wbv   Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.

 

 

 

H.-HUGO KREMER (Universität Paderborn)
Virtuelle Wissensforen - Konsequenzen für Forschung und Entwicklung


1 Einführung

Es wird zunehmend versucht, in der beruflichen Bildung die Zusammenarbeit zwischen Lernenden, Lehrenden aber auch externen Experten durch virtuelle Räume zu intensivieren. Es zeigen sich hier Anknüpfungspunkte zur Diskussion um 'virtual communities', 'communities of practice', aber auch zu Begriffen wie Wissensmanagement und E-Learning. Virtuelle Foren bieten vielfältige Anwendungspotenziale für die berufliche Bildung. In diesem Beitrag steht nicht die sicherlich notwendige Klärung der unterschiedlichen Begriffe und Anknüpfungspunkte im Mittelpunkt, vielmehr soll ausgehend von einem konkreten Beispiel zur Gestaltung virtueller Foren in der beruflichen Ausbildung Potenziale für Forschung und Entwicklung herausgearbeitet werden. Hierzu kann auf Entwicklungsarbeiten aus dem BLK-Modellversuch 'Wissensforum als Instrument der Lernortkooperation' (Wislok) zurückgegriffen werden.

In einer ersten Auseinandersetzung erfolgt eine Annäherung an Wissensforen, daran anschließend werden Wissensforen als Instrument der Lernortkooperation vorgestellt. In diesem Abschnitt werden einerseits konkrete Beispiele aufgezeigt und andererseits Gestaltungsprobleme aufgearbeitet. Abschließend werden aus diesen Erfahrungen dann Konsequenzen für Forschung und Entwicklung aufgearbeitet.


2 Annäherung an (virtuelle) Wissensforen


Wissensforen sind hybride (sozio-technische) Kommunikationsräume, in denen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie interaktive Verarbeitungsprozesse der Nutzer stattfinden, die thematisch verankert sind. Ein Wissensforum kann als 'Marktplatz des Wissens' gekennzeichnet werden, in dem ein Austausch zwischen dem Angebot und der Nachfrage nach Informationen stattfinden kann. In Abgrenzung von reinen Informationssammlungen dienen solche Wissensforen insbesondere der Interaktion zwischen den Informationsträgern und zur Kommunikation zwischen den Beteiligten. Virtuelle Foren werden durch wechselseitige Produktions- und Rezeptionsprozesse zu Wissensforen. Wissensforen sind nicht isoliert, sondern jeweils im Gesamtzusammenhang der jeweiligen Lebensräume zu betrachten. Sie können daher nur in einem Gesamtkontext eingeschätzt werden und nicht von anderen Kommunikationskanälen gelöst werden; sie stehen vielmehr im Zusammenhang. Die Kraft verschiedener Austauschformen kann dazu beitragen, dass zwischen den Lebensräumen ein Wissensforum entsteht.
Was kann man sich unter einem Wissensforum vorstellen? Nun man könnte es sich als einen Marktplatz des Wissens vorstellen, auf dem wie Obst und Gemüse unterschiedliche Angebote bereitgestellt und nachgefragt werden können. Zur Gestaltung eines solchen Marktes sind auf der einen Seite die technologischen Infrastrukturen wie Hard- und Softwarekomponenten zu berücksichtigen, quasi die Zufahrtswege, Standgrößen usw. Die Attraktivität eines Marktplatzes liegt aber auf der anderen Seite insbesondere in der strategischen Positionierung der Anbieter und der Qualität des Angebots und damit in der didaktisch-methodischen Nutzensperspektive. Verallgemeinert kann man durch die Entwicklung von Wissensforen soziale Räume bereitstellen, die neue Anwendungsformen für die berufliche Bildung anbieten. Diese Räume sollen nicht in Konkurrenz zu traditionellen Räumen stehen, sondern virtuell weist hier auf einen neuen Möglichkeitsraum aufgrund veränderter technologischer Möglichkeiten hin. Eine derartige Wirklichkeit ist durchaus real und soll konkret die Lehr-Lernprozesse in der beruflichen Bildung entsprechend der jeweiligen didaktischen Ansätze unterstützen. Virtuell deutet somit auf eine Erweiterung der Realität hin und nicht auf den Ersatz einer bestehenden Realität. Der Möglichkeitsraum erfahrbarer Realitäten erweitert sich mit der Gestaltung virtueller Räume.

(Vgl. zur Kennzeichnung virtueller Realität auch TENBERG 2001, 30ff. und 32: "Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass eine virtuelle Realität sich von einfachen Abbildungen durch ihre Komplexität und multiple Rekonstruierbarkeit unterscheidet. Sie weist gegenüber der tatsächlichen Realität folgende Unterschiede auf: (1) Virtuelle Realität lässt sich über die bisherigen eingeschränkten Zugänge hinaus erleben, ohne dass dadurch Gefahren für das erlebende Subjekt bzw. für die zu erlebende abgebildete Wirklichkeit bestehen. (2) Virtuelle Realität lässt sich unbegrenzt hinsichtlich ihrer äußeren und inneren Struktur manipulieren. Alle Inhalte und Zusammenhänge sind frei verfüg- und ergänzbar." Kritisch muss hier gefragt werden, ob eine Gegenüberstellung von tatsächlicher und virtueller Realität weiterführend ist und ebenso kann bemerkt werden, dass möglicherweise auch Gefahren für das erlebende Subjekt bestehen können, beispielsweise wenn Erfahrungen aus virtuellen Räumen in andere Räume übertragen werden. )

1. Einfuehrung

2. Annäherung an (virtuelle) Wissensforen

3. Wissensforen als Instrument der Lernortkooperation
3.1 Kennzeichnung des Modellversuchs Wislok


3.2 Wissensforen im Modellversuch WisLok

3.3 Gestaltungsprobleme

4. Ausblick: Anmerkungen für Forschung und Entwicklung



Literatur








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Wissensforen bieten damit vielfältige Anwendungspotenziale für die berufliche Bildung. Die Nutzungsvarianten werden einerseits durch die Potenziale der verschiedenen informationstechnologischen Lösungen begrenzt und auf der anderen Seite aber auch durch die jeweiligen didaktischen Konzepte. Sie können sowohl zur Entdeckung und Entwicklung neuer Szenarien als auch zur Realisierung bestehender Szenarien in der beruflichen Bildung einen erheblichen Beitrag leisten. Diese Idee kann somit in verschiedenen Institutionen sehr unterschiedlich aufgenommen werden: Im Idealfall liegen Nutzungsideen vor und die Technologie stellt Ressourcen zur Verfügung, die eine Verwirklichung ermöglichen. In einem anderen Fall kann das neue technologische Potenzial dazu beitragen, neue Wege für die eigene Arbeit in der beruflichen Bildung zu entdecken. In beiden Fällen stehen Informationstechnologie und didaktische Konzeption in einem wechselseitigen Bedingungsverhältnis. Die Nutzung der Technologie sollte sich jeweils an der didaktischen Konzeption orientieren.

Es kann festgehalten werden, dass ein Wissensforum genau durch das 'Zwischen' (zwischen den Personen, Gruppen und Organisationen) gekennzeichnet werden kann und nicht isoliert in einem Lebensfeld oder -raum verankert ist. Damit wird ein Wissensforum erst durch die aktive Gestaltung aus verschiedenen Lebensräumen heraus mit Leben gefüllt. Aus Sicht des Wissensmanagements ist so eine stetige De- und Rekontextualisierung von Wissen notwendig.

 





 


Wissensforen sind so nicht als eine weitere technologische Spielart zu verstehen, es geht darum, Potenziale neuer Technologien für auch aus anderen Theoriesträngen bekannte Diskussionen zu verwenden:

· Sie können als Keimzelle für den systematischen Umgang mit Wissen dienen. Erste Überlegungen zeigen jedoch auch hier bereits, dass mit virtuellen Foren nicht einfach Konzepte des Wissensmanagements implementiert werden können. Die vorliegenden Konzepte sind dahingehend zu prüfen, ob eine Übertragung auf die jeweiligen organisatorischen und situativen Bedingungen überhaupt möglich erscheint. (vgl. DILGER / KREMER 2002)

· Sie zeigen Anknüpfungspunkte zur Diskussion um E-Learning. Viele Umsetzungen zum E-Learning deuten darauf hin, dass es nicht um eine Entscheidung zwischen E-Learning-Arrangements und traditionellen Lehr-Lernarrangements geht, sondern um die Kombination von Online- und Präsenzelementen (vgl. KERRES 2002, DILGER / KREMER 2001).

· Es wird ebenfalls an verschiedenen Stellen der Anspruch erhoben, dass eine verbesserte Zusammenarbeit der jeweiligen Akteure möglich ist. Es musste jedoch auch anerkannt werden, dass eine Lerngemeinschaft nicht von selbst entsteht und oftmals zunächst die Teamarbeit in den jeweiligen Organisationen ermöglicht werden muss und sich eine Arbeitsgemeinschaft erst dann entwickeln kann. (Vgl. EULER 2002; PALLOFF / PRATT 1999).

· Die Einrichtung von Wissforen kann darüber hinaus durch die aktuell (wieder) an Bedeutung gewinnende Diskussion um Netzwerke in der beruflichen Bildung befruchtet werden. Überschneidungen lassen sich sowohl in den Diskussion um regionale Netzwerke, informationstechnologische Plattformen für Netzwerke, aber auch um neue Organisationsformen feststellen (vgl. FAßLER 2002, WILBERS 2002).

Es soll nun an dieser Stelle nicht nach neuen Grenzziehungen zwischen E-Learning, Wissensmanagement oder Wissensgemeinschaften gesucht werden. Ebenso geht es auch nicht darum, mit 'Wissensforum' einen neuen Ordnungsbegriff einzuführen. Vielmehr sollen vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus einem Modellversuch zur Verbesserung der Lernortkooperation, Potenziale und Probleme von Wissensforen zum Aufbau und zur Entwicklung eines Forschungs- und Entwicklungsnetzwerkes aufgezeigt werden. Hierzu werden zunächst Erfahrungen aus dem Modellversuch Wislok aufgezeigt und daran anschließend wird abschließend diskutiert, welche Gestaltungsmöglichkeiten und Probleme bestehen.


3 Wissensforen als Instrument der Lernortkooperation
3.1 Kennzeichnung des Modellversuchs Wislok


Im Modellversuchsverbund "WISLOK" (Wissensforum als Instrument der Lernortkooperation) wird versucht, durch die Nutzung der Potenziale neuer Informations- und Kommunikationstechnologien Kooperationen von Schule mit und in unterschiedlichen Kooperationsfeldern (z. B. mit Betrieben) aufzubauen und diese zu beleben. Im Rahmen dieser Kooperationsprojekte sollen lokale Wissensforen gestaltet und genutzt werden, über die z. B. gemeinsame Projekte, Anleitungen zu Erkundungen oder Abstimmungen zwischen Schule und Betrieben abgewickelt werden können. Es soll so neben traditionellen Kommunikationsräumen ein weiterer Raum zur Unterstützung der Kommunikation und Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung genutzt werden.

Als Basis für die Überlegungen zur Lernortkooperation können die Interaktionen der an der beruflichen Bildung Beteiligten herangezogen werden. Im Rahmen der Berufsausbildung im dualen System hat sich durch Ausdifferenzierung ein enges Beziehungsgeflecht innerhalb und zwischen Institutionen herausgebildet, welches über Schule und Betriebe als klassische Lernorte hinausgeht und daneben Einrichtungen der außer- / überbetrieblichen Ausbildung, Weiterbildungsinstitutionen, andere Schulformen und weitere Institutionen einbindet. Aus der Sicht einer Institution kann zwischen den Interaktionen im Innen- und Außenverhältnis unterschieden werden. Dabei prägt die Kooperationskultur im Innenverhältnis die Beziehungen nach außen und umgekehrt. Somit setzen Kooperationsbemühungen über Institutionen hinweg Kooperationen innerhalb der Institution voraus und das in horizontaler und vertikaler Richtung. "Lernortkooperation ermöglicht die Grenzen von Fächern und Organisationen sukzessive zu verschieben, Handlungsoptionen zu eröffnen, ohne grundsätzlich die hergebrachten Strukturen in Frage zu stellen. Lernortkooperation ist schwierig, weil damit eine Veränderung der internen Organisationsstrukturen verbunden ist und eine verbindliche gemeinsame neue Struktur, Strategie und Kultur geformt werden muss. Aufgabe ist es, die ‚Entgrenzung' jeder einzelnen Institution durch eine neue tragfähige Struktur aufzufangen" (PÄTZOLD 1998, 27).

