FRITZ KLAUSER, HYE-ON KIM & VOLKER
BORN
(Universität Leipzig)
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Erfahrung, Einstellung und Erwartung der
Lernenden - entscheidende Determinanten netzbasierten Lernens |
1 Ausgangslage
1.1 Einführung
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Die Anforderungen an kaufmännisches
Denken, Handeln und Problemlösen sind auf Grund der Dynamik
des Berufsfeldes einem tiefgreifenden Wandel unterworfen. Neue
Organisationsziele wie Kunden- und Mitarbeiterorientierung,
Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Arbeits- und Geschäftsprozessorganisation
werden durch die integrierte teilautomatisierte Informationsverarbeitung
realisiert. Electronic Commerce und Electronic Business (Electronic
Commerce bezeichnet zum einen die Anbahnung und Abwicklung ökonomischer
Transaktionen auf der Basis elektronischer Verbindungen. Electronic
Business umfasst darüber hinaus auch die verschiedenen
unternehmensinternen und unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsprozesse,
die durch teilautomatisierte integrierte Informationssysteme
realisiert werden.) sind nur zwei Beispiele dafür, wie
sich aufgrund technologischer Entwicklungen Berufe und Kompetenzprofile
von Kaufleuten permanent verändern. Die Implementation
von Lösungen für E-Commerce und E-Business wirkt sich
nicht nur auf die unternehmensinterne und die unternehmensübergreifende
Organisations- und Ablaufstrukturen aus, sondern bewirkt auch
einen tiefgreifenden Wandel im Anforderungsprofil der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter sowie der Führungskräfte in der Unternehmung. |
1.2
Wirtschaftspädagogischer Handlungsbedarf |
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Um in kaufmännischen Anwendungskontexten
wirkungsvoll agieren zu können, sind über die Kenntnisse
der Wirtschaftswissenschaften hinaus ein grundlegendes Verständnis
und fundierte Fertigkeiten zur innovativen Nutzung moderner
Informations- und Kommunikationstechnologien erforderlich. Dies
gilt auch für das Feld der Aus- und Weiterbildung im kaufmännischen
Bereich. Qualifikations- und Bildungsprozesse, die sich auf
die aktuellen Veränderungen im beruflichen Handlungsfeld
beziehen, erfordern Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit
den neuen Technologien und Systemen. Deshalb ist es einerseits
notwendig bzw. bietet es sich an, die Lehr- und Lernprozesse
auf der Grundlage der neuen Technologien und Systeme zu gestalten.
Computer und Internet rücken nicht zuletzt dadurch noch
stärker in den Mittelpunkt wirtschaftspädagogischer
Betrachtungen.
Diese Medien versprechen andererseits aber zugleich auch einen
breiten Mehrwert für die Ausgestaltung der individuellen
Lernprozesse und eine höhere Effektivität des Lehrens
und Lernens. Lebenslanges und selbstorganisiertes Lernen mit
neuen Medien - so zumindest die Prognosen - wird deshalb in
zukünftig noch an Bedeutung gewinnen (BENEDIX 2000, 29).
Selbstverantwortlich eigene Lernprozesse initiieren und gestalten
zu können wird zunehmend zu einer grundlegenden Qualifikation
für (künftige) Kaufleute und bestimmt darüber
hinaus auch die Lebens- und Berufsbiographien der einzelnen
Subjekte.
Für die kaufmännische Tätigkeit gilt, dass die
permanenten technischen und organisatorischen Veränderungen
zunehmend eigenständig erschlossen und die zu Grunde liegenden
Theorien und Ansätze in bestehende Wissensstrukturen integriert
werden müssen. Das geschieht in immer stärkerem Maße
im Prozess der Arbeit. Wie eine Studie des Frauenhofer Instituts
belegt, wird E-Learning in diesem Zusammenhang noch weiter an
Bedeutung gewinnen (BAUER 2001, 88). Damit ist zugleich ein
weiteres Forschungsfeld für die Wirtschaftspädagogik
markiert. Die Analyse, Planung und Implementation computer-
und netzbasierten Lernens gehört zwar bereits heute zu
ihrem Gegenstandsbereich. Die zu bearbeitenden Probleme werden
aber umso komplexer, als E-Commerce und E-Business immer enger
mit den Organisationsformen des Lernens verbunden bzw. zunehmend
auf E-Learning übertragen werden (WILBERS 2002, 7).
