Beitrag von Petra FREHE & H.-Hugo KREMER (Universität Paderborn)
Die Bildungsgänge des berufsschulischen Übergangssystems stehen vor der Herausforderung, berufliche Grundbildung sowie berufliche Vorbereitung und Orientierung für eine Zielgruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen anzubieten, die gleichzeitig im Bereich von Basiskompetenzen große Defizite aufweisen. Vor diesem Hintergrund werden individualisierte Bildungs- und Lernangebote gefordert, die ihre jeweils sehr heterogenen Problemlagen und Erfordernisse aufnehmen und zum Ausgangspunkt des Lehren und Lernens machen. In diesem Kontext kommt der Kompetenzerfassung eine bedeutende Rolle zu. Zum einen geht es darum, den individuellen Entwicklungsstand der Lernenden aufzunehmen und diesen mit den subjektiven Lernerfordernissen und den Lernanforderungen des Übergangssystems zu verknüpfen. Zum anderen geht es auch darum, die Situation der Kompetenzerfassung selbst genauer in den Blick zu nehmen und sich ihrer (Aus-)Wirkung auf den Lernenden bewusst zu sein. Aus diesem Blickwinkel erscheint ein Großteil der unter pädagogischer Diagnose zu verankernden Instrumente – z. B. klassische, auf insbesondere kognitive Dispositionen abhebende Testverfahren u. Ä. – mit ihrer Ausrichtung an sozialwissenschaftlichen und psychologischen methodologischen Standards problematisch und zwar sowohl in ihrer eindimensionalen Zielperspektive als auch bzgl. ihrer Umsetzbarkeit in Praxiskontexten. Gleichzeitig besteht jedoch auch die Gefahr, dass Kompetenzerfassung vernachlässigt oder unsystematisch und wenig zielorientiert aufgenommen wird. Die Rollenbasierte Kompetenzbilanz stellt ein stärkenorientiertes Instrument zur Kompetenzerfassung und -entwicklung innerhalb des Berufsorientierungsprozesses dar, dessen Grundkonzeption und Positionierung im Kontext von Kompetenzerfassungsverfahren in diesem Beitrag diskutiert werden sollen.
Role-based competence assessment – potential and challenges for the vocational school-based transition system
The educational pathways of the vocational school-based transition system face the challenge of offering vocational foundation education as well as vocational preparation and orientation for a target group of young people and young adults who, simultaneously, have major deficits in their basic competences. Against this background, individualized educational and learning opportunities are called for, which respond to their respectively very heterogeneous problem situations and requirements, and make them the starting point of their teaching and learning. In this context, the assessment of competence takes on a significant role. On the one hand, it is necessary to respond to the individual stage of development of the learners, and to connect this to the subjective demands of the learners and the learning requirements of the transition system. On the other hand, it is also important to look more closely at the situation of competence assessment and to be aware of its effect on the learners. From this perspective it seems that many of the instruments used for pedagogical diagnosis – for example, classical testing procedures which focus particularly on cognitive dispositions, among others – with their orientation to social sciences and psychological methodological standards, are problematic, and indeed both because of their one dimensional perspective and aim, as well as their transferability in practice contexts. At the same time there is also, however, the danger that competence assessment is neglected or is used unsystematically and with little orientation to the goals. Role-based competence assessment represents an instrument for competence assessment and development that is oriented to strengths within the vocational orientation process, whose basic conception and position in the context of competence assessment procedures will be discussed in this paper.
