wbv   Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.

 

 

 

WOLFGANG SEYD (Universität Hamburg)

Betriebliche Rehabilitation - Ergänzung oder Ersatz außerbetrieblicher Rehabilitation?

Aus der Diskussion um die Situation und die Perspektive beruflicher Rehabilitation behinderter Jugendlicher ragen derzeit sechs Themen heraus:

•  die Strukturverantwortung der Bundesagentur für Arbeit , sowohl von der Sache als auch von deren Ausgestaltung her (in einem Bericht für den Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit vom 1.4.04 finden sich zwar ein eindeutiges Bekenntnis, aber auch eine Fülle von Einschränkungen, betreffend die Teilnehmerzahl, Ergebnisqualität und die Abschaffung institutioneller Förderung),

•  die Betonung der Wohnortnähe als wichtige Rahmenbedingung erfolgreicher Rehabilitation und Integration (vgl. dazu das entsprechende Themenheft 1 der Zeitschrift "Berufliche Rehabilitation" aus dem Jg. 2001, u.a. SEYD 2001),

•  die künftige Gestaltung der "Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen" (siehe hierzu das Fachkonzept der Bundesagentur für Arbeit vom November 2003),

•  die Sicherung der Ergebnis-, Prozess- und Strukturqualität bei den Leistungserbringern durch Qualitätsstandards (die Rehabilitationsträger und Leistungserbringer gem. § 20 und § 35 SGB IX vereinbaren müssen),

•  die Einschaltung einer Steuerungsperson, bezeichnet als "Bildungsbegleiter" oder "Case manager" (GÖBEL 1999; MEHRHOFF 2004; WENDT 2001; BAR 2003; SEYD/BRAND 2004), und schließlich

•  die Flexibilisierung des Leistungsangebotes durch betriebliche, betriebsnahe oder betriebsförmige Bildungsmaßnahmen (siehe dazu den entsprechenden Forschungsbericht des Instituts für empirische Sozialforschung - IfeS -; vgl. FAßMANN et al. 2003).

Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf das Thema Nr. 6.

1.  Warum ist das Thema heute so populär?

Es mögen wohl fünf Hoffnungen sein, die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung als fachlich zuständigem Ministerium und der Bundesagentur für Arbeit als Hauptkostenträger auf betriebliche Rehabilitation gerichtet werden und damit das große Interesse an einem Voranbringen in quantitativer wie qualitativer Hinsicht begründen:

•  Es werden didaktische Vorteile "authentischer" betrieblicher Ausbildung gegenüber oft als "künstlich" eingeschätzten Praxisausbildungsplätzen konstatiert.

•  Es wird eine höhere Teilhabequote nach Abschluss der Ausbildung erwartet.

•  Betriebliche Rehabilitation gilt allgemein als mit geringerem Kosteneinsatz zu betreibende Alternative zu relativ teuren außerbetrieblichen Maßnahmen.

•  Niedrigere Kosten und höhere Integrationsquote machen Rehabilitation wirtschaftlicher .

•  Eine Verlagerung der Rehabilitandenströme von den Berufsbildungs- und Berufsförderungswerken ebenso wie den sonstigen Reha-Einrichtungen und sonstigen Bildungsträgern in Betriebe würde Kapazitäten freiräumen , die für eine mindestens bis 2008 noch wachsende Population dringend benötigt werden.

2.  Wie steht´s derzeit um betriebliche Rehabilitation?

Die Realität sieht erheblich nüchterner aus als es die relativ hochgesteckten Erwartungen nahelegen. Zwar hat die Bundesagentur für Arbeit ihren Haushaltsansatz für das Jahr 2004 gegenüber dem Vorjahr noch einmal erheblich aufgestockt - von rund 3 Mrd. auf 3,3 Mrd. € -, will aber zugleich die Teilnehmerzahl auf rund 100.000 einfrieren. Zugleich wird intern der Druck auf den Reha-Bereich erhöht, wie in der Fort- und Weiterbildung (sogenannter FbW-Bereich) Eingliederungsquoten für Maßnahmen vorzugeben, was sich bekanntlich als ausgesprochen "erfolgreich" im Sinne einer erheblichen Reduktion von Neueintritten (innerhalb von 3 Jahren von 370.000 auf 120.000 gedrosselt) und damit einer deutlichen Haushaltsentlastung niedergeschlagen hat.

Dass die Betriebe in großem Umfange für die Ausbildung behinderter Jugendlicher zurückgewonnen werden, lässt sich statistisch durch nichts belegen. Vielmehr zeigen die Daten, dass sich Betriebe systematisch aus der Verpflichtung zur Ausbildung eben auch behinderter Jugendlicher zurückgezogen haben. Waren sie im Jahre 1992 noch mit einem Anteil von 28,5 % beteiligt - 22.029 von 77.317 Teilnehmern -, so sind es im Jahre 2002 nur noch 8,9 % = 8.995 von 101.380. Dabei ist der Anteil der Berufsbildungswerke mit 16,0 statt 15,9 % relativ konstant geblieben. Der Strom der ehedem betrieblich Rehabilitierten ist offenbar in Richtung sonstige außerbetriebliche Einrichtungen umgelenkt worden, denn deren Anteil wuchs von 37 % auf 54,2 % (alle Zahlen: FAßMANN et al. 2003, 21 f.).

Auch der Bericht der Bundesregierung zur Lage der schwerbehinderten Menschen in der Bundesrepublik Deutschland vom Juni 2003 zeichnet ein erschütterndes Bild: Ganze 5.500 von 1,1 Mio. Ausbildungsplätzen waren mit schwerbehinderten Jugendlichen besetzt, inzwischen sind es nur noch 4.300, gerade einmal 4 Promille! Es ist wohl nicht von der Hand zu weisen, dass sich viele Betriebe von der Aufgabe, behinderten Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen, zurückgezogen haben. Und nichts spricht derzeit für eine Umkehr dieses Trends!

Die Verknappung des Ausbildungsangebotes bei gleichzeitiger Erhöhung der Nachfrage gibt vielfältige Möglichkeiten zu einer verschärften Bewerberauswahl. Das gilt sogar für behinderte Jugendliche. Im Modellversuch RegiNe, der der Erprobung eines Verbundmodells betriebliche - außerbetriebliche Ausbildung gewidmet ist, hat sich gezeigt, dass nur die Leistungsstärkeren eine Chance haben, festgemacht an den Kriterien niedrigeres Lebensalter, fehlende Verhaltensstörung, geringerer Nutzungsgrad Berufsvorbereitungsmaßnahmen, stabilerer Freundeskreis und förderndes Elternhaus (FAßMANN et al. 2003, 112 ff.). Das ist aber nicht die Population, mit der es Berufsbildungswerke gemeinhin zu tun haben: Jugendliche, die zu den in der PISA-Studie identifizierten sage und schreibe 24 % deutschen Jugendlichen zählen, die nach dem Abschluss der Sekundarstufe I nicht einmal die Voraussetzungen für die Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung mitbringen (RAUNER 2003).

Auf der anderen Seite wachsen die Anforderungen an Ausbildung und Ausbildungsbeteiligte ungebrochen. Der Vergleich von Tätigkeiten in der kaufmännischen Verwaltung eines Wirtschaftsbetriebes heute mit der Situation vor 30 Jahren zeigt:

•  Die Arbeitsplätze sind allesamt mit Computern ausgestattet, gleich ob sie in der Personalverwaltung, im Rechnungswesen, in der Materialwirtschaft, in den Geschäftszimmern, in der Arbeitsvorbereitung, in Kundendienst oder in der Werkstatt angesiedelt sind; JANSEN (2000, 5) hält die "Dynamik der Verbreitung von programmgesteuerten Arbeitsmitteln (für den) wesentlichen technologischen Faktor des Veränderungsprozesses". Nach der BIBB/IAB-Erhebung 1998/99 arbeiten "fast zwei von drei Beschäftigten mit programmgesteuerten Maschinen oder Computern" (ebenda, 7), bald werden es nur noch Arbeitsnischen sein, in denen sich der Computer umgehen lässt.

•  Viele Arbeitsvorgänge sind damit "immaterialisiert" und "entkonkretisiert": Sie stecken sozusagen "im Rechner", sind virtuell angelegt und damit nicht mehr sinnlich wahrnehmbar; der Arbeitstakt wird ebenfalls weitgehend "vom Rechner" bestimmt.

•  Die Zwischenzeiten für informelle Kommunikation sind minimiert, die Arbeit ist weitgehend "verdichtet", Erholungsphasen sind in die Privatsphäre verlagert. 46 % der Befragten in der BIBB/IAB-Untersuchung zu den "Auswirkungen des Strukturwandels auf die Arbeitsplätze" gaben an, dass in den letzten 2 Jahren "Stress und Arbeitsdruck" zugenommen hätten, 42 % attestierten gestiegene "fachliche Anforderungen", 24 % eine erhöhte "körperliche Belastung" (JANSEN 2000, 9).

Aus dieser Entwicklung folgt, dass Ausbildung nicht mehr neben der "normalen" Arbeit geleistet werden kann. Für komplexe Ausbildungsanforderungen wurden in den zurückliegenden Jahrzehnten Korridore geschaffen, in denen sie in Projekt- und Seminarform befriedigt werden können. Schon in den 60er Jahren wurde Ausbildung als "Kostenfaktor" entdeckt, dem Erträge gegenübergestellt werden müssen, um ihn aus der Sicht des einzelnen Ausbildungsbetriebes "rentabel" bleiben zu lassen (WALDEN/HERGET 2002; BEICHT/WALDEN 2002). Setzt man die Erträge von den mit Auszubildenden erzielten Einkünften ab, so ergibt sich eine Nettobelastung in Höhe von 10.486 € (1991) bzw. 10.359 € (2000) (Handwerk: Nettokosten 6.315 € in 1991 und 8.008 in 2000). Die Botschaft lautet: Ausbildung kostet mehr als sie bringt, jedenfalls in der unternehmensbezogenen kurzfristigen Betrachtung (BEICHT/WALDEN 2002, 42 f).