Im Kontext der Ausgestaltung von Unternehmen als "lernende
Organisation" bzw. im Kontext von "Wissensmanagement"
(u. a. PROBST, RAUB, ROMHARDT 1999), wird E-Learning zudem zu
einem dynamischen konstituierenden Faktor der Unternehmensentwicklung.
Weiber definiert E-Learning aus dieser Perspektive als Bestandteil
eines integrativen E-Business-Konzeptes (WEIBER 2000).
E-Learning ist jedoch keineswegs per se innovativ und effektiv.
Im Gegenteil: Es wird nur dort seine potenziellen Wirkungen
entfalten können, wo es fachlich, technisch und pädagogisch
zweckmäßig, zielbezogen und theoretisch sowie durch
Erfahrungen und wissenschaftliche Befunde fundiert, ausgestaltet
wird. Dabei scheint es auf dem pädagogischen Feld derzeit
den größten Diskussions- und Handlungsbedarf zu geben.
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1.3
Anforderungen an die Ausgestaltung netzbasierten Lernens |
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Die Diskussion über die effektive
Gestaltung computer- und netzbasierten Lernens wird derzeit
oft techniklastig bzw. technikzentriert geführt. Die Lernenden
mit ihren spezifischen Voraussetzungen, Bedürfnissen und
Interessen rücken vielfach aus dem Blickfeld bzw. werden
lediglich als Randbedingungen für technische Lösungen
wahrgenommen. Das Resultat sind eine geringe Akzeptanz vieler
E-Learning-Angebote bei den Lernenden, hohe Abbruchquoten und
mangelnde Lernerfolge.
So weist beispielsweise FRANKOLA (2001, 54) im Ergebnis ihrer
Untersuchungen darauf hin, dass die Erwartungen der Lernenden
zu wenig Berücksichtigung finden, Lehrkräfte und Tutoren
nicht oder kaum über die notwendigen Kompetenzen für
die Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen mit dem Computer
und dem Internet verfügen und die Vernachlässigung
des pädagogischen Blickwinkels bei der Konstruktion und
Implementation von E-Learning-Angeboten zu hohen Drop-out-Quoten
führt.
Eine pädagogisch fundierte Gestaltung von E-Learning-Angeboten
muss darauf gerichtet sein, diese Defizite zu vermeiden. Der
Lernende mit seinen Voraussetzungen, Bedürfnissen und Interessen
muss bereits zu Beginn der Planung und Gestaltung netzbasierten
Lernens in den Mittelpunkt gerückt werden. Wilbers subsumiert
ein solches Vorgehen unter den Begriff "Lernprinzip".
Er ordnet diesem Prinzip neben dem Curriculum- und Kompetenzprinzip
eine zentrale Rolle bei der Untersuchung der Zielgruppe im Rahmen
der Stakeholderanalyse zu (Wilbers 2002, 4).
Aus psychologischer Perspektive bildet die Analyse der Voraussetzungen,
Bedürfnissen und Interessen der Lernenden eine entscheidende
Grundlage, wenn es darum geht, Gestaltungskriterien für
die Planung, Konstruktion, Implementation und Evaluation der
Lehr-Lern-Arrangements zu generieren. Untersuchungen zeigen,
dass allerdings auch dabei häufig die technischen Aspekte
in den Vordergrund gestellt werden.
HARTLEY und BENDIXEN (2001) unterscheiden drei Forschungsbereiche
für multimediales Lernen: Medien, Instruktionsmethode und
Lernermerkmale. Sie stellen beispielsweise fest, dass die Medien
und die Instruktionsmethode weit größere Aufmerksamkeit
bei der Konstruktion von Lernangeboten auf sich ziehen als die
Lernermerkmale. In neueren Untersuchungen (zum Beispiel DILLON
& GABBARD 1998, TERGAN 1997) haben sich aber gerade die
Lernermerkmale als hilfreich erwiesen, um widersprüchliche
Resultate über Lerneffekte aufzuklären. Solche Lernermerkmale
spielen auch bei FRICKE (2000, 79) eine zentrale Rolle, der
in seinem Paradigma zur Konstruktion und Evaluation multimedialer
Lehr-Lernumgebungen in Ahnlehnung an REIGELUTH (1983) drei Faktoren
unterscheidet, die Lernergebnisse beeinflussen: Lernervariablen,
Lernumgebung, Lernthema. Unter Lernervariablen subsumiert er
Vorwissen, Einstellungen und Erfahrungen der Lernenden.