Das Übergangssystem umfasst nach Definition des KONSORTIUMS BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG (2006, 79) „(Aus-)Bildungsangebote, die unterhalb einer qualifizierten Berufsausbildung liegen bzw. zu keinem anerkannten Ausbildungsabschluss führen, sondern auf eine Verbesserung der individuellen Kompetenzen von Jugendlichen zur Aufnahme einer Ausbildung oder Beschäftigung zielen und zum Teil das Nachholen eines allgemein bildenden Schulabschlusses ermöglichen.“. Schaut man nun aus einer intrasystemischen Perspektive auf das Übergangssystem, ist anzumerken, dass das Übergangssystem nicht eindeutig zu benennen ist. Dieses von STOMPOROWSKI als „institutionelle Heterogenität“ (2007, 260) beschriebene Phänomen zeigt sich darin, dass sich das Übergangssystem durch verschiedene Kategorien von Bildungsgängen und Schulformen sowie durch die berücksichtigten Berufsfelder und Bereiche differenziert, die je Bundesland unterschiedlich ausgelegt und angeboten werden. Vor diesem Hintergrund wird das Übergangssystem dann häufig kritisch als ,Dschungel‘ (vgl. z. B. ENGGRUBER 2003, 25; GREINERT 2007, 2) oder ,Labyrinth‘ (MÜNK 2008, 8) von Maßnahmen tituliert. STOMPOROWSKI (2007, 44) weist jedoch darauf hin, dass das Übergangssystem sich zwar nicht auf eine bestimmte Schulart reduzieren lässt, sich aber dennoch Bereiche kennzeichnen lassen, „die eine eigene Kontur besitzen und denen Schulformen zugeordnet werden können, die die Aufgabe der Bildung benachteiligter Jugendlicher erfüllen“. Ausgehend von den Grundüberlegungen zur Zielgruppe des Übergangssystems, nämlich dass hier zu verortende Jugendliche Probleme beim Übergang in eine existenzsichernde Beschäftigung haben und über eine geringe schulische Vorbildung verfügen (vgl. STOMPOROWSKI 2007, 44), kann eine erste Eingrenzung erfolgen. Damit lässt sich das schulische Übergangssystem in drei Kategorien untergliedern: Berufsvorbereitende Bildungsgänge, das Berufsgrundbildungsjahr sowie teilqualifizierende Bildungsgänge in Berufsfachschulen (vgl. STOMPOROWSKI 2007, 44; BEICHT 2010, 91; SCHMIDT 2011, 87). Diese werden wiederum je Bundesland bzw. Maßnahmenträger unterschiedlich differenziert und benannt bzw. die Zuordnung zum sogenannten Übergangssystem ist kaum eindeutig. Hinzu kommt, dass die Bildungsgänge in regionalen Bildungsräumen eine spezifische Bedeutung zugewiesen bekommen. Insgesamt zeigen sich die Bildungsgänge, Maßnahmen und Instrumente im Übergang von Schule zu Ausbildung und Arbeitswelt als sehr heterogen. Es gelingt daher kaum, den Übergang als gemeinsames Bildungs- und Entwicklungsziel zu schärfen, was sich über unterschiedliche institutionelle Zuständigkeiten, Ziele, Funktionen, Lernorte und -verfahren zeigt. Ebenso deutet die Differenzierung von STOMPOROWSKI an, dass auch die Abgrenzung zum Ausbildungssystem fließend ist.
Die in der Definition des Übergangssystems mitgeführten Zielsetzungen illustrieren bereits deutlich die vielfältigen und teilweise schwer zu vereinbarenden Herausforderungen, denen das Lehren und Lernen im Übergangssystem gegenüber steht. STOMPOROWSKI beschreibt Lehren und Lernen im Übergangssystem als „Pädagogik im Zwischenraum“, nachdem die berufliche Bildung Benachteiligter keinem eigenen Selbstverständnis folgt, sondern „ein schulorganisatorisches Vakuum darstellt, dessen Anspruch sich aus den jeweiligen Bedürfnissen der flankierenden Einflussbereiche konstituiert.“ (2007, 7). Überspitzt nimmt das Übergangssystem vor diesem Hintergrund eine intersystemische Kompensationsfunktion bzgl. der Lernziele allgemeiner und beruflicher Bildung ein, welche sogar per Definition verankert ist (s. o.) und sich somit in den Lehrplänen[1] der entsprechenden Bildungsgänge manifestiert. Als Referenzpunkt stellt sich auf der Seite der Allgemeinbildung die Vergabe eines allgemeinbildenden (insbesondere höherwertigen) Abschlusses (Hauptschulabschluss / Realschulabschluss). Die Zielsetzung besteht darin, bestehende Defizite im Bereich von Basiskompetenzen mit Rückbezug auf Bildungsstandards[2] der Sekundarstufe I auszugleichen und sich damit gleichzeitig der Entwicklung von Ausbildungsreife[3] anzunähern. Aufseiten der Vorbereitung auf eine berufliche Ausbildung wird auf das Konzept beruflicher Handlungskompetenz rekurriert. Berufliche Grundbildung soll unter diesem Gesichtspunkt die Kompetenzbereiche Fach-, Sozial- und Personalkompetenz aufnehmen und berücksichtigen (SEKRETARIAT DER KULTUSMINISTERKONFERENZ 2007, 10 f.).[4] Die Lehrpläne verweisen hier insbesondere auf grundlegende berufsfeld- und bereichsspezifische Fächer resp. Lernfelder, die ihrerseits auf Standards bzgl. Abschlussprüfungen in den entsprechenden Ausbildungsberufen Bezug nehmen. KREMER (2011, 5) spricht hier von einem doppelten Spannungsverhältnis: „[…] einerseits zwischen den Bildungsgängen des Allgemeinbildungssystems und des Berufs(aus)bildungssystems und auf der anderen Seite zwischen beruflichen und allgemeinbildenden Lerngebieten in den Bildungsgängen des berufsschulischen Übergangssystems selbst.“ In Konsequenz ergibt sich für das Übergangssystem eine ausgeprägte Orientierung der Lernangebote an Standards[5] der angrenzenden Systeme. Gleichzeitig verfügen die Lernenden in diesem Bereich aber über sehr individuelle Problemlagen und Erfordernisse, die in den Blick zu nehmen sind (EULER 2011, S. 324 f.).
