H.-HUGO KREMER
(Universität Konstanz) |
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Handlungs- und Fachsystematik im Lernfeldkonzept
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1.
Vorbemerkungen |
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Mit der Lernfeldkonzeption ist eine veränderte Ausrichtung
des Verhältnisses von Handlungs- und Fachsystematik verbunden.
Der erste Eindruck lässt vermuten, dass bestehende fachsystematische
Strukturen durch eine handlungssystematische resp. situationsorientierte
Strukturierung abgelöst werden.
Es ist jedoch schnell zu erkennen, dass dieses Verhältnis
zwar eine veränderte Ausrichtung erfährt, bisher jedoch
kaum eine ausreichende Präzisierung erfahren hat (vgl.
z. B. eine erste Positionsbestimmung von PÄTZOLD 2000).
In diesem Beitrag ist es kaum möglich, alle Facetten dieser
Problemstellung zu thematisieren. So wäre es beispielsweise
notwendig, eingehend Prozesse und Produkte der curricularen
Entwicklungsarbeit zu analysieren bzw. Überlegungen zur
Überführung von Lernfeldern in Lernsituationen vorzunehmen.
Derartige Arbeiten wurden u. a. auch von uns im Rahmen von Modellprojekten
und Qualifizierungsarbeiten durchgeführt (vgl. KREMER/SLOANE
2001; KENNERKNECHT/ KREMER/SLOANE 2001). Daher wird der Schwerpunkt
in diesem Beitrag auf eine konzeptionelle Betrachtung gelegt.
Zunächst werden im folgenden Kapitel das Lernfeldkonzept
und der vorgenommene Perspektivenwechsel dargelegt. Daran schließen
sich ausgewählte Positionsbestimmungen im Kontext von Lernfeld
und Fach an. Darauf aufbauend werden Umgangsformen mit lernfeldstrukturierten
Curricula in berufsbildenden Schulen angedeutet. Vor dem Hintergrund
dieser Ausführungen werden abschließend Thesen für
eine weiterführende Diskussion vorgestellt.
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2 Das Lernfeldkonzept zwischen Handlungs- und Fachssystematik
2.1 Annäherung an das Lernfeldkonzept
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Es wird darauf verzichtet, das Lernfeldkonzept nochmals grundlegend
darzustellen (vgl. hierzu u. a. KREMER/SLOANE 1999 und 2001,
BADER/SLOANE 2000, HUISINGA/ LISOP/SPEIER 1999), sondern es
wird lediglich eine Kennzeichnung auf die gewählte Problemlage
erfolgen. In der KMK-Handreichung werden folgende grundlegenden
Aspekte zur Gestaltung von Lernprozessen in der Berufsschule
vertreten:
"Lernen in der Berufsschule vollzieht sich grundsätzlich
in Beziehung auf konkretes, berufliches Handeln sowie in vielfältigen
gedanklichen Operationen, auch gedanklichem Nachvollziehen von
Handlungen anderer. Dieses Lernen ist vor allem an die Reflexion
der Vollzüge des Handelns (des Handlungsplans, des Ablaufs,
der Ergebnisse) gebunden. Mit dieser gedanklichen Durchdringung
beruflicher Arbeit werden die Voraussetzungen für das Lernen
in und aus der Arbeit geschaffen. Dies bedeutet für den
Rahmenlehrplan, dass die Beschreibung der Ziele und die Auswahl
der Inhalte berufsbezogen erfolgen.
Auf der Grundlage lerntheoretischer und didaktischer Erkenntnisse
werden in einem pragmatischen Ansatz für die Gestaltung
handlungsorientierten Unterrichts folgende Orientierungspunkte
genannt:
- Didaktische Bezugspunkte sind Situationen, die für die
Berufsausübung bedeutsam sind (Lernen für Handeln).
- Den Ausgangspunkt des Lernens bilden Handlungen, möglichst
selbst ausgeführt oder aber gedanklich nachvollzogen (Lernen
durch Handeln).
- Handlungen müssen von den Lernenden möglichst selbständig
geplant, durchgeführt, überprüft, ggf. korrigiert
und schließlich bewertet werden.
- Handlungen sollten ein ganzheitliches Erfassen der beruflichen
Wirklichkeit fördern, z. B. technische, sicherheitstechnische,
ökonomische, rechtliche, ökologische, soziale Aspekte
einbeziehen.
- Handlungen müssen in die Erfahrungen der Lernenden integriert
und in Bezug auf ihre gesellschaftlichen Auswirkungen reflektiert
werden.
- Handlungen sollen auch soziale Prozesse, z. B. der Interessenerklärung
oder der Konfliktbewältigung, einbeziehen.