In der Literatur besteht insgesamt weitgehend Einigkeit darüber,
dass gerade für die Nutzung neuer Medien die Einstellungen
und Erfahrungen der Lernenden von entscheidender Bedeutung sind
(vgl. u.a. WEIDENMANN 2001, SALOMON 1984).
In diesem Zusammenhang wird neben den kognitiven insbesondere
auch auf die motivationalen Aspekte verwiesen. Der Einsatz neuer
Medien, zum Beispiel in Form von Online-Lernangeboten, wirkt
nicht per se und schon gar nicht über längere Zeiträume
motivierend. KERRES (2001) spricht in diesem Zusammenhang von
einem "Neuigkeitseffekt", der schnell verschlissen
ist. Die vielgepriesene Verwendung neuer Medien zu Motivationszwecken
betrachtet er kritisch. Um E-Learning auch bei auftretenden
Problemen und zudem in größeren Teilen auch noch
selbstgesteuert, bewältigen zu können, bedarf es gefestigter
Einstellungen und Motive zu den Medien und den spezifischen
Lehr-Lern-Prozessen.
In die Kategorie der Untersuchungen, die auf Lernermerkmale
abzielen, lässt sich auch eine Reihe von neueren Studien
einordnen, die im Rahmen eines DFG-Projekts computerbezogene
Erfahrungen und Einstellungen untersucht haben (zum Beispiel
RICHTER, NAUMANN und GROEBEN 2000; RICHTER, NAUMANN und GROEBEN
2001; TRAUTWEIN & JUNGKUNZ 2001). Die Autoren vergleichen
mit dem von ihnen entwickelten "Inventar zur Computerbildung"
(INCOBI) unter anderem Internet-unerfahrene Studierende (sog.
Internet-Novizen/innen) mit Internet-erfahrenen Studierenden
(sog. Internet-Experten/innen). Diese beiden Gruppen unterscheiden
sich beispielsweise sehr deutlich hinsichtlich der durch INCOBI
erfassten Computer Literacy-Aspekte des deklarativen und prozeduralen
Computerwissens, der selbsteingeschätzten Vertrautheit
im Umgang mit dem Computer und der Sicherheit bei der Computernutzung.
Die Internet-erfahrenen Studierenden erweisen sich diesbezüglich
als hoch überlegen. Charakteristisch für Novizen/innen
ist auch die geringere Akzeptanz der Computertechnologie. Kritisch
ist zu dieser Studie allerdings anzumerken, dass die operationale
Definition von Internet-Novizen/innen und -Experten/innen nicht
trennscharf erscheint (siehe die Stichprobenbeschreibung bei
RICHTER et al. 2000).
Die Studie, die im Folgenden vorgestellt wird, baut auf dem
prinzipiellen Zusammenhang zwischen den Erfahrungen mit dem
Computer, computerbezogenen Einstellungen und netzbasiertem
Lernen auf. Ziel der Untersuchung, die am Lehrstuhl für
Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Universität Leipzig
durchgeführt wurde, war es, diesem Zusammenhang in einer
Pilotstudie mit potenziellen Nutzern von universitären
E-Learning-Angeboten nachzugehen. Das methodische Vorgehen und
erste Resultate werden im Folgenden beschrieben und diskutiert.
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2
Empirische Studie zur Erhebung der Erfahrung, Einstellung und
Erwartung der Lernenden
2.1 Teilnehmer und Design
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Teilnehmer
An der Untersuchung haben insgesamt 139 Studierende wirtschaftswissenschaftlicher
Fachrichtungen aus den Universitäten Osnabrück und
Leipzig teilgenommen. Davon befanden sich 56 Probanden im
Grundstudium (28 weiblich, 28 männlich), während
75 Probanden das Hauptstudium (31 weiblich, 44 männlich)
absolvierten. Alle Probanden waren im Rahmen von universitären
Lehrveranstaltungen um die Teilnahme an der Untersuchung gebeten
worden und hatten sich freiwillig zur Mitarbeit bereit erklärt.
