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 bwp@ Ausgabe Nr. 9 | Dezember 2005
Betrieb als Lernort

Analytische Erkundungen zur inneren Logik des Weiterbildungs- Controlling


 

 

1. Einleitung

Seit den 1980er Jahren zeigt sich bei den Management-Konzeptionen ein veränderter Blick auf den Mitarbeiter. Der postulierte stete Wandel und die damit veränderten Arbeitsanforderungen können demnach nur mit Mitarbeitern bewältigt werden, denen Entscheidungsbefugnis eingeräumt wird und insofern gleichsam als Intrapreneure agieren. Da Controlling als Zwillingsfunktion des Management gilt, sind diese Entwicklungen auch bei einer Vielzahl von so genannten „Bindestrich-Controlling-Ansätzen“ erkennbar, wie z. B. beim Weiterbildungs-Controlling (im Folgenden: WBC). Durch die explizite Berücksichtigung einer Kategorie „Lernen bzw. Wissen der Mitarbeiter“ wird auch hier die Relevanz der Mitarbeiter als einer der wichtigsten Unternehmensressourcen (zumindest formal) betont.

Ziel des Artikels ist eine analytische Herangehensweise an das Konstrukt „WBC“, um die innere Konstruktionslogik des WBC herauszuarbeiten. D. h. es werden die in der WBC-Diskussion verwendeten Begriffe und dahinter liegenden Konzepte herausgearbeitet, um insbesondere sprachlich bedingte Denkfallen, Schein-Begründungen und programmatische Aussagen aufzudecken.

Ein inhaltlich-substantieller Beitrag zum WBC erfolgt demzufolge nicht, sondern gleichsam eine Selbstanwendung des Controlling auf den Bereich des WBC, indem mittels analytischer Klärungen eine qualitätssichernde Aufgabe wahrgenommen wird. Dies erscheint dringend geboten, da bei der WBC-Diskussion (vor)schnelle Lösungen präferiert werden, z. B. in Form von Rezepten (vgl. als Beispiele LANG 2000; BETHKE 2003; SCHARNWEBER 2004). Alternativ wird sich auf Weiterbildungsmaßnahmen im Vertriebsbereich beschränkt, deren Beitrag zum Unternehmenserfolg vermeintlich relativ leicht zu messen ist. Die damit verbundenen voraussetzungsvollen Grundlagen werden zu selten hinterfragt: „Fragen werden oft gar nicht gestellt; Antworten sind vielfach zu schnell parat“ (DIENSBERG 1997, 141).

Im Gegensatz dazu ebnet die hier vorgeschlagene Vorgehensweise prinzipiell den Weg, das betriebswirtschaftlich gefärbte WBC auch aus Sicht des Systems „Pädagogik“ zu betrachten, das sich mit den Bedingungen der Verwertung individueller Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter in einem Unternehmen beschäftigt. D. h. es wird auch berücksichtigt, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens Teil des Systems „Wirtschaft“ sind.

2.  Status-quo des Weiterbildungs-Controlling

Das WBC orientiert sich in der Regel am betriebswirtschaftlichen Controlling und den dahinter liegenden theoretischen Konzeptionen. Deutlich sichtbar wird dies bei den Definitionen zum WBC, die sich durchweg an einer betriebswirtschaftlichen Controlling-Definition orientieren und diese in modifizierter Form für den Kontext „betriebliche Weiterbildung“ überträgt (vgl. z. B. bei AUGATH 1999; KREKEL/ SEUSING 1999; VON LANDSBERG/ WEIß 1995). Andere WBC-Ansätze adaptieren darüber hinaus betriebswirtschaftliche Controlling-Konzeptionen für den Bereich der betrieblichen Weiterbildung. So orientiert sich PIELER (2000) an der koordinationsbezogenen Controlling-Sicht von HORV Á TH, während BRETTEL (1999) der rationalitätsorientierten Controllingkonzeption WEBERS (1999) folgt.

Dennoch wird betont, dass ein WBC neben der ökonomischen Perspektive gleichberechtigt die pädagogisch-psychologische Perspektive treten sollte (vgl. z. B. VON LANDSBERG 1995, 16 f.; PIELER 2000), die die Besonderheiten der Bildungsstruktur und des Bildungsprozesses erfassen. Die enge Beziehung zwischen betriebswirtschaftlicher und pädagogisch-psychologischer Sichtweise weist dem WBC einen so genannten bimentalen Charakter zu (vgl. VON LANDSBERG 1995, 17), so dass als zentrale Bezugsebenen des WBC Controlling und Evaluation gelten (vgl. Kapitel 5).

Das Fundament das WBC bildet eine so genannte proaktive betriebliche Weiterbildung, bei der die betriebliche Weiterbildung strategisch auszurichten und nicht nur einflussloser Umsetzungsgehilfe der Unternehmensstrategie ist.

Die Relevanz einer solchen Sichtweise auf die betriebliche Weiterbildung ergibt sich aus drei Gründen:

•  Ohne strategische Ausrichtung der betrieblichen Weiterbildung an der Unternehmensstrategie und damit Ausrichtung auf zukünftige Anforderungen werden Weiterbildungsmaßnahmen chronologisch verspätet sein, wodurch eine angestrebte Unternehmensplanung nicht rechtzeitig erfüllt wird. Langfristig gerät so das Unternehmen in existentielle Gefahr (vgl. STAUDT 1990, 40 ff.).

•  Ein fehlender Bezug der Weiterbildungs- zur Unternehmensstrategie kann zu einer Überbetonung kurzfristiger Ziele führen (vgl. EINSIEDLER 1996, 172), wodurch die betriebliche Weiterbildung in die Rolle des reinen Erfüllungsgehilfen gedrängt wird (vgl. BRANDT 1994, 81).