Handlungsorientierter Unterricht ist ein didaktisches Konzept,
das fach- und handlungssystematische Strukturen miteinander
verschränkt. Es lässt sich durch unterschiedliche
Unterrichtsmethoden verwirklichen." (KMK 2000, 10)
Lernfelder werden als didaktisch aufbereitete Handlungsfelder
gekennzeichnet. Dies bedeutet, dass nicht mehr Fächer,
sondern Handlungssituationen als Ordnungssystem des Lehrplans
fungieren. Lernfelder orientieren sich damit an beruflichen
Aufgabenstellungen und Handlungsabläufen (vgl. KMK 2000,
14). Allerdings wird ebenso darauf verwiesen, dass in besonderen
Fällen thematische Einheiten in Lernfeldern unter fachwissenschaftlichen
Gesichtspunkten systematisiert werden können. Es wird ferner
darauf verwiesen, dass soweit "das Ausbildungsberufsbild
in Ausbildungsordnungen die Tätigkeitsfelder der ausgebildeten
Fachkraft nach den betrieblichen Arbeits- und Geschäftsprozessen
wiedergibt, (...) es die Grundlage für die Struktur der
Lernfelder in Rahmenlehrplänen sein" kann (KMK 2000,
14).
Damit kann zunächst eine Verschiebung der Fachsystematik
zur Handlungssystematik festgestellt werden. An verschiedenen
Stellen wird darauf verwiesen, dass damit die Gefahr einhergeht,
dass in einer dualen Berufsausbildung die Gewichte zwischen
dem betrieblichen und dem schulischen Teil der Ausbildung verschoben
werden (vgl. z. B. REINISCH 1999, 114). REINISCH stellt dies
folgendermaßen heraus: "Der Verweis auf den 'Bildungsauftrag'
der Berufsschule in den 'Handreichungen' wird so entweder zu
einer reinen Legitimationsformel, wofür spricht, dass der
'Bildungsauftrag' bei der Begründung und der konkreten
Formulierung der Vorgaben für die Arbeit der Lehrplankommissionen
keine Rolle mehr spielt, oder es besteht ein 'heimlicher' Konsens
dahingehend, dass die pädagogischen Ansprüche des
'Bildungsauftrags' nicht Angelegenheit des berufsbezogenen,
sondern des nicht-berufsbezogenen Lernbereichs der Berufsschule
sind. Dies wäre dann allerdings eine fatale Arbeitsteilung."
(REINISCH 1999, 114). Auch wenn zu untersuchen bleibt, inwiefern
der Bildungsauftrag in die Entwicklung und Umsetzung lernfeldstrukturierter
Curricula einfließt, kann sicherlich festgestellt werden,
dass die einzelnen Akteure jeweils eine curriculare und unterrichtliche
Verankerung herstellen bzw. unterstützen müssen. Konkret
stellt sich jeweils das Problem, was unter didaktischer Aufbereitung
von Handlungsfeldern zu fassen ist. In diesem Kontext stellen
sich im Rahmen der Curriculumentwicklung vielfältige Fragestellungen,
die KREMER/SLOANE in der folgenden Form fassen:
· "Wie bestimmt man relevante Handlungssituationen?
Was sind die typischen relevanten exemplarischen Handlungsmuster,
die man dem Lehrplan zugrunde legt? Welche Kriterien legt man
hierbei an? Es handelt sich hierbei zwar um klassische Fragen
der Curriculumentwicklung, was jedoch herausgestellt werden
muss ist, dass wenn man das Fächerprinzip aufgibt, an die
Stelle der fachlogischen Strukturierung eine handlungslogische
Struktur tritt, die als Ordnungsprinzip zumindest nicht einheitlich
und verbindlich geklärt ist.
· Bei der Frage der Systematik von Handlungsfeldern stellt
sich dann die weitergehende Frage, ob man hierbei von Situationsmodellen
oder Prozessmodellen ausgeht. Beschreibt man beispielsweise
Fallsituationen oder Abläufe? Für beide Modelle gibt
es in der didaktischen Literatur Vorbilder. So könnte man
für Situationsmodelle Anleihen bei den berufspädagogischen
Modellen nehmen, die von einer Strukturierung des beruflichen
Wirkungsraums ausgehen (Zu verweisen wäre hier bspw. auf
die Fallstudiendidaktik von REETZ 1988.); bei Prozessmodellen
finden sich Hinweise in berufspädagogischen Ansätzen
zur Geschäftsprozessorientierung, zur auftragsorientierten
Ausbildung usw." (KREMER/SLOANE 2001, 13f.)(Vgl. bspw.
STRATENWERTH 1992).
Sowohl auf der Ebene der Lehrplankommissionen als auch auf der
Ebene der schulinternen Curriculumentwicklung kann eine Anreicherung
der Aufgabenstellungen festgestellt werden. Es kann vermutet
werden, dass eine Professionalisierung in Bezug auf diese Tätigkeitsbereiche
notwendig ist. Die Betrachtung einer Arbeitshilfe für Rahmenlehrplanausschüsse
lässt jedoch vermuten, dass im Vorfeld eine Auseinandersetzung
der 'Experten' mit Grundlagen zur Lernfeldkonzeption notwendig
erscheint. Zumindest werden in der Arbeitshilfe allenfalls punktuell
die angedeuteten Fragen aufgenommen (vgl. MÜLLER/ZÖLLER
2001). HANSIS (2003, 107) streicht beispielsweise in einer Tagung
des VLW in einem Einführungsreferat heraus, dass er nicht
die von BADER (2000, 43) vorgetragene Position teile, dass die
Mitglieder der Bildungsgangkonferenz in einer vergleichbaren
Forderung wie die Mitglieder der Rahmenlehrplanausschüsse
stehen und die Entwicklung der Lernfelder nachvollziehen müssen.
Sie sollen damit erfassen, warum die Lernfelder so sind wie
sie sind. HANSIS hält dies für einen Akt des Ratens
und sieht dies nicht als sinnvoll an. Zumindest kann zugestimmt
werden, dass darüber nachzudenken wäre, in welcher
Form eine Erfassung der Handlungsfelder unterstützt werden
kann. Dennoch erscheint es notwendig, die Positionen sowohl
auf Ebene der Curriculumentwicklung als auch auf Ebene der -rezeption
hinsichtlich des Verhältnisses von Fachsystematik und Handlungssystematik
auszuloten (vgl. BUSCHFELD 2002a, 124ff., vgl. auch BUSCHFELD
2000 und 2002b).
Mit der Lernfeldkonzeption wird zudem erkennbar, dass kaum eine
klassische Zuordnung der Lernorte vorgenommen werden kann, in
der Schule einen theorievermittelnden Part erhält und Betriebe
einen praxiserkundenden bzw. -erprobenden Part erhalten (vgl.
PÄTZOLD 2002, 69). Dies verlangt eine Kooperation von Schule
und Betrieb. Diese Forderung richtet sich jedoch nicht nur an
Betrieb und Berufsschule, sondern stellt sich auch innerhalb
der Lernorte. In der Schule kann beispielsweise auf eine Neuausrichtung
des Verhältnisses von Praxis- und Theorieunterricht verwiesen
werden. Auf betrieblicher Seite wird das Zusammenspiel von Ausbildung
in der Ausbildungsabteilung und den Fachabteilung zu überprüfen
sein. ZABECK weist darauf hin, dass die Kernkompetenz der Schule
nicht in der Vermittlung eines praktischen Könnens besteht,
"sondern in der Anleitung zur Reflexion seines Zustandekommens,
seiner performativen Realisierung und seiner Weiterentwicklung".
ZABECK 2003, 9). Vor diesem Hintergrund erscheint es geboten,
die Zusammenarbeit von Schule und Betrieb in den Blick zu nehmen
und das Verhältnis neu auszurichten.
Die Überlegungen deuten bereits an, dass kein einfacher
Gegensatz zwischen fachlich strukturierten und lernfeldstrukturierten
Einheiten vorgenommen werden kann. Daher soll im Folgenden zunächst
der mit dem Lernfeldkonzept vorgenommene Perspektivenwechsel
beleuchtet werden und daran anschließend der Blick nochmals
auf Lernfelder und (Unterrichts-)Fächer gerichtet werden. |
2.2
Lernfeldkonzept - Perspektivenwechsel |
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Aufgabe der Schule bzw. der Lehrerinnen und Lehrer ist es, aus
Lernfeldern Lernsituationen zu entwickeln. Ziel ist es, den
Transfer des in Lernsituationen von Lernenden erarbeiteten Wissens
in die Lebenssituation (Handlungsfelder) der Lernenden zu unterstützen.
Somit soll sich auch ein vermeintlicher Widerspruch zwischen
Fachwissen und Lernfeld auflösen. In der Weiterführung
des fächerübergreifenden und handlungsorientierten
Unterrichts findet im Lernfeldansatz eine Re-Organisation des
Fachwissens statt. Systematisches Wissen (Fachwissen) und kasuistisches
Wissen (Fallstrukturen) werden in Lernsituationen aufeinander
bezogen. Die Übertragung von in Lernsituationen erworbenem
Wissen stellt sich nicht in einer traditionellen Denkfigur in
der Überführung von Fachwissen auf Fachpraxis, sondern
als Dekontextualisierung des in generalisierten Handlungsfeldern
erworbenen Wissens dar. Das Lernfeldkonzept intendiert einen
Perspektivenwechsel von fachsystematischer Profilierung hin
zu einer anwendungsorientierten. (Vgl. zur Abgrenzung von Wissenschafts-
und Situationsprinzip BRUCHHÄUSER 2001, 326ff.; TWARDY
1996 a und b, NICKOLAUS 1996)
Die nachfolgende Matrix zeigt diesen Zusammenhang auf. Der senkrechte
Pfeil in dieser Abbildung drückt die Argumentationsrichtung
in fächerorientierten Curricula aus: Ausgehend von fachlich-systematischen
Vorgaben werden Lernfelder als Projekte, Fallbeispiele u. ä.
entwickelt. Es wird also ein Anwendungsbezug für das Fachwissen
gesucht. Insgesamt stellt aber die Fachsystematik (das fachorientierte
Curriculum) die Vorgabe und die Projekte (analog: Lernfelder)
Umsetzungsinitiativen der Lehrenden dar. Im Lernfeldansatz wird
nun die Verbindlichkeit umgedreht. Diese Konzeption zeigt sich
im horizontalen Pfeil. Lernfelder sind allgemeine Vorgaben -
wie oben dargelegt - und zum Teil von einem Lehrerkollegium
(einer Lehrgangskommission) didaktisch aufbereitete Handlungsfelder.
Diese sind verbindlich und der Lehrer muss nun von diesen Handlungsfeldern
ausgehend die fachlichen Anteile erschließen, d. h. entscheiden,
welche weitergehende inhaltliche Unterfütterung er vornimmt
und wie er die Relevanz hierfür einschätzt.
Die Matrix zeigt m. E. schließlich, dass der Lernfeldansatz
auch auf der Grundlage alter fachorientierter Curricula installiert
werden kann.
Abb. 1: Perspektivenwechsel
(entnommen aus KREMER/SLOANE 2000b, 173)
Es kann festgestellt werden, dass lernfeldstrukturierte Curricula
nicht eine vollständig neue Idee einführen. In berufsbildenden
Schulen wird oftmals die Position geäußert, dass
lernfeldstrukturierte Curricula 'auf einmal da waren'. Jedoch
wird hierbei verkannt, dass die Rahmenvereinbarung der KMK bereits
1996 verabschiedet wurde und Diskussionen zur Handlungsorientierung,
Lernortkooperation und fächerübergreifenden Unterricht
aber auch zur Schulentwicklung curriculare Missstände immer
wieder aufgezeigt haben. Dennoch muss festgestellt werden, dass
die Lernfeldkonzeption gerade in der jüngeren Vergangenheit
eine Flut von Publikationen ausgelöst hat (vgl. hierzu
die Zusammenstellung zur Lernfeldplattform unter http://www.isb.bayern.de/bes/brenn/Lernfeldpl/start.htm,
ISB 2001) Zu nennen wäre hier beispielsweise das Konzept
des fächerübergreifenden Unterrichts. Allerdings stellt
sich die Frage, ob nicht einfach neue Fächer entstehen.
Die Abgrenzung von Lerngebieten (= Fächern) und Lernfeldern
ist sowohl inhaltlich als auch begrifflich kaum eindeutig. BUSCHFELD/TWARDY
belegen dies an der Analyse eines Lernfeldes und zeigen Standards
für die Konstruktion von Lernfeldern auf (vgl. BUSCHFELD/TWARDY
1997). Zudem könnte angeführt werden, dass auch bestehende
Fächer in der kaufmännischen Ausbildung z. T. stark
durch handlungssystematische Strukturen geprägt wurden.
Diese Überlegungen werden im folgenden Abschnitt nochmals
vertiefend aufgenommen.
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2.3
Lernfelder und Fächer |
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Bereits in der Diskussion um fächerübergreifenden
Unterricht bzw. überfachliches Lernen in berufsbildenden
Schulen wurde herausgestellt, dass nicht von einheitlichen
Unterrichtsfächern ausgegangen werden kann. Den Fächern
kommen sehr unterschiedliche Aufgaben zu und diese sind unterschiedlich
geschnitten und strukturiert. Es existieren Fächer mit
eher fachsystematischem Charakter, daneben finden sich aber
auch Fächer, die eher einen ganzheitlichen Zuschnitt
erhalten haben. Fächer können somit als jeweils
sehr unterschiedliche Konstrukte interpretiert werden, die
in der bisherigen Ordnung dazu beigetragen haben, einerseits
die "Zuordnung von Lerninhalten zu Unterrichtsfächern
und andererseits die Zuordnung von Unterrichtsfächern
zu Lehrkräften" (REINISCH 1999, 105) sicher zu stellen.
Fächer sind damit ein bedeutsames Organisationsmerkmal
für berufsbildende Schulen.
Lernen in Fächern kann als tradierte Organisationsform
schulischen Wissens angesehen werden. REINISCH kennzeichnet
Fächer als dominantes "Merkmal der schulischen Sozialisation"
(REINISCH 1999, 105). Dies kann nach seiner Auffassung auch
für den weiteren Bildungsweg vertreten werden. Er stellt
ferner heraus, dass es durch fachlich geschulten Blick gelingt,
"tiefer in die Strukturen der Realität einzudringen,
als dies bei einer holistischen Sicht der Welt möglich
wäre, und die Komplexität der Welt kann so auf ein
'handhabbares' Maß reduziert werden, wodurch wir erst
handlungsfähig werden." (REINISCH 1999, 106).
In zweifacher Hinsicht wäre hier nach einer Kennzeichnung
von Fächern zu suchen, einerseits wäre die Frage
zu stellen, für welche Fachtypen und Vermittlungsformen
diese Aussage Gültigkeit besitzt. Auch wenn die Kritik
am Fachkonzept die Heterogenität der Fachstrukturen kaum
differenziert in die Betrachtung einbezieht, lassen die Kritikpunkte
dennoch vermuten, dass es nicht in allen Fällen gelingt,
ein tieferes Eintauchen in die Strukturen der Realität
zu ermöglichen. Dies bedarf einer differenzierteren Betrachtung
unterschiedlicher Fachtypen und deren fachdidaktischer Grundlage.
Kritisch kann angemerkt werden, dass Unterrichtsfächer
ein Eigenleben entwickelt haben, welches nur sehr begrenzt
eine Referenz zu wissenschaftlichen Disziplinen erkennen lassen.
Daher ist andererseits der Frage nachzugehen, welche Verbindungslinien
zwischen wissenschaftlichen Disziplinen und Unterrichtsfächern
in berufsbildenden Schulen bestehen. De-Nominationen wissenschaftlicher
Lehrstühle im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich legen
die Vermutung nahe, dass eine systematische Ausrichtung an
Entwicklungen der Wissenschaft nur begrenzt zu erkennen ist.
Es könnte nun der Fall sein, dass Unterrichtsfächer
einem notwendigen Entwicklungsschritt nicht gefolgt sind.
Interessant wäre es hier zu prüfen, im welchem Verhältnis
wissenschaftliche Disziplinen zur betriebswirtschaftlichen
Praxis stehen. Es kann vermutet werden, dass hier gerade in
der Betriebswirtschaftslehre ein Zusammenhang zu erkennen
sein wird. Somit kann zwar von einer durchgehenden Sozialisation
in Fächern gesprochen werden, allerdings erhalten Fächer
in den verschiedenen Bildungsgängen/ ?organisationen
eine unterschiedliche Bedeutung. Es kann allenfalls gesagt
werden, dass eine Sozialisation in jeweils unterschiedlichen
Fachstrukturen erfolgt.
Ernst zu nehmen ist nach meiner Auffassung die Kritik, dass
Wissen(schaft)sorientierung durch eine Anhäufung von
Wissen (Informationen) in Fächern erfolgt. Das Lernfeldkonzept
deutet so auch darauf hin, dass ein umfassender fachdidaktischer
Klärungsbedarf besteht. Hinsichtlich der Entwicklung
und Umsetzung der Lernfeldkonzeption kann beispielsweise angemerkt
werden, dass es ebenso kaum gelingt, eine Ausrichtung an Tätigkeiten
und Aufgabenstellungen der Praxis vorzunehmen. Das Verhältnis
handlungs- und fachsystematischer Anteile bedarf hier einer
Neubestimmung. Diese Problemlage konnte zumindest im Fachkonzept
nicht ausreichend geklärt werden und steht zurzeit im
Lernfeldkonzept noch aus. Es kann wohl kaum festgestellt werden,
dass dieser notwendige Klärungsprozess aufgenommen wurde.
Sofern Fächer als ein zentrales Element schulischer Organisation
dienen und dieses Element mit der Einführung lernfeldstrukturierter
Curricula aufgelöst wird, muss zumindest Skepsis dahingehend
geäußert werden, dass Defizite, die dem Fachunterricht
zugewiesen werden, abgelegt werden können. Auch in Lernfeldern
besteht beispielsweise das Problem, dass ein unkontrolliertes
Doppeltlernen' stattfinden kann, wie es am Fachunterricht
kritisiert wird, oder dass eine Anpassung an gesellschaftliche
Entwicklungen nicht erfolgt. Die Einführung lernfeldstrukturierter
Curricula verlangt somit Anstrengungen auf mikro-, meso- und
makrodidaktischer Ebene. Nur dann kann vermutet werden, dass
Defizite des Fachunterrichts beseitigt werden können.
Es wird sich daher zeigen, ob ein Beharrungsvermögen
der Fächer oder ein noch umfassenderes Beharrungsvermögen
der Bildungsorganisationen vorliegt.
Dass eine Abgrenzung zur bisherigen Strukturierung in Fächern
kaum in einer Schwarz-Weiß-Sichtweise erfolgen kann,
soll an dieser Stelle nochmals mit folgendem Zitat angedeutet
werden: "Die in Fächern organisierte Wissenstradierung
hat es in mehrfacher Hinsicht mit Differenzen zu tun: mit
der Differenz zwischen der 'Einheit' des Wissens und seiner
Gliederung in Disziplinen, Gegenstände und Methoden;
mit der Differenz zwischen dem in Disziplinen gefächerten
Wissen insgesamt und dem Substrat derselben in Schulfächern,
die weder alle Wissenschaften im Schulfächerspektrum
repräsentieren noch deren Inhalte, falls sie repräsentiert
sind, vollständig und im Sinne der Fachdisziplin für
die Vermittlungsprozesse bereitstellen. Es gilt also zu beachten,
dass einerseits keineswegs alle Schulfächer ihre Entsprechung
in einer wissenschaftlichen Disziplin finden (so die Heimatkunde
oder der Sachunterricht) und dass andererseits Schulfächer
(wie Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen oder Geographie) auf
die Etablierung und Entwicklung der Fachwissenschaften an
Hochschulen und Universitäten einen entscheidenden Einfluss
genommen haben." (BRACHT 1995, 420). Gerade für
traditionelle kaufmännische Fächer ist festzustellen,
dass ihre Entstehung aus praktischen, kaufmännischen
Problemen zu sehen ist und sie einen erheblichen Beitrag zur
Entwicklung der Fachwissenschaften hatten. Zurzeit ist eine
Tradierung dieser Fachstrukturen an kaufmännischen Schulen
festzustellen, was mit einer Abkoppelung von kaufmännischen
Feldern und wissenschaftlichen Strukturen einhergehen könnte.
Diese Entwicklungen werden entscheidend durch den Umgang in
den Bildungsorganisationen geprägt, daher wird im folgenden
Kapitel der Blick auf den Umgang mit Lernfeldern an berufsbildenden
Schulen gerichtet.
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3.
Umgang mit Lernfeldern an berufsbildenden Schulen |
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Die Lehrpläne nehmen eine sehr unterschiedliche Rolle
an den berufsbildenden Schulen ein. Einerseits werden sie
als Auslöser für Veränderungen an den Schulen
interpretiert, gleichermaßen findet sich aber auch die
Vorstellung, dass die neuen Lehrpläne als Konsequenz
der bisherigen Veränderungsprozesse zu verstehen sind
(Es wird hier Bezug genommen auf Ergebnisse, die im Rahmen
des Modellversuchs Nele als Mitglied der wissenschaftlichen
Begleitung gewonnen wurden. Der Modellversuch Nele wurde als
Modellvorhaben in den Ländern Hessen und Bayern durchgeführt,
u. a. wurden systematisch die Implementationsprozesse an den
berufsbildenden Schulen untersucht, vgl. hierzu KREMER 2003.
An dieser Stelle muss darauf verzichtet werden, das Forschungsdesign
und -vorgehen darzustellen. Die Kennzeichnung der Interviews
bezieht sich ebenfalls auf Interviews, die in diesem Rahmen
geführt wurden. ). Diese Einschätzung hängt
sicherlich u. a. davon ab, wie jemand in den bisherigen Entwicklungsprozess
eingebunden war. In vielen Schulen wird zumindest im Gesamtkontext
erkennbar, dass die neuen Lehrpläne durchaus zu einem
Handlungsdruck bzw. Zwang führen. Es wird die Position
vertreten, dass sich mit den neuen Lehrplänen der Handlungsdruck
an den Schulen verändert hat. Gleichermaßen wird
geäußert, dass derartige Bestrebungen auch im Vorfeld
schon vorhanden waren, allerdings fehlte der Druck zur Umsetzung.
In diesem Sinne stellen die Lehrpläne auch eine Herausforderung
dar, sich an beruflichen, gesellschaftlichen oder individuellen
Problemstellungen zu orientieren. Andererseits wird bestätigt,
dass ebenso traditionelle Lehrpläne eine derartige Arbeit
zulassen. Dies zeigt, dass es sich um einen Perspektivenwechsel
handelt und nicht um eine vollständige Änderung
schulischer Bildungsarbeit. Dennoch muss festgestellt werden,
dass dieser Wechsel als überaus anspruchsvoll und komplex
interpretiert wird. Ebenso finden sich anders gewendet auch
Beispiele, dass Lehrpläne nicht direkt zur Umsetzung
gelangen, sondern über Jahre sukzessive an den Schulen
eingeführt werden. Demgemäß haben lernfeldstrukturierte
Lehrpläne sicherlich eine wichtige Unterstützungsfunktion,
allerdings liegt die Umsetzung immer noch in den Händen
der Lehrkräfte an den jeweiligen berufsbildenden Schulen.
Mit den Lehrplänen kann möglicherweise ein 'Stein
ins Wasser' geworfen werden, der langsam seine Kreise zieht.
Zu unterscheiden ist ferner zwischen neugeordneten und neuen
Berufen. Die Implementation bereitet in neuen Berufen weniger
Probleme als in bereits bestehenden Ausbildungsberufen. Dies
wird auf die Sozialisation der Lehrkräfte und bestehende
Strukturen zurückgeführt. Gerade die Kombination
von neuem Ausbildungsberuf und neuer Struktur kann zu einer
Initialzündung führen und dazu beitragen, dass ein
verändertes Ausbildungskonzept umgesetzt wird. Die alleinige
Einführung neuer Berufe hätte möglicherweise
nicht zu einem derartigen Effekt geführt. Ebenso wird
bei neuen Berufen selbstverständlich akzeptiert, dass
sie organisatorische Veränderungen in den Schulen verlangen.
Dies scheint in Verbindung mit der Lernfeldkonzeption nicht
selbstverständlich zu sein.
Die Analysen auf mikro-, meso- und makrodidaktischer Ebene
bestätigen nochmals, dass Implementationsprozesse sehr
unterschiedlich umgesetzt werden. Der Umgang mit der Lernfeldkonzeption
wird sehr unterschiedlich vor- und wahrgenommen. Interessant
wäre es nun, Unterschiede zwischen einzelnen Regionen
bzw. den beteiligten Bundesländern herauszuarbeiten.
Momentan können hier jedoch nur Vermutungen geäußert
werden, dass zum Beispiel die Rolle der Landesinstitute in
Hessen und Bayern durchaus unterschiedlich erscheint oder
Lehrkräfte ein anderes Selbstverständnis im Umgang
mit lernfeldstrukturierten Curricula haben. Ebenso kann kaum
bestimmt werden, worauf diese wahrgenommenen Unterschiede
zurückzuführen sind. An ausgewählten Beispielen
sollen nochmals gegensätzliche Tendenzen festgemacht
werden:
Chance versus Belastung
Lernfeldstrukturierte Curricula werden gleichermaßen
als Chance und Belastung empfunden. Einerseits als Chance
zur Qualitätsverbesserung in der beruflichen Bildungsarbeit
und der damit verbundenen Verwirklichung eigener Vorstellungen
und andererseits von anderen Kollegen als eine Aufgabe, die
vor den gegebenen Rahmenbedingungen kaum zu bewältigen
ist. Dies drückt sich beispielsweise darin aus, dass
auf zusätzliche Arbeitsaufgaben in Verbindung mit der
Einführung lernfeldstrukturierter Curricula verwiesen
wird.
Einzelkämpfer versus Teambildung
An verschiedenen Schulen wird darauf verwiesen, dass der Beruf
des Lehrers noch immer sehr stark durch das Bild des Einzelkämpfers
geprägt wird. Der Lehrende ist für die Unterrichtsarbeit
weitgehend allein verantwortlich. Dies wird als Hürde
für die Einführung lernfeldstrukturierter Curricula
gesehen. Daneben sind auch Vorstellungen zu erkennen, die
Lehren als Teamaufgabe verstehen und regelmäßige
Abstimmungs- bzw. gemeinsame Vorbereitungsprozesse verlangen.
Dies erfordert eine Veränderung in der Organisationsgestaltung.
