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bwp@ Ausgabe 5
Hrsg. von Karin Büchter und Martin Kipp

RITA MEYER (Universität der Bundeswehr Hamburg)

Regionalisierung, Marktorientierung und Netzwerkbildung -
Kritische Annäherungen im Kontext der Diskussion um regionale Berufsbildungszentre

Inhalt:
1 Deregulierung der öffentlich geförderten Weiterbildung
2 Regulierung der Weiterbildung im IT-Sektor
3 Regionalisierung in der beruflichen Erstausbildung
4 Strukturveränderungen und sozialer Gestaltungsbedarf
5 Regionalisierung durch Netzwerkbildung
6 Marktausrichtung in der Berufsbildung
7 Berufsbildungsnetzwerke und Marktzwang

Im Folgenden werden beispielhaft aktuelle Entwicklungen, die sich zur Zeit im Bereich der beruflichen Bildung vollziehen, präsentiert und unter dem Aspekt der sukzessiven Rücknahme staatlicher Verantwortung thematisiert: auf der bundespolitischen Regelungsebene werden die scheinbar widersprüchlichen Entwicklungen der Deregulierung im Bereich der öffentlich geförderten Weiterbildung und der Regulierung im IT-Sektor dargestellt. Regionalisierung als Steuerungsform in der Berufsbildung wird anschließend daran mit dem Trend zur Bildung Regionaler Berufsbildungszentren exemplarisch thematisiert. Dabei wird insbesondere die zunehmende marktförmige Steuerung von Bildungsprozessen, die in allen drei Beispielen gleichermaßen zu konstatieren ist, kritisch in den Blick genommen. Dies erfolgt auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Forderung nach netzwerkförmiger Kooperation in der Beruflichen Bildung, deren Grundprinzipien jedoch zu einer Marktorientierung zum Teil im Widerspruch stehen.

1 Deregulierung der öffentlich geförderten Weiterbildung

Trotz des ohnehin schon geringen gesetzlichen Institutionalisierungsgrades sind in der öffentlich geförderten Weiterbildung weitere Deregulierungstendenzen zu verzeichnen, die sich vor allem auf Veränderungen in der Finanzierungsstruktur bisher arbeitsamtsgeförderter Maßnahmen beziehen. Auf der Ebene der bundespolitischen Regelung lassen sich Veränderungen am deutlichsten in der Folge der Umsetzung der Hartz-Reform beobachten. Die öffentlich geförderte Weiterbildungslandschaft sah sich schon seit einiger Zeit Kritik ausgesetzt: bemängelt wurde, dass sie zu teuer sei und aufgrund einer mangelnden Ausrichtung an den Bedarfen des Marktes ineffizient, zudem sei Sie praxisfremd, wenig betriebsbezogen und die Weiterbildungsmaßnahmen würden eher die Interessen etablierter Träger bedienen als die des Arbeitsmarktes (vgl. PASSENS 2002; WEGGE 1996, 85f.) Ausgehend von dieser Kritik spielt die geförderte Weiterbildung in den neuen Dienstleistungsgesetzen nur noch eine untergeordnete Rolle. Es ist dagegen ein Paradigmenwechsel zu verzeichnen, der unabhängig von qualifikatorischen Aspekten nun die Vermittlung bzw. das Heranführen an den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt stellt. In diesem Zusammenhang werden zum einen Zeitarbeitsfirmen eingesetzt und zum anderen wird die Attraktivität von Minijobs und der Übergang in die Selbständigkeit gefördert. Auch durch das Senken von Zumutbarkeitsschwellen und den Zwang zur Arbeitsaufnahme sollen Arbeitslose möglichst schnell wieder dem Arbeitsmarkt zugeführt werden.
Von den Folgen der "Gesetze für moderne Dienstleistungen", die ursprünglich als Instrument der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik gedacht waren, sind nun vor allem die Bildungsträger betroffen: durch die Einführung von Bildungsgutscheinen soll die Position der Bildungsnachfragenden gestärkt und der Wettbewerb unter den Trägern gefördert werden. Die Weiterbildungsträger sollen erfolgsbezogen, gemessen am Vermittlungserfolg, honoriert werden, wobei eine Maßnahme nur dann durchgeführt wird, wenn auch eine Vermittlungsquote von 70% garantiert wird. Nach Einschätzungen der Bundesanstalt für Arbeit ermöglicht dieses Vorgehen eine "Marktbereinigung" um ca. ein Drittel der bisherigen Weiterbildungsträger (vgl. PASSENS 2002). Die hier nur angedeuteten Instrumente sollen die Orientierung von Qualifizierungsmaßnahmen an betrieblichen Bedarfen sicherstellen, Defizite des einzelnen Bildungsteilnehmers passgenauer beseitigen und so die Kosten für öffentlich geförderte berufliche Weiterbildung erheblich senken.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass es entgegen dieser nun faktisch vollzogenen Deregulierung schon seit den 1970er Jahren Bestrebungen gibt, die o.a. Defizite im Bereich der Weiterbildung durch eine stärkere staatliche Regulierung in den Griff zu bekommen. Im Rahmen der Diskussion um die Realisierung eines Weiterbildungsgesetzes konstatierten Vertreter der Gewerkschaften Regelungsbedarf für die folgenden Bereiche, die auf der Bundesebene zur Regelung anstünden und durch berufsbildungspolitische Maßnahmen flankiert werden müssten: der Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen, die Durchlässigkeit und Gestaltung der Bildungsübergänge, die Qualitätssicherung, die Formulierung von Anforderungen an Institutionen und Personal, die Zertifizierung, Lernzeitansprüche, die Finanzierung sowie Statistik und Forschung (vgl. BAYER 2000, 802). Da diese Forderungen im Rahmen einer gesetzlichen Verankerung der Weiterbildung bisher nicht umgesetzt werden konnten, steht nun zu befürchten, dass der im Rahmen der angestrebten Marktregulierung zu verzeichnende "neoliberale Mainstream" die Defizite der Weiterbildung eher verstärken wird (vgl. BAYER 2002). Die Thematisierung der Konsequenzen, die sich aus diesen Entwicklungen insbesondere durch die Orientierung am Konzept der "employability" ergeben, findet zunehmend auch Eingang in den (berufs-)bildungstheoretischen und -politischen Diskurs (vgl. BOSCH 2002; FRANZPÖTTER 2003; FAULSTICH 2003; LUTZ 2003).
Den beschriebenen Tendenzen zur Deregulierung in der öffentlich geförderten Weiterbildung, die vor allem hinsichtlich der formalen Organisation und der Finanzierung der Maßnahmen als Rückzug des Staates auch aus dem Bereich der Berufsbildung gewertet werden können, stehen für den Bereich des IT-Sektors Regulierungstendenzen gegenüber. In diesem Rahmen konnten auch einige Aspekte der o.a. gewerkschaftlichen Forderungen umgesetzt werden.

2 Regulierung der Weiterbildung im IT-Sektor

Im Frühjahr des Jahres 2002 hat die Bundesregierung eine "Verordnung über die berufliche Fortbildung im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik" (IT-Fortbildungsverordnung) erlassen, die in ein komplexes System zur Weiterbildung in der IT-Branche eingebettet ist. Auf verschiedenen Qualifikationsebenen sind in sechs Fortbildungsverordnungen und einer zusätzlichen Vereinbarung über "Spezialisten-Profile" insgesamt 35 Abschlüsse entwickelt worden, um der bis dahin herrschenden Unübersichtlichkeit der Weiterbildungslandschaft im IT-Bereich entgegenzuwirken. Für sechs Berufe der beiden obersten Qualifikationsebenen - zwei Berufsprofile mit Qualifikation für Leitungsfunktionen auf der Ebene von Strategischen Professionals und vier Berufe mit Qualifikation für mittlere Fach- und Führungskräfte auf der Ebene von Operativen Professionals - bestehen Rechtsverordnungen des Bundes, auf deren Grundlage ein Nachweis der beruflichen Qualifikation durch die Prüfung an einer Industrie- und Handelskammer erbracht werden muss (nach § 46 BBiG). Die erste Ebene des Weiterbildungssystems mit den 29 Spezialistenprofilen ist dagegen eher "ungeregelt" und eine öffentlich-rechtliche Prüfung ist nicht vorgesehen. Diese werden stattdessen in einem privatrechtlich organisierten Verfahren zertifiziert. Zielgruppen des IT-Weiterbildungssystems sind die Absolventen der vier IT-Ausbildungsberufe ebenso wie Seiten- und Wiedereinsteiger ohne formale Qualifizierung. Eine Leistungsbewertung über das international anerkannte Credit-Point-System und die Vergabe von Bachelor- und Masterabschlüssen soll eine Vergleichbarkeit über die Bundesgrenzen hinweg einerseits und die Durchlässigkeit zwischen Beruf und Studium andererseits garantieren.
Besonders hervorzuheben ist, dass mit dem Konzept der "Arbeitsprozessorientierten Weiterbildung" (APO) auch ein didaktisch-curriculares Modell zur Umsetzung der konkreten Qualifizierungsmaßnahmen in den Betrieben empfohlen wird. Selbstbestimmtes und projektorientiertes Lernen am Arbeitsplatz bildet den Kern dieses Konzeptes, das vom Fraunhofer Institut für Software- und Systemtechnik (ISST) im Auftrag des BMBF entwickelt wurde. In dieser didaktisch-curricularen Umsetzung arbeitsbezogener Lernformen geht es unter anderem darum, eine Verknüpfung von formellen und informellen Lernprozessen herzustellen. Im Rahmen des APO-Konzeptes erfolgt zunächst eine exemplarische Herauslösung berufstypischer Referenzprozesse aus dem Arbeitsprozess. Die Qualifizierung wird dann an realen betrieblichen individuell ausgesuchten Projekten im Arbeitsprozess und am Kundenauftrag durchgeführt. Der Lernprozess soll von den Lernenden weitgehend selbstständig organisiert und mit inhaltlicher und methodischer Unterstützung von Fachberatern und Prozesscoaches durchgeführt, reflektiert und dokumentiert werden (vgl. ROHS 2002). Die Dokumentation und die Reflexion des Lernprozesses bilden zugleich die Grundlage für die spätere Zertifizierung.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass es sich bei diesem System um die bisher weitestgehende Regulierung im Weiterbildungssektor handelt. Auf der einen Seite legt dies den Schluss nahe, dass der Staat hier seine politische und finanzielle Verantwortung gegenüber der bisher subsidiären Steuerung erhöht hat. Auf der anderen Seite ist jedoch zu konstatieren, dass faktisch der staatliche Einfluss und die Kontrollfunktionen eher gering sind, da die Ebene des mittleren Qualifikationsniveaus, d.h. die Spezialistenprofile, zwar berufsförmig aber eben nicht nach dem Berufsbildungsgesetz geregelt wurden und damit in hohem Maß der Marktsteuerung überlassen werden (vgl. MEYER 2003).
Die Vorbereitung auf die Zertifizierung wird zwar zur Zeit noch durch öffentliche Fördergelder finanzielle unterstützt, eine inhaltlich Kontrollfunktion kommt dem Staat in hier nicht mehr zu. Zudem ist zur Zeit mit der Neugründung von Zertifizierungsgesellschaften das Entstehen eines neuen Marktes zu verzeichnen. Aber auch im alten Markt der Bildungsträger, die bisher im Bereich der IT-Qualifizierung aktiv waren, sind durch diese Maßnahmen deutliche Veränderungen zu erwarten. Dies gilt insbesondere, da im Zuge der konsequenten Arbeitsprozessorientierung von den IT-Bildungsträgern eine didaktische und methodische Neuorientierung gefordert ist. Insofern kann die Einführung des IT-Weiterbildungssystems - zumindest bezogen auf die Ebene der Spezialistenprofile, wie auch die Maßnahmen im Zuge der Hartz-Reform, als weiterer Indikator für eine zunehmend marktförmige Organisation im Bereich der Berufsbildung gelten.

3 Regionalisierung in der beruflichen Erstausbildung

Dass der Staat sich auch im Bereich der beruflichen Erstausbildung zum Teil aus der inhaltlichen sowie der direkten Organisations- und Finanzierungsverantwortung zunehmend zurückzieht, kann insbesondere an der zunehmenden Tendenz der Bildung von Berufsbildungszentren bzw. regionaler Kompetenzzentren gezeigt werden (Ich danke unseren studentischen Hilfskräften Christian Albrecht und Guido Neumann, die mich bei den Recherchen zu diesem Teil unterstützt haben.).
SPÖTTL (2003) führt die drei bundesweit wichtigsten aktuellen Entwicklungsmodelle zur Kooperation von Berufsschulen auf, die sich in diesem Rahmen beobachten lassen:

· Regionale Ausrichtung - Verstärkte Vernetzung mit anderen beruflichen Schulen, Bildungsträgern und Unternehmen innerhalb einer Region,

· Sektorale Ausrichtung - Kompetenzzentren konzentrieren sich auf wirtschaftlich bedeutende Sektoren und Branchen in einer Region oder in einem Bundesland und verstärken die Vernetzung mit diesem,

· Kompetenz im Zentrum der Ausrichtung - über ein von innen heraus gestalteten Profil Suche nach Partnern in und über die eigene Region hinaus, um Dienstleistungen erfolgreich anzubieten.


Ziel dieser Vernetzungen und Kooperationsbeziehungen ist vor allem die Nutzung von Synergieeffekten im Sinne der Bindung organisationaler Fähigkeiten. Dabei geht es z.B. darum, eine bessere Auslastung von Räumlichkeiten wie Labors u.ä. gewährleisten und doppelte Anschaffungen zu vermeiden. Es ist darüber hinaus auch geplant, die Angebotspalette von Berufsschulen zu erweitern und dort z.B. auch Weiterbildungsmaßnahmen durchführen zu lassen (vgl. BÜCHTER 2000). In diesem Rahmen wird von allen beteiligten Akteuren - sowohl Personen als auch Institutionen - ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft gefordert. Um die Synergieeffekte zwischen den einzelnen Institutionen nutzbar machen zu können, ist es wichtig, dass sie ihre jeweiligen Kompetenzen offen legen und transparent gestalten. Kooperationen müssen regelmäßig und nachhaltig initiiert werden um eine gezielte Bedarfsermittlung und die Reaktion mit marktgerechten Angeboten zu ermöglichen.

In der Diskussion zur Umstrukturierung der berufsbildenden Schulen reicht die Argumentation vom Erhalt der bisherigen Berufsschule über eine Mischform zwischen staatlicher Organisation und hoher Selbständigkeit bis hin zu einer vollständigen Privatisierung der beruflichen Schulen. Die Rolle des Staates und das Ausmaß seiner Steuerungsaktivitäten wird ambivalent diskutiert: gefordert wird auf der einen Seite, dass die Schulen ein hohes Maß an Autonomie erhalten sollen und ein Paradigmenwechsel von der zentral gesteuerten staatlichen zur dezentralen Einrichtung vollzogen wird. Dies gilt in personeller, materieller, curricularer und budgetärer Hinsicht. Andererseits wird vertreten, dass der Grad der Privatisierung nicht so weit gehen darf, dass der Staat gänzlich seines Einflusses enthoben werde. Der Staat solle zwar die bisher existierende Regelungsdichte zurücknehmen, jedoch ohne dass der staatliche Bildungsauftrag gefährdet sei das berufliche Schulwesen sich selbst zu überlassen werde (SPÖTTL 2003, 123). Hier deutet sich ein Spannungsfeld zwischen Deregulierung und Regulierung an, in dem sich die Gestaltung beruflicher Bildung zukünftig vollziehen muss, ohne dabei die Interessen und Bedürfnisse der Lernenden außer Acht zu lassen.
Als ein Beispiel für Privatisierungstendenzen im Bildungsbereich, von denen insbesondere das berufliche Schulwesen betroffen ist, kann die Hansestadt Hamburg gelten: hier wird schon seit 1994 ein "Neues Steuerungsmodell" praktiziert, das eine neue organisatorische Struktur des Lernens zur Folge hat. In diesem Rahmen wurden Managementkonzepte auf den Staat übertragen, es wurden Maßnahmen der Organisationsentwicklung und des Personalmanagements an Schulen eingeführt. Dazu gehört auch die Budgetierung der Schulen, wobei insbesondere an Berufsschulen bereits seit 1997 eine "erweiterte Selbstbewirtschaftung" vollzogen wird (vgl. BETHGE 2002). Zur Zeit liegen in Hamburg Pläne für eine umfassende Neuordnung der schulischen Berufsbildung vor. Im Rahmen eines Modells "Stiftung Berufliche Schulen Hamburg" sollen die 48 Hamburger Berufsschulen in branchenspezifische Bildungszentren mit bis zu 4.000 Schülern und 150 Lehrern zusammengefasst werden. Folgende Ziele sollen mit dieser Maßnahme verfolgt werden:

· die Schaffung von neuen Ausbildungsplätzen,
· die Optimierung der Qualifizierung der Auszubildenden für den Arbeitsmarkt zur Sicherung einer dauerhaften Beschäftigung,
· die Sicherstellung einer verbesserten Kundenorientierung der schulischen Berufsbildung,
· die Optimierung der Bildungsgänge der schulischen Berufsbildung,
· die Erhöhung der Verantwortung der Wirtschaft durch Mitspracherechte bei der schulischen Berufsbildung,
· eine Konzentration des Staates auf ministerielle, staatliche und strategische Aufgaben,
· die Förderung der Bereitschaft zu Lebenslangem Lernen,
· die Förderung überfachlicher Handlungskompetenzen junger Menschen,
· die Optimierung der Organisationsformen in der schulischen Berufsbildung,
· der wirtschaftliche Einsatz der schulischen Ressourcen (vgl. BEHÖRDE FÜR BILDUNG UND SPORT 2003).

Ob diese Ziele mit den angestrebten Maßnahmen tatsächlich erreicht werden können, kann allerdings bezweifelt werden. Vor dem Hintergrund dieser Pläne hat sich in Hamburg ein "Bündnis zur Berufsbildung" gegründet mit der Absicht, eine Volksinitiative in den Hamburger Senat einzubringen, um die Einführung des o.g. Modells zu verhindern. Dabei werden folgende Kritikpunkte formuliert: Der Senat habe die Entscheidung zur Privatisierung gegen den Willen der betroffenen Akteure getroffen und die Pläne für das Modell seien hauptsächlich an Vorgaben der Kammern und damit der Arbeitgeberinteressen orientiert. Daraus leitet das Bündnis für Berufsbildung ab, dass nur noch "einseitige und marktgerechte" Inhalte vermittelt würden und "Bildung zur Ware" degradiert werde, wobei die Kosten weiterhin durch den Steuerzahler getragen würden. Es stehe darüber hinaus zu befürchten, dass die Einführung des Modells in Hamburg ein Präzedenzfall für die vollständige Privatisierung des Bildungssystems sein könne (vgl. www.bildung-ist-keine-ware.de ).
Bezogen auf die Veränderungen im berufliche Schulwesen kann festgestellt werden, dass die Beantwortung der Frage, ob sich der Staat mit der Zusammenfassung und Privatisierung von Berufsschulen seiner Verantwortung entzieht, letztlich von dem jeweiligen Grad der angestrebten Privatisierung abhängt. Insgesamt sind deutliche Tendenzen zu verzeichnen, die den Staat sukzessive aus seiner politischen und finanziellen Verantwortung entlassen. Begründet werden die entsprechenden Deregulierungsmaßnahmen damit, dass die staatlichen Steuerungsmechanismen eine Anpassung an aktuelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen durch die geringe Flexibilität einer langsamen Bürokratie nicht zulassen.
Zusammenfassend kann für alle drei Entwicklungen, die hier skizziert wurden, festgestellt werden, dass es im Zuge der tendenziellen Rücknahme staatlicher Steuerung zunehmend zu einer marktförmigen Ausrichtung in der Berufsbildung kommt. Die Art der Steuerungsrücknahme ist dabei, wie gezeigt wurde, durch unterschiedliche Facetten geprägt, und bezieht sich jeweils mehr oder weniger auf Aspekte der formalen und inhaltlichen Organisation sowie auf die Finanzierung. Während der Staat bisher für den Bereich der Berufsausbildung und dort insbesondere für den schulischen Bereich die direkte Verantwortung übernommen hat, was auch mit direkter Finanzierung von Bund und Ländern einherging, kommt es nun immer häufiger zu indirekter politischer Steuerung. KIRCHHÖFER weist allerdings darauf hin, dass der Rückzug des Staates einschließlich der Kommunen aus der finanziellen Bildungsverantwortung nicht notwendigerweise zu einer Privatisierung und damit auch zu einer einseitigen Interessendominanz führen muss: "Ein sich selbstorganisierender Wettbewerb, eine selbstbestimmte Outputorientierung oder selbstgesteuerte Effektivitätsprüfungen sind auch für staatlich verantwortete Bildungseinrichtungen denkbar, und Stiftungen als öffentlich kontrollierte Träger von Bildung können ein hohes Maß an Partizipation sichern." (KIRCHHÖFER 2002, 80). Allerdings merkt er konsequenterweise an, dass eine derartige Entlastung des Staates wiederum der Regelung von Rahmenbedingungen staatlicherseits bedürfe, um Vergleichbarkeit und Zugangssicherung zu gewährleisten. Vorstellbar sind für ihn "Mischformen" staatlicher, öffentlicher und privater Verantwortung. Aus berufspädagogischer Perspektive ist diesbezüglich jedoch festzuhalten, dass diese in der sozialen Realität gerade entstehenden Mischformen von den sozialen Akteuren, d.h. dem Staat und den jeweiligen Interessengruppen, den Betroffenen selbst und einer anwendungsorientierten Begleitforschung so gestaltet werden müssen, dass die Rahmenbedingungen trotz Wettbewerb die Chancengleichheit der Individuen sichern und Bildungszugänge und Durchlässigkeit des Systems regeln.

4 Strukturveränderungen und sozialer Gestaltungsbedarf

Auffällig ist, dass im Zuge der aktuellen Entwicklungen Prozesse gleichzeitig ablaufen, die eigentlich gegenläufige Entwicklungen kennzeichnen und insofern in einem dialektischen Verhältnis zueinander stehen: so erfordert z.B. gerade der Trend zur Globalisierung eine Entwicklung zur Regionalisierung. Jede Entgrenzung und Dezentralisierung hat gleichzeitig eine Zentralisierung und damit auch wieder Begrenzung zur Folge, Deinstitutionalisierungen führen zu neuer Institutionalisierung. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass jede Strukturveränderung im Sinne einer Deregulierung notwendigerweise einen erneuten Strukturaufbau im Sinne einer Regulierung erfordert.
Diese zunächst widersprüchlich anmutenden Phänomene lassen sich auf abstrakter Ebene in systemtheoretischen Kategorien mit dem Verhältnis von "Strukturen" und "Prozessen" erklären. Nach Luhmann setzen sich diese beiden Kategorien wechselseitig voraus, denn "Strukturierung ist unter anspruchsvolleren (nicht rein zufallsbestimmten) Bedingungen ein Prozess und Prozesse haben Strukturen." (LUHMANN 1996, 73) Wenn sich in Entwicklungsprozessen Strukturveränderungen ergeben, dann bedeutet dies neben dem Abbau der alten Strukturen immer zugleich auch den Aufbau neuer Strukturen. Jede Strukturänderung setzt damit gleichzeitig Stabilität und Selbsterhaltung sowie auch Destabilisierung der Strukturen voraus. Paradoxerweise brauchen soziale Systeme, um flexibel reagieren zu können, ein hohes Maß an struktureller Instabilität und müssen diese Instabilität als Voraussetzung für Flexibilität laufend selbst reproduzieren. Ein wesentliches Problem besteht in diesem Zusammenhang allerdings darin, dass Strukturänderungsprozesse auf Zufälle angewiesen sind, da sie sich nicht vorgreifend an Resultaten orientieren können.
Für den Bereich der Berufsbildung sind diese Entwicklungen und Phänomene konkret zu beobachten. Regionale Berufsbildungszentren können als ein Beispiel dafür gelten, dass sich im Zuge des Abbaus der Regulation durch den Staat neue Regulierungsformen herausbilden. Während auf der einen Seite normative Steuerungsmechanismen zunehmend abgebaut werden, kommt es auf der anderen Seite zu neuen Regulationsformen, deren Regeln durch die sozialen Akteure in der Kooperation konstruiert werden (vgl. BÜCHTER/GRAMLINGER 2002). In diesem Zuge entstehen auch neue Lernkulturen, veränderte Formen der Kooperation und auch neue Formen der Interessenregulation: "Es bilden sich offensichtlich funktional ausdifferenzierte Lernkulturen mit polyzentrischen Institutionen heraus, wobei unter bestimmten arbeitsmarktpolitischen Perspektiven diese Institutionen ein ähnliches Beharrungs- und Behauptungsstreben entwickeln wie traditionelle Bildungsinstitutionen." (KIRCHHÖFER 2002, 79).
Diese neuen Institutionen, die aus den indirekten Formen der politischen Steuerung hervorgehen, erfordern also ihrerseits neue Konzepte der Strukturbildung und der Steuerung. Dies gilt zum einen in regionaler Perspektive für die Kooperation zwischen den beteiligten Institutionen und Organisationen. Zum anderen müssen die Strukturbildungsprozesse im Sinne einer Organisationsentwicklung aber auch nach innen gerichtet werden. Als ein neues Konzept der Organisation von Berufsbildung im regionalen Kontext, das beide Aspekte berücksichtigt, gelten seit einiger Zeit Netzwerke. BADER (2002) verweist darauf, dass "in Erwartung weiter steigender Innovationsdynamik in einer ‚Wissensgesellschaft' ... davon auszugehen [ist], dass berufliche Aus- und Weiterbildung nur in ‚Berufsbildungsnetzwerken' ihre Leistungsfähigkeit erhalten bzw. diese ausbauen kann." (3, Hervorhebungen im Original) Vernetzte Lernstrukturen sind zur Zeit offensichtlich politisch gewünscht, denn die Bildung von Netzwerken wird von staatlicher Seite durch das Konzept der Regionalisierung auch in der Berufsbildung unterstützt und durch Maßnahmen des BMBF sowie der Europäischen Union intensiv gefördert (Vgl. hierzu den Überblick bei DIETTRICH/JÄGER (2002)).

5 Regionalisierung durch Netzwerkbildung

Nach FAULSTICH (2002) kann Regionalisierung als ein staatliches Modernisierungskonzept gelten, das darauf zielt, die Region als Referenzrahmen für Politikgestaltung zu begreifen. Statt einer hierarchischen staatlichen Steuerung wird hier der flexiblen Kooperation zwischen staatlichen, kommunalen und gesellschaftlichen Akteuren Vorrang eingeräumt. Für Erfahrungen mit der Regionalisierung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung stehen beispielhaft auch die Entwicklungen in Ostdeutschland. Sie können als Vorbild dafür gelten, wie in gesellschaftlichen Umbruchsituationen mittels direkter und indirekter staatlicher Steuerung eine neuartige Mischung von Arbeitsmarkt-, Sozial- und Bildungspolitik hervorgebracht wurde, die inzwischen auch als Ressource der Regionalgestaltung wirkt (KIRCHHÖFER weist darauf hin, dass somit "neben vielen destruktiven und demotivierenden Momenten ... die Umgestaltung der ostdeutschen Bildungslandschaft möglicherweise auch Elemente zukünftiger Gesellschaftspolitik" enthält (KIRCHHÖFER 2002, S. 70). Als ein gelungenes Beispiel dafür können u.a. die Aktivitäten des Qualifizierungswerk Chemie (QFC) in Halle gelten, vgl. dazu eine Expertise im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, DIETTRICH/HEIMANN/MEYER 2003. ). Ausbildung und Weiterbildung sind in diesem Prozess nicht mehr zu trennen, die Grenzen verfließen. Institutionell findet diese Entgrenzung auch in den regionalen Berufsbildungszentren ihren Ausdruck, insbesondere wenn diese als Weiterbildungsanbieter auftreten. Im Folgenden werden diese neuen Kooperationsformen unter dem Aspekt der zunehmenden Marktausrichtung und Ökonomisierung der beteiligten Bildungsinstitutionen thematisiert.

Regionale Berufsbildungsnetzwerke können nach PÄTZOLD als eine Erweiterung von traditionellen Formen der Lernortkooperation gelten. Dabei handelt es sich um das "technisch - organisatorische und pädagogische Zusammenwirken des Lehr- und Ausbildungspersonals der an der Berufsausbildung beteiligten Lernorte" (vgl. 2003, 72). Wie auch in der Lernortkooperation sind unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit möglich, die in der Intensität von gegenseitigem Erfahrungs- und Informationsaustausch über die Abstimmung des pädagogischen Handelns bis zur Planung und Verfolgung gemeinsamer Vorhaben reichen (vgl. PÄTZOLD/WALDEN 1999). Insofern können regionale Berufsbildungszentren auch als eine institutionalisierte Form von Lernortkooperation gelten. Die Integration bezieht sich hier jedoch nicht nur auf die Verschränkung der Lernorte, sondern auch auf die Integration von Theorie und Praxis, von Prozessen der Aus- und Weiterbildung, auf die Möglichkeit der Integration unterschiedlicher Berufsfelder, auf die Option zu generationenübergreifendem Lernen u.ä. Problematisch kann in diesem Zusammenhang der hohe Steuerungsaufwand sein, denn aus der Lernortforschung ist bekannt, dass Kooperationen nur mit einem erheblichen persönlichen Engagement der handelnden Akteure gelingen kann. Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass die Vernetzung von Lernorten strukturell, personell und didaktisch-methodisch zu organisieren ist. Lernorganisatorisch geht es z.B. darum, die Abfolge und zeitliche Belegung der beteiligten Lernorte zu planen. In personaler Hinsicht sind die Qualifikationen des Aus- und Weiterbildungspersonals aufeinander abzustimmen. Eine intensive Kooperation des Bildungspersonals zentraler Lernorte mit ausbildenden Fachkräften an dezentralen Lernorten und mit dem Personal der jeweiligen Abteilungen ist in diesem Rahmen unerlässlich (vgl. DEHNBOSTEL 2003).

Im Rahmen des Diskurses zu Kompetenzzentren und Regionale Berufsbildungszentren fällt auf, dass diese häufig mit Netzwerken gleichgesetzt werden. Zutreffend ist, dass der Aspekt der Regionalisierung beide Organisationsformen vereinen kann. Allerdings erfüllen Regionale Berufsbildungszentren, wie das oben angeführte Beispiel von Hamburg auch zeigt, zentrale Merkmale von Netzwerken in der beruflichen Bildung gerade nicht: ein wesentliches Merkmal für das Zustandekommen der Netzwerke, nämlich das Prinzip der Freiwilligkeit, wird hier nicht eingelöst und kann somit zu "Netzwerkversagen" führen: "Denn die so entstehenden Arrangements beruhen nicht mehr alleine auf selbstgeleitetem Austausch. Sie werden zum Teil durch institutionelle Regelungen konstituiert, die für die Akteure entweder ökonomisch vorteilhaft oder formell vorgegeben und somit verbindlich sind ..." (vgl. FAULSTICH 2001, 229) Insofern ist die Bildung der Netzwerke hier selbst als ein politischer Akt zu verstehen, wenn auch ein von außen gesteuerter. Dies widerspricht allerdings dem Netzwerkgedanken, denn "echte" Netzwerke sind hierarchiefrei und agieren auf der Basis wechselseitigen Vertrauens.