Damit ist auch die Frage, worauf Kompetenzerfassungsverfahren auszurichten sind, nicht eindeutig zu klären. Es scheint jedoch einleuchtend, dass vor diesem Hintergrund der Einsatz isolierter Verfahren zur Erfassung resp. Messung von bspw. mathematischer, sprachlicher oder sozialer Kompetenz ebenso wie die Feststellung einer spezifischen Berufseignung als nicht ausreichend angesehen werden kann. Kompetenzerfassung ist vielmehr als durchgängiges Prinzip in die Bildungsgänge des Übergangssystems zu integrieren. Der Lernende ist dabei ganzheitlich in seiner Persönlichkeit zu betrachten. Damit sind sowohl fachliche und berufliche sowie lebensweltlich gelagerte Kompetenzbereiche als Perspektiven der Kompetenzerfassung aufzunehmen. So lässt sich zwar das angedeutete Spannungsverhältnis nicht auflösen, jedoch eröffnet es eine (neue) Perspektive, verstärkt den Lernenden zum Ausgangspunkt von Kompetenzerfassungsverfahren und einer damit verbundenen Kometenzentwicklung zu machen.
Eine Vereinbarung von standardisierten Lernangeboten mit individualisierten Lernwegen vor dem Hintergrund einer besonders unterstützungsbedürftigen Lernendengruppe kann zusammenfassend als die bedeutende Herausforderung pädagogischen Handelns im Übergangssystem betrachtet werden. In einer Vorerhebung zum Projekt InLab[6] wurden Lehrende aus elf Berufskollegs in NRW befragt, wie sich Heterogenität bzgl. ihrer Lernendengruppe im Übergangssystem darstellt. Hier bestätigen sich auch in der Literatur zu findende Heterogenitätsmerkmale: Eingangsvoraussetzungen, Herkunft, private und soziale Lebensumstände (vgl. BEUTNER/ FREHE/ KREMER/ ZOYKE 2009, 20 ff.). Neben der Heterogenitätszuschreibung können jedoch auch gemeinsame Problemlagen der Lernenden herausgestellt werden. Ein Großteil dieser Jugendlichen hat eher schlechte Erfahrungen mit dem Schulsystem gemacht und verfügt über geringe oder gar keine formalen Bildungsabschlüsse. Als besondere Problemlage, die die Jugendlichen vereint, wird die Herausforderung gesehen, sich beruflich (neu) zu orientieren. Dabei stellen sich Aufgaben der Berufsorientierung nicht nur „für so genannte leistungsschwache Jugendliche […], sondern auch für Jugendliche, die zwar als ausbildungsreif eingestuft werden, aber auch über einen beruflichen Orientierungsbedarf verfügen.“ (KREMER 2011, 4).
Ob die differenzierte Landschaft der Bildungsangebote innerhalb des berufsschulischen Übergangssystems diesen Bedarfen gerecht werden kann, wird vielerorts bezweifelt. Insgesamt kann jedoch Heterogenität als kennzeichnendes Merkmal des Übergangssystems benannt werden: Es spiegelt sich sowohl auf Ebene der systemischen Ausrichtung wider (Lernziele der Allgemeinbildung und Berufsbildung) als auch innersystemisch (Vielzahl an Bildungsgängen) sowie bezogen auf die hier zu verortende Zielgruppe.
Innerhalb des Projektes InLab wurde der Berufsorientierungsprozess, der sich gerade für die Lernenden des Übergangssystem als bedeutsame Entwicklungsaufgabe stellt, als Bezugsgröße herangezogen, um allgