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HOLGER REINISCH (Universität Jena)
Zu einigen curriculumtheoretischen Implikationen des Lernfeldansatzes -
Überlegungen anlässlich der Beiträge von CLEMENT, KREMER, SLOANE und TRAMM in bwp@ Ausgabe 4


1. Vorbemerkungen


Die Diskussion ( Für einen Überblick zur Verwendung des Lernfeldbegriffs in der Erziehungswissenschaft siehe KUTSCHA (1995, 531 ff).) um das Für und Wider einer "lernfeldorientierten" Strukturierung der Curricula für den berufsbezogenen Unterricht der Berufsschule hält weiterhin an, obwohl seit der Vorlage der ersten Fassung der Handreichungen der KMK sieben Jahre ins Land gegangen sind, eine Vielzahl von BLK-Modellversuchen zum Thema durchgeführt wird und mittlerweile eine kaum noch zu übersehende Flut an einschlägigen Veröffentlichungen zum Thema vorliegt. Der Beleg für die These, dass innerhalb der berufs- und wirtschaftspädagogischen science community die diskursive Auseinandersetzung zwischen Protagonisten und Antagonisten einer "lernfeldorientierten Didaktik" weiterhin um "grundsätzliche Fragen" kreist, findet sich in der einschlägigen Literatur. So wird selbst in Sammelwerken, die von ihren Herausgebern als praktisch-normative und somit didaktisch-konstruktive Beiträge zur Realisierung der Lernfeld-Programmatik verstanden werden (vgl. BADER/ SLOANE (Hrsg.) 2000 und 2002) häufig - allerdings eher abwehrend und selektiv - auf kritische Argumente Bezug genommen, wie sie etwa von GERDSMEIER, HUISINGA und REINISCH in HUISINGA/ LISOP/ SPEIER (Hrsg.) (1999) oder tendenziell moderater von DUBS, HANSIS und LIPSMEIER in LIPSMEIER/ PÄTZOLD (Hrsg.) (2000) vertreten werden. Das jüngste Beispiel hierfür ist die Ausgabe Nr. 4 der online-Zeitschrift bwp@ vom Mai 2003. Dort wird das Thema "Lernfeldansatz zwischen Feiertagsdidaktik und Alltagstauglichkeit" zunächst in der Form "theoretisch-konzeptioneller Beiträge" bearbeitet (vgl. z. B. TRAMM 2003, KREMER 2003, CLEMENT 2003), aber selbst in Beiträgen dieser Ausgabe, die in der genannten Rubrik unter der Überschrift "Von der Konzeption zur Unterrichtspraxis - die Implementationsperspektive" angeordnet sind, finden sich didaktische Reflexionen (vgl. z. B. SLOANE 2003, 4 ff, KUZMANOVIC 2003), die als curriculumtheoretische eingestuft werden können (Mithin scheinen die Befürworter des Lernfeldansatzes nunmehr an dem Punkt angekommen zu sein, von dem die Kritiker gestartet sind, nämlich bei der didaktisch-curricularen Diskussion der 1960er und 1970er Jahre, und dies obwohl beispielsweise SLOANE (2003, 1) wenig Sinn darin sieht, dort "zu landen", denn in seiner Kritik an GERDSMEIER (1999, 276 f), HUISINGA (1999, 65 ff), LISOP (2000, 206 f) und REINISCH (1999, 116) macht er deutlich, dass für ihn "eine Orientierung an Anforderungen, ‚die seit der Curriculumreform der 70er Jahre an eine Lehrplankonstruktion gestellt werden' (ebd., 1; Zitat im Zitat: HUISINGA/ LISOP 2000, 43), geradewegs zu einem "trivialen Curriculummodell" führt. Hierauf wird noch einzugehen sein (vgl. unten 5.).).

Diese Tendenz deute ich positiv, und zwar als Anzeichen dafür, dass auch die Protagonisten des Lernfeldansatzes innerhalb unserer science community an einer konsistenten Konzeptualisierung der didaktisch-curricularen Fragestellung innerhalb der Berufs- und Wirtschaftspädagogik nachhaltig interessiert sind.
In meiner Wahrnehmung verfehlt der aktuelle Diskurs jedoch genau dieses Interesse, was sich letztlich ganz wesentlich darauf zurückführen lässt, dass etliche Beiträge zum Thema zu einem nicht unbeträchtlichen Teil durch das Interesse motiviert sind, das eigene Tun als Wissenschaftler zu legitimieren. Mithin ist der Diskurs aber auch in einem besonderen Maße dadurch gekennzeichnet, dass auf der Basis eines unterschiedlichen Verständnisses von Wissenschaft und wissenschaftlichem Handeln argumentiert wird (Aus meiner Sicht handelt es sich dabei um eine spezifische Variante der "zwei Kulturen", die ROEDER (1990) glaubt, in der Erziehungswissenschaft identifiziert zu haben. Die von ihm ausgemachten "konträren Orientierungen auf Forschung und Theorie einerseits, praktische Aufgaben bzw. Praxisrelevanz andererseits" (ebd., 656) spiegeln sich in den aktuellen Kontroversen um die "richtige Linie" in der Unterrichtsforschung einerseits (vgl. z. B. MINNAMEIER 2001, KREMER 2001 und 2003) und der Modellversuchsforschung andererseits (vgl. z. B. BECK 2003, EULER 2003 sowie als Überblick TRAMM/ REINISCH 2003). Während sich in diesen Kontroversen Wissenschaftler gegenüberstehen, die entweder einem kritisch-rationalen oder einem praktisch-normativen Verständnis von wissenschaftlicher Arbeit verpflichtet sind (vgl. auch REINISCH 1999a), geht es in der hier betrachteten Variante darum, dass die Kontrahenten die Bedeutung theorieorientierter, kritischer Analysen für die praktischen Arbeiten der Curriculumrevision unterschiedlich gewichten (vgl. dazu auch REINISCH/ STRUVE 2002).). Dies führt dann schnell dazu, dass die Intentionen, Motive, Analyseschritte und Argumente der Teilnehmer am Diskurs gegenseitig nur verkürzt wahrgenommen und entsprechend der eigenen Deutungsmuster interpretiert werden, wodurch dann bei Dritten leicht der Eindruck der Unfruchtbarkeit und Zirkularität des Diskurses entstehen kann.