Es ist insofern davon auszugehen, dass Regionale Berufsbildungszentren, unter anderen als den gegebenen politischen Voraussetzungen, möglicherweise als Qualifizierungsnetzwerke in einer Region fungieren und somit auch einen nachhaltigen Beitrag zu regionaler Strukturpolitik leisten könnten. Bei einem solchen Qualifizierungsnetzwerk handelt es sich nach DOBISCHAT (1999) um einen Zusammenschluss von regionalen Einrichtungen (z.B. Betrieben, Bildungsträgern, Kammern u.ä.), die gemeinsam das Ziel der besseren Ausschöpfung der regionalen Aus- und Weiterbildungsressourcen verfolgen und deren Weiterentwicklung betreiben. Das Netzwerk kann in diesem Rahmen mehr oder weniger formalisiert sein, wobei die Struktur sich entlang der spezifischen Interessenlagen im Verlauf des Kooperationsprozesses ergibt. In diesem Rahmen kann eine Koordination der Aus- und Weiterbildungsaktivitäten auf verschiedenen Handlungs- und Gestaltungsfeldern ermöglicht werden: z.B. Bedarfsermittlung, Angebotsplanung und Herstellung von Markttransparenz, Curriculumentwicklung, Lern- und Bildungsberatung, Qualitätssicherung, Professionalisierung des Personals und Lernortkooperationen. Durch diese Form der Zusammenarbeit könnten auch die Transaktionskosten auf der Nachfragerseite erheblich gesenkt werden (ebd., 106). Flankierende Maßnahme zum Aufbau eines solchen Netzwerkes könnte ein reines Kontaktnetzwerk von Bildungsverantwortlichen und Personalentwicklern sein. Dabei handelt es sich um regionale Erfahrungsaustauschgruppen mit speziellen Seminar- und Vortragsangeboten, Newsletter, Hotline-Beratung, die Installierung einer Kontaktplattform oder gemeinsame Firmenbesuche sein (vgl. KAILER 1994).

In der Literatur werden strategische von regionalen Netzwerken unterschieden, wobei die regionalen in der Regel nur kleine und mittlere Unternehmen umfassen und durch ein hohes Maß an Selbstorganisation gekennzeichnet sind (vgl. zusammenfassend ELSHOLZ 2003). Darüber hinaus werden als eine weitere Form "soziale Netzwerke" identifiziert, wobei allerdings zu fragen ist, ob nicht alle Formen, in denen Akteure miteinander kooperieren, als "sozial" bezeichnet werden können und damit der Definition sozialer Netzwerke unterliegen, die durch "lockeres Verknüpfen eigenständiger und differierender Einheiten zu einer für alle Beteiligten vorteilhaften Beziehungsstruktur auf der Basis einer hierdurch aktivierten Gemeinsamkeit" (vgl. SCHÄFFTER 2002, 11) entstehen.

Auf die Netzwerke, die sich im Zuge der Diskussion um die Bildung regionaler Berufsbildungszentren aktuell etablieren sollen, treffen die Kriterien fast aller Netzwerktypen zu, die in der Netzwerkforschung identifiziert wurden. Sie sind regionale Netzwerke, weil sie regional begrenzt sind und zur Strukturentwicklung der Region beitragen sollen. Sie sind als Netzwerke soziale Konstrukte und damit auf Vertrauen und gegenseitige Rücksichtnahme angewiesen. Und sie sind strategische Netzwerke, weil sie aufgrund der neuen indirekten politischen Steuerung auch auf die Durchsetzung von Marktinteressen zielen. Als problematischer Aspekt könnte sich in diesem Zusammenhang erweisen, dass die Marktausrichtung, die damit notwendigerweise einhergehende Konkurrenz und der Zwang zur Ökonomisierung, wie im Folgenden gezeigt wird, dem ursprünglichen Netzwerkgedanken widersprechen.

6 Marktausrichtung in der Berufsbildung

Wie Weiterbildungsträger erfahren auch Regionale Berufsbildungszentren als Qualifizierungsnetzwerke gegenüber der traditionellen Berufsschule eine institutionelle und organisatorische Neuausrichtung und müssen sich einerseits am Markt gegen die Konkurrenz von anderen Bildungsträgern etablieren und durchsetzen und sie müssen andererseits gleichzeitig mit ihnen kooperieren. Dies schließt auch die strategische Entwicklung einer Geschäftspolitik durch Marketingstrategien von der Angebotsorientierung zu einer Dienstleistungsorientierung mit Bezug zu anderen Betrieben in der Region ein. Dazu gehört auch ein erweitertes und auf die nachfragenden Betriebe und Personen zugeschnittenes Beratungs- und Weiterbildungsangebot, das sich an modernen Managementtechniken sowie an arbeitsprozessorientierten Qualifizierungsformen orientieren soll (vgl. DOBISCHAT 1999, 102).
Regionale Kompetenzzentren müssen sich insofern dem Markt stellen. Dazu gehört, dass sie sich an den spezifischen Bedürfnissen ihrer Kunden orientieren und ihr Leistungsangebot individualisieren müssen. In diesem Prozess entsteht auch die neue Funktion eines Bildungsberaters oder Bildungsmanagers, der arbeitsorganisatorisch und -rechtlich bei einem Bildungsträger bzw. an ein Kompetenzzentrum angebunden sein kann, der aber auch als "Freier" vermittelnd auf dem Markt tätig werden kann und die Aktivitäten zwischen Bildungsanbieter und Unternehmen bzw. Beschäftigten und Institutionen koordiniert.