Heute wird nicht einmal in 30 % der Betriebe noch ausgebildet. Das ist keine Folge mangelnder Bereitschaft, sondern nüchterner Kalkulation. Viele Betriebe können sich Ausbildung nicht mehr leisten. Leider trifft das ganz besonders benachteiligte und behinderte Jugendliche. HORSTKOTTE-PAUSCH/STAHMER (2000, 42): "Allein sind die Handwerksbetriebe mit der Ausbildung benachteiligter Jugendlicher allerdings in der Regel überfordert. Der Auftragsdruck lässt kaum Zeit, sich neben der Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten an die Auszubildenden auch noch um individuelle Lernschwierigkeiten oder persönliche Probleme der Jugendlichen zu kümmern."

Um es klar zu sagen: Einen quantitativ erheblichen Entlastungseffekt für die Sozialkassen oder die zuständigen Leistungserbringer wird man jedenfalls in absehbarer Zeit keineswegs erwarten dürfen. Das ändert nichts daran, dass es in Einzelfällen sinnvoll ist, eine betriebliche Rehabilitation einer außerbetrieblichen vorzuziehen und dass es im Allgemeinen aus vielerlei Gründen sinnvoll und geboten ist, die außerbetriebliche Ausbildung in Richtung auf größere Betriebsnähe oder stärkere Betriebsförmigkeit weiter zu entwickeln.

3.  Was spricht für betriebliche, was für außerbetriebliche Rehabilitation?

Unabhängig von den Vorgaben der Bundesanstalt lässt sich bei Berufsberatern seit längerem die Tendenz beobachten, Leistungen, die nicht zu einer Integration in ein Arbeitsverhältnis führen, auch nicht mehr zu bewilligen. Die Nachfragesituation auf dem Arbeitsmarkt können die Träger der Ausbildung nicht ändern; insoweit sind sie auf ihre Anstrengungen zur Qualifizierung und Integrationsunterstützung der Teilnehmer verwiesen. Dabei haben die es mit einer Schwelle zu tun, die für sie nach allgemeiner Einschätzung noch schwerer zu überwinden ist als von den Absolventen betrieblicher Ausbildung (ZIMMERMANN 2002, 30), die ja sozusagen schon einen Fuß im Unternehmen haben. Aber die Bildungsträger können sich dem Sachzwang nicht entziehen, für ein Ergebnis verantwortlich gemacht zu werden, das sie nur mittelbar beeinflussen können. Sie müssen die Startvorteile betrieblicher Rehabilitation durch besondere Anstrengungen kompensieren.

Und das ist auch eingedenk der technischen und organisatorischen Entwicklungen an den betrieblichen Arbeitsplätzen auf der einen und der starken Teilnehmerselektion auf der anderen Seite eine große Herausforderung. Die folgende Tabelle stellt einmal anhand von vier relevanten Kriterien die Vor- und Nachteile der beiden Grundformen betrieblicher - außerbetrieblicher Ausbildung gegenüber:

Tab.1:  Vor- und Nachteile betrieblicher Ausbildung

 

Betriebliche Ausbildung

Außerbetriebliche Ausbildung

Kundenkontakt/ Authentizität

Auszubildende sind ernsthaften Aufträgen ausgesetzt, vorausgesetzt, sie werden auch vollständig und verantwortlich einbezogen (HAHNE 2000, 35). Doch oft kann es sich der Betrieb nicht leisten, Qualitäts­einbußen hinzunehmen und damit den Kunden zu verlieren.

Ist nur bei Fremdaufträgen gegeben. Gefahr des Scheiterns groß, wenn Qualifikation des Auszubildenden noch nicht vorhanden. Ausbilder muss einspringen.

Systematik/
didaktische Kompetenz

Anforderungen des Ausbildungs­rahmenplans und des betrieblichen Leistungsvollzugs müssen aufeinander zugeschnitten werden. Ausbilder wirken meist im "Nebenamt".

Lernprozesse können störungsfrei und präzise auf Ausbildungs­rahmenplan zugeschnitten werden. Ausbilder sind hauptberuflich tätige Fachleute.

Fachtheoretische Durchdringung/
Abstimmung mit Berufsschule

Fällt wegen unterschiedlicher Strukturen und Organisationsformen schwer. Didaktische Parallelität wird selten erreicht.

Ausbildungsrahmenplan und Rahmenlehrplan lassen sich auf der Institutionsebene leichter verzahnen. Persönliche Kontakte zwischen Ausbilder und Lehrern sind leichter herstellbar.

Persönlichkeits­entwicklung

"Bestimmte Arbeitstugenden (Umgang mit Kunden und mit älteren Kollegen, Schnelligkeit, Routine und Praxistricks) können nur in der Realität eines Betriebes erlernt werden" (HORSTKOTTE-PAUSCH/STAHMER 2000, 42).

Ausbilder und Betreuungs­personal kann behutsam auf Teilnehmer und deren besondere Schwierigkeiten eingehen; aber "nach einer alleinigen Ausbildung in einer überbetrieblichen Aus­bildungsstätte wäre der Jugend­liche in der freien Wirtschaft gar nicht einsetzbar." (Einschätzung eines Handwerksmeisters, zit.n. HORSTKOTTE-PAUSCH /STAHMER 2000, 42).

Die Aufgabenteilung fachpraktische Unterweisung im Betrieb, fachtheoretische Durchdringung in der Berufsschule stimmt allerdings schon heute oft nicht mehr, weil sie den tatsächlichen Entwicklungen am Arbeitsplatz, aber auch den didaktischen Erkenntnissen für die Unterrichtsseite (handlungsorientiertes Lernen, Lernfeldorientierung, ganzheitliche und teamgesteuerte Didaktik - vgl. SEYD 1997; SEYD et al. 2000; SEYD/BRAND 2002) nicht mehr Rechnung trägt.

Andererseits ist auch die außerbetriebliche Ausbildung, wenn sie fernab in einem didaktischen "Schonraum" angesiedelt ist, alles andere als zeitgemäß. Ihr fehlen die Anforderungsmomente, die Ernsthaftigkeit; vor allem wollen Jugendliche, wenn sie die als fremdbestimmt empfundene Bürde des allgemeinbildenden Schulunterrichts abgeworfen haben, nicht schon wieder in einen fremdbestimmten schulähnlichen Kontext versetzt werden, in dem ihre Leistung nicht von Kunden, sondern von Lehrkräften abverlangt und gewürdigt wird.

4.  Verbundmodelle - wie "gestrickt"?

"Echte" betriebliche Praxis in "Partnerbetrieben" ist etwas völlig anderes als ausbildungsbegleitende Praktika in "Praktikumsbetrieben". Ein Praktikum lässt sich beschreiben als

•  Kooperationsmuster mit niedrigem Anteil betrieblicher Ausbildung bei eindeutig dominanten außerbetrieblichen Anteilen. Hier erreicht die Partizipation vom zeitlichen und methodischen Gewicht nur ein begleitendes Niveau. Es handelt sich um das derzeitige Standardkonzept in der beruflichen Rehabilitation Jugendlicher, teilweise ergänzt um "Realaufträge" von "echter" Kundschaft und weiter entwickelt durch verlängerte und intensiver vorbereitete, begleitete und evaluierte Praktikumsphasen.

Bei den verzahnten Modellen mit Betriebspraxis findet sich zum einen das Konzept einer weitgehenden Übereinstimmung mit der dualen Erstausbildung, allerdings ergänzt um sozialpädagogische Betreuung und Förderunterricht, wie etwa beim

•  abH-Programm (ausbildungsbegleitende Hilfen gemäß SGB III), finanziert durch die Bundesagentur für Arbeit. Dabei handelt es sich um eine Parallelität, bei der letztlich drei Partner gemeinsam, aber doch inhaltlich und organisatorisch abgegrenzt, die Ausbildung durchführen: Betrieb, Berufsschule und abH-Träger.

Anders hingegen bei den verzahnten Konzepten. Hier lassen sich mit Zimmermann zwei Typen unterscheiden:

•  Typ A ist ein Stufen modell, bei dem die praktische Ausbildung im ersten Jahr beim außerbetrieblichen Träger und in den beiden nachfolgenden Jahren beim Betrieb angesiedelt ist. Der Träger verfügt über pädagogisch qualifiziertes Personal, organisiert und steuert die Verzahnung (auch mit der Berufsschule), bietet sozialpädagogische etc. Betreuung und Förderunterricht; der Betrieb hat den Vorteil, bei Schwierigkeiten mit dem Auszubildenden auf die Unterstützung durch den Träger zurückgreifen zu können bis hin zur "Rückgabe" aus seiner Sicht ungeeigneter Auszubildender (ZIMMERMANN 2002, 31).

•  Typ B ist ein Säulen modell: Der fachpraktische Teil der Ausbildung findet von Beginn an im Betrieb statt; der Träger koordiniert und liefert zusätzliche Betreuung, Beratung, Unterstützung und Förderung zu (ebenda, 32).

5.  Was bieten Verbundmodelle?

Erfahrungen aus den Berufsbildungswerken bestätigen die Erkenntnisse vom BIBB ausgewerteter Fallstudien:

•  Verzahnte Modelle bewirken wegen der Einbindung der Auszubildenden in den betrieblichen Arbeitsalltag "enorme Entwicklungsschübe bei den Jugendlichen" (ZIMMERMANN 2002, 32).

•  Das Säulenmodell entlastet den Träger von Ausbildungsaufgaben, bedarf aber der sorgfältigen Auswahl geeigneter Betriebe "mit pädagogischen Strukturen". Insbesondere in der Anfangszeit müssen die Jugendlichen intensiv betreut werden, damit sie den Übergang von der eher behütenden Schul- oder Vorbereitungsmaßnahmesphäre in den "rauen Alltag" des Betriebes verkraften. Zudem müssen bei ihnen eine gewisse "persönliche Stabilität für die betriebliche Ausbildung und die notwendigen Arbeitstugenden ausreichend vorhanden" sein (ebenda, 33).

•  Das Stufenmodell bietet eine behutsamere Hinführung auf diesen Arbeitsalltag; die Jugendlichen werden ein Jahr lang sorgfältig auf die Anforderungen des Betriebes vorbereitet. Allerdings muss auch hier der Übergang behutsam angebahnt und pädagogisch begleitet werden (BÜCHELE et al. 2004).

Diese Vorteile werden allerdings durchaus mit gewissen Nachteilen "erkauft".

6.  Woran kranken Verbundmodelle?

Insgesamt zeigt sich bei verzahnten Modellen erhöhte Abbruchgefahr; der Zeitgewinn durch die Verlagerung der fachpraktischen Ausbildung in den Betrieb wird beim Träger großenteils durch erhöhten Aufwand für Akquisition, Organisation und Abstimmung aufgezehrt, und das sowohl in inhaltlicher als auch in zeitlicher Hinsicht (z. B. Lage und Ort der Förderstunden, sozialpädagogischen und psychologischen Interventionen sowie der sportpädagogischen Angebote) (ZIMMERMANN 2002, 34; FAßMANN/STEGER 2001, 77). Die mit diesen Schwierigkeiten und einer Einschränkung des Trägerangebotes verbundenen Qualitätseinbußen - zu beachten sind auch die "begrenzten Möglichkeiten für soziales Lernen mit Gleichaltrigen" (FAßMANN/STEGER 2001, 77) - werden jedoch gegenüber den Vorteilen der Authentizität und der Bindungswirkung ("Klebeeffekt") als zweitrangig angesehen (ebenda).

7.  Betriebliche Rehabilitation als Ergänzung oder Ersatz? Ist sie didaktisch oder fiskalisch motiviert?

Verbundmodellen lässt sich aus didaktischer Sicht eine große Zukunft voraussagen. Allerdings: Vor- und Nachteile lassen sich gegenüberstellen; ob sich aber Verbundmodelle sozusagen "am Markt" durchsetzen, steht auf einem anderen Blatt. Und hier ist die Position der Unternehmen entscheidend. Ihre Sichtweise bestimmt den Erfolg.

Bei ihnen finden sich eine Reihe von Einwänden gegen "Verbundausbildung", vor allem, wenn sie selbst noch keine Erfahrungen mit Verbundausbildung gesammelt haben:

•  "Einengung des betrieblichen Handlungs- und Entscheidungsspielraumes durch vertragliche bzw. rechtliche Vorgaben und Regelungen,

•  Unsicherheiten über finanzielle und personelle Konsequenzen,

•  Vorbehalte gegenüber externem Ausbildungspersonal,

•  ...

•  Vorbehalte gegen mögliche Bürokratie und eventuell wachsende Unübersichtlichkeit des Ausbildungsablaufes,

•  zusätzliche Belastung des Ausbildungspersonals durch Abst immungsprobleme" (PAHL 2002, 42).

"Erschwerend kommt hinzu, dass die Lernortkooperation durch die zentralistische Festlegung der Berufsbildungsinhalte sogar behindert wird, weil damit ein wichtiges Motiv für die Zusammenarbeit entfällt. Die wenig ausgeprägte Praxis einer Kooperation der Lernorte steht dabei in deutlichem Gegensatz zu der Bedeutung, die der Kooperation in Sonntagsreden beigemessen wird" (SCHERMER 2000, 2).

Fazit: An einen "Ersatz" außerbetrieblicher durch betriebliche Rehabilitation ist nicht zu denken, bestenfalls an eine Ergänzung, und das nur unter bestimmten, noch darzulegenden Umständen. Didaktische Vorteile müssen mit finanziellen einhergehen, sonst wird auf mittlere Sicht keine Bereitschaft von betrieblichen Entscheidungsträgern erreichbar sein. Auch aus Trägersicht sind heute didaktische Innovationen nur noch dann implementierbar, wenn sie auch finanziell erfolgreich sind, sei es in Form niedrigerer Kostensätze, sei es in Form von Beitragszahlungen, die von den Absolventen bei Erreichen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses geleistet werden und aus der Sicht der Bundesagentur als Trägerin der Arbeitslosenversicherung eine Art Rückfluss eingesetzter Mittel darstellen. Diesen Beweis müssen Verbundmodelle allerdings erst noch erbringen.

8.  Was ist zu tun?

8.1  Bedingungen von Partnerbetrieben respektieren!

Erfahrungen aus Verbundausbildungen bestätigen im Großen und Ganzen die Erkenntnisse aus Modellversuchen und Praktikerbefragungen:

•  Betriebe müssen den Nutzen der Kooperation deutlich erkennen und spüren können (HORSTKOTTE-PAUSCH/STAHMER 2000, 43). Dass sie sich von Vorteilen wie "gezielter Nachwuchsrekrutierung" oder "Befähigung zum erfolgreichen Umgang mit schwierigen Jugendlichen", die SPENLEN optimistisch als Vorteile für die Betriebe kennzeichnet (2001, 15), leiten lassen, lässt sich bislang nicht feststellen. Insbesondere Handwerksbetriebe führen nach wie vor die "sich verschlechternde Ausbildungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler" als Argument für fehlende Bereitschaft zur Bereitstellung von Ausbildungs- und Praktikumsplätzen ins Feld (GATZKY 2001, 17). Da hilft auch die Mahnung an den zu erwartenden "Fachkräftemangel ab 2008" (ebenda) herzlich wenig. "Lernortkooperation findet statt, wenn sie unumgänglich ist oder einen unmittelbaren Vorteil für die Beteiligten bringt" (RAUNER 2000, 48).