Hier soll der Versuch unternommen werden, einen Beitrag zur Überwindung des aufgezeigten Dilemmas zu leisten. Dazu gehe ich erstens von der Überlegung aus, dass der überwiegende Teil der an Universitäten lehrenden und forschenden Berufs- und Wirtschaftspädagogen einen Typus von Forschung präferiert, der als "konstruktiv-entwickelnd" bzw. "handlungsanleitend" (vgl. VAN BUER/ KELL 1999, 88) bezeichnet werden kann (BAUMERT/ ROEDER (1990, 109 ff) sprechen in diesem Zusammenhang von einer "praktisch-klinischen Orientierung", die sie bei immerhin 82,8 % der von ihnen befragten Professoren der Erziehungswissenschaft als vorherrschende wissenschaftliche Orientierung identifizieren konnten. Die Autoren folgern daraus, dass "eine die Pädagogik tragende Grundüberzeugung die Idee einer praktischen Wissenschaft ist. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass eigene pädagogische Erfahrungen die Forschung stimulieren und diese zu einer unmittelbaren Verbesserung pädagogischer Handlungsvollzüge führen" (ebd., 112).). Die Basis dieser Präferenz bildet die bekannte Auffassung, dass Erziehungswissenschaft und somit ihre Teildisziplin Berufs- und Wirtschaftspädagogik "von der Erziehungspraxis her zu bestimmen (sei, H. R.)" (OELKERS 1984, 19), also eine Wissenschaft von der Praxis für die Praxis zu sein habe. Statt von diesem Postulat der untrennbaren Einheit von Erziehungspraxis und Erziehungstheorie auszugehen, wird hier zweitens auf die Differenz zwischen Theorie und Praxis der (Berufs-) Erziehung abgehoben. Dabei geht es mir hier weder darum, diese Differenz als reales Phänomen zu beschreiben und zu erklären noch betrachte ich die Existenz dieser Differenz als Ärgernis, das es, wenn irgendwie möglich, auszumerzen gilt (Für beide Blickrichtungen finden sich auch in der neueren erziehungswissenschaftlichen Literatur eine Fülle von Beispielen. So beruht m.E. das in den 1990er Jahren gewachsene Interesse an der Untersuchung der Verwendung erziehungswissenschaftlicher Theorien in der pädagogischen Praxis (vgl. KÖNIG/ ZEDLER (Hrsg.) 1989) letztlich auf der impliziten Prämisse, dass ein wahrscheinlich geringer Grad der Verwendung des im Studium erlernten Theoriewissens durch praktizierende Pädagogen ein Ärgernis sei. Dass es dabei nur noch selten zu einseitigen Schuldzuweisungen an die praktizierenden Pädagogen kommt, das verdanken wir auf der einen Seite insbesondere Arbeiten zur Lehrerkognition (vgl. BROMME 1990, als Überblick zum Forschungsstand siehe EBNER/ TEUFFER 2002, zum Lehrerbild dieser Forschungsrichtung siehe SHULMAN 1992) sowie auf der anderen Seite professionstheoretischen Analysen zur Logik des professionellen Handelns in pädagogischen Feldern (siehe insbesondere DEWE/ FERCHHOFF/ RADTKE 1992 a und b). Für den Bereich der Wirtschaftspädagogik sei hier auf die einschlägigen Arbeiten von EULER 1996 und 2000 verwiesen.). Im Gegensatz zu diesen beiden Blickrichtungen "stärke" ich die genannte Differenz, weil erst auf dieser Basis die unterschiedlichen Handlungslogiken von "Theorie" und "Praxis" und damit die je eigenständige Dignität beider erkennbar werden (Siehe dazu auch die beiden Analysen von KRUMM (1987) und KORING (1990), die auf der Basis konträrer wissenschaftstheoretischer Optionen letztlich ebenfalls für eine "Stärkung der Differenz" plädieren. ). Zudem scheint es mir auf dem Wege der Betonung der Differenz eher möglich zu sein, die Bedingungen für einen gelungenen Praxiskontakt der Wissenschaftler und für einen gelungenen Wissenschaftskontakt der Praktiker zu beschreiben als auf der Basis eines Einheitspostulats.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen rekonstruiere ich im ersten Schritt die didaktisch-curriculare Fragestellung, um auf dieser Basis die unterschiedlichen Akzentsetzungen der Diskutanten auf einer systematischen Grundlage verdeutlichen und aufeinander beziehen zu können (vgl. 2). Im zweiten Schritt will ich dann nochmals meine Intentionen verdeutlichen, die ich mit der Analyse des Lernfeldansatzes aus historisch-systematischer Sicht (vgl. REINISCH 1999) sowie mit meinem Plädoyer für eine Intensivierung curriculumhistorischer Forschung (vgl. REINISCH/ STRUVE 2002, 117 ff) verfolge (vgl. 3.) (Die Begründung für diesen Zwischenschritt ergibt sich daraus, dass meine angeführten Beiträge aus meiner Sicht von SLOANE und TRAMM in bwp@, Ausgabe 4, verkürzt rezipiert worden sind. Dies mag daran liegen, dass ich mich unverständlich ausgedrückt habe, aber auch Sperren der Rezipienten, die wiederum auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sein können, könnten ebenso wie eine Gemengelage aus beiden Faktoren denkbare Ursachen hierfür sein. Da nun allerdings - und in diesem Punkt stimme ich SLOANE (2003, 1 f) ausdrücklich zu - der Rezipient darüber entscheidet, "was ‚gut' und was ‚schlecht' ist", bleibt dem "Produzenten" in der geschilderten Situation nichts anderes übrig, als sein von ihm ursprünglich als "selbsterklärend" eingeschätztes Produkt partiell nochmals in der Hoffnung zu erläutern, dass der Rezipient es auf dieser neuen Basis, wenn schon nicht als "gut" einschätzt, so doch zumindest unverkürzt wahrnimmt.). Hieran anschließend werde ich dann auf ausgewählte Aspekte eingehen, die aus meiner Sicht die "Gegenwartsbedeutsamkeit" curriculumtheoretischer und curriculumhistorischer Befunde verdeutlichen, und zwar in der Weise, dass Curriculumkonstrukteure daraus für die eigene Arbeit lernen könnten. Adressaten sind hier diejenigen, die sich als Wissenschaftler an der "schulnahen" Konkretisierung des Lernfeldansatzes etwa im Rahmen von Modellversuchen beteiligen (Es soll an dieser Stelle weder diskutiert werden, ob "Wissenschaftler" dies überhaupt "tun" dürfen bzw. sollten noch ob sie, falls sie es doch "tun", als "Wissenschaftler" bezeichnet werden können (vgl. hierzu z.B. die in Anmerkung 3 angegebene Literatur). Für die hier verfolgten Zwecke ist diese Diskussion wenig hilfreich. Es ist nämlich von dem Fakt auszugehen, dass Personen, die in einem soziologischen Sinne - etwa in ihrer Funktion als Universitätsprofessoren für Wirtschaftspädagogik - als Wissenschaftler zu bezeichnen sind, genau das "tun", was sie aus der Sicht anderer Wissenschaftler gerade nicht "tun" sollten, nämlich sich aus der Rolle des nach Erkenntnis strebenden "unbeteiligten Beobachters" in die Rolle des auf die verfolgten Ziele verpflichteten "Mitmachers" zu begeben. Da - außerhalb des kritisch-rationalen Paradigmas - eine Vielzahl von innerwissenschaftlichen Positionen existieren, welche die Interpretation der Wissenschaftlerrolle im Sinne des Involviertseins als zulässig, ja sogar als geboten ansehen und eine entsprechende außerwissenschaftliche Erwartungshaltung an die Wissenschaftler herangetragen wird, gibt es weder wirkungsmächtige Gründe noch gar reale Anzeichen dafür, dass diese Wissenschaftler von ihrem inkriminierten "Tun" ablassen werden. Demzufolge sollte die Betrachtung einerseits auf die Frage nach der Relevanz der Curriculumtheorie für die praktische didaktisch-konstruktive Arbeit zentriert werden bzw. umgekehrt auf die Frage, welche Erkenntnisse aus der praktischen didaktisch-konstruktiven Arbeit für die Weiterentwicklung der Curriculumtheorie gewonnen werden könnten. Der vorliegende Beitrag ist auf die zuerst genannte Fragerichtung fokussiert (zur zweiten Fragerichtung siehe die bereits in Anmerkung 3 angegebenen Beiträge von BECK und EULER).). Es handelt sich dabei um das zentrale Problem der Curriculumentwicklung, nämlich die Lösung der Fragen der Auswahl, Ordnung und Reihung der Lehrziele und -inhalte (vgl. TENORTH 2000, 27), das hier in Verbindung mit den Aspekten des nebulösen Verhältnisses von "Fach- und Handlungssystematik" und der intendierten Ersetzung der Unterrichtsfächer durch Lernfelder diskutiert werden soll (vgl. 4). Den Abschluss werden einige Überlegungen zum Verhältnis von Curriculumproduktion und Curriculumimplementation bilden, wobei vor dem Hintergrund der in der Erziehungswissenschaft intensiv geführten Diskussion um das bereits angeführte sogenannte "Theorie-Praxis-Verhältnis" insbesondere die Überlegungen von SLOANE zu einer "nicht-trivialen Curriculumarbeit" thematisiert werden (vgl. 5).



2. Zur Rekonstruktion der didaktisch-curricularen Fragestellung


Die Auffassung von Erich WENIGER (81965), dass Lehrpläne das Ergebnis der Auseinandersetzung der "gesellschaftlichen Mächte" seien, gilt bis heute als ein herausragendes Ergebnis der Lehrplantheorie der geisteswissenschaftlichen Pädagogik. Mit der allerdings kritisch gewendeten Akzeptanz dieser Annahme, die zu der Deutung führte, dass Lehrpläne schlicht Ausdruck kultureller Willkür und Beliebigkeit seien, beginnt eigentlich in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre der "Siegeszug" der "Curriculum-Bewegung" in der westdeutschen Erziehungswissenschaft. An die Stelle des politischen Dezisionismus staatlicher Lehrplanarbeit sollte ein nach wissenschaftlichen Kriterien entwickelter Lehrplan, eben ein Curriculum treten (siehe dazu auch den knappen Überblick von KUZMANOVIC 2003, 2).
Allerdings waren mit dieser Programmatik auch Verkürzungen des seitens der Erziehungswissenschaft in den Blick genommenen Problemhorizonts verbunden. Während WENIGER noch erklären - oder besser vor dem Hintergrund seines geisteswissenschaftlichen Grundverständnisses - verstehen wollte, warum Lehrpläne so gestaltet sind, wie sie sind und auf der Basis dieser Tradition noch davon ausging, dass auch immanente didaktische Kategorien und Kriterien dabei eine Rolle spielen, konzentriert sich die "Curriculum-Bewegung" auf die Frage, wie Curricula gestaltet sein sollen. Die Entwicklung von Curriculumtheorien im engeren Sinne (vgl. Abb. 1), die zu empirisch gehaltvollen Erklärungen oder zu einem aus der historisch-systematischen Arbeit zu gewinnenden Verständnis über die Funktion und Gestaltung von Curricula gelangen wollen, galt somit nicht mehr oder zumindest nicht mehr als vordringliche Forschungsaufgabe der Didaktik und wurde dementsprechend anderen Disziplinen, etwa der Bildungssoziologie und Bildungsökonomie sowie der "Politischen Ökonomie des Ausbildungssektors" überlassen (vgl. den Überblick bei TENORTH 1983). Dies hatte zur Folge, dass pädagogische und didaktische Kategorien in den ökonomischen und soziologischen Deutungsmustern weitgehend unbeachtet geblieben sind. Woraus TENORTH (2000, 23) zu Recht schließt, dass mit der Verabsolutierung dieser Position "das Ende einer theoretisch ausgewiesenen Didaktik und einer pädagogischen Theorie des Lehrplans einher geht".

Abb. 1: Curriculumtheoretische Fragestellungen
Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis von Kutscha (o.J.)
(Die Abbildung 1 basiert wesentlich auf einem unveröffentlichten Manuskript von Günter KUTSCHA (o. J.), welches er in seinen einschlägigen Lehrveranstaltungen an der Universität Oldenburg Ende der 1970er bzw. zu Beginn der 1980er Jahre eingesetzt hat. Ich habe die entsprechende Abbildung für meine Zwecke überarbeitet und erweitert.)

Diese Aussage von TENORTH gilt allerdings auch für den Fall, dass die Curriculumtheorie innerhalb der Didaktik als ausschließlich präskriptive und konstruktive Aufgabe gedeutet wird.

Wenn man - bezogen auf die Wirtschaftspädagogik - einmal von der insgesamt doch geringen Anzahl von Studien zur Bestandsevaluation des Wirtschaftslehrecurriculums absieht (vgl. insbesondere KRUMM 1973 sowie REETZ/ WITT 1973), dann hat sich der didaktisch-curriculare Diskurs in der Tat auf die Frage "Was ist ein gutes Curriculum?", mithin auf die "Produktionsperspektive" im Sinne von SLOANE (2003, 1) konzentriert. Dies galt für die Hochzeit des didaktisch-curricularen Diskurses in der Wirtschaftspädagogik in den 1970er Jahren, der sich bekanntermaßen mehr oder weniger deutlich auf den Verfahrensvorschlag von ROBINSOHN (1967) stützte, zu den "großen Würfen" von ZABECK (vgl. z. B. 1974), REETZ (vgl. z. B. 1976 und 1984) und KUTSCHA (vgl. z. B. 1976 sowie KELL/ KUTSCHA 1977) führte und seine Ergänzung in LISOP/ HUISINGA (vgl. z. B. 1984) sowie in dem im Anspruch deutlich bescheideneren Ansatz einer "praxisorientierten" Fachdidaktik von ACHTENHAGEN (1978) fand (vgl. dazu insgesamt die Beiträge in FISCHER (Hrsg.) (2003). Aber auch heute steht die Frage nach dem "guten" Curriculum im Mittelpunkt des Diskurses über Lernfeldorientierung, wobei nicht selten die damals entwickelten Konzepte die Folie bilden, auf deren Basis die Kritik an der Lernfeldorientierung formuliert wird. Dies wird von den Protagonisten einer Lernfelddidaktik allenfalls als Störfaktor wahrgenommen, der geeignet erscheint, die möglichst friktionslose "Produktion" und "Rezeption" der neuen Curricula zu beeinträchtigen und in dieser Form wird dann auch auf curriculumtheoretische Beiträge im engeren Sinne reagiert, die sich letztlich mit der Frage der Erfolgsaussichten der intendierten Reform befassen (So richtet beispielsweise TRAMM (2003, 2) an HUISINGA (1999) und REINISCH (1999) die Gegenkritik, dass diese mit ihrer Kritik an der mangelnden konzeptuellen Stringenz, begrifflichen Klarheit und theoretischen Orientierung des Lernfeldkonzepts der KMK "ins Leere" gehen, weil die entsprechende Handreichung der KMK (1996) eben eine "praktische Handreichung für Curriculumkonstrukteure" sei und keine "Lernfeldtheorie". TRAMM (2003, 2 ff) bemüht sich dann allerdings auf gleich vier eng beschriebenen Seiten, die "Wissenschaftlichkeit" der Handreichungen herauszuarbeiten, womit dann vielleicht eher seine Kritik an HUISINGA und REINISCH ins Leere geht. Zudem negiert TRAMM, dass nicht die Handreichungen als solches, sondern das darin zum Ausdruck kommende curriculare Konzept im Hinblick auf die Lösung des Auswahl- und Ordnungs- sowie des Zuordnungsproblems der Lehrinhalte zu den Lehrkräften im Mittelpunkt des Beitrags von REINISCH stehen.).


3. Intentionen einer Analyse des Lernfeldansatzes aus historisch-systematischer Sicht

Wer sich - sei es als interessierter Laie, als professioneller Pädagoge oder als Wissenschaftler - mit pädagogischen und didaktischen Fragen befasst, dem dürfte sich bereits nach relativ kurzer Zeit die Erkenntnis aufdrängen, dass pädagogische und didaktische Interventionen, Maßnahmen, Reformversuche etc. nicht nur scheitern können, sondern vielleicht ebenso häufig oder gar häufiger scheitern als das sie gelingen. "Gelungen" ist eine entsprechende Intervention aus meiner Sicht, wenn ein Zustand erreicht wird, der sich dadurch auszeichnet, dass eine Intervention erstens tatsächlich in diejenige Erziehungspraxis diffundiert ist, auf die sie sich gerichtet hat. Zweitens muss diese Diffusion begründet als Umsetzung derjenigen Intentionen eingestuft werden können, die für die Intervention maßgeblich und handlungsanleitend waren und drittens muss sich die Diffusion als in zeitlicher Hinsicht stabil erweisen. Ein "Scheitern" läge dementsprechend einerseits dann vor, wenn die Diffusion nicht bzw. nur kurzfristig oder nur in einem Segment der angezielten Erziehungspraxis gelingt, aber andererseits auch dann, wenn die Diffusion nur auf dem Wege einer Reduktion bzw. Veränderung der verfolgten pädagogischen bzw. didaktischen Zielsetzungen erreicht wird. Demgegenüber fasse ich die Frage, ob eine geplante Intervention aufgrund der damit verfolgten Ziele überhaupt in die Erziehungspraxis diffundieren sollte, nicht unter diese Idee des Gelingens und Scheiterns. Schließlich stellt sich die normative Frage nach dem zukünftig gewünschten Zustand vor und unabhängig von der Frage danach, ob der gewünschte Zustand erreicht wurde.

Wie zu Beginn dieses Abschnitts bereits erwähnt wurde, herrscht an Beispielen für das Scheitern pädagogischer und didaktischer Interventionen kein Mangel (siehe dazu auch KUZMANOVIC 2003, 1). Man denke für den Bereich des Pflichtschulwesens der Primarstufe und der beiden Sekundarstufen etwa an das umfassende Projekt zur Reform des elementaren Mathematikunterrichts im Zeichen der "Neuen Mathematik" und die konfliktdidaktisch inspirierten Revisionen der Curricula für den Politikunterricht, die vor nunmehr gut 20 Jahren mit großem Einsatz betrieben worden sind. Für die Berufsausbildung zeigt sich das Scheitern von umfassenden Reformvorhaben im Vergleich der ursprünglichen Intentionen, die beispielsweise mit dem Berufsgrundbildungsjahr und den Konzepten zur Stufenausbildung verfolgt werden sollten und der tatsächlichen Realisierung dieser Vorhaben. Selbstverständlich finden sich entsprechende Beispiele auch in Bereich des Hochschulstudiums, erinnert sei nur an die ambitionierten hochschuldidaktischen Konzepte des Projektstudiums und des "forschenden Lernens" (Die angeführten Beispiele stellen eine subjektive Auswahl dar, die unter dem Gesichtspunkt getroffen wurde, dass es sich um solche Beispiele handeln soll, bei denen wahrscheinlich die überwiegende Zahl der Leser meinem Urteil, dass diese Reformvorhaben gescheitert seien, zustimmen kann. Es lassen sich jedoch auch etliche Beispiele dafür finden, dass die Antwort auf die Frage, ob ein Reformvorhaben gelungen oder gescheitert ist, durchaus unterschiedlich ausfällt; man denke an die anhaltende Diskussion über die Integrierte Gesamtschule oder die Reform der Gymnasialen Oberstufe.). Das Scheitern dieser didaktischen Vorhaben lässt sich mit Sicherheit nicht allein auf eine gemeinsame Ursache zurückführen. Gerade deshalb wäre es ausgesprochen wichtig, die Forschungen zu den Gründen des Scheiterns didaktischer Interventionen zu verstärken und diese kontinuierlich und systematisch durchzuführen. Ein entsprechendes Forschungsprogramm könnte dazu führen, dass wir besser als bisher verstehen, warum didaktische Interventionen scheitern. Dies würde nicht nur der Befriedigung unserer wissenschaftlichen Neugier dienen, sondern wir könnten auf diesem Wege zu Erkenntnissen gelangen, die es ermöglichen würden, bei der Planung der Intentionen, Anlage und Implementation zukünftiger curricularer Reformvorhaben wahrscheinlich auftretende Probleme bereits zu berücksichtigen, um so das Risiko des Scheiterns zwar nicht auszuschließen, aber doch deutlich zu mindern. Damit soll jedoch nicht behauptet werden, dass die historisch-systematische Analyse in der Vergangenheit gescheiterter didaktischer Interventionen der einzige Weg sei, um zu entsprechenden Hypothesen zu gelangen (vgl. z.B. KUZMANOVIC 2003, 1 ff, die vorschlägt, die hier verfolgte Fragestellung unter Nutzung des betriebswirtschaftlichen und organisationstheoretischen Konzepts der Mikropolitik zu bearbeiten).

Insgesamt habe ich mich bei der Abfassung meines Essays zur "lernfeldorientierten" Reform der Curricula für den berufsbezogenen Unterricht an der Berufsschule von den hier skizzierten Überlegungen leiten lassen (vgl. REINISCH 1999); allerdings ohne damit den Anspruch zu erheben, eine systematische Untersuchung gescheiterter didaktisch-curricularer Reformen im Bereich der Berufsschule geleistet zu haben. Schließlich sind insbesondere die mit einem derartigen Forschungsansatz verbundenen methodologischen Probleme noch weitgehend ungeklärt. Gleichwohl denke ich, starke Belege dafür gefunden zu haben, dass in der Geschichte des didaktischen Denkens über kaufmännischen Unterricht erstens immer wieder Argumente auftauchen, die sich zwar auf der semantischen Ebene von denjenigen unterscheiden, die zur Begründung des Lernfeldansatzes vorgebracht werden, aber inhaltlich mit diesen nahezu identisch sind (vgl. ebd., 92 ff sowie speziell für die Didaktik des Rechnungswesenunterrichts REINISCH 1996). Zweitens konnte in diesem Zusammenhang gezeigt werden, dass didaktische Interventionen, die auf der Basis dieser Argumente ergriffen worden sind, sich nicht dauerhaft in der entsprechenden Unterrichtspraxis etablieren konnten; mithin im Sinne der oben skizzierten Überlegungen gescheitert sind. Aus diesem Befund der historisch-systematischen Analyse folgt nun allerdings keineswegs ein Automatismus des Scheiterns, schließlich unterliegt auch der Bedingungsrahmen didaktisch-curricularer Interventionen Veränderungsprozessen im Zeitablauf, die sich auf die Erfolgsaussichten didaktischer Interventionen positiv oder negativ auswirken können. Weiterhin wird die Existenz eines prinzipiell positiven Zusammenhangs zwischen der Güte des Konzepts und der Art der gewählten Implementationsstrategie einerseits und den Erfolgsaussichten der Intervention andererseits unterstellt. Letztlich kommt es für die Erfolgsaussichten der Intervention - darin stimme ich SLOANE (2003) ausdrücklich zu - entscheidend darauf an, wie die potentiellen Nutzer und Adressaten des Reformvorhabens, also die Lehrkräfte für den berufsbezogenen Unterricht an Berufsschulen, diese Güte einschätzen.
Angesichts des festgestellten Scheiterns der historischen Vorläufer des Lernfeldansatzes habe ich mich daher mit der Frage beschäftigt, warum diese Vorläufer gescheitert sind. Im Ergebnis bin ich zu der Auffassung gelangt, dass einerseits konzeptionelle Mängel des didaktischen Konzepts und andererseits die mangelnde Akzeptanz des Konzepts auf Seiten der Fachlehrkräfte die entscheidenden Faktoren hierfür gewesen sind. Daran anschließend habe ich geprüft, ob der Lernfeldansatz diese Mängel ebenfalls aufweist. Dabei habe ich im ersten Schritt die konzeptionelle Güte und Konsistenz des Lernfeldansatzes an den praktisch-normativen curricularen Konzepten gemessen, die in den 1970er Jahren in der Wirtschaftspädagogik entwickelt worden sind und habe die im Lichte dieser Ansätze vorhandenen Schwächen des Lernfeldansatzes herausgearbeitet (vgl. REINISCH 1999, 99 ff). Im zweiten Schritt habe ich mich mit dem Akzeptanzproblem befasst, und zwar im Hinblick auf die mit dem Lernfeldansatz intendierte Auflösung der herkömmlichen Unterrichtsfächer (vgl. ebd., 104 ff). Dazu habe ich zunächst darauf verwiesen, dass Unterrichtsfächer im Rahmen schulischer Lehr- und Lernprozesse eine doppelte Funktion aufweisen. Sie dienen einerseits als zentrales Ordnungs- und Organisationsmittel für die Zuordnung von Lehrstoffen zu Lehrkräften, und andererseits handelt es sich um im historischen Prozess entstandene und inhaltlich ausgeformte "Ordnungsschemata für die sozial geregelte Aneignung von Wissen" (BRACHT 1995, 419). Beide Funktionen sind sowohl für die einzelne Lehrkraft als auch für das System Schule als Ganzes im Hinblick auf die sachgerechte Gestaltung des Schulalltags von entscheidender Bedeutung. Didaktische Interventionen, die auf eine "Entfächerung" der Schule (und der Lehrerbildung) zielen, sind bisher regelmäßig daran gescheitert, dass sie kein funktionales Äquivalent anbieten konnten, das von den Betroffenen als zumindest ebenso leistungsfähig wie die Schulfächer hätte eingeschätzt werden können (Im Gegensatz zur Allgemeinen Didaktik im deutschsprachigen Raum und zur Curriculumforschung im angelsächsischen Raum und in Skandinavien werden die Funktionen und die Geschichte der Fächer und der Didaktiken für den berufsbezogenen Unterricht an der Berufsschule aktuell in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik kaum systematisch untersucht. Ich verweise daher für einen Überblick zum Stand der Forschung auf GOODSON,/ HOPMANN,/ RIQUARTS (Hrsg.) 1999 (siehe darin insbesondere den einleitenden Aufsatz von HOPMANN,/ RIQUARTS und den Beitrag von TENORTH ); siehe auch GOODSON (ed.) 1985.).

Auf der Basis dieser Überlegungen bin ich zu der Einschätzung gelangt, dass das Risiko des Scheiterns der didaktisch-curricularen Reformen, die mit dem Lernfeldansatz intendiert sind, nicht geringer als bei dessen Vorläufern ist. Meine Trauer über dieses Ergebnis hielt und hält sich, dies gebe ich gerne zu, in ausgesprochen engen Grenzen, weil ich aus den bereits 1999 angeführten Gründen der Auffassung bin, dass der Lernfeldansatz konzeptionell mit deutlichen Mängeln behaftet ist (Zu entsprechenden Einschätzungen siehe auch die Beiträge von HUISINGA, KLAUSER und FISCHER in HUISINGA/ BUCHMANN (Hrsg.) 2003.), und von den Protagonisten dieses Ansatzes nicht hinreichend beachtet wird, dass es zwischen Schule und Leben aus systematischen Gründen eine Differenz gibt, die nicht aufzulösen ist. Da ich aber gleichwohl von der Notwendigkeit didaktischer Reformen des Berufsschulunterrichts überzeugt bin, kann meine damalige Kritik auch positiv gedeutet werden: Die Chance des Gelingens der hier betrachteten didaktisch-curricularen Initiative würde sich sicherlich erhöhen, wenn die konzeptionellen Mängel "ausgebügelt" und eine Implementationsstrategie entwickelt würde, die als ernsthafter Beitrag zur Minderung der Akzeptanzprobleme auf der Seite der betroffenen Lehrkräfte eingeschätzt werden kann. In diesem Sinne soll in den folgenden Abschnitten an Hand der genannten in bwp@ Nr. 4 veröffentlichten Beiträge geprüft werden, ob die entsprechenden konzeptionellen Beiträge zur inhaltlichen Ausgestaltung der Curricula und zur Implementation in diese Richtung weisen.


4. Auswahl, Ordnung und Reihung des Wissens in Curricula
4.1 Curriculare Konstruktionsprinzipien als Beziehungsprobleme: Die ungeklärten Verhältnisse von Wissenschafts- und Situationsorientierung sowie Handlungs- und Fachsystematik


Lehrpläne sind im Verständnis der Didaktik des deutschsprachigen Raums Vorgaben für den Unterrichtsprozess, die insbesondere auf Lehrkräfte, aber auch beispielsweise auf Schulbuchautoren eine bindende Wirkung ausüben sollen (Bezogen auf die für Deutschland typische Form der Berufsbildung merkt KUTSCHA (1999, 59) zu diesem Aspekt an, dass das duale System auf dem "Prinzip der präskriptiven Berufsbildlehre" beruhe, während im angelsächsischen Raum allein eine Festlegung der zu erreichenden Lernergebnisse erfolge. Dieser Aspekt, der auf nationalstaatliche Differenzen in den Auffassungen darüber, was ein Curriculum ist, was es zu regeln habe, nach welchen Prinzipien es zu gestalten sei etc., abhebt, wird nach meiner Wahrnehmung in der Lernfelddebatte bisher nur am Rande behandelt (siehe aber DUBS 2000 und andeutungsweise SLOANE 2003), daher soll er hier auch nicht weiter verfolgt werden. Gleichwohl bin ich der Auffassung, dass es dringend geboten ist, in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik verstärkt auf dem Gebiet der historischen und international-vergleichenden Curriculumforschung zu arbeiten, nicht zuletzt um den Anschluss an den internationalen Stand der Forschung zu finden. Auch wenn die berufliche Bildung (was immer dies auch in den einzelnen Staaten auf der Systemebene bedeutet) in den entsprechenden Forschungen allenfalls am Rande behandelt wird (siehe aber die einschlägigen Passagen in ACHTENHAGEN/ GRUBB 2001), so lassen sich aus den einschlägigen Studien Informationen gewinnen, die für entsprechende Forschungsarbeiten wichtige Impulse liefern würden; siehe bspw. die Beiträge in HOPMANN/ RIQUARTS (Hrsg.) 1995 sowie die Beiträge in den beiden Themenheften der Zeitschrift "Bildung und Erziehung" zur Lehrplangeschichte (HOPMANN/ HAFT 1990) und zur Didaktik-Renaissance (HOPMANN/ KÜNZLI 1992)., Einen guten Überblick zur Entwicklung der Forschung in den USA liefern weiterhin die Beiträge von JACKSON (1992) und DARLING-HAMMOND/ SNYDER (1992). Von Interesse ist in diesem Zusammenhang, dass mit diesen Traditionslinien auch unterschiedliche Auffassungen über die Relationierung von Curriculumtheorie einerseits und Didaktik bzw. Unterrichtslehre andererseits verbunden sind (siehe dazu z. B. DOYLE 1992, DOYLE/ WESTBURY 1992, GUDMUNDSDOTTIR/ GRANKVIST 1992 und FROMMBERGER 2000).).

Diese Sichtweise ist von der "Curriculum-Bewegung" der 1970er Jahre übernommen worden und auch die aktuellen Arbeiten zur Entwicklung von lernfeldstrukturierten Curricula deuten darauf, dass diese Sichtweise weiterhin vorherrschen wird (Allerdings verbindet sich mit dem Lernfeldansatz die Erwartung, dass eine Lockerung der bisherigen "top-down"-Strategie im Bereich der Lehrplanpolitik in Deutschland eintreten und somit ein größerer Raum für eine "schulnahe Curriculumentwicklung" eröffnet wird (vgl. z.B. SLOANE 2003). Ich teile diese Einschätzung und die damit verbundene positive Bewertung dieser Entwicklung ausdrücklich. Der These SLOANES (vgl. ebd., 1 ff), dass man sich aus diesem Grunde weniger um die Frage, wie ein "gutes" Curriculum auszusehen habe, kümmern solle, sondern sich statt dessen stärker um die Curriculumimplementation bemühen müsse, kann ich hingegen nicht folgen. Schließlich wird auch SLOANE kaum ein "schlechtes" Curriculum implementieren wollen.).

Dementsprechend steht auch der gegenwärtige didaktisch-curriculare Konstruktionsprozess im Rahmen der Berufs- und Wirtschaftspädagogik vor der Aufgabe das als "vermittlungs- bzw. aneignungswürdig" einzustufende Wissen auszuwählen, diese Selektion zu begründen und Hinweise für die sachliche und zeitliche Ordnung dieses Wissens zu geben. Insofern müssen auch lernfeldstrukturierten Curricula Antworten auf die drei curricularen Bezugsprobleme der Auswahl, Ordnung und Reihung des Wissens geben (vgl. TENORTH 2000, 27).
Wie hinlänglich bekannt ist, hat in der Curriculum-Bewegung der 1960er und 1970er Jahre das "Modell zur Curriculumrevision" von ROBINSOHN (1967, 51981, 47 ff) als Lösungsweg für diese curricularen Bezugsprobleme breite Akzeptanz gefunden. Trotz der umfangreichen Kritik, die dieses Modell in den letzten gut 30 Jahren erfahren hat, wird dessen zentralen Elementen im wissenschaftlichen Diskurs weiterhin ein hoher Stellenwert beigemessen. Dies gilt sowohl für die Vorstellung, dass sich die Ermittlung, Begründung und Auswahl von Qualifikationen und Lerninhalten an den antizipativ zu erfassenden Lebenssituationen der Adressaten des Unterrichts ausrichten müsse, als auch für die Idee, dass bei der "Auswahl von Bildungsinhalten ... drei z. T. überlappende Sätze von Kriterien" (ebd.) zum Tragen kommen können. Im didaktisch-curricularen Diskurs der Berufs- und Wirtschaftspädagogik werden diese Kriterien in der Regel im Sinne der REETZschen Interpretation (1984, 77) des ROBINSOHNschen Modells verwendet. REETZ unterscheidet "bei der Ermittlung, Auswahl und Begründung von Lernzielen/Inhalten

- das Wissenschaftsprinzip als Teilaspekt des umfassenderen Kulturbereichsprinzips, denenzufolge die Ziel-/Inhalts-Wahl bestimmt wird von vorliegenden wissenschaftlichen oder anderen kulturellen Objektivationen (z. B. Kunst, Literatur usw.).
- das Situationsprinzip, demzufolge die Wahl der Ziele/Inhalte sich danach richtet, was in jetzigen und künftigen Lebenssituationen der betreffenden Schüler bedeutsam ist oder werden kann.
- das Bildungs- oder allgemeiner das Persönlichkeitsprinzip, demzufolge sich die Ziel-/ Inhaltsauswahl nach dem richtet, was im Hinblick auf die Entwicklung der Schülerpersönlichkeit und deren "Bildung" für möglich und bedeutsam gehalten wird." (ebd., Hervor. im Orig.)

REETZ (vgl. 1984, 108-128) nutzt diese drei Kriterien zur Klassifikation und Bewertung didaktisch-curricularer Konzepte, die vornehmlich im disziplinären Kontext der Berufs- und Wirtschaftspädagogik entwickelt worden sind. Dabei geht er von der Interdependenz der drei genannten Prinzipien aus (vgl. ebd., 77) und kritisiert dementsprechend an den von ihm geprüften Konzepten insbesondere die einseitige Betonung eines Prinzips und somit die Vernachlässigung der beiden anderen. Insofern geht Reetz davon aus, dass "Wissenschaft" und "Situation" (hier in der Variante "berufliche Lebenssituationen") in der überwiegenden Zahl didaktisch-curricularer Konzepte als Gegensatz gedeutet werden, während er eine kooperative Konstellation beider Prinzipien anstrebt (vgl. REETZ 1976 sowie 2000 und CZYCHOLL/ REINISCH 1996). Auf diese normative Position stützt sich auch ein Teil der Kritik am Lernfeldansatz der KMK, weil anhand des Begründungsmusters, das diesem didaktischen Konzept unterlegt ist, auf eine einseitige Betonung des Situationsprinzips geschlossen werden kann (vgl. REINISCH 1999, 99 ff).
Es liegt nahe, dass die Protagonisten des Lernfeldansatzes - jedenfalls wenn sie sich den normativen Vorstellungen von REETZ verpflichtet fühlen - den Nachweis zu erbringen suchen, dass diese Kritik des Lernfeldansatzes nicht zutrifft. So betont etwa TRAMM (2003, 8), dass "(w)ie alle Curricula .. auch lernfeldorientierte in einem Spannungsfeld von Situations- und Wissenschaftsorientierung (operieren), (sie, H. R.) setzen darin allerdings deutlich andere Akzente, als die wissenschafts- oder besser disziplinorientierten traditionellen Lehrpläne." Genau dies war in der oben angeführten Kritik, die TRAMM einige Seiten vorher in diesem Text als "ins Leere gehend" zurückgewiesen hatte, ausgesagt worden, allerdings mit einem wichtigen Zusatz: Die Behauptung, dass die traditionellen Lehrpläne für den wirtschaftsberuflichen Unterricht als "wissenschaftsorientiert" im Sinne der REETZschen Auffassung gekennzeichnet werden könnten, ist auf der Basis einer Rekonstruktion der Geschichte didaktisch-curricularen Denkens über wirtschaftsberuflichen Unterricht zurückgewiesen worden (vgl. REINISCH 1999, 92 ff). Im Lichte der bei einer solchen Analyse zu erzielenden Befunde zeigt sich, dass die didaktischen Konzepte, die Schulbücher und letztlich auch die Lehrplaninhalte weder ausschließlich noch überwiegend durch "Prozesse der didaktischen Transformation wissenschaftlicher Aussagensysteme" (TRAMM 2003, 7) gewonnen worden sind, sondern die jeweiligen, sich im Laufe der Geschichte mehr oder minder schnell ablösenden "Produkte" beruhen auf unterschiedlichen Einflüssen und prinzipiell ebenso unterschiedlichen didaktischen Deutungen dieser Einflüsse (vgl. dazu auch REINISCH 1996, REINISCH/ STRUVE 2002) (CLEMENT (2003) kommt in ihrem Beitrag für die Ausgabe Nr. 4 der bwp@ für den berufsbezogenen Unterricht im gewerblich-technischen Bereich zu einem nahezu gleichlautenden Ergebnis (vgl. ebd., 3 ff). Rätselhaft ist allerdings, wieso sie im Lichte ihrer Darstellung zu der Einschätzung gelangt, dass "derzeit durchaus Argumente für die These (sprechen, H. R.), dass dieses Mal der Trend zur Situationsorientierung unumkehrbar sei" (ebd., 1). Leider habe ich diese Argumente in ihrem Beitrag nicht auffinden können.).

Wie etliche der hier herangezogenen historischen Analysen zeigen, taugt eine "abbilddidaktische" Deutung des curricularen Entwicklungsprozesses weder in der szientifischen noch in der situationsorientierten Variante zur Erfassung der real ablaufenden Prozesse. Schulische Curricula im Sinne von Lehrplänen, also auch solche für den berufsbezogenen Unterricht der Berufsschule, enthalten "Wissen eigener Art" (TENORTH 2000, 28), für dessen Produktion die internen Standards der jeweiligen Fachgemeinschaften von entscheidender Bedeutung sind, ohne damit jedoch bereits sicherstellen zu können, dass das intendierte Curriculum zum implementierten oder gar zum in den Klassenzimmern erreichten Curriculum wird (vgl. dazu unten Abschnitt 5).
Der Ausgangspunkt der "Produktion" dieses Wissens eigener Art ist dabei eine bildungstheoretische Fragestellung, die als Reflexionshintergrund auch für den gesamten "Produktionsprozess" didaktischer Konzepte von zentraler Bedeutung ist. Im Falle der Entwicklung curricularer Materialien für die kaufmännische Berufsausbildung im Rahmen des deutschen Verständnisses, dass Berufsausbildung Berufsbildung zu sein habe, geht es dabei um die Suche nach einer Antwort auf die beispielsweise wie folgt formulierbare Frage: Was muss eine junge Kauffrau, was muss ein junger Kaufmann wissen und können, um im künftigen Beruf und Leben "bestehen" und beides im Sinne des eigenen Lebensentwurfes gestalten zu können?
In der REETZschen Terminologie verweist diese Frage auf das "Persönlichkeitsprinzip", das aus der hier vertretenen Sicht nicht in einem Verhältnis der Interdependenz zu den beiden anderen Prinzipien zu stehen scheint, sondern diesen übergeordnet ist (vgl. dazu auch REINISCH 1988, 86 ff). Dies nährt zumindest Zweifel an dem auf dem ersten Blick plausiblen Modell der drei interdependenten Prinzipien von REETZ, und zwar weniger im Hinblick auf dessen Eignung als Heuristik zur Typologisierung von didaktisch-curricularen Konzepten, sondern vornehmlich im Hinblick auf den Aspekt der Leistungsfähigkeit des Modells als Steuerungselement für die curriculare Entwicklungsarbeit.
TRAMM (2003, 7) geht davon aus, dass im Zentrum der konkreten Curriculumarbeit in Abhängigkeit vom jeweils dominanten Prinzip "Situationsanalysen, Prozesse der didaktischen Transformation wissenschaftlicher Aussagensysteme oder bildungstheoretische Analysen" stehen. Dementsprechend sieht er einen der zentralen Vorteile lernfeldorientierter Curricula darin, dass diese "die Struktur des beruflichen Handlungs- und Erfahrungsfeldes als Ausgangs- und Bezugspunkt für die Strukturierung des Curriculums" (ebd., 12) nehmen, wobei er unter Strukturierung nicht allein Ordnung und Reihung der Lerninhalte, sondern auch deren Auswahl versteht. Die Struktur des beruflichen Handlungs- und Erfahrungsfeldes ist allerdings - hierauf verweist TRAMM (ebd.) ausdrücklich - "keinesfalls naturgegeben, sondern selbst Ergebnis menschlicher Analyse- und Strukturierungstätigkeit." Dies bedeutet aber auch, dass die Struktur des jeweils betrachteten beruflichen Handlungs- und Erfahrungsfeldes im Prozess der Curriculumentwicklung zu erschließen ist.
In diesem Zusammenhang finden sich dann bei den Protagonisten des Lernfeldansatzes schon fast reflexartig zwei Begriffe, nämlich Handlungs- und Fachsystematik. Der Bedeutungsgehalt beider Begriffe ist für sich allein genommen ebenso nebulös wie die Beziehungen, die zwischen beiden angeblich bestehen oder nicht bestehen, aber möglichst bestehen sollten etc. Deutlich ist aber zumindest, dass Handlungssystematik mit einer positiven Konnotation verbunden und diese der Situationsorientierung zugeordnet wird, während im Hinblick auf Fachsystematik eine negative Konnotation überwiegt und eine Zuordnung zur Wissenschaftsorientierung vorgenommen wird. Damit scheint jedoch die Übereinstimmung bereits an ein Ende gelangt zu sein. So heißt es bei CLEMENT (2003) "Fächersystematik" und diese grenzt sie von Situationsorientierung ab, wobei das Konstrukt "Fächersystematik" auf Schulfächer verweist. Demgegenüber kann man wohl aus den Überlegungen von KREMER (2003) zu "Handlungs- und Fachsystematik im Lernfeldkonzept" schließen, dass "Fachsystematik", weil auf "systematisches Wissen" (ebd., 4), eben "Fachwissen" (ebd.), bezogen, auf die grundlegenden Strukturen verweist, in denen wissenschaftliche Disziplinen ihr Wissen über ihren Objektbereich ordnen. In diesem Sinne argumentiert auch TRAMM (2003, 8 ff), wenn er auf zwei unterschiedliche Modi der Wissensorganisation und der Strukturierung von Lern- und Erkenntnisprozessen hinweist. Dabei unterscheidet er "abstraktionshierarchisch organisiertes Wissen" (ebd.) und "komplexionshierarchisch strukturiertes Handlungs- und Sachwissen" (ebd., 10). Ersteres bezeichnet er dann " als dominierende Inhaltsstruktur schulischen und akademischen Wissens" (ebd., 8) und fordert, weil Menschen beide Arten des Wissens benötigen (vgl. ebd., 10), eine verstärkte Orientierung der didaktisch-curricularen Arbeit, aber auch der unmittelbar auf den Unterricht bezogenen didaktischen Handlungen auf das komplexionshierarchisch strukturierte Handlungs- und Sachwissen. Dies ist durchaus vertretbar, löst jedoch weder das Problem, wie denn nun Fach- und Handlungssystematik wieder aufeinander bezogen werden sollen (siehe dazu unten Abschnitt 4.2) noch findet sich eine hinreichende Begründung für die Behauptung von KREMER (2003, 10), dass sich Fach- und Handlungssystematik wechselseitig bedingen und nicht als Gegensatzpaar zu interpretieren sind. Angesichts dieser These fragt man sich dann allerdings, warum der ganze Aufwand betrieben worden ist, wenn nach der sieben Jahre anhaltenden Predigt des unbedingten Primats der Situationsorientierung als Kernelement lernfeldorientierter Curriculumentwicklung nunmehr ein liebevoll-kooperatives Fazit wechselseitiger Bedingtheit gezogen wird - dort war die Curriculumdiskussion in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik schließlich bereits vor einem Vierteljahrhundert. Immerhin bestätigt mich dies in meiner Annahme, dass wir es bei den Grundannahmen des Lernfeldansatzes mit einer Schimäre zu tun haben, die letztlich auf einem Kategorienfehler beruht, der mit dem gewählten Begriffspaar Fach- und Handlungssystematik verbunden ist.

Aus erkenntnistheoretischer Sicht sind "Erfahrung" vor jeder "Theorie" und Unabhängigkeit der "Erkenntnis" vom "Erkennenden" nicht möglich. Somit erschließen sich Situationen bzw. Handlungsfelder nicht voraussetzungslos, daher benötigt der Curriculumkonstrukteur hierzu Kategorien, Begriffssysteme und (gegebenenfalls subjektive) Theorien. Genauso gehen dann auch die KMK und TRAMM (vgl. 2003, 12 ff) vor, in dem sie auf das Konstrukt (!) "Arbeits- und Geschäftsprozessorientierung" zurückgreifen. Dabei kommen dann allerdings keineswegs "authentische" Situationsbeschreibungen, sondern entweder eine "neue Wissenschaft" (vgl. FISCHER 2000 und 2003) oder eine andere als die bisher vorherrschende Wissenschaft heraus. Dies zeigt sich deutlich am Beispiel des Vorschlags von TRAMM (vgl. 2003, 18 ff) für den Prozess der Curriculumentwicklung im wirtschaftsberuflichen Bereich. Er will das bisher in der Betriebswirtschaftslehre (!) vorherrschende "funktionsorientierte" Beschreibungsmodell des Unternehmens durch ein "prozessorientiertes" Modell ersetzen, um so das "Denken in Stellen und Abteilungen durch ein Denken in Vorgangsketten abzulösen" (ebd., 18) (Es soll hier nicht diskutiert werden, ob diese Kennzeichnung der Betriebswirtschaftslehre zutreffend ist; allerdings begründen u. a. die "prozessorientierte" Gliederung bereits der traditionellen Kosten-Leistungs-Rechnung und des Industriekonten-Rahmens jedoch gewisse Zweifel, dass diese in der von TRAMM behaupteten Pauschalität gerechtfertigt ist.). Als Gewährsleute für diese Forderung dienen ihm selbstverständlich Wissenschaftler, nämlich solche Vertreter der Betriebswirtschaftslehre, die eben dieses auch fordern. Hieran ist auch gar nichts auszusetzen. Im Gegenteil: Die Vorgehensweise ist aus meiner Sicht durchaus vernünftig, wenn nicht gar zwingend. Problematisch ist aber, dass diese "wissenschaftsorientierte" Vorgehensweise als "situationsorientiert" ausgegeben wird und positiv mit dem Grundanliegen des Lernfeldansatzes verknüpft wird. Für sein Vorhaben und sein auf eine "neue Fachsystematik" rekurrierendes Denken benötigt TRAMM den Lernfeldansatz jedoch keineswegs.

 


4.2 Überlegungen zur "Lösung" des Interdependenzproblems mit Hilfe didaktischer Matrizen


TRAMM könnte dieser Kritik entgegen halten, dass es ihm ja gerade im Sinne der REETZschen Option darauf ankommt, die Interdependenz von Situations- und Wissenschaftsprinzip im Prozess der Curriculumentwicklung tatsächlich einzulösen. Dementsprechend hat er eine didaktische Matrix entwickelt, in der eine situations- und eine wissenschaftsorientierte Perspektive verknüpft werden, um so "zwei parallel laufende Suchprozesse aufeinander (zu beziehen, H. R.)" (TRAMM 2003, 22). Diese Matrix ist hier als Abbildung 2 wiedergegeben.




Abb. 2: Matrix zur Verknüpfung situations- und wissenschaftsbezogener Aspekte bei der curricularen Umsetzung des Lernfeldansatzes nach Tramm;
Quelle: TRAMM (2003, 22)

Didaktische Matrizen spielen seit der Veröffentlichung des Buches von TYLER (1950) in der Curriculumentwicklung als heuristische Instrumente eine erhebliche Rolle. Während TYLER in seiner Matrix Inhalts- und Verhaltensaspekte für ein Fachgebiet bzw. Themenbereich zum Zwecke der Ermittlung, Auswahl und Begründung von Lehrzielen aufeinander bezieht, bleibt die Funktion, die TRAMM seiner Matrix im didaktisch-curricularen Entwicklungsprozess zuweist, aus meiner Sicht vage. Dies hängt primär damit zusammen, dass sich die Unterscheidung in Wissenschafts- und Situationsprinzip für die konkrete curriculare Arbeit der Ermittlung und Auswahl von Lehrinhalten nicht als geeignet erweist, denn letztlich bezieht TRAMM nicht "Situation" auf "Wissenschaft", sondern "Wissenschaft" auf "Wissenschaft". Dabei verknüpft er allerdings am Beispiel der Betriebswirtschaftslehre unterschiedliche Abstraktions- und Aggregationsstufen miteinander. Während er unter der Bezeichnung "wissenschaftsorientierte Analyse" - ganz im Sinne des BRUNERschen (1970) Konzepts der "structure of the discipline" - auf die Grundstrukturen der Betriebswirtschaftslehre, wodurch deren Denken über einzelwirtschaftliches Handeln besonders gekennzeichnet ist, Bezug nehmen will, orientiert sich die "situationsorientierte Analyse" an einer betriebswirtschaftlichen Deutung einzelner Geschäftsprozesse. Welche Informationen dann im Ergebnis die einzelnen Zellen dieser Matrix enthalten sollen bzw. werden, erschließt sich mir allerdings zumindest gegenwärtig nicht.
Weiterhin ist zu bedenken, dass TRAMM dieser Matrix auch eine Funktion im Rahmen der Lehrzielplanung zuweisen will. Die "situationsorientierte" Sicht ist für ihn nämlich gleichzeitig eine "kompetenzorientierte" (vgl. ebd., 22), so dass im Rahmen der situationsorientierten Analyse danach gefragt werden soll, "für welche Geschäftsprozesse der Lernende qualifiziert werden ... soll" (ebd.). Insofern wird hier also das Persönlichkeitsprinzip unter das Situationsprinzip subsumiert - eine Vermutung, die u.a. in den oben angeführten Kritiken des Lernfeldansatzes vorgetragen, von TRAMM aber zurückgewiesen worden ist. Allerdings sieht er durchaus die damit verbundene Gefahr der intentionalen und inhaltlichen Verengung nicht nur der curricularen Arbeit selbst, sondern auch der Produkte dieser Arbeit. Er will daher dieser Gefahr durch die Verpflichtung der Entwicklungsarbeit auf einen curricularen Reflexions- und Gestaltungsprozess entgehen, indem er eine dritte "Suchrichtung" einfordert, "die auf kategoriale Begriffe und Schlüsselprobleme im Sinne KLAFKIS (1996) hinausläuft" (TRAMM 2003, 23) und somit dem Anliegen des Persönlichkeitsprinzips Rechnung trägt.
An diesem Punkt der Argumentation eines Protagonisten des Lernfeldansatzes scheint es mir nun allerdings angebracht zu sein, auf weitere didaktische Matrizen zu verweisen, die seit 1976 veröffentlicht vorliegen und als Planungsinstrumente - zumindest aus meiner Sicht - genau die Ansprüche erfüllen, die TRAMM für den curricularen Entwicklungsprozess von Lernfeldern formuliert. Es handelt sich dabei bekanntermaßen um die didaktischen Strukturgitter, die von der Münsteraner Arbeitsgruppe um BLANKERTZ für das Modell einer integrierten Sekundarstufe II (Kollegstufe Nordrhein-Westfalen; vgl. PLANUNGSKOMMISSION KOLLEGSTUFE NW 1972) entwickelt worden sind. Das inzwischen in verschiedenen Fassungen vorliegende Strukturgitter für die Planung der wirtschaftswissenschaftlich-kaufmännischen Grundbildung im integrierten Sekundarbereich II hat Günter KUTSCHA (siehe beispielsweise 1976, 128, für eine aktuelle Version siehe Abb. 3) entwickelt. Es handelt sich bei den Strukturgittern letztlich um ein Produkt einer curricularen Entwicklungsstrategie, welches für sich weder in Anspruch nimmt, bereits ein Curriculum oder gar ein Plan für konkreten Unterricht zu sein, sondern den Versuch darstellt, dem weiteren Diskurs über die Curriculumentwicklung im jeweiligen fachlichen Kontext eine rationale Basis zu verschaffen. Um in der REETZschen Terminologie zu bleiben, basiert das Strukturgitter auf Bedingungsanalysen, die sich auf das