Als beispiel- und möglicherweise auch vorbildhaft für die Marktausrichtung von Bildungsinstitutionen kann die Entwicklung der Volkshochschulen in Deutschland angeführt werden, die den Prozess der Privatisierung und damit auch der Ökonomisierung in den letzten Jahre schon durchlaufen haben (vgl. BASTIAN 2002). Bis Anfang der 1980er Jahre hatten die VHS das Weiterbildungsmonopol für allgemeine, berufliche, kulturelle und politische Bildung. Es gab eine reine Angebotsorientierung, Maßnahmen zur Teilnehmergewinnung spielten nur eine untergeordnete Rolle. Dann führten unterschiedliche Entwicklungen zu Entgrenzungen auf dem Weiterbildungsmarkt: es entstand Konkurrenz durch andere Träger, es erfolgte eine Entbindung der Vermittlungsprozesse an institutionelle Orte, selbstgesteuertes und selbstorganisiertes Lernen nahm zu, die Ansprüche der Abnehmer veränderten sich und es erfolgte eine Abkehr von der staatlichen Institutionenförderung. So kam es in regional unterschiedlichen Ausprägungen zu einer Ökonomisierung des Volkshochschulwesens, wobei in diesem Prozess Weiterbildung als Dienstleistung verstanden wurde und die Adressaten zu Kunden wurden. Im Zuge dieser Entwicklungen wurden auch Organisationsentwicklungsprozesse angestoßen, die von der Einführung von Personalentwicklung bis zu Strategien der Corporate Identity (im Sinne von Programmplanung und Leitbildentwicklung) reichten. BASTIAN weist darauf hin, dass mit diesem Prozess auch eine Überprüfung der erwachsenenpädagogische Professionalität einherging, da sich insbesondere die Arbeitsbedingungen des Personals im Zuge der beschriebenen Regorganisationsprozesse deutlich verändert haben. Dies ist angesichts aktueller Entwicklungen - wie oben schon angedeutet - für den Bereich der Beruflichen Bildung auch zu erwarten.
Mit Rekurs auf eine Diskussion, die aktuell im Bereich der Industriesoziologie geführt wird, sollen im Folgenden kurz einige Konsequenzen der angestrebten Marktausrichtung in der Berufsbildung unter den aktuellen ökonomischen Bedingungen reflektiert werden. Eine interdisziplinäre Perspektive bietet sich hier insofern an, als dass die Marktsteuerung, die dem ökonomische Sektor unter kapitalistischen Wirtschaftsbedingungen immanent ist, inzwischen selbst für den industriellen Produktionssektor zunehmend problematisiert wird, obwohl die Marktorientierung als konstitutives Element moderner Arbeitsorganisation gelten kann. Für den Bildungssektor ist zu erwarten, dass dieselben Probleme hier in verschärfter Form auftreten werden.

Die empirische Beobachtungen im industriellen Sektor verzeichnen nach den Modernisierungen der letzten Jahre ebenfalls gleichzeitig ablaufende Entwicklungen die zunächst widersprüchlich anmuten: zum einen ist eine deutliche Retaylorisierung der Arbeitsorganisation, aber zum anderen auch eine sich konstituierende Tendenz zur Erneuerung zu beobachten. DÖRRE (2003) konstatiert einen permanenten Restrukturierungswettbewerb der Unternehmen, der durch den Sachzwang der Marktorientierung hervorgerufen wird, und der von den Beschäftigten ständig neue Optimierungsleistungen erfordert: "Diese ‚Rationalisierung in Eigenregie' entpuppt sich als unendlicher Prozess." (ebd. 9) Während diese Art des reflexiven Managements, das den Zwang zur Selbstrationalisierung einschließt, früher nur die obersten Führungsebenen betraf, gilt es heute im Kontext modernisierter Arbeitsbeziehungen für alle Arbeitnehmer. Diese Situation hat zunehmend auch Auswirkungen auf die interessenpolitischen Konstellationen. Während z.B. die Arbeit in den neuen Sektoren (wie IT und Medien) lange Zeit als mitbestimmungsfrei galt, scheint sich auch hier ein Wandel zu vollziehen, da viele Angestellte offensichtlich nicht mehr in der Lage sind, ihr Arbeitsvolumen in der Regelarbeitszeit zu bewältigen. Darüber hinaus kommt es auch zu neuen Kontrollformen: "Zur Funktionsweise des marktzentrierten Kontrollmodus gehört die Versachlichung von Zwang und Anonymisierung von Herrschaft" (ebd. 20), wobei nicht mehr die persönliche Verantwortung von Eigentümern und Führungskräften zählt, sondern diese auf den einzelnen Arbeitnehmer verlagert ist. Es gibt gute Gründe, zu vermuten, dass sich derartige Entwicklungen auch im Bereich der Berufsbildung fortsetzen werden, wenn zunehmend unter dem Einfluss von Marktzwängen gearbeitet wird, zumal das pädagogische Personal durch die Marktorientierung mit neuen Anforderungen konfrontiert wird, die eher betriebswirtschaftliche Qualifikationen erfordern. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Verstetigung von Konkurrenz wiederum marktkompatible Konkurrenz erzeugt und somit ein nicht endender Wettbewerb herrscht.

Marktausrichtung heißt also auch für die Institutionen der Berufsbildung, sich an den Prozessen, die im Markt ablaufen, zu orientieren und sowohl die interne Organisationsentwicklung wie auch die externen Strategien daran auszurichten. Allerdings begibt sich die Institution und erst recht das Netzwerk in einen dialektischen Widerspruch, wenn es in dieser Form am Markt (re-)agieren will. Denn die Ausrichtung am Markt, die damit verbundene Prozessorientierung, die auch ein hohes Maß an Flexibilität beinhaltet, steht im Gegensatz zu langfristiger strategischer Planung und Zielorientierung. Bei der strategischen Planung werden Ziele gesetzt und meist werden die Wege zur Zielerreichung vorbestimmt. Die kurzfristige Orientierung an den Prozessen des Marktes hingegen erfordert notwendigerweise Flexibilität, Kontingenz und die Option zur Korrektur, wobei auch die Offenheit für nicht vorhersehbare Auswirkungen und Nebeneffekte mitgedacht werden muss (vgl. BECKER/LANGOSCH 1995, 48).