•  Nicht zuletzt ist ein strategischer Bezug auch eine wesentliche Voraussetzung, um die Wirksamkeit von Weiterbildungsmaßnahmen zu überprüfen, da die betriebliche Weiterbildung nur durch die Orientierung an der Unternehmensstrategie einen Beitrag zum Unternehmenserfolg erbringen kann (vgl. PAULI 1997, 92). Verliefe sie lediglich losgelöst von unternehmensstrategischen Entscheidungen, bestünde die Gefahr des „Seminartourismus“, d.h. Weiterbildungsmaßnahmen werden lediglich als Anerkennung für erbrachte gute Leistungen verstanden (vgl. WEBER 1991, 39).

Indem diese Aspekte Berücksichtigung erfahren, wandelt sich die betriebliche Weiterbildung von einer reaktiven, strategieerfüllenden Konzeption zu einem potenzialorientierten, strategiegestaltenden, proaktiven Konzept (vgl. auch DIENSBERG 1997; PAWLOWSKI/ BÄUMER 1996, 41).

Eine proaktive Weiterbildung lässt sich demzufolge durch einen dreiphasigen sequenziellen Prozess beschreiben. Den Ausgangspunkt bildet die Umwelt, die durch das Management mittels einer Unternehmensstrategie abgebildet wird. Die daraus abgeleiteten strategischen Ziele bilden den Orientierungsrahmen für die Formulierung der Unternehmens- und Weiterbildungsplanung, die aufeinander abgestimmt werden. Dies stellt wiederum die Basis für die Durchführung der Weiterbildungsmaßnahmen und daraus ableitend für die korrespondierenden Controllingphasen dar und damit für das WBC auf der Mikroebene.

2.1 Weiterbildungs-Controlling auf der Mikroebene

Die Controlling-Aktivitäten können auf den gesamten Funktionszyklus betrieblicher Weiterbildungsarbeit ausgedehnt werden, der sich analytisch in die folgenden Funktionen einteilen lässt (vgl. z. B. bei BÖTEL/ HERGET/ SEUSING 1999, 18):

  1. Bedarfsanalyse,
  2. Weiterbildungsziele,
  3. Planung und
  4. Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen,
  5. Erfolgskontrolle und
  6. Transferförderung in das Anwendungsfeld.

Diese Funktionen können wiederum einzelnen Teil-Controlling-Prozessen zugeordnet werden, d. h. in jeder Phase des Weiterbildungsprozesses finden sich Anknüpfungspunkte für Controlling-Aktivitäten, wie Tabelle 1 zeigt.

Die spezifische Zuordnung einzelner Weiterbildungsfunktionen zu Controlling-Prozessen variiert zwar zuweilen von Autor zu Autor, jedoch ist allen formal ein prozessorientierter Weiterbildungs-Controlling-Gedanke gemein.

Die genannten Funktionen greifen ineinander, so dass dynamisierte Weiterbildungs- und WBC-Phasen entstehen. Die Phasen schließen sich, indem eine Verbindung zwischen dem WBC auf der Mikroebene und der gleichsam vorgelagerten, proaktiven betrieblichen Weiterbildung und damit der Unternehmensstrategie hergestellt wird. Beides zusammen ergibt sodann das WBC auf der Makroebene.

2.2 Weiterbildungs-Controlling auf der Makroebene

Damit das WBC nicht allein auf der Mikroebene verbleibt und damit „nur“ einzelne Weiterbildungsmaßnahmen in den Blick nimmt, erscheinen rückkoppelnde Maßnahmen notwendig zu sein. Bei einem WBC auf der Mikroebene wäre z. B. nicht unmittelbar sichergestellt, dass die durchgeführten Weiterbildungsmaßnahmen auch die in der Unternehmensstrategie formulierten strategischen Ziele berücksichtigen und insofern helfen, diese auch umzusetzen. Beim WBC auf der Makroebene dienen deshalb die gewonnenen Erkenntnisse aus einer Weiterbildungsmaßnahme einerseits als Standard für die nachfolgenden Maßnahmen und andererseits als Abgleich mit der Unternehmensstrategie und der vorangestellten Bedarfsanalyse.

Wie zu erkennen ist, bildet der klassische Regelkreismechanismus den Kern des herkömmlichen WBC. Indem dieser kybernetische Regelkreisansatz gleichsam das Scharnier zwischen proaktiver betrieblicher Weiterbildung und dem WBC auf der Mikroebene bildet, entsteht das WBC auf der Makroebene.

Der Regelkreis sorgt so für einen zweifachen Soll-Ist-Abgleich. Dies erfolgt zum einen über eine Feedback-Steuerung (rückwärtsbezogene Kontrolle), die versucht, im Nachhinein Änderungen auf der Output-Seite zu erzielen. Andererseits – und dies wird präferiert – soll eine Feedforward-Steuerung erfolgen, d. h. eine vorwärtsgerichtete Vorsteuerung der Input-Seite, die versucht, eine antizipierende Systemanpassung vorzunehmen (vgl. DÖRING/ RITTER-MAMCZEK 1998, 113). Auf Basis eines kybernetischen Steuerungsmodells sollen so z. B. Weiterbildungskosten (Input-Seite) optimiert werden, bevor sie entstehen (vgl. BUCHHESTER 2003, 3). Die Regelkreisidee bzw. der „control-cycle“ wird nicht zuletzt deshalb als (vor-)theoretisches Fundament gewählt, weil es „die Grundfunktionen eines modernen Bildungs-Controlling […] erfasst“ (DÖRING/ RITTER-MAMCZEK 1998, 112).