Abb. 3: Strukturgitter für das politisch-ökonomische Curriculum - Referenzpunkte der Lernzielfindung und Begründung
Quelle: KUTSCHA/ FISCHER (2003)

Wissenschafts-, Situations- und Persönlichkeitsprinzip beziehen und letztlich diese drei Prinzipien miteinander verschränken. Das Situationsprinzip wird dabei über eine Metatheorie der kaufmännischen Systemleistungen in der Form der Medien "Ware", "Geld" und "Information" eingebracht, während das Persönlichkeitsprinzip über die Frage berücksichtigt wird, über welche Kompetenzen Kaufleute im Umgang mit diesen Transaktionsmedien verfügen müssen. Die Berücksichtigung des Wissenschaftsprinzips erfolgt ebenfalls über eine Metatheorie, die es erlaubt, wissenschaftliche Aussagen nach dem jeweils verfolgten Erkenntnisinteresse zu ordnen (vgl. HABERMAS 61973) und somit auf die Ebenen der Funktionen, Probleme und Konflikte des ökonomischen Systems zu beziehen. Auf diese Weise ermöglicht das "Strukturgitter" - so KUTSCHA (1976, 126) - "ein auf den Diskussionsstand der Wirtschaftswissenschaften und die Problemlagen der Wirtschaftswirklichkeit beziehbares Fragen in folgendem Sinne (hier: Bezugskategorie ‚Ware'):

- Welche Kompetenzen zu ökonomischer Planung und Planrealisierung sind erforderlich, um die materiellen Bedürfnisse innerhalb eines Wirtschaftssystems (bzw. einer Wirtschaftseinheit) mit einem optimalen Einsatz güterwirtschaftlicher Transaktionen befriedigen zu können?
- Welche Kompetenzen des Sinnverstehens und der Analyse müssen vorausgesetzt werden, damit im arbeitsteiligen Wirtschaftssystem Handeln nach gemeinsamen Wohlfahrtskriterien möglich wird?
- Welche Kompetenzen der Kontrolle und Kritik sind notwendig, um Missstände bei der Verteilung von Gütern identifizieren und Widerstand gegen dadurch verursachte Formen der Verelendung von Bevölkerungsgruppen und Volkswirtschaften leisten zu können?"

Diese Fragen gehen sicherlich weit über den mit dem Lernfeldansatz auf die Geschäftprozessorientierung festgeschriebenen Horizont hinaus; es handelt sich allerdings zweifellos um Fragen, die inhaltlich für eine Didaktik des wirtschaftsberuflichen Unterrichts von weiterhin zentraler Bedeutung sind. Zudem sind diese Fragen in ihrer Struktur identisch mit denjenigen, die TRAMM zu beantworten sucht. Insofern stellt sich die Frage, warum er nicht selbst auf den Strukturgitteransatz zurückgreift und statt dessen eine eigene Matrix entwirft. Liegt es an den vielen missverständlichen Deutungen, die dieser Ansatz in der Vergangenheit erfahren hat? (vgl. dazu KUTSCHA/ FISCHER 2003) Liegt es am REETZschen (vgl. 1984, 111 ff.)

Verdikt, der Strukturgitteransatz betone einseitig die Wissenschaftsorientierung? Gilt ein Ansatz, der Kritikfähigkeit und Sinnverstehen als unverzichtbare Kompetenzen junger Kaufleute betrachtet, als nicht mehr zeitgemäß? Oder handelt es sich gar um eine besonders ausgeklügelte Strategie durch die Konstruktion einer eigenen Matrix die verordnete Enge des Lernfeldansatzes zu unterlaufen?

Antworten auf diese (zugegeben rein rhetorischen) Fragen werden allein TRAMM und die weiteren Protagonisten des Lernfeldansatzes geben können, und sie werden weiterhin damit zu rechnen haben, mit kritischen Rückfragen behelligt zu werden. Wobei sie diese aus meiner Sicht allerdings nicht als "Behelligung", sondern als "Beglückung" auffassen sollten. Falls nämlich mein eingangs formulierter Gedanke zutrifft, dass ein gemeinsames und anhaltendes Interesse an einer konsistenten Konzeptualisierung der didaktisch-curricularen Fragestellung innerhalb der Berufs- und Wirtschaftspädagogik existiert, dann müsste es auch gelingen, derartige kritische Fragen als Chance zu begreifen, den didaktisch-curricularen Diskurs voranzubringen. Neben diesem gemeinsamen systematischen Interesse dürfte es aber auch eine durchaus tragfähige normative Position geben, auf die sich Protagonisten und Antagonisten des Lernfeldansatzes verständigen könnten. Günter KUTSCHA hat diese wie folgt umschrieben:

"Bildungsprozesse sind ... ‚handlungsorientiert'. Sie zielen ab auf die Befähigung zum selbständigen und verantwortlichen Handeln, auf die Förderung des mündigen Handlungssubjektes. Das Konzept der handlungsorientierten Didaktik steht, wenn man sie nicht auf einen vordergründigen Praxisbezug reduziert, in der Tradition bildungstheoretischen Denkens, nicht auf dem Boden lernpsychologischer Verhaltenstheorien oder ökonomisch orientierter Qualifikationstheorien" (Kutscha 1995a, 270).


5. Von der Produktion zur Implementation oder: Über den Spagat des involvierten Berufs- und Wirtschaftspädagogen


Zum Abschluss meiner Überlegungen soll die Fiktion eingeführt werden, dass es im Zuge der laufenden, durch Modellversuche und deren wissenschaftliche Begleitung gestützte Curriculumkonstruktion gelingt, die Vereinseitigungen des Lernfeldansatzes zu überwinden. In diesem Falle könnten wir in der Tat zu dem Urteil gelangen, dass wir nunmehr "gute" Curricula haben. "Ein ‚gutes' Curriculum - ‚ja und'" wäre die Reaktion von SLOANE (2003, 1) auf dieses Urteil, denn - wie bereits angeführt - kritisiert er, dass sich ein solches Urteil allein auf die Curriculumentwicklung bezieht, während für den Erfolg oder Misserfolg eines Curriculums die Curriculumverwendung entscheidend sei. Gleichzeitig behauptet er, dass sowohl in der deutschen Didaktik und Curriculumforschung seit WENIGER (81965) als auch in der staatlichen Lehrplanarbeit diese Perspektive der Curriculumverwendung weitgehend ausgeblendet worden sei und implizit von der Annahme ausgegangen wurde, dass die Umsetzung der "guten" Lehrpläne durch die Organisationen der Praxis als unproblematisch eingeschätzt und daher als zu vernachlässigendes Handlungsfeld angesehen wurde (vgl. ebd., 3). Dementsprechend kennzeichnet er die bisherige Praxis und Theorie der Lehrplanentwicklung als "triviales Curriculummodell" (ebd.).
Während diese Einschätzung für die staatliche Lehrplanarbeit mit Sicherheit zutrifft, nimmt SLOANE aus meiner Sicht hier eine Verkürzung des Diskussionsstandes der Didaktik vor. Bereits in der bildungstheoretischen Didaktik nimmt die Rezeptionsfrage eine zentrale Stellung ein, wie man etwa an KLAFKIs Didaktischer Analyse (1958) unschwer nachvollziehen kann. Allerdings ging KLAFKI noch davon aus, dass die Auslegung des Lehrplans durch die praktizierenden Lehrkräfte im Zuge ihrer Unterrichtsvorbereitung zu einem Ergebnis führen werde, dass den Intentionen der Lehrplanautoren entspricht, weil das Denken beider Gruppen durch den gleichen kulturellen Hintergrund angeleitet werde. Von dieser Harmonievorstellung hat sich KLAFKI und mit ihm die Didaktik bereits in den 1960er Jahren verabschiedet. Damit rückte die Frage danach, wie die Lehrkräfte tatsächlich im Rahmen ihrer alltäglichen Unterrichtsvorbereitung mit den Lehrplänen "umgehen", in das Blickfeld der didaktischen Forschung, und zwar nicht zuletzt im Rahmen der bereits angeführten "Wissensverwendungsforschung" (vgl. oben Anmerkung 5). Damit soll weder behauptet werden, dass diese Frage bereits hinreichend empirisch untersucht worden ist, noch dass sie einen Schwerpunkt der Forschung in den Didaktiken beruflichen Lehrens und Lernens eingenommen hat. Es gibt jedoch zumindest Hinweise darauf (vgl. TENORTH 2000, REINISCH 1999, 112f., REINISCH/ STRUVE 2002, 117f.), dass Lehrkräfte neue Lehrpläne und didaktische Modelle dann akzeptieren und in der Unterrichtspraxis einsetzen werden, wenn sie diese Innovationen erstens grundsätzlich als "lehrbar" einschätzen und dann zweitens zu der Überzeugung gelangen, dass die neuen Curricula das Problem der Lehrbarkeit "nicht nur anders, sondern ‚besser' lösen" (TENORTH 2000, 2) (Unter diesem Blickwinkel lassen sich m. E. die Befunde der Untersuchungen von BUSCHFELD (1999, 2000) zu den Einstellungen von Lehrkräften zum Lernfeldansatz rekonstruieren. Demgegenüber vernachlässigen KREMER/ SLOANE (2001) bei ihren aus dem Lehrerverhalten und den Einstellungen zu Lernfeldern gewonnenen Typen die spezifischen didaktischen Aufgaben von Lehrkräften. Problematisch scheint mir auch die Anlehnung an Kategorien, die in der betriebswirtschaftlichen Konsumentenforschung entwickelt worden sind, schließlich legt dies doch die Vermutung nahe, dass SLOANE heimlich die Lehrkräfte als Konsumenten der neuen Curricula (oder der Ideen der wissenschaftlichen Begleitung) denkt. Dies wäre aus meiner Sicht jedoch mit einer Strategie "produktiver Lehrplanrezeption" (SLOANE 2003, 3) kaum vereinbar.).