7 Berufsbildungsnetzwerke und Marktzwang

Bezogen auf die normative Prämisse der Kooperation von Bildungseinrichtungen in Netzwerken, die sich geradezu zwingend aus den geschilderten Maßnahmen der Deregulierung und der Regionalisierung in der beruflichen Bildung ergibt, lässt sich vor dem Hintergrund des zunehmenden Marktzwanges ein Widerspruch feststellen. Dieser Widerspruch deutet sich darin an, dass Netzwerken in der Literatur aus pädagogischer Sicht auf der einen Seite zugesprochen wird, eine Alternative zum freien Markt zu bilden, gerade weil sie grundsätzlich anderen Regulierungsformen unterliegen, dass sich die Netzwerke aber andererseits aber ihrerseits unter Marktbedingungen behaupten müssen und seinen Steuerungsmechanismen unterliegen.
In bildungsökonomischer Perspektive verweist Faulstich darauf, dass es sich erwiesen habe, dass für den Weiterbildungssektor "weder der Markt, als Form individueller Unternehmens- und Käuferentscheidungen, noch ein hierarchisch steuernder Staat erfolgreich sein können" (FAULSTICH 2002, 193). Insofern geht er davon aus, dass Netzwerke "konzeptionell die alte (ideologisch begründetet und daher polarisierte) Diskussion über ‚Markt' oder ‚Staat" als Regelungseckpfeiler der beruflichen Weiterbildung aus ihren festgefahrenen Gleisen bringt" (ebd. 230). Auch BENZENBERG beschreibt, dass "Qualifizierungsnetzwerke als Alternative zu den extremen Koordinationsformen freier Markt und staatlicher Hierarchie akzentuiert und als eine Mischform marktlicher und hierarchischer Koordination charakterisiert [werden], um darauf aufbauend auch einen qualitativ anderen Typus von Sozialstruktur zu repräsentieren, welcher auf der einen Seite das für Märkte typische Vorhandensein einer Vielzahl von autonom Handelnden und auf der anderen Seite die für Hierarchien typische Fähigkeit, gewählte Ziele durch koordinierte Handlungen zu verfolgen, darstellt" (BENZENBERG 1999, 250). Wenn man die Funktionsmechanismen, die den jeweiligen Kategorien Markt und Netzwerk zugesprochen werden, näher betrachtet, dann ist festzustellen, dass es offensichtlich unterschiedliche Qualitäten sind, die als grundlegend für die jeweilige Organisationsform gelten können. Die folgende Tabelle verdeutlicht diese Unterschiede:

Tabelle 1: Funktionsmechanismen in Märkten und Netzwerken
(nach Weyer 2000, 7)

Wenn man allerdings, wie hier für den Bereich der Berufsbildung gezeigt wurde, in Betracht zieht, dass z.B. Weiterbildungsträger oder Regionale Kompetenzzentren, die als Netzwerkpromotor fungieren oder in solche eingebunden sind, sich zunehmend am Markt behaupten sollen und müssen, dann deutet sich für den Bereich der Berufsbildung ein Widerspruch zu der These an, dass Netzwerke den Markt als Koordinationstyp ablösen. Zu vermuten ist in diesem Fall eher, dass sie ihn befördern, was zum Teil - wie gezeigt wurde - sogar intendiert ist. Die Netzwerke, die sich in der beruflichen Bildung etablieren sollen, lassen sich den Kategorien der Netzwerkforschung nicht eindeutig zuordnen: sie sind strategische Netzwerke, weil sie deutlich auf die Durchsetzung von Marktinteressen zielen, sie sind regionale Netzwerke, weil sie regional begrenzt sind und sie sind soziale Konstruktionen und damit auf Vertrauen und gegenseitige Rücksichtnahme angewiesen.
DÖRRE (2003) verweist darauf, dass es sich auch bei Märkten um soziale Konstruktionen handelt, wobei die Machtrelation und Spielregeln im Wesentlichen von den marktbeherrschenden Unternehmen geprägt sind. Markt und Netzwerk scheinen insofern kompatibel. Durch habitualisierte Praktiken erfolgt eine Bündelung sozialer Interessen, wobei die Akteure in verschiedenen Teilfeldern auf der Grundlage ihrer eigenen Interessen relativ autonom handeln und so eine Vielzahl von Praxisformen hervorbringen (14). Hinzu kommt jedoch, dass sich im ökonomischen Feld die Handlungsstrategien der Akteure nicht allein auf Mehrung und Verteilung ökonomischen Profits richten, sondern dass es "stets ... es auch um die Akkumulation von sozialem, kulturellem und symbolischem Kapital" gehe und insofern auch um sozialen Status, um die Besetzung von Positionen, um persönliche Anerkennung, Macht und Einfluss (ebd. 15). Veränderungsstrategien treffen insofern immer auf eine Vielzahl von Interessen und Habitusformen, Denkmuster und Deutungsschemata, die ihrerseits eine große Beharrungskraft haben.

Während HOWALDT (2002, 410) davon ausgeht, dass Netzwerke gerade aufgrund der auf Vertrauen gegründeten Arbeitsbeziehungen ohne Markt und Hierarchie auskommen müssen, bezeichnet BENZENBERG diese als "Organisationsform der Transition ..., die typischerweise in labilen Suchprozessen auftreten". Und er folgert: "Dass sich dieser Suchprozess im Bereich der betrieblichen/beruflichen Weiterbildung unter marktförmigen Bedingungen (Weiterbildung als freier Markt?) ausprägt, ist mittelfristig unwahrscheinlich ..." (246). Vor diesem Hintergrund erscheint es zumindest fragwürdig, wenn nicht sogar kontraproduktiv, wenn der Staat auf der eine Seite durch die Rücknahme der staatlichen Steuerung den Bereich der Aus- und Weiterbildung zunehmend einer Marktsteuerung überlässt und auf der anderen Seite Netzwerke finanziell in umfassenden Förderprogrammen unterstützt.

Es wird sich zeigen, wie die Herausforderungen, die sich aus der Gleichzeitigkeit von Deregulierung, Regionalisierung und marktförmiger Organisation in der in der Praxis der beruflichen Bildung ergeben, erfolgreich umgesetzt werden können. Anzustreben ist jedoch aus berufs- und wirtschaftspädagogischer Perspektive, dass Netzwerke in der beruflichen Bildung nicht allein der Marktsteuerung überlassen werden. Welche Konsequenzen sich zukünftig auch für die sozialen Akteure, insbesondere das pädagogische Personal und die Bildungsabnehmer ergeben, sollte im Rahmen einer kritischen Berufsbildungswissenschaft thematisiert werden.

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