Es handelt sich, mit anderen Worten, um eine anfallende Stichprobe.
Fragebogen
Der Fragebogen wurde auf der Grundlage einer vorangegangenen
Interviewstudie konstruiert, an der 26 Studenten ebenfalls
aus den wirtschaftswissenschaftlichen Fachrichtungen teilgenommen
hatten. Der Interviewleitfaden der Vorstudie umfasste 20 Fragen
zu drei Themenbereichen: Erfahrungen mit dem Computer und
dem Internet, Einstellungen zum E-Learning und Erwartungen
an E-Learning. Die Interviews wurden transkribiert und inhaltsanalytisch
ausgewertet. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wurde ein
Fragebogen entwickelt, der folgende Bereiche umfasste:
· Erfahrungen mit E-Learning (6 Items)
· Stellenwert von E-Learning (6 Items)
§ Wichtigkeit von E-Learning für Studium und Berufsvorbereitung
(zur Zeit und in Zukunft), gemessen mit einer Vier-Punkte-Likert-Skala
(nicht wichtig - eher nicht wichtig - eher wichtig - sehr
wichtig)
§ Möglichkeit der Ersetzung von Seminaren und Vorlesungen
durch E-Learning, ebenfalls gemessen mit einer Vier-Punkte-Likert-Skala
(sehr schlecht - schlecht- gut - sehr gut)
· Vor- bzw. Nachteile von E-Learning (19 Items)
§ Aussagen über 11 Vorteile und 8 Nachteile von
E-Learning, gemessen mit einer Vier-Punkte-Likert-Skala (stimme
nicht zu - stimme eher nicht zu - stimme eher zu - stimme
zu)
· Bereitschaft, an einem E-Learning-Kurs teilzunehmen
einschließlich der Angabe von Gründen
§ Ja-/Nein-Frage zur Bereitschaft
§ Beurteilung der Wichtigkeit von Gründen auf einer
Vier-Punkte-Likert-Skala (nicht wichtig - eher nicht wichtig
- eher wichtig - sehr wichtig)
· Kriterien für ein gutes E-Learning-Angebot (26
Items)
§ Beurteilung der Wichtigkeit der 26 Kriterien für
ein gutes E-Learning-Angebot mit Vier-Punkt-Likertskala (nicht
wichtig - eher nicht wichtig - eher wichtig - sehr wichtig)
Durchführung
Die Datenerhebung fand im Frühjahr 2002 jeweils im Anschluss
an universitäre Lehrveranstaltungen statt. Studierende,
die sich zur Teilnahme bereit erklärt hatten, wurden
in einen separaten Raum gebeten und füllten dort unter
Anleitung eines Versuchsleiters den oben beschriebenen Fragebogen
online aus. Es handelte sich also um eine Gruppenerhebung,
die etwa 30 Minuten in Anspruch nahm.
Datenauswertung
Die Daten wurden deskriptiv- und inferenzstatistisch analysiert.
Im Rahmen der deskriptiv-statistischen Auswertung wurden,
je nach Skalenniveau, entweder Mittelwerte und Standardabweichungen
berechnet oder Häufigkeitsverteilungen ermittelt. Als
inferenzstatistische Verfahren wurden Gruppenvergleiche mittels
Chi2-Test und zweifaktorieller Varianzanalyse (Semesterzahl,
Geschlecht) durchgeführt.
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2.2
Ergebnisse |
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2.2.1 Erfahrungen mit E-Learning
Die Tabelle 1 gibt Auskunft darüber, welche Erfahrungen
die Studierenden mit E-Learning bereits gesammelt haben.
Tabelle 1: Erfahrung mit E-Learning: Ergebnisse der Chi2-Analyse
zur Untersuchung des Einflusses von Semesterzahl und Geschlecht.
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1)Die prozentualen Angaben beziehen sich auf die Anzahl
der Teilnehmer, welche die jeweilige Frage beantwortet
haben.
2) Es kann keine Aussage über die Signifikanz getroffen
werden, da die Voraussetzung für den c²-Test
(erwartete Häufigkeit größer als 5) nicht
erfüllt ist.