Abb. 4: Ebenen des Curriculums
Quelle: Gekürzte Übernahme aus ARNOLD (2001)

Am Ende des von SLOANE als Produktion bezeichneten Prozesses steht ein intendiertes Curriculum. Das implementierte Curriculum bezeichnet hingegen dasjenige, was tatsächlich durch Lehrkräfte in den Schulen und Klassenzimmern gelehrt wird und somit mehr oder weniger mit dem intendierten Curriculum übereinstimmt. Mit Curriculumimplementation kann demnach nur ein Prozess gemeint sein, der dazu führt, dass das intendierte Curriculum auch zum implementierten wird. Mit ARNOLD (2001) bezeichne ich das Produkt dieses Prozesses als potenzielles Curriculum, auf dessen Basis eine Lehrkraft ihre Implementationsentscheidung trifft. Das potenzielle Curriculum kann aus einer Reihe didaktischer Materialien (Lehrplanerläuterungen, didaktisch-methodische Handreichungen, Schulbüchern etc.) bestehen, die das intendierte Curriculum im Hinblick auf das Kriterium der Lehrbarkeit konkretisieren, jedoch ebenso wie das implementierte Curriculum in einem prinzipiell ungeklärten, aber empirisch aufklärbaren Verhältnis zum intendierten Curriculum stehen. Das potenzielle Curriculum kann aber auch "schulnah" in einem diskursiven Prozess der betroffenen Lehrkräfte entwickelt werden. Auf diese Variante "setzt" SLOANE (2003), weil diese Vorgehensweise nach seiner Ansicht der traditionellen Vorgehensweise der Entwicklung didaktischer Materialien durch Mitarbeiter staatlicher Lehrplaninstitute und Schulbuchautoren überlegen ist. Als Begründung dafür bietet er die (triviale) These an, dass Menschen dazu neigen, sich dann am stärksten mit einem Produkt zu identifizieren, wenn sie es selbst gemacht haben (vgl. ebd., 19). Allerdings stellt sich nun auch bei diesem derart schulnah entwickelten potenziellen Curriculum das Problem des ungeklärten Entsprechungsverhältnisses zum intendierten Curriculum.
Offensichtlich setzen SLOANEs Überlegungen zur Rolle der wissenschaftlichen Begleitung von Modellversuchen, ja der Wirtschaftspädagogik insgesamt, im Prozess der Curriculumimplementation genau an diesem Problem an. Nach seiner Auffassung muss sich die Wirtschaftspädagogik die Frage nach den Anknüpfungspunkten in der Praxis stellen, "d.h. sie muss Argumentationshilfen für die Interpretation von Curricula liefern und kann sich nicht darin erschöpfen, nach objektivierbaren Lehrplänen zu suchen" (vgl. ebd., 4). In diesem Sinne ist der Wissenschaftler also ein "Überbrückungsgehilfe", der vor der Aufgabe steht, einen wahrlich denkwürdigen Spagat zu vollziehen. Einerseits soll er Argumentationshilfen für die Interpretation von Curricula liefern, aber eben nicht irgendeines Curriculums, sondern des intendierten Curriculums. Dies kann er - eingedenk des oben angeführten Hinweises von SLOANE zur Bedeutung der Identifikation mit dem Produkt - allerdings nur dann mit vollem Engagement tun, wenn er von der Güte des intendierten Curriculums überzeugt ist, was einem Berufs- und Wirtschaftspädagogen im Lichte der auch in der Ausgabe 4 der bwp@ nachzulesenden Kritik am Lernfeldansatz schwer fallen dürfte. Andererseits soll er die Lehrkräfte, denen er Argumentationshilfen geben soll, als "schulische Expertengruppe" ansehen, die "ihr Vorgehen als eine experimentell-wissenschaftliche Arbeit begreift und i. S. der Handlungsforschung ihre eigene Arbeit als Forschungsgegenstand auffasst" (ebd., 10). Wenn es nun aber um schulische Experten geht, dann darf davon ausgegangen werden, dass sich dieser Expertenstatus auf ein Expertentum für didaktisches Handeln bezieht. Dies würde aber auch bedeuten, dass diese gar keine Argumentationshilfen für die Interpretation von Curricula benötigen. Sollte dies aber doch der Fall sein, dann dürfte ihnen der Expertenstatus nicht zugebilligt werden. Möglicherweise sieht SLOANE jedoch ein Fehlen von Expertenkompetenz seitens der Lehrkräfte an Berufsschulen gar nicht auf didaktischem Gebiet, sondern auf dem Gebiet des Managements der Curriculumimplementation. Diese Interpretation kann sich darauf stützen, dass SLOANE (2003, 9) die Bildungsgangsarbeit, als nordrhein-westfälische Variante der Curriculumimplementation, als "Managementtätigkeit" und nicht primär als bildungstheoretisch angeleitete didaktische Arbeit interpretiert, und sie würde auch erklären, warum SLOANE in dem hier herangezogenen Beitrag seinen Blick primär auf organisationale, denn auf didaktische Fragen richtet (vgl. ebd., 8 ff.). Gleichwohl vermag diese Interpretation nicht gänzlich zu überzeugen, denn sie "beißt" sich mit der primären Aufgabenzuschreibung an die Berufs- und Wirtschaftspädagogen, Argumentationshilfen für die Interpretation von Curricula zu liefern. Insofern bleibt dann doch nur die Vermutung, dass in den SLOANEschen Überlegungen ein Rest von Misstrauen gegenüber der pädagogischen und didaktischen Praxis an Berufsschulen mitschwingt.
"Denn sie tun nicht, was sie wissen", lautet der Titel eines bereits angeführten Beitrags von EULER (1996) und in dieser Metapher kommt das hier gemeinte Misstrauen exakt zum Ausdruck. EULER warnt zwar vor einer einseitigen Schuldzuweisung an die Praxis und plädiert für gegenseitige Lernprozesse, aber letztlich bleibt das Bild einer der wissenschaftlicher Hilfe bedürftigen pädagogischen Praxis. Dies ist ein Grundmotiv eines praktisch-normativen Wissenschaftsverständnisses, und zwar ganz unabhängig davon, wie das "Theorie-Praxis-Verhältnis" jeweils modelliert wird (Eine gute Übersicht zu den vorherrschenden Modellvarianten liefern DEWE/ FERCHHOFF/ RADTKE (1992), weiterhin sei in diesem Zusammenhang auf die Beiträge von OELKERS (1984), MEISSNER (1987) und TENORTH (1990) verwiesen.). Dieses Wissenschaftsverständnis selbst und die damit verbundene Infragestellung der Dignität der pädagogischen Praxis soll hier nicht diskutiert werden (siehe oben Anmerkung 8). Zu fragen ist jedoch, ob es "Sinn macht", diesem karitativen Impetus ausgerechnet auf dem Felde der Curriculumimplementation Raum zu geben. Schließlich sind Personen, die Didaktik als Wissenschaft betreiben, gerade keine Experten für das, was im Mittelpunkt des Interesses der Lehrkräfte vor Ort steht, nämlich in einem konkreten situativen Rahmen unter alltäglichem Handlungsdruck nach dem Kriterium der Lehrbarkeit konkrete Auswahlentscheidungen zu treffen. Der Beitrag des einem Wahrheitskriterium verpflichteten Wissenschaftlers kann doch keinesfalls darin bestehen, Präskriptionen für die am Kriterium der Angemessenheit orientierten Entscheidungen der pädagogischen Praxis zu liefern, sondern allenfalls darin, den Bedingungsrahmen des Entscheidungsprozesses aufzuklären. Dies bedingt aber, dass der Wissenschaftler die Beobachterperspektive und nicht die des Involvierten einnimmt, womit letztlich wiederum auf Differenz und nicht auf Einheit von Theorie und Praxis verwiesen ist.

 

 

Literatur

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