Schulentwicklung versus Beharrungsvermögen
Im Kontext der Lernfeldkonzeption ist erkennbar, dass Schul-entwicklungsprozesse
aktiv aufgenommen werden und dementsprechend Verbindungen
zu Fragen der Personal- und Organisationsentwicklung zu erkennen
sind. Auf der anderen Seite wird das Beharrungsvermögen
immer wieder als Grenze zur Implementation lernfeldstrukturierter
Curricula aufgezeigt. Die Organisation des Unterrichts in
45-Minuten Einheiten, aber auch die fehlende Bereitschaft
der Kollegen werden hier aufgezeigt.
Positive und negative externe Wirkungen
Ein Anstoß von außen wird übereinstimmend
als notwendig angesehen. Implementationsprozesse können
durch diese Anstoßpunkte sowohl unterstützt als
auch gehemmt werden. Die Prüfung wird übereinstimmend
von fast allen Beteiligten als Hemmnis angesehen. Hingegen
wird die Einbringung in externe Netzwerke als hilfreich erachtet.
Allerdings liegen unterschiedliche Erfahrungen mit der Einbindung
in organisationsübergreifende Netzwerke vor.
Übernahme versus Rekonstruktion der curricularen Vorgaben
Sowohl von Schulleitern als auch von Lehrkräften wird
die Qualität der neuen Lehrpläne kritisiert. Trotz
dieser einheitlichen Einschätzung ist ein unterschiedlicher
Umgang mit den curricularen Vorgaben zu erkennen. Auf der
einen Seite wird die Forderung erhoben, dass die Rahmenlehrpläne
in die einzelne Schule überführt werden können,
auf der anderen Seite wird genau diese Überführung
in den Schulalltag als Gestaltungsaufgabe gesehen. Es wird
die Äußerung erhoben, dass dies die Gestaltungsaufgabe
der Lehrkräfte sei.
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4.
Thesen zum Verhältnis von Fach- und Handlungssystematik
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Das Verhältnis von Fach- und Handlungssystematik kann
im Kontext des Lernfeldkonzepts kaum als geklärt angesehen
werden. In der aktuellen Diskussion erhärtet sich für
mich der Eindruck, dass diese in einem Spannungsfeld von Entweder-Oder'
betrachtet wird. Dies ist jedoch keine ausreichende Basis
zur Weiterentwicklung dualer Ausbildung und wird weder den
Aktivitäten vor Ort noch den bisherigen Beiträgen
zu diesem Thema gerecht. Die folgenden Thesen sollen eine
Aufnahme bzw. Fortführung der Diskussion ermöglichen:
(1) Fach- und Handlungssystematik bedingen sich wechselseitig
und sind nicht als Gegensatzpaar zu interpretieren!
(2) Das Verhältnis von Unterrichtsfach - Lernfeld und
(Fach-)Wissenschaft wird z. T. verkürzend rezipiert.
Eine systematische Bestandsaufnahme erscheint hier notwendig!
(3) Das Verhältnis von Situations- und Wissenschaftsorientierung
auf der einen Seite und Handlungs- und Fachsystematik auf
der anderen Seite bedarf einer Neubestimmung im Lernfeldkonzept!
(4) Ausrichtung an beruflichen Tätigkeiten und Aufgaben
kann keine Vernachlässigung wissenschaftlicher Erkenntnisse
im Prozess der Curriculumentwicklung bedeuten. Wissenschaftliche
Erkenntnisse sind im Rahmen der Curriculumentwicklung systematisch
zu berücksichtigen!
(5) Die Einführung lernfeldstrukturierter Curricula muss
nicht zur Ablösung der Fachdidaktik führen. Die
Fachdidaktik kann als eine wertvolle Basis für eine Lernfelddidaktik
dienen!
(6) Theorie und Praxis sind nicht eindeutig den Lernorten
Betrieb und Schule zuzuordnen. Das Verhältnis der verschiedenen
Lernorte bedarf einer Revision!
(7) Die Ausrichtung schulischer Bildungsarbeit muss nicht
zwingend mit einer Veränderung der Kernaufgaben von Schule
einhergehen!
(8) Die Umsetzung der Lernfeldkonzeption verlangt in Schulen
Anstrengungen auf mikro-, meso- und makrodidaktischer Ebene!
(9) Die Anforderungen an Lehrkräfte nehmen zu: Fachwissenschaftliche
Aussagen sind in der Gestaltung des Lernprozesses auf Situationen
zu beziehen, was einer grundlegenden fachwissenschaftlichen
Basis bedarf!
(10) Das Transferproblem in der beruflichen Bildung wird mit
dem Lernfeldkonzept nicht gelöst. Dieses Problem stellt
sich in veränderter Form. Kontextualisiertes Wissen muss
in anderen Situationen zur Anwendung gelangen können!
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Literatur |
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