Dieser vorläufige Referenzansatz wirkt auf den ersten Blick in sich relativ schlüssig. Die Kritik an diesem WBC-Ansatz gilt insofern auch nicht einzelnen Aspekten, sondern zielt ab auf das Sichtbarmachen eines strukturellen Problems.

3.  Zum strukturellem Problem des Weiterbildungs-Controlling

Betrachtet man diesen vorläufigen Referenzansatz genauer, zeigt sich, dass das WBC „außen determiniert“ ist und somit gleichsam ein „behavioristischer Wind“ durch das WBC weht. Dieser behavioristische Charakter zeigt sich sowohl auf der Mikro- als auch auf der Makroebene.

Während es auf der Mikroebene des WBC Weiterentwicklungen gab und gibt, die mit einem trivialen Lerntransferverständnis aufräumen (vgl. z. B. RANK/ WAKENHUT 1996, 1998; GÖTZ 1999; SCHARPF 1999; PIEZZI 2002), zeigen sich beim WBC auf der Makroebene kaum erkennbare Fortschritte. Eine ausschließliche Fokussierung auf die Mikroebene würde jedoch zu kurz greifen, da so die vorhandene Argumentationslogik und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für ein WBC auf der Makroebene unangetastet bleiben (können); Mikro- und Makroebene würden unvermittelt nebeneinander stehen.

Auf der Makroebene lässt sich das strukturelle Problem des WBC durch das Schlagwort „Struktur folgt Strategie“ (CHANDLER 1962) charakterisieren. Die Unternehmensstrategie bildet hiernach den Ausgangspunkt und die restlichen Phasen und Aufgaben des WBC sind ihr nachgelagert, nehmen gleichsam eine reine Erfüllungsfunktion wahr. Es wird von einem trivialen, „außen determinierten“ (Implementierungs-)Prozess ausgegangen, die internen Abläufe, Prozesse und Mitarbeiter werden ausgeblendet, sind Mittel zum Zweck der Erfüllung der aus der Unternehmensstrategie abgeleiteten Planung.

Vergegenwärtigt man sich das WBC auf der Makroebene, bildet die Unternehmensstrategie den zentralen Handlungsentwurf, an dem alles Weitere ausgerichtet wird. Dies ermöglicht es von einem kausalen Zusammenhang zwischen Unternehmens-(und Weiterbildungs-)planung und Unternehmenserfolg auszugehen, d. h. je besser die Unternehmensplanung ist, desto größer muss der Unternehmenserfolg sein (vgl. allgemein BECKER 1996, 79 ff.). Stellt sich dieser kausale Zusammenhang nicht ein, müsste – der inhärenten WBC-Logik folgend – lediglich die Planungsphase technologisch-instrumentell weiterentwickelt werden.

Als Ergebnis ist eine „blackbox-Mentalität“ beim Management festzustellen: Das Unternehmen wird als fremd geregeltes und technisches System betrachtet mit dem Manager als „Technik-Genie“ (HEJL/ STAHL 2000, 101) und damit externen Regler im Zentrum.

Die Umkehrung „Strategie folgt Struktur“ und die auf diese Weise explizite Berücksichtigung des Unternehmens als eigendynamisches System wären nicht möglich, da in diesem Fall dann die Prozesse, Abläufe und vor allem die aktive Rolle der Mitarbeiter zu thematisieren wären. Eine solche Berücksichtigung kann allenfalls postuliert werden, eine konzeptionelle Anschlussfähigkeit und Integration an das vorhandene WBC ist hingegen kaum gegeben (vgl. Kapitel 4). So wundert es dann auch nicht, dass das Controlling, welches dem WBC als wesentlicher Bezugspunkt dient, weitgehend die Problemstellungen der theoretischen Behandlung des sozialen und organisationalen Kontextes, in dem sich Controllingprozesse vollziehen, ausblendet (vgl. KAPPLER/ SCHEYTT 1999, 225). Die Controlling-Theorie bleibt insofern weit hinter den Erkenntnissen ihrer Bezugsebene, dem Management, zurück (eine erste Abkehr von dieser Logik zeigt sich im Controlling-Sammelband von SCHERM/ PIETSCH 2004)

Um die skizzierte Konzeption des WBC erklären zu können, erscheint es hilfreich zu sein, die beiden zugrunde liegenden zentralen Argumentationsfiguren der aufgeführten Kritikpunkte auf struktureller Ebene zu erörtern: „Planungsrationalität“ und „Technik-Genie“. Fundament für beide bildet der klassisch-funktionale Managementprozess, der sowohl dem WBC als auch dem Controlling zugrunde liegt.

4. Klassisch-funktionaler Managementprozess als Ausgangsbasis des WBC

Betrachtet man den Managementprozess näher, werden die klassischen Managementfunktionen Planung, Durchführung und Kontrolle in dynamisierte Phasen eingeteilt, die sich an der klassischen Regelkreisidee orientieren (vgl. BECKER 2003).

Obwohl darauf verwiesen wird, dass sich die einzelnen Phasen überlappen und/oder gegenseitige Abhängigkeiten zwischen ihnen bestehen, wird an der prinzipiellen Bedeutung der linearen Prozessabfolge nicht gezweifelt. Die Planungsphase soll die Brücke schlagen zwischen der Gegenwart und der gewünschten Zukunft, indem im Voraus bestimmt wird, „ was erreicht werden soll, wie und wann es erreicht werden soll und wer die dafür notwendigen Handlungen ergreifen soll“ (SCHREYÖGG 1991, 258). Damit dominiert die Planungsphase, so dass auch von einer plandeterminierten Sicht gesprochen werden kann.

4.1  Plandeterminierte Sicht

Plandeterminierte Sicht meint, dass bei einer umfassenden, detaillierten Planung die nachfolgenden Phasen lediglich logische Abfolgen bilden, die gleichsam automatisch, linear-kausal ablaufen – unabhängig davon, wer davon betroffen ist. Sie sind Mittel zum Zweck der Planerfüllung.

Dieses normative Modell plandeterminierter Unternehmensführung strahlt sowohl aus auf die betriebliche Weiterbildung als Gegenstandsobjekt des WBC als auch auf das WBC selbst, bestimmt in dem Sinne sogar die Idee der Steuerung und Regelung durch das WBC. Die plandeterminierte Sicht wird bereits bei den Definitionen zum WBC sichtbar, die, wie oben beschrieben, in aller Regel Controlling-Definition und/oder Controlling-Konzeption für den Bereich der betrieblichen Weiterbildung adaptieren. Das Controlling wiederum folgt mit seinen zurzeit noch dominierenden koordinations- und rationalitätsbezogenen Konzeptionen der oben beschriebenen plandeterminierten Logik (vgl. hierzu BECKER 2003; WIMMER/ NEUBERGER 1998): „Der Controller ist Planverkäufer.“ (VON LANDSBERG 1996, 33).

Die plandeterminierte Sicht zeigt sich weiterhin in der expliziten Orientierung des (prozessorientierten Weiterbildungs-)Controlling am funktionalen Managementprozess (vgl. Kapitel 2.1), dem, wie beschrieben, selbst eine synoptische Planungsrationalität zugrunde liegt (vgl. ferner HILSE 2000 und seine Kritik dieser Adaption auf den Bereich des Wissensmanagement). Hinsichtlich der inhaltlichen Ausformung der einzelnen Phasen ergeben sich wegen des unterschiedlichen Kontextes (Management vs. Weiterbildung) zwar Differenzen, das Prinzip der plandeterminierten Logik bleibt hingegen erhalten.

Das Primat der Planung zeigt sich weiterhin bei der Inputcontrolling-Phase, die eine herausragende Bedeutung in den vorhandenen Ansätzen zum WBC einnimmt (vgl. z. B. bei HUMMEL 1999, 49 ff.; KREKEL/ SEUSING 1999). Bedarfsanalysen als zentraler Bestandteil dieser Phase orientieren sich hierbei vorzugsweise nach dem „job-man-fit“-Modell, d. h. der Mitarbeiter hat sich der Aufgabe funktional anzupassen (vgl. NEUBERGER 1994, 163 f.).

Diese funktionale Vorgehensweise wird durch die plandeterminierte Sicht erklärbar, da die aus der Unternehmensstrategie abgeleitete Unternehmens- und Weiterbildungsplanung den zentralen Bezugspunkt für alle weiteren Tätigkeiten bildet. Insoweit ist es unmittelbar einleuchtend, Mitarbeiter im Rahmen der Weiterbildungsplanungsphase als Objekte zu behandeln. Wenn überhaupt, sind lediglich andere, bessere Instrumente notwendig, um die Planungsphase instrumentell-technisch zu verbessern. Diese Vorgehensweise folgt der Logik des Systems „Wirtschaft“, erzeugt jedoch in dieser Form kaum anschlussfähige Kommunikationen und Handlungen im System „Pädagogik“ (vgl. hierzu auch Kapitel 5).

Obgleich bei einer plandeterminierten Sicht die Phase der Planung im Zentrum steht, sind dennoch Akteure notwendig, die einen Plan erstellen. Diese Akteure müssen gleichsam als „Technik-Genie“ agieren, damit eine Anschlussfähigkeit an die Planungsrationalität gesichert ist. Diese Rollenzuweisung erhält hierbei das Management.

4.2  Technik-Genie

Der Begriff der (Unternehmens-) Strategie weist auf die Bedeutung des Management hin und der dahinter stehenden Prämisse des Rationalitätspostulates und einer für alle Unternehmen gleichermaßen zugänglichen objektiven Umwelt: Das Top-Management ist der Ort, an dem sich das gesamte, d. h. „vollständige und objektiv richtige Wissen“ bündelt, so dass alle Entscheidungsalternativen (synoptisch) über die Umwelt vorliegen und bewertet werden können (vgl. WIMMER/ NEUBERGER 1998, 39; 48).

Die These vom „Technik-Genie“ meint konkret, dass durch das Management als „Technik-Genie“ eine „top-down-Wirklichkeitserzeugung“ vorgenommen wird. Das Management konstruiert die Unternehmenswirklichkeit, trifft auf Basis „objektiver“ Beobachtungen „richtige“ Entscheidungen, die mittels Kommunikation mitgeteilt und vom restlichen Unternehmen umgesetzt werden (vgl. HEJL/ STAHL 2000, 101 f.).

Obwohl es einleuchtend erscheint, dass das Management als „Technik-Genie“ bereits bei relativ geringer Unternehmensdynamik und Unternehmensgröße relativ schnell überfordert ist, wenn es alleine das Unternehmen mittels kaskadenförmigen top-down-Entscheidungen leiten will, halten sich diese Vorstellungen weiterhin. Der Ruf nach dem „Technik-Genie“ kommt vor allem dann, wenn Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten.

Die Installierung von Stäben oder Arbeitsgruppen zur Komplexitätssteigerung des Reglers „Management“ wird als weitere Möglichkeit gesehen, um die Komplexitätsüberforderung zu kompensieren (vgl. HEJL/ STAHL 2000, 105). Dies würde jedoch voraussetzen, dass die eingesetzten Stäbe und Arbeitsgruppen gleichsam als „neutrale Filter“ agieren, d. h. getrennt von ihren je eigenen Wahrnehmungen dem „Technik-Genie“ Daten bereitstellen.

Eine vergleichbare, sogar institutionell verankerte Rolle wird dem Controlling zugewiesen, indem das Controlling als verlängerter Arm/ (neutraler) Entscheidungsvorbereiter des Management interpretiert wird und insofern eine führungsunterstützende Funktion einnimmt (vgl. z. B. bei WEBER 1999). (Insofern wundert es kaum, dass es zwischen Weiterbildungs- Controlling und Weiterbildungs- Management Abgrenzungsschwierigkeiten gibt (vgl. hierzu insbesondere die Ausführungen bei BRAUKMANN/ DITTMAR 1994). Ausgangspunkt hierfür ist die substantielle Nähe der Begriffe „strategisches Controlling“ und „Management“ und die damit verbundene Schnittmenge hinsichtlich Funktionen und Aufgaben. Das Abgrenzungsdilemma ist zudem auf die in den 1960er Jahren vorzufindende Gleichsetzung der beiden Termini zurückzuführen (vgl. ULLRICH 1997, 14).)

Analog zum Controlling wird auch dem WBC die Rolle einer Komplexitätserhöhung der Weiterbildungs-Führung zugewiesen. Bedingt durch die postulierte Turbulenz der Unternehmensumwelt ist der Weiterbildungs-Führungsprozess zu komplex geworden, so dass durch das WBC auf Basis von Plänen eine Rationalitätssicherung der Führung notwendig wird (vgl. z. B. BRETTEL 1999).

Der theoretische Hintergrund für das Festhalten an der Denkfigur des „Technik-Genies“ bilden vor allem zwei Aspekte (vgl. im Folgenden HEJL 2003; HEJL/ STAHL 2000, 103 ff.):

•  Das „Gesetz der erforderlichen Vielfalt“ von ASHBY, das die Bedingungen für den erfolgreichen Umgang eines Systems mit seiner Umwelt beschreibt. Kernaussage ist, dass nur das Komplexe das weniger Komplexe regeln kann. Damit muss das System (hier: Technik-Genie) mindestens genauso komplex sein wie die Umwelt selbst. Dies erfordert vollständiges (Umwelt-)Wissen, um die Umwelt steuern zu können. Das ist bereits aus formal-logischen Gründen nicht möglich.

•  Das „adaptionistische Missverständnis“ (HEJL 2003), das von der objektiven Abbildung der Unternehmensumwelt (z. B. mittels (Controlling-) Stäben für das Management) und daher von einer passiven Anpassung ausgeht. Es gilt ein Abbild der Realität im Management als Regler herzustellen. Umwelt existiert jedoch nicht unabhängig vom Beobachter, vielmehr liegt eine Ko-Evolution vor: Bei einer Änderung des wahrnehmenden Systems ändert sich auch die Wahrnehmung von der Umwelt. D. h. die Umwelt ändert sich mit der Wahrnehmungsmöglichkeit des jeweiligen Beobachters.

Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass eine Orientierung an der wahrgenommenen Umwelt oder der Einsatz von Stäben sinnlos ist. Diese Vorgehensweise wird nur dann problematisch, wenn die Systemabhängigkeit der Umweltkonstrukte vernachlässigt wird und es zur Dominanz der (hier kritisierten passiven) Anpassungsvorstellung kommt.

Durch die These des Managers als „Technik-Genie“ zeigt sich insgesamt eine Selbstüberforderung des Management bei gleichzeitiger Unterforderung des Unternehmens. Es werden weder die kognitiven und kommunikativen Kompetenzen der Mitarbeiter genutzt, noch wird die Eigendynamik des Unternehmens explizit berücksichtigt und damit die Wahrnehmung der im Unternehmen vorhandenen Selbstorganisation und -regelung als „Ressource“. (Klarerweise ist stets von einer Eigengesetzlichkeit des Unternehmens auszugehen, ob dies nun gewollt wird oder nicht. Sie entsteht, wenn Interaktionsnetzwerke mit zeitlicher Dauer entstehen. Dies verhindert eine vollständige Planung und Kontrolle, da stets von einer gewissen Selbstregelung bei den Mitarbeitern des Unternehmens auszugehen ist. Die Eigendynamik führt dann auch zur so genannten Emergenz, die mehr als die Summe der Einzelteile ist (vgl. auch HEJL/ STAHL 2000, 109).)

Folgt man dem so genannten „Regensburger Konvergenz-Konzept“ (HARTEIS 2002) müssten betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen jedoch einerseits den entstehenden Aufwand durch einen zu erwartenden Nutzen rechtfertigen, so dass die Vernachlässigung ökonomischer Prinzipien ein Erreichen (betriebs-)pädagogischer Ziele verhindern würde. Andererseits würde bei nicht optimalen Bedingungen der Kompetenzentwicklung und -erschließung das Prinzip des ressourcenschonenden Umgangs verletzt, so dass die Vernachlässigung pädagogischer Ziele aus ökonomischer Sicht zu suboptimalen Ergebnissen führt.

Bezugspunkte für diesen Konvergenz-Entwurf bilden demzufolge ökonomische und pädagogische Grundkonzepte, die in einem reflexiven Verhältnis zueinander stehen; es enthält mithin einen theoretisch begründeten bimentalen Charakter. Kern des Konzeptes ist, dass eine Konvergenz ökonomischer und pädagogischer Prinzipien eine Nutzenoptimierung durch gezielte Kompetenzerschließung erlaubt, die auf einer individuellen Kompetenzentwicklung beruht (vgl. hierzu detailliert HARTEIS 2002, 123 ff.).

Reflektiert man hingegen die theoretischen Bezugspunkte des WBC vor dem Hintergrund des Regensburger Konvergenz-Konzeptes und transferiert es auf eine allgemeinere, systemische Ebene, zeigt sich eine Überbetonung ökonomischer Sinnstrukturen, so dass der bimentale Charakter des WBC allenfalls auf programmatischer Ebene zu verorten ist.

Ein WBC ist – sofern ein bimentaler Charakter angestrebt wird – angehalten, sowohl die Sinnstrukturen des ökonomischen als auch des pädagogischen Systems zu berücksichtigen. Beide stehen gleichsam in einem zirkulären Wechselspiel. Dies erfolgt jedoch nicht, vielmehr wird vorzugsweise einer Strategie der Entproblematisierung gefolgt, die eine analytische Herangehensweise im Hinblick auf mögliche gegenseitige anschlussfähige Kommunikationen und Handlungen erschwert.

5. Weiterbildungs-Controlling im Schnittpunkt mehrerer Systeme

Die vorhandene WBC-Konzeption kann gerade wegen ihrer konzeptionellen Konstruktionshindernisse auf der Makroebene allenfalls auf programmatischer Ebene Lösungsvorschläge in Bezug auf den proklamierten bimentalen Charakter anbieten. Im Laufe der Zeit wurden auf formaler Ebene äußerliche Verzierungen an das genuin

betriebswirtschaftlich geprägte WBC angebracht. Diese nachträglich hinzugefügten Modellkomponenten stehen wegen ihrer je eigenen Logik unversöhnlich nebeneinander, bilden gleichsam eigene Parallelstrukturen aus. Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass sich das WBC primär aus einem praktischen Diskurs generiert hat, insofern auf theoretische Bausteine kaum zugegriffen werden kann; nachvollziehbare Begründungskontexte fehlen.

Die inkompatible Bausteinkonzeption des WBC zeigt sich vorzugsweise bei der Diskussion um die Wurzeln des WBC: Controlling und Evaluation. Beide entstammen unterschiedlichen Kontexten, Controlling dem System „Wirtschaft“ und Evaluation vornehmlich dem System „Pädagogik“. Damit verbunden sind je eigene (anschlussfähige) Kommunikationen und Handlungen. Indem sich das WBC zu Beginn seiner Entwicklung aus dem betriebswirtschaftlichen Bezugssystem „Controlling“ entwickelt hat, wurde es nach und nach mit pädagogisch-psycholischen Evaluationsaspekten auf der Mikroebene angereichert, ohne im gleichen Zuge die inhärente Konstruktionslogik des WBC vor allem auf der Makroebene zu überdenken. Pädagogisch-psychologische Aspekte orientieren sich ausschließlich auf die Optimierung des Lerntransfers und damit auf die Mikroebene des WBC. Hierdurch wird zum einen die Makroebene des WBC vernachlässigt. Zum anderen folgt die Interpretation der auf der Mikroebene erzielten Ergebnisse zwangsläufig nur ökonomischen Sprachcodes, wodurch Bruchstellen im WBC unvermeidlich sind. Die pädagogischen Ergänzungen stellen lediglich kompensatorische Ergänzungen im vorhandenen WBC-Rahmen dar, sind kein integraler Bestandteil und geraten insofern zu einem Appendix.

Während auf der Makroebene des WBC das Controllingfundament vollständig unangetastet bleibt, erfolgen auf der Mikroebene in der Regel arbeitsteilige und damit in aller Regel unverbundene Controlling- und Evaluationsschritte innerhalb der einzelnen WBC-Phasen. Controlling wird hierbei die Aufgabe der Analyse von quantitativen bzw. monetären und Evaluation die von qualitativen bzw. nicht-monetären Wirkfaktoren zugeordnet (vgl. zu dieser kategorialen Einteilung z. B. PECH 2000). Zudem findet noch eine Diskussion darüber statt, welche von beiden unter den jeweils anderen Begriff zu subsumieren ist. Dies wird in der Literatur mit kontroversen Diskussionen begleitet. Je nach Denktradition wird der Versuch unternommen, Evaluation dem Weiterbildungs-Controlling unterzuordnen (vgl. VON LANDSBERG 1995; HUMMEL 1999, 23) oder umgekehrt (vgl. GÜLPEN 1996, 18; BLIESENER 1997).

Weiterhin gibt es Autoren, für die es keine Rolle spielt, ob der Terminus „Evaluation“ oder „Weiterbildungs-Controlling“ Anwendung findet, da beides dasselbe meint (vgl. RIEDEL 1992, 10; WÖLTJE/ EGENBERGER 1996, 209; THOM 2003). GERLICH (1999, 71) schlägt wiederum vor, die Synergie- und Kompensationsmöglichkeiten des Controlling und der Evaluation für die betriebliche Weiterbildung zu nutzen, da Weiterbildungs-Controlling der Tradition der Evaluation und des Controlling entspringt (vgl. GERLICH 1999; 16), mithin keine eigene Ursprungstradition besitzt (übereinstimmend PIELER 1998, 151; RIEDEL 1992, 9). Diese Entproblematisierung verwischt jedoch die Grenzen und verschließt die Möglichkeit einer analytischen Betrachtungsweise im Hinblick auf potenzielle Konvergenzmöglichkeiten.

Die Sinnverwirklichung des WBC bedingt jedoch das Vorhandensein beider Systeme. Wenn Mitarbeiter ausschließlich als Produktionsfaktor interpretiert werden, dann bestimmen die Kriterien des ökonomischen Systems die Sinnzuweisung; bezogen auf das WBC: Wie schnell konvergiert Kompetenz in Geld. Im System „Pädagogik“ benötigen Weiterbildungsmaßnahmen jedoch Zeit und lassen sich nicht auf eine kurzfristige Zeitdimension zurückführen. Ebenfalls nicht vereinbar mit pädagogischen Sprachcodes ist der Kausalitätsgedanke, z. B. zwischen Planung und Erfolg, der eingebettet ist in einen funktionalen, plandeterminierten Managementprozess. Genauso wenig ist durch die Analogie „Mitarbeiter = Produktionsfaktor“ Wissen von der Person zu trennen, die es erworben hat. Dies mündet im System „Wirtschaft“ dann – aus Sicht des Systems „Pädagogik“ – in das Paradoxon, dass gemäß der Formel des traditionellen Management „if you can`t measure it, you can`t manage ist“ Stellvertreter-Konstrukte von Wissen kausalanalytisch gemessen werden, d. h. es wird etwas anderes gemessen und dies wird dann Wissen genannt (vgl. auch HILSE 2000, 208 f.; HARNEY 1998, 158 f.). Erst so erlangt Wissen eine Wertschätzung und Sinnzuweisung im System „Wirtschaft“. Dies führt jedoch nicht zu den erhofften Ergebnissen, wie die Ergebnisse der BIBB-Untersuchung zur Umsetzung des WBC anzeigen (vgl. KREKEL/ SEUSING 1999). In einer solchen ausschließlichen ökonomischen Sicht würde das System „Pädagogik“ allerdings seine Bedeutung und damit Identität verlieren.

Reflexartig das System „Pädagogik“ als Ausgangspunkt zu wählen und insofern ein ausschließlich pädagogisch legitimiertes WBC im Sinne einer Protesthaltung einzufordern (vgl. z. B. ARNOLD/ KRÄMER-STÜRZL 1997), erzeugt im pädagogischen System zunächst Sympathien; nicht zuletzt, weil so im WBC-Diskurs pädagogisch-anschlussfähige Semantiken identifiziert werden können. Durch eine solche höchst selektive, pädagogisch-filternde Rezeption erfolgt jedoch eine Marginalisierung und Verengung des WBC-Diskurses und führt letztendlich zu einer abgekoppelten pädagogischen Insellösung. Relevante Strukturen und Prozesse des Systems „Wirtschaft“ bleiben ausgeblendet, so dass sich der Analyserahmen insgesamt als unzureichend erweist. Relevant ist nicht eine Dichotomisierung beider Kontexte, sondern eine Prüfung, inwiefern gegenseitig anschlussfähige Kommunikationen und Handlungen möglich sind, da beide Kontexte prinzipiell zirkulär miteinander verwoben sind.

Problematisch ist auch ein Herauslösen des WBC aus seinem systemspezifischen Bedeutungskontext und die bloße Adaption auf andere Kontexte (vgl. z. B. SEEBER 2005; VAN BUER 2005; HENSE/ MANDL/ SCHRATZENSTALLER 2005), da dies nicht unwesentlich zu einer weiteren Verwässerung bzw. Entproblematisierung beiträgt; ein unzureichender Analyserahmen ist die Folge.

Auch wenn die filternde Suche nach anschlussfähigen pädagogischen Semantiken nicht unüblich ist (vgl. hierzu die Kritik von KUPER 2000; 2001 in Bezug auf die erziehungswissenschaftliche Reflexion der Organisationstheorie und der betrieblichen Weiterbildung; vgl. ferner die didaktische Rekonstruktion der Personalentwicklung durch DITTMAR 2001; allgemein SAILER 2002, 96 ff.), wird WBC durch diese rein pädagogische Perspektive zu einem geschützten pädagogischen Raum deklariert und wird aus dieser Sicht sodann als defizitär bestimmt. Es erfolgt gleichsam eine Pädagogisierung innerbetrieblicher (Weiterbildungs-)Prozesse. Ergänzend bzw. relativierend muss hinzugefügt werden, dass diese Form der Reflexion nicht nur im System „Pädagogik“ erfolgt, sondern gleichermaßen für das System „Wirtschaft“ gilt (vgl. z. B. die Kritik von HILSE 2000 und KLUGE/ SCHILLING 2000 bzw. REBMANN/ TREDOP 2005 im Hinblick auf die ökonomische Diskussion um Wissensmanagement bzw. Balanced Scorecard und den darin enthaltenden pädagogischen Kategorien).

Die Suche nach einem gemeinsamen sozialen Bereich im Sinne einer differenzierten, analytischen Auseinandersetzung bleibt aus. Ergebnis der einseitigen Reflexion sind strukturell bedingte Konstruktionshindernisse, die eine fehlende Passung zwischen den zwei Systemen, in denen das WBC agiert, aufweisen. Es fehlt mithin ein Referenzrahmen im Sinne einer interpretativen Argumentationsfolie, der es ermöglicht, die in den WBC-Ansätzen enthaltenen Komponenten auf einer darüber liegenden, (meta-)theoretischen Ebene dahingehend zu diskutieren, inwiefern jenseits oberflächlicher Konvergenzen gegenseitige anschlussfähige Kommunikationen und Handlungen ausgelöst werden können. Relevant ist demzufolge eine Passfähigkeit von zwei prinzipiell verschiedenen Wirklichkeitskonstruktionen der Systeme „Wirtschaft“ und „Pädagogik“ und den sich daraus ergebenen Kontextmarkierungen. (Wie schwer dies sein kann, zeigen bspw. die Ergebnisse zur Lernortkooperation im dualen System. Dort treffen Berufsschulen (System „Pädagogik“) und Ausbildungsbetriebe (System „Wirtschaft“) aufeinander, deren gemeinsamer Bezugspunkt die Berufsschüler bzw. Auszubildenden sind. Obwohl sogar auf politischer und administrativer Ebene Lernortkooperation gleichsam verankert wurde, zeigen die empirischen Studien ein ernüchterndes Ergebnis. In der Regel besteht ein koordiniertes Nebeneinander, von einer „echten“ Lernortkooperation zwischen den Beteiligten auf personaler Ebene ist man noch immer sehr weit entfernt. Dies liegt allerdings nicht an einer Kooperationsunwilligkeit der Betroffenen, sondern ist vielmehr auf das Vorhandensein zweier Systeme mit je eigenen systemspezifisch ausgebildeten Sinnstrukturen zurückzuführen; es liegen mithin verschiedene Systemidentitäten und -grenzen vor (vgl. auch KÖSEL 2005). )

Dies bedingt eine differenzierte Beschreibung des Systembegriffs, da nur so jenseits oberflächlicher Erklärungen begreifbar wird, wie die zwei Bezugssysteme des WBC operieren, sich zueinander verhalten und wie ggf. gestaltend in diese Systeme eingegriffen werden kann (vgl. allgemein zum zugrunde gelegten Systemverständnis REBMANN/ TENFELDE/ UHE 2003, 63 ff.; HEJL 1996). Erst durch eine systemische Sichtweise kann der postulierte bimentale Charakter des WBC jenseits analogisierender Adaptionen herausgearbeitet werden, da so einerseits Grenzen und demzufolge Differenzen zwischen den beiden Systemen erkennbar werden. Andererseits lassen sich so ggf. sinnvolle Bedeutungsüberschneidungen zwischen den Systemen aufzeigen. Da ein WBC nicht losgelöst von diesen beiden Bedeutungssystemen zu denken ist, ist ein Controlling im Bereich der betrieblichen Weiterbildung stets im Hinblick auf ihre ökonomischen und pädagogischen Bedeutungen zu analysieren und zu reflektieren.

D. h. es muss notwendigerweise ein Schritt zurückgetreten werden, indem nicht losgelöst vom Kontext ein zumeist pragmatisches Optimierungsinstrument formuliert wird, sondern vielmehr sein voraussetzungsvolles Bedingungs- und Begründungsgefüge reflektiert wird. Mit dieser Sicht weiten sich zugleich die Steuerungs- und Optimierungsprobleme aus, da rein instrumentelle Lösungen versagen; WBC ist nicht auf ein bloßes Messproblem zu reduzieren. Ginge man dennoch diesen Weg, würde mittels oberflächlicher Begriffe eine Übereinstimmung generiert, die spätestens in der Praxisumsetzung wegen der zugrunde liegenden differenten Denk- und Handlungslogiken brüchig wird und ein Scheitern des WBC beinhaltet.

Erst diese Vorgehensweise ebnet sodann den Weg, das WBC auch aus Sicht des Systems „Pädagogik“ zu betrachten, das sich mit den voraussetzungsvollen Bedingungen der Verwertung individueller Kompetenzentwicklung beschäftigt – ohne zu vernachlässigen, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens auch Teil des Systems „Wirtschaft“ sind.

6. Schlussbetrachtung

Die Orientierung an den individuellen Kompetenzen der Mitarbeiter stellt eine wesentliche Neuerung im Rahmen vorhandener Controlling-Konzeptionen dar, durch die der Mitarbeiter als strategischer Erfolgsfaktor für-wahr-genommen werden soll. Diese Wahrnehmung entpuppt sich bei näherer Betrachtung jedoch als eindimensional. Es offenbart sich eine Bruchstelle zwischen der Mikro- und Makroebene des WBC. Theoretischer Bezugspunkt für das WBC auf der Makroebene bilden Definitionen und Konzepte des betriebswirtschaftlichen Controllings, die zum einen einer plandeterminierten Sicht folgen und sich zum anderen am „Technik-Genie“ orientieren. Beide folgen wiederum ausschließlich der Logik des Systems „Wirtschaft“, so dass kaum anschlussfähige Kommunikationen und Handlungen im System „Pädagogik“ erzeugt werden können. Dies bestimmt insgesamt den Denk- und Handlungsrahmen des WBC, insofern das WBC auf der Mikroebene, wo es anschlussfähige Sinnstrukturen für das System „Pädagogik“ gibt, in der WBC-Konzeption gleichsam nachrangig angeordnet ist.

Ergebnis der einseitigen Reflexion sind demzufolge strukturell bedingte Konstruktionshindernisse, die eine fehlende Passung zwischen den zwei Systemen, in denen das WBC agiert, aufweisen.

Die Suche nach einem gemeinsamen sozialen Bereich auf Basis einer differenzierten, analytischen Auseinandersetzung wäre jedoch relevant, insofern das Sichtbarmachen von relevanten Unternehmensaspekten jenseits der Finanzperspektive durch eine unreflektierte Anwendung traditioneller Erfassungs-, Steuerungs- und Bewertungskonzepte nicht „controlled“ werden können. Ebenso wenig hilft eine reflektierte Anwendung im vorhandenen Denk- und Handlungsrahmen. Es erscheint eher zweifelhaft, ob die so genannte Intangibles-Debatte, in die auch das WBC eingebettet ist, „überhaupt kommensurabel ist mit dem vorherrschenden Paradigma des 'cost und value reporting/accounting'“ (HABERSAM/ PIBER 2003, 190). WBC orientiert sich derzeit jedoch noch dieser ökonomischen Perspektive; es werden die zu verwertenden Lernerfolge der Mitarbeiter auf Basis einer „restringierten Lernfähigkeit“ (DIENSBERG 2001) betrachtet, die einer strategie gestaltenden betrieblichen Weiterbildung im Wege steht. Unhinterfragt bleibt das hierfür voraussetzungsvolle Bedingungsgefüge, so dass sowohl die individuelle Kompetenz der Mitarbeiter als auch die Lerninfrastruktur und damit anschlussfähige Sinnstrukturen an das System „Pädagogik“ vernachlässigt werden.

 

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