•  Betriebe müssen sich darauf verlassen können, bei Problemen unverzüglich und kompetent unterstützt zu werden und im Falle des Scheiterns ihren Auszubildenden in die Obhut der begleitenden Einrichtung (zurück-)geben zu können.

•  Betriebe brauchen feste Ansprechpartner, die ihre Bedarfe kennen und in pädagogischen Fragen hoch kompetent sind.

•  Betriebe haben konkrete Vorstellungen vom Auftreten und von der Ausstrahlung der außerbetrieblichen Betreuer; sie erwarten Vorbildfunktion in Auftreten und Kleidung.

•  Betriebe nehmen finanzielle Anreize gern in Anspruch; ausschlaggebend für ihre Bereitschaft zur Kooperation sind diese indes nicht. An die Verantwortung der Wirtschaft für die Bereitstellung von Ausbildungs- und Praktikumsplätzen zu appellieren und zu beklagen, dass diese nur ungenügend wahrgenommen werden, mag sozialpolitisch sinnvoll sein (SCHIERHOLZ 2001); für die konkrete Gewinnung von Partnerbetrieben sind andere Faktoren ausschlaggebend, und die bringt ein Malermeister auf den Punkt: "Im Praktikum kann ich mir einen Jugendlichen erst angucken und die Zusammenarbeit mit ihm ausprobieren, bevor ich mich entscheide, ihn in die Ausbildung zu nehmen. Vorteilhaft ist auch, dass für mich als Betrieb keine Verpflichtungen entstehen .... Wenn es Schwierigkeiten mit dem Jugendlichen gibt, kann ich mich immer an die Jugendwerkstatt wenden." (zit. bei: HORSTKOTTE-PAUSCH/STAHMER 2000, 43). Zudem gibt es durchaus in bestimmten Regionen eine Konkurrenz um Fördermittel. Viele Arbeitgeber entscheiden sich erst dann für einen Praktikanten von einem außerbetrieblichen Bildungsträger, wenn andere Förderprogramme bereits ausgeschöpft sind (FAßMANN et al. 2001, 59).

Insbesondere die letztgenannte Aussage deckt sich mit den Ergebnissen einer neueren Untersuchung zur Ausbildungsbereitschaft bei handwerklichen Klein- und Mittelbetrieben. Sie kommt im Kern zu dem Ergebnis, dass "die derzeit verstärkt diskutierten hemmenden Einflussfaktoren (auf die Ausbildungsbereitschaft, W.S.)

•  Kosten der Ausbildung,

•  Reife der Auszubildenden und

•  Abwesenheitszeit der Auszubildenden vom Ausbildungsbetrieb

zwar zu den starken Faktoren zählen, sie jedoch jeweils allein nur einen relativ geringen Einfluss ausüben" (BEUTNER 2001, 42). Folgerichtig kommt Beutner zu der Empfehlung, "im Zuge von Maßnahmen zur Förderung der Ausbildungsbereitschaft Maßnahmenbündel anstelle von Einzelmaßnahmen in den Vordergrund der Diskussion zu rücken." Diese Position deckt sich mit Erfahrungen bei der Akquisition von Partnerbetrieben im RegiNe-Projekt (FAßMANN et al. 2003).

8.2  Stufenmodell vorziehen!

Betriebe erwarten von Bildungsträgern, dass sie ihnen Praktikanten liefern, die bessere Voraussetzungen mitbringen als solche Ausbildungsplatzbewerber, die zwar einen Hauptschulabschluss aufweisen, aber kaum noch den allgemeinen Anforderungen an Rechnen, Lesen und Schreiben gerecht werden (KUTSCHA 2001, 42).

In einer Untersuchung - allerdings bei technischen Ausbildungen - zeigte sich leider, dass Lehrlinge im betrieblichen Alltag bei den vier Phasen Auftragsakquisition, -planung,
-durchführung und -auswertung lediglich an der Durchführung, und das i.d.R. auch nicht maßgeblich, beteiligt waren (HAHNE 2000, 34 f.). Hier gilt es behutsam, aber entschieden gegenzusteuern; denn bei allem Verständnis für die berechtigten Ängste vor Fehlleistungen der Praktikanten sollte ihnen doch die Gelegenheit gegeben werden, die betrieblichen Arbeitsprozesse in ihrer gesamten Struktur kennen zu lernen und sich daran zu erproben.

8.3  Inhalte systematisch und präzise abstimmen!

Auch beim außerbetrieblichen Ausbildungsträger sind Veränderungen der herkömmlichen Praxis unerlässlich:

•  Die didaktische Organisation muss sich intensiv auf die Bedingungen der Partnerbetriebe einstellen. Es ist eine Art "curricularer Vorsortierung" erforderlich: Was kann am betrieblichen Ausbildungsplatz besser und einprägsamer gelernt werden, damit Erkenntnisgewinne eingeleitet werden, die der Forderung von "Praxis als Lern-Arbeit" (FAUSER et al. 1989, zit. in BIERMANN/BIERMANN-BERLIN 2001, 7) qualitativ entsprechen? Was sollte außerbetrieblichen Abschnitten vorbehalten bleiben? Wie muss der Teilnehmer auf die Anforderungen des betrieblichen Arbeitsplatzes eingestellt werden? Ausgangspunkt der curricularen Planung sollte immer die betriebliche Situation sein (ZELLER 2000, 17). Im REGINE-Projekt wurde "als ideale Voraussetzung ein Betrieb genannt, der bei Ausbildungsabschluss weiß, worauf er sich einlässt, Verständnis, Geduld und Interesse an einer erfolgreichen Ausbildung des lernbehinderten Jugendlichen hat und bereit ist, Arbeitsbereitschaft, Bemühungen und Forschritte des Jugendlichen anzuerkennen" (FAßMANN et al. 2001, 76 f.).

•  Betrieblicher Ausbildungsplan, berufsschulische Lehrpläne und Ausbildungsplan des außerbetrieblichen Bildungsträgers müssen zu einem "Berufsbildun gsplan für den Partnerbetrieb" verschmolzen werden (REINHOLD 2002, 44). Dabei muss erkennbar sein, welche "Überhänge" von Berufsschule und außerbetrieblichem Träger bearbeitet und welche inhaltlichen Vorbereitungen von Seiten des Trägers für den Einsatz im Betrieb geleistet werden müssen. Dabei müssen die drei beteiligten Institutionen auch die Einlösung des gemeinsamen Bildungsauftrages der drei beteiligten Institutionen prüfen, wie das ohnehin für die beiden "dualen" Partner Betrieb und Berufsschule erforderlich ist (SCHELTEN/ZEDLER 2001, 49).

•  Die besonderen Möglichkeiten, aber auch Gefahren des "anderen Lernorts" beim Partnerbetrieb sind bei der Förderplanung zu beachten (GMELIN/SCHNORRENBERG 2001, 20; MERSEBURGER/KRETSCHMER 2001, 39). Dabei kommt der Evaluation des Gelernten hohe Bedeutung zu. Um systematisch Lernfortschritte, aber auch Lernhemmnisse zu identifizieren und einer gezielten "Nachschulung" zugänglich zu machen, sind regelmäßige Lernerfolgskontrollen vorzusehen (a. REINHOLD 2002, 46 ff.).

8.4  Arbeits- und Selbstverständnis der Bildungsträger-Mitarbeiter müssen sich ändern!

•  Die Aufgaben der Ausbilder verlagern sich: Sie müssen Betriebe akquirieren, geeignete betriebliche Ausbildungsplätze identifizieren, ihre Aufgaben mit den zeitlichen und inhaltlichen, aber auch methodischen Möglichkeiten der betrieblichen Ausbilder in Einklang bringen - dabei ist auch an Unterstützung mit Leittexten und Lernaufträgen zu denken (HAHNE 2000, 33) - ; sie müssen genaue Absprachen mit den Mitarbeitern der Partnerbetriebe treffen und mit den Teilnehmern das Gelernte sorgfältig nach- und aufarbeiten (BIERMANN/BIERMANN-BERLIN 2001, 7). Und sie sind die ersten Ansprechpartner für Arbeitgeber, wenn es Probleme mit den Auszubildenden zu bewältigen gilt: "Kompetente Beratung und Begleitung der Arbeitgeber" ist unerlässlich (MERSEBURGER/KRETSCHMER 2001, 39). Dabei kann "eine ursprünglich rein berufspädagogisch gemeinte Innovation auch arbeitsorganisatorische Wirkungen mit sich bringen" (HAHNE 2000, 33). FAßMANN et al. unterstellen bei der Akquisition die Gültigkeit der "Pareto-Regel", derzufolge 20 % des Aufwands reichen, um 80 % der Probleme zu lösen, aber 80 % aufgewendet werden müssen, um 20 % (Rest-)Probleme zu beseitigen. Sie haben selbst für das REGINE-Projekt ein Verhältnis von 2/3 zu 1/3 festgestellt (FAßMANN et al. 2001, 61).

•  Ausbilder sind oft schon einige Jahre von der eigenen betrieblichen Praxis entfernt: Sie müssen sich auf die inzwischen erfolgten Veränderungen in technischer, inhaltlicher und organisatorischer Hinsicht einstellen, z. B. durch eigene Praktika, Hospitationen oder Fortbildungen. Ihre Moderatorenrolle erfordert ein verändertes Qualifikationsprofil.

8.5  Die Entgelte der Mitarbeiter sollten leistungsbezogene Anteile aufweisen!

In einer Reihe von Berufen ist es gang und gäbe, bei vielen weiteren wird darüber nachgedacht, bei den Professoren ist es verbindlich ab 2005 vorgesehen, nur noch ein Grundgehalt ohne Altersstufen zu gewähren, das durch leistungsbezogene Zuschläge ergänzt wird. Dieses Modell ist durchaus übertragungsfähig auf weitere Teile des öffentlichen wie auch des halböffentlichen Dienste So wäre beispielsweise auch an Vermittlungsprämien für die erfolgreiche Anbahnung von Beschäftigungsverhältnissen durch Ausbilder, Sozialpädagogen oder Psychologen zu denken.

