfreundlichkeit' und ‚ Lernwirksamkeit' stützen die These, dass Prozesse der Wissenskonstruktion nicht alleine durch rein auditive Podcasts gefördert werden können. Eine Minderung dieser Schwachstelle könnte unserer Ansicht nach eventuell durch 'Enhanced Podcasts' herbeigeführt werden. Vor dem Hintergrund von Forschungsbefunden zur Text-Graphik-Kombination (z. B. EBNER/ APREA 2002) könnte eine Möglichkeit zur Gestaltung solcher Enhanced Podcasts beispielsweise darin bestehen, die gesprochene Informationsdarbietung durch eine den behandelten Inhalten entsprechende Form der externen graphischen Repräsentation zu ergänzen. Durch die parallele Darstellung dieser Repräsentationsformen ließen sich voraussichtlich nicht nur Prozesse der Wissensorganisation anregen (z. B. STERNBERG 1999), sondern es sind zugleich weitere behaltensförderliche Effekte der dualen Codierung (z. B. CLARK/ PAIVIO 1991) zu erwarten. Zugleich könnte damit der geäußerten Präferenz für den visuellen Sinneskanal Rechnung getragen werden. Die Ergebnisse zur Zieldimension ‚Motivation zum weiteren selbstgesteuerten Lernen' lassen darauf schließen, dass Impulse zur Selbstregulation durch Podcasts nur sehr eingeschränkt ausgelöst werden können. Eine motivationssteigernde Wirkung ist hingegen insbesondere von Maßnahmen zu erwarten, mit denen die soziale Einbindung des Lernens mit Podcasts unterstützt wird. Insbesondere bietet es sich hier an, das Lernen mit Podcasts mit anderen Lernangeboten (z. B. Trainings, Coachings) zu integrieren.

Die soziale Einbindung des Lernens mit Podcasts und die Anregung von Lernhandlungen lassen sich vermutlich auch in Arrangements fördern, in denen die Lernenden Podcasts produzieren (z. B. PFERDT 2008). L ernergenerierte Podcasts können zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit den Inhalten führen und im Rahmen von Podcast-Directories (vgl. 2.2 (3)) der Evaluation und Vernetzung von Wissen dienen.

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