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Wie die Tabelle zeigt, verfügen etwa die Hälfte
der Studierenden (55,8%) über Erfahrungen mit E-Learning,
die meistens davon mit CD-ROM-basierten Lernformen (46,8%)
und wenige mit netzbasiertem Lernen (20,9%). Nur ein geringer
Teil der befragten Studierenden hat Erfahrungen mit einem
Online-Test bzw. einer Online-Prüfung (14,4%) oder mit
internetbasierten Diskussionsforen (14,4%).
Auf die Erfahrungen mit E-Learning haben Geschlecht und Semesterzahl
(mit einer Ausnahme) keinen Einfluss: 19 der 20 Studierenden,
die mit Diskussionsforen Erfahrung haben, sind männlich.
2.2.2 Stellenwert von E-Learning
Tabelle 2 enthält Informationen zum Stellenwert von E-Learning.
Für die Frage wurde eine Vier-Punkt-Likertskala angewendet
(nicht wichtig - eher nicht wichtig - eher wichtig - sehr
wichtig). Zur Interpretation kann man sich am mittleren Wert
von 2.5 orientieren.
Tabelle 2: Stellenwert von E-Learning: Ergebnisse der Varianzanalyse
zur Untersuchung des Einflusses von Semesterzahl und Geschlecht.
Die Studierenden halten E-Learning für ihr zukünftiges
Studium und die spätere Berufsausübung für
relativ wichtig. Für ihr derzeitiges Studium und für
die aktuelle Berufsvorbereitung fällt ihre Einschätzung
dagegen weniger zustimmend aus. Das gilt unabhängig von
der Semesterzahl und dem Geschlecht.
Die Möglichkeit, herkömmliche Lehrveranstaltungen
an der Hochschule durch E-Learning zu ersetzen, bewerten die
Studierenten differenziert. Während sie den Ersatz der
Vorlesung durch E-Learning-Angebote für möglich
halten (M = 2.64, SD = .65), äußern sie größere
Bedenken, wenn es um den Ersatz der Seminare durch solche
Angebote geht (M = 1.84, SD = .52).
2.2.3 Einstellung zum E-Learning
Der Blick auf Tabelle 3 zeigt, dass die Studierenden die Vorteile
und die Nachteile von E-Learning etwa gleich gewichten. Sie
bezeichnen Zeitunabhängigkeit, Selbstbestimmung des Lerntempos
und die Möglichkeit der beliebigen Wiederholung, Multimedialität
und die Mögichkeit der tutoriellen Begleitung als vorteilhaft.
Hingegen wird die Möglichkeit zur intensiven Beschäftigung
mit Lerninhalten nicht als Vorteil von E-Learning wahrgenommen
(M=2.33; SD=.75). Das E-Learning insbesondere in Hypertextumgebungen
mit seiner netzwerkartigen Informationspräsentation die
Möglichkeit bietet, sich mit Inhalten in verschiedenen
Präsentationsmodi intensiver zu beschäftigen (vgl.
Tergan 1997b), scheinen die Probanden bisher nicht realisierst
zu haben.
Tabelle 3: Einstellung zum E-Learning: Ergebnisse der Varianzanalyse
zur Untersuchung des Einflusses von Semesterzahl und Geschlecht.
Als wichtige Nachteile werden z.B. eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten,
fehlender Druck zum Lernen, eingeschränkte Möglichkeit
nachzufragen und Abhängigkeit des Lernerfolgs von der
Technik genannt. Die netzbasierte Lernumgebung bietet verschiedene
Kommunikationsmöglichkeiten: asynchrone und synchrone
Kommunikation. Jedoch schon in der vorangegangenen Interviewstudie
wurde deutlich, dass die Studierenden große Einschränkungen
erleben, wenn sie nicht von Angesicht zu Angesicht kommunizieren
können. Sie äußerten die Befürchtung
dass dadurch der soziale Kontakt mit anderen Kommilitonen
verloren ginge oder zumindest eingeschränkt würde.
Auf die Frage, welche Vor- bzw. Nachteile für sie besonders
maßgebend sind, antworteten die Studierenden folgendermaßen:
Zeitunabhängigkeit und Selbstbestimmung des Lerntempos
wurden als Vorteile genannt, eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten
und fehlender Druck zum Lernen als Nachteile. Bemerkenswert
ist, dass die Studierenden die vom E-Learning angebotene Gelegenheit
zum selbstorganisierten Lernen als nachteilig empfinden, und
das zudem mit dem dadurch fehlenden Druck zum Lernen begründen.
Studierende im Hauptstudium sehen in stärkerem Maße
als ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen aus dem Grundstudium
einen Vorteil in der Zeit- und Ortsunabhängigkeit von
E-Learning und in der Möglichkeit der tutoriellen Begleitung.
Die Semesterzahl hat in Interaktion mit dem Geschlecht Einfluss
auf die Nennung von Nachteilen: Männliche Studierende
im Grundstudium und weibliche Studierende im Hauptstudium
äußern mehr Bedenken als andere.
2.2.4 Bereitschaft zur Teilnahme an E-Learning-Kurse
Über 90% der Studierenden waren bereit, an einem E-Learning-Kurs
teilzunehmen. Wie aber Tabelle 4 zeigt, sind die Gründe
dafür relativ "naiv". Sie wollen ihre Zeit
besser einteilen können oder einfach neue Erfahrungen
sammeln. Die Gelegenheit, neue Erfahrungen zu sammeln, steht
besonders für Studierende im Hauptstudium und weibliche
Studierende im Vordergrund (vgl. die signifikanten Resultate
der Varianzanalyse in Tabelle 4). Dass mit den neuen Medien
bessere Lernerfolge erzielt werden können, spielt in
ihrem Kalkül keine Rolle.
Tabelle 4: Bereitschaft zur Teilnahme an E-Learning-Kursen:
Ergebnisse der Varianzanalyse zur Untersuchung des Einflusses
von Semesterzahl und Geschlecht.
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2.2.5 Kriterien für ein gutes E-Learning-Angebot
Die Kriterien, die den Studierenden zur Beurteilung vorgegeben
wurden, können Tabelle 5 entnommen werden.
Tabelle 5: Kriterien für ein gutes E-Learning-Angebot:
Ergebnisse der Varianzanalyse zur Untersuchung des Einflusses
von Semesterzahl und Geschlecht.
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Wie die Tabelle zeigt, wurden außer der akustischen
Gestaltung alle Kriterien als wichtig bewertet. Insgesamt
treten aber die technischen Aspekte, wie Multimedialität
(ansprechendes Design, akustische Gestaltung) im Vergleich
zu den pädagogischen Kriterien, wie Übersichtlichkeit,
Übungsaufgaben, klare Lernzielformulierung, Lernerfolgskontrolle
und regelmäßige Online-Sprechstunde, in den Hintergrund.
Um den sogenannten "Deckeneffekt" zu vermeiden,
wurden die Befragten gebeten, jene drei Kriterien zu nennen,
die für sie maßgebend sind. Am häufigsten
wurden pädagogische Kriterien wie z.B. Übersichtlichkeit,
klare Lernzielformulierung, Lernerfolgskontrolle und Übungsaufgaben
genannt. Es ist zu vermuten, dass diese Kriterien auch für
herkömmliche Lehr-Lern-Arrangements als wichtige Vorzüge
genannt würden. Neue Medien bieten viele technische Möglichkeiten,
aber Technik allein schafft keine hinreichenden Lernbedingungen.
Trotz ihres innovativen Potenzials ist sie nur durch pädagogisch
sinn- und wirkungsvolle Begleitungen effektiv nutzbar. Diese
Einsicht scheint die Zielgruppe (zumindest intuitiv) zu teilen.
Auf der Ebene der Gruppenunterschiede ist festzustellen, dass
Studierende im Hauptstudium in stärkerem Maße als
ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen aus dem Grundstudium
Kommunikationsmöglichkeiten mit Dozenten und anderen
Studenten, interessanten Inhalt, einfache Handhabung und Navigationshilfe
für wichtige Kriterien eines guten E-Learning-Angebots
halten.
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3
Erkenntnisse für die didaktische Konstruktion netzbasierten
Lernens |
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Die Untersuchung hat unter anderem zu folgenden Erkenntnissen
geführt: Die befragten Studierenden haben noch relativ
wenig Erfahrungen mit dem netzbasierten Lernen. Obwohl sie
E-Learning einen hohen zukunftsbezogenen Stellenwert für
Studium und Beruf zuweisen und große Bereitschaft zeigen,
an einem E-Learning-Kurs teilzunehmen, äußern sie
relativ naive Vorstellungen im Hinblick auf die individuelle
Effektivierung der Lernprozesse durch E-Learning. Zentral
sind für sie vor allem die Möglichkeit der besseren
Zeiteinteilung und die Chance neue Erfahrungen zu sammeln.
Dagegen spielt die mögliche Aussicht, mit den neuen Medien
bessere Lernerfolge zu erzielen, keine wichtige Rolle. Die
Chance sich durch E-Learning-Angeboten intensiver mit Lerninhalten
auseinander zusetzen, nehmen die Studierenden nicht als Vorteil
wahr. Deshalb ist es fraglich, ob die Gruppe der Untersuchungsteilnehmer
über die Vorteile und Potenziale dieser neuen Lernangebote
hinreichend informiert ist bzw. ein ausreichendes Verständnis
dafür aufbauen konnte.
In der Literatur werden Flexibilität, Individualität,
Interaktivität häufig als Vorteile des netzbasierten
Lernens genannt (Hüther 2001). Dies sind Kriterien, die
- entsprechend umgesetzt - den didaktischen Mehrwert gegenüber
konventionellen Lehr-Lern-Arrangements ausmachen (Euler 2002).
Sie ermöglichen im besonderen Maße selbstgesteuertes
und kooperatives Lernen. Der Lernerfolg ist neben anderen
Faktoren auch von den Lernervoraussetzungen abhängig.
Um den Lernerfolg zu optimieren, ist es erforderlich, die
vorhandenen Lernervoraussetzungen zu erfassen und die entsprechenden
Anforderungen an den Lernenden präzise zu definieren.
Die Studierenden nennen aber als maßgebliche Nachteile
des E-Learning unter anderem den fehlenden Druck zum Lernen
und bemängeln die eingeschränkten Möglichkeiten
der Kommunikation. Damit scheint fraglich, ob die Studierenden
tatsächlich über jene Voraussetzungen zum selbstgesteuerten
Lernen verfügen, die in der neuen computerunterstützenden,
netzbasierten Lernumgebung erforderlich sind.
Die Untersuchung wurde durchgeführt, um Daten für
die Konstruktion und Implementation eines multimedialen netzbasierten
Lehrgangs "Electronic Commerce" im Projekt IMPULSEC
zu gewinnen. Die Ergebnisse haben unter anderem zu Schlussfolgerungen
im Hinblick auf die Vorbereitung der Lernenden für die
Arbeit mit dem Online-Kurs geführt. Da die hohe Drop-out-Quote
beim E-Learning sehr häufig auf falsche Erwartungen der
Teilnehmer zurückgeführt werden kann, sind für
die Implementation des computer- und netzbasierten Lernens
spezifische Maßnahmen erforderlich, die umfassend über
die Vorteile von E-Learning aufklären, die systematisch
Akzeptanz aufbauen und eine realistische Erwartungshaltung
der Studierenden fördern. Dabei ist es wichtig, dass
auf allen Ebenen der Planung und Realisierung computergestützten
Lernens der Lernende zum Ausgangspunkt der Konstruktions-
und Implementationsaktivitäten gemacht wird. Die tradierte
Perspektive des "technisch Möglichen" hat die
hochgesteckten Erwartungen an E-Learning bisher kaum erfüllen
können. Der Blickwinkel des "didaktisch Nötigen
und Sinnvollen" scheint besser geeignet, eine integrierte
Entwicklung zu gewährleisten. Wie die Erfahrungen der
diesjährigen Learntec zeigen, scheint sich diese Erkenntnis
auch bei den meisten E-Learning-Anbietern im kommerziellen
Bereich durchzusetzen (PICHLER 2002, initiative d21).
Am
Projekt beteiligt sind neben Wirtschaftspädagogen Betriebswirte
und Wirtschaftsinformatiker aus den Universitäten Dresden,
Karlsruhe, Leipzig, Osnabrück und Würzburg. Ziel
des Projektes ist es, einen modularen, multimedialen Lehrgang
für den Bereich Electronic Commerce zu entwickeln und
in die universitäre Lehre zu integrieren. Das Konzept
sieht vor, Phasen selbstorganisierten computergestützten
Lernens mit Präsenzveranstaltungen in der Hochschule
zu kombinieren, um so die Vorzüge der jeweiligen Lernformen
effektiv nutzen zu können.
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Literatur |
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