8.6  Die Vergabe von Fremdaufträgen sollte an Kooperationsbereitschaft geknüpft werden!

Bislang sieht das Vergaberecht so etwas nicht vor, aber selbst die Bundesagentur für Arbeit hat inzwischen erkannt, dass nicht der billigste Leistungserbringer am Ende der preiswerteste ist. Insofern könnte hier durchaus eine Weiterung in der Hinsicht angedacht werden, dass solche Anbieter von Fremdleistungen vorzugsweise berücksichtigt werden, die Ausbildungsplätze im Kooperationsmodell bereit stellen.

8.7  Mit Zeitarbeitsfirmen, Personalservice-Agenturen und Integrationsfachdiensten zusammen arbeiten!

Alle drei sind professionelle Vermittlungsinstanzen. Ihre Mitarbeiter besitzen in der Regel das nötige Know-how und verfügen über die Kontakte, auf deren Basis sich Arbeitsverhältnisse anbahnen lassen. Die Idee ist nicht neu; sie ist erprobt. Aber leider wird dennoch immer wieder "eigenbrötlerisch" und selbstverliebt das "Integrationsgeschäft" nicht aus der eigenen Hand gegeben - so laienhaft es auch immer betrieben wird. Hier sollten viele über den eigenen Schatten springen!

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Netzwerke ein gezieltes "Management" brauchen, "das Kooperationsbeziehungen und Aufgabenentwicklung optimiert, qualitätssichernde und evaluative Maßnahmen durchführt" (DEHNBOSTEL/UHE 2002, 5). Dabei sind das persönliche Engagement und die fachlichen und sozialen Kompetenzen der "Macher" ebenso entscheidend wie "die weitgehende Selbststeuerung der Aus- und Weiterbildner vor Ort" (ebenda).

"Erste Erfahrungen im Bereich der Verbundausbildung mit einer Leit- und Koordinationsstelle in den hochtechnologienahen Berufen bestätigen, dass insbesondere beim Aufbau und bei der Leitung eines Verbundes

•  ein großes Engagement,

•  umfassende berufspädagogische Kompetenz,

•  viele intensive persönliche Kontakte, Absprachen, Interventionen sowie

•  ein erhebliches Maß an Überzeugungsarbeit unabdingbar sind" (PAHL 2002, 43).

9.  Die bildungspolitische Dimension der Lernortkooperation

Noch ist es in Deutschland nicht weit her mit der Lernortkooperation. Eine BIBB-Untersuchung bestätigt: "...dass die Zusammenarbeit zwischen Ausbildern und Lehrern bzw. zwischen Berufsschulen und Betrieben sich nach wie vor auf einem außerordentlich niedrigen Niveau abspielt" (RAUNER 2000, 48). SCHELTEN/ZEDLER sprechen von "punktuellen Kontakten", die sich an allerlei Orten nachweisen lassen (2001, 48). Einen erfolgversprechenden Weg zu einer intensiveren Kooperation sehen sie in den in Bayern an verschiedenen Standorten eingerichteten "Kooperationsstellen": "In diesen Kooperationsstellen treffen sich Ausbilder, Lehrer und andere an der Berufsausbildung beteiligte Akteure in regelmäßigen Abständen, um den Ausbildungsprozess gemeinsam zu gestalten" (2001, 49). Das sind gute Absichten, die jedoch noch ohne durchschlagende Wirkung sind. Und derer bedarf es angesichts der desolaten Situation bei den öffentlichen Haushalten mehr denn je!

Die derzeit erkennbare Entwicklung im (Berufs-)Bildungssystem läuft stark auf eine Dezentralisierung der Bildung und eine Entlastung des Staates von Bildungsaufgaben hinaus (GREINERT 2000, 39). In diesem Zusammenhang kommt den regionalen Entwicklungen im Sinne einer Vernetzung betrieblicher, außerbetrieblicher und schulischer Bildungsangebote erhöhte Bedeutung zu. Das gilt nicht nur für die berufliche Erstausbildung, sondern für alle Bildungsgänge im Anschluss an die allgemeinbildende Schule, die "mit einer simultanen betrieblichen Komponente verbindlich auszustatten" wären (GREINERT 2000, 39).

In die gleiche Richtung argumentieren auch DEHNBOSTEL und UHE: "Verbünde und Netzwerke als moderne Lernortsysteme sind augenfällige Beispiele solcher Entwicklungen, die das duale System flexibler machen, die beruflich-betriebliche Weiterbildung strukturieren und dazu beitragen, beide Teilsysteme zu einem pluralen Gesamtsystem weiter zu entwickeln" (DEHNBOSTEL/UHE 2002, 3).

 

Literatur

BAR-Information Nr. 2/2003 vom 13.06.09: BAR-Modellprojekt "Case Management" - Erste Ergebnisse, 4 f.

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