Mit diesem weiten Verständnis von Lernortkooperation können eine Vielzahl von Kooperationsfeldern in und außerhalb der Schulen im Modellversuch lokalisiert werden. Insbesondere Wissensforen zur Kooperation zwischen Lehrenden innerhalb von Bildungsgängen sind hier gestaltbar. Die Erfahrungen innerhalb der eigenen Institution können dann ausstrahlen in Kooperationsengagement zwischen den Institutionen.


3.2 Wissensforen im Modellversuch WisLok


Sie können für begrenzte Aufgabenstellungen und damit auch für einen bestimmten Beteiligtenkreis konzipiert werden. Somit kann die grundlegende Struktur neben der bedeutsamen Wahl der Technologie durch die Trias: Beteiligte (Arena), die zu bewältigende Aufgabe (Thema) und den Ablauf / die Sequenz der Bearbeitung (Agenda) beschrieben werden. An einem Standort wird beispielsweise ein Forum zur Berufsausbildung konzipiert, in welchem das Ziel verfolgt wird, die Ausbildungsarbeit zwischen Schule und Betrieb besser abzustimmen. Hierzu werden u. a. einerseits Informationen über die jeweiligen Lehr- und Ausbildungsaktivitäten bereitgestellt (z. B. durch Führung eines Online-Klassenbuchs) und andererseits von Ausbildern und Lehrkräften ein Aufgabenpool geschaffen, auf den von beiden Seiten zurückgegriffen werden kann. Damit soll sichergestellt werden, dass Aufgaben verwendet werden, die eine ausreichende Praxis- und Problemrelevanz besitzen. Zur Lösung der Aufgaben werden für die Auszubildenden virtuelle Arbeitsräume angeboten. Aktuell zeigt sich, dass durch diese Aktivitäten auch weitere Austauschprozesse insbesondere zwischen Lehrkräften und Ausbildern ausgelöst werden (vgl. http://s1.teamlearn.de/berufsausbildung).
Durch die Definition von Schnittstellen zwischen solchen Foren können Informations- und Kommunikationsflüsse gestaltet werden, die in einer Gesamtschau zu einem, die gesamte Schulorganisation umspannenden, Informationsnetzwerk ausgebaut werden können. Durch die zu Grunde liegende didaktische Gestaltungsperspektive soll dabei ein Schwerpunkt auf die Nutzerperspektive gelegt werden, damit Information zu Wissen transformiert werden kann.

Im Modellversuch WisLok wird zentral eine technologische Basis angeboten. Die Standorte haben die Möglichkeit basierend auf dieser Technologie virtuelle Foren anzubieten. In einer Startphase wurde mit Lotus Quickplace die Möglichkeit zur Gestaltung virtueller Gruppenarbeitsräume angeboten. Dieses Angebot wird nun schrittweise durch eine Datenbankstruktur, die Möglichkeit zur synchronen Kommunikation und eine Teilnehmerverwaltung zu einem 'Portal' für berufsbildende Schulen ausgebaut. Im Modellversuch wird bereits im Rahmen der Entwicklungsphase dieses Gesamtangebotes nach geeigneten Nutzungsmöglichkeiten für berufsbildende Schulen gesucht. In der folgenden Übersicht werden verschiedene Nutzungsvarianten angedeutet :

(Unter http://s1.teamlearn.de/km werden Links zu verschiedenen Foren aus dem Modellversuch Wislok (Wissensforen als Instrument der Lernortkooperation) angeboten. )




3.3 Gestaltungsprobleme


Die Gestaltung und insbesondere die Nutzung virtueller Foren im Alltag dualer Ausbildung ist an fast allen Standorten mit erheblichen Problemen und Startschwierigkeiten behaftet. Auch wenn die Ausstattung an berufsbildenden Schulen sich in den vergangenen Jahren erheblich verbessert hat, war dennoch an verschiedenen Standorten in der Anfangsphase des Modellversuchs eine Verbesserung der technologischen Ausstattung herzustellen, um überhaupt arbeitsfähig im Modellversuch zu werden. Dies war auch notwendig, wenn Schulen entsprechend der Statistik eine gute EDV-Ausstattung vorweisen konnten. Dies soll nur kurz verdeutlicht werden: Wissensforen werden an den verschiedenen Standorten für unterschiedliche Aufgaben verwendet. Gemeinsam ist diesen Foren jedoch, dass Aufgaben aufgenommen werden, die nicht gesondert ausgeführt werden, sondern eng mit anderen Arbeits- bzw. Lernbereichen verbunden sind. Dies bedeutet, dass die Nutzung von 'Internet-Arbeitsplätzen' nicht zeitlich ausgelagert werden kann, sondern integrativ an den verschiedenen Lern- und Arbeitsplätzen erfolgen sollte. Im Modellversuch wurden an allen Standorten flexible Nutzungsmöglichkeiten neuer Informations- und Kommunikationstechnologien hergestellt. Dies ist zudem notwendig, da bestehende Räume bzw. Arbeitsplätze mit Internetzugang in der Regel durch andere Kurse belegt sind. Es zeigte sich, dass dieses Problem nicht nur in den berufsbildenden Schulen bestand, sondern auch in verschiedenen Ausbildungsbetrieben ein Zugang zum Internet bereitgestellt werden muss. Neben der Zugangsmöglichkeiten vor Ort ist darüber hinaus eine leistungsfähige Softwareangebote zur Einrichtung virtueller Räume bereitzustellen. Im Modellversuch wird hierzu zentral eine Lösung angeboten. Einerseits wird kritisch angemerkt, dass eine systematische Einführung in dieses Angebot erfolgen muss und andererseits wird darauf hingewiesen, dass Übertragungsraten erreicht werden sollten, die auch aus anderen Nutzungsfeldern des Internets bekannt sind. Der erste Kritikpunkt wird mit zunehmender Nutzung des Angebots abgeschwächt, der zweite Kritikpunkt gewinnt jedoch mit zunehmender Nutzungsdauer an Bedeutung. Dies weist deutlich darauf hin, dass über die einzelne Schule hinaus eine leistungsfähige informationstechnologische Infrastruktur zu schaffen ist.

Es zeigte sich sehr schnell, beispielsweise bei der Verteilung der Computerarbeitsplätze, dass der Modellversuch entscheidend von der Organisationsstruktur in der Schule beeinflusst wird. Beispielsweise verlangt die Arbeit in Wissensforen, dass Lehrkräfte auch mit externen Partnern gültige Absprachen für den Schulbereich treffen können. Eine Netzwerkbildung im Außenverhältnis hat damit auch Auswirkungen auf die Beziehungen im Innenverhältnis der beteiligten Organisationen.

(In einem Forum wird dementsprechend von uns untersucht, inwiefern Teambildung in den jeweiligen Organisationseinheiten eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit mit virtuellen Foren ist. )

Die Arbeit im Wissensforum findet oftmals keine Verankerung in der jeweiligen Organisation. Damit können Wissensforen auch nicht zu Brücken zwischen den Organisationen werden, sondern es werden Brücken gebaut, ohne die Zufahrtswege sicherzustellen. Dies verlangt z. B., dass innerhalb der Organisation Kommunikationskanäle und -wege existieren, die die Arbeit in virtuellen Foren unterstützen. Ein erhebliches Problem ist es auch, Akteure aus verschiedenen Organisationen zur Mitarbeit zu motivieren. In diesem Falle kann festgestellt werden, dass es aus schulischer Sicht Schwierigkeiten bereitet, Vertreter aus anderen Organisationen zu beteiligen. Konkret könnte hier die Frage aufgeworfen werden, inwiefern Lernortkooperation als gemeinsames Problem im dualen System angesehen werden kann. Virtuelle Foren stellen an die jeweiligen Akteure neue Anforderungen. In vielen Fällen wird dies zunächst als Beherrschung einer neuen Technologie interpretiert. Es zeigt sich jedoch, dass darüber hinaus die Akteure nicht nur von der Software den Titel 'Manager' bzw. 'Autor' erhalten, sondern genau diese Rolle auch ausfüllen müssen. Es stellen sich veränderte Organisationsaufgaben hinsichtlich der Beteiligung verschiedener Personen, der zielgerichteten Steuerung virtueller Foren und der Begleitung verschiedener Teilnehmergruppen. Manager in virtuellen Foren sind bereits in konzeptionelle Gestaltungsfragen eingebunden und mit verantwortlich für die Gesamtausrichtung des Forums. Eine wichtige Aufgabe ist es hier, einen Rahmen in der Form zu gestalten, dass alle Teilnehmer bereit sind bzw. ein Interesse haben, Informationen aus dem Forum abzurufen und in dieses einzustellen und es damit zu einem Wissensforum zu erwecken.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Verbesserung der informationstechnologischen Infrastrukturen vor Ort bzw. die Bereitstellung geeigneter Werkzeuge & Tools eine wichtige Voraussetzung für die Einrichtung virtueller Foren ist. Die Problemfelder können jedoch nicht isoliert bzw. nacheinander bearbeitet werden, sondern stehen in einem wechselseitigen Zusammenhang.


4 Ausblick: Anmerkungen für Forschung und Entwicklung


In den vorhergehenden Ausführungen wurde angedeutet, dass virtuelle Foren vielfältige Potenziale für die berufliche Bildung bieten, jedoch umfassender Implementationsbemühungen bedürfen. Auch wenn grundlegende Vorteile, wie z. B.- schneller Informationsaustausch unabhängig von Zeit und Raum, flexible Bildung von Arbeitsgruppen oder schnelle Einbindung von neuen Arbeitsgruppenmitgliedern festgestellt werden können, ist auch zu erkennen, dass die Nutzung virtueller Foren an vielen Stellen mit erheblichen Problemen verbunden ist und nicht einfach in bestehende Arbeitsstrukturen integriert werden kann. Dementsprechend sind Möglichkeiten und Grenzen von Wissensforen genauer herauszuarbeiten. Es bleibt dann abzuwarten, welche Hoffnungen sich tatsächlich realisieren lassen. Wissensforen sind als Forschungs- und Entwicklungsgegenstand genauer zu bestimmen. Nach unserer Auffassung stellen sich u. a. die folgenden Fragestellungen:

· Welche Typen virtueller Foren können bestimmt werden? Wie unterscheiden sich diese Typen, welche Gemeinsamkeiten besitzen sie?

· Was ist bei der Gestaltung virtueller Foren zu beachten?

· Wie kann das Zusammenspiel unterschiedlicher Foren in einer Organisation bzw. zwischen Organisationen sichergestellt werden?

· Welche Aufgaben können mit virtuellen Foren bearbeitet werden?

· Welche technologischen Voraussetzungen sind kurz-, mittel- und langfristig bereitzustellen?

Neben diesen auf den Objektbereich gerichteten Fragestellungen verändert sich jedoch auch die Forschungs- und Entwicklungsarbeit. In einer ersten Befragung hat es so noch überrascht, dass der Fragebogen innerhalb einer Stunde von den Forschungspartnern zurückgesandt wurde, in einer zweiten Befragung wurde ein derartig schneller Rücklauf schon als normal eingeschätzt. Dies deutet eine Veränderung der Forschungsarbeit an und wird auf Dauer mehr sein als nur die Wahl eines anderen Versandweges.

Dennoch muss interessanterweise festgestellt werden, dass die Kommunikation in virtuellen Räumen auch zwischen den Entwicklungspartner keinesfalls von selbst Normalität wird. Modellversuchsarbeit wird beispielsweise trotz virtueller Foren in vielen Fällen noch weitgehend über bekannte Kanäle durchgeführt. Dies überrascht insofern nicht, da auch aus dem E-Learning die Kombination von Online- und Präsenzphasen präferiert wird. Vor- und Nachteile einzelner (virtueller) Kommunikationsformen sind hier möglicherweise in den Alltag der Modellversuchsarbeit zu überführen. Modellversuchsarbeit wird damit möglicherweise auch auf diesem Gebiet zu einem Qualifizierungsfeld für alle Beteiligten. Nach meiner Auffassung erscheint es hier notwendig, vielfältige Anwendungs- und Testfelder anzubieten. Damit können sich beispielsweise neue Austauschformen zwischen Wissenschaft und Praxis etablieren. Im Sommersemester 2002 wird u. a. von Studierenden der Universitäten Hamburg und Paderborn eine virtuelle Konferenz zum Thema 'E-Learning in der beruflichen Bildung' angeboten (vgl. www.teamlearn.de/e-lc).
Aus Sicht der Forschung ist zudem von besonderem Interesse, dass in virtuellen Foren Innovationsprozesse rückblickend analysiert werden können. Die Austauschprozesse können in unterschiedlichen Texten gespeichert und ausgewertet werden. Allerdings ist noch unzureichend bekannt, um welche Textsorten es sich handelt. Und damit ist auch keinesfalls Sicherheit vorhanden, wie diese Materialien ausgewertet werden können bzw. ob sie überhaupt ausgewertet werden dürfen. Damit wäre es aus forschungsmethodischer Sicht notwendig, die neuen Textsorten genauer zu bestimmen und Auswertungsarbeiten darüber vorbereiten zu können.

Ohne an dieser Stelle Konsequenzen für Forschung und Entwicklung genauer herausarbeiten zu können, sei als dritter Strang darauf verwiesen, dass Wissensforen auch ein interessantes Austauschkonzept für Wissenschaftler bieten und somit einen Beitrag zur Entwicklung von Forschungs- und Entwicklungsnetzwerken leisten könnten. Grundsätzlich würden sich hier ähnliche Frage stellen, wie im Rahmen der Entwicklung virtueller Foren für die berufliche Ausbildung. Dies könnte möglicherweise wiederum den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis anregen und zu einem 'echten' Austauschprozess führen.



Literatur

BÜCHTER, K. / GRAMLINGER, F. (2002): Lernen in Netzen - Einige neuralgische Punkte und offene Fragen in der berufs- und wirtschaftspädagogischen Diskussion. In: bwp@ - Berufs- und Wirtschaftspädagogik - online, Ausgabe 2; online unter:
http://www.bwpat.de/ausgabe2/buechter-gramlinger_bwpat2.html (Stand: 15-06-02)

DILGER, B. / KREMER, H.-H. / SLOANE, P. F. E. (2001): Wissensforum als Instrument der Lernortkooperation. In: Wirtschaft und Erziehung, Heft 9, 297 - 301.

DILGER, B. / KREMER, H.-H. (2001): Entwicklung und Implementation offener webbasierter Lernumgebungen im Berufsförderungswerk München, Wirtschaftspädagogische Beiträge Paderborn Heft 2, Paderborn.

Euler, D. (2002): From connectivity to community - Elektronische Medien als Katalysator einer Kultur des selbstorganisierten Lernens im Team. In: bwp@ - Berufs- und Wirtschaftspädagogik - online, Ausgabe 2; online unter:
http://www.bwpat.de/ausgabe2/euler_bwpat2.html (Stand: 15-06-02)

FAßLER, M. (2001): Netzwerke: Einführung in die Netzstrukturen, Netzkulturen und verteilte Gesellschaftlichkeit, München.

KERRES, M. (2002): Online- und Präsenzelemente in Lernarrangements kombinieren. In: HOHENSTEIN, A. / WILBERS, K. (Hrsg.): Handbuch E-Learning. Expertenwissen aus Wissenschaft und Praxis, Kap. 4.5, Köln.

PALLOFF, R. M. / PRATT, K. (1999): Building Learning Communities in Cyberspace, San Fransico.

PÄTZOLD, G. (1998): Lernfelder und Kooperation. Beiträge zum beruflichen Lernen. Düsseldorf.

PÄTZOLD, G. (2002): Lernfelder - Lernortkooperation. Neugestaltung beruflicher Bildung, Dortmund.

STRAHLER, B. / WILBERS, K. (2001): IT und Wissensmanagement zur Intensivierung und Verstetigung der Zusammenarbeit in Berufsbildungsnetzwerken. Report zum Forschungs- und Entwicklungstrack in Anuba / Kolibri, Hildesheim / St. Gallen.

WILBERS, K. (2002): Lernen in Netzen: Modernismen und Traditionen, Schismen und Integrationsversuche. In: bwp@ - Berufs- und Wirtschaftspädagogik - online, Ausgabe 2; online unter: http://www.bwpat.de/ausgabe2/wilbers_bwpat2.html (Stand: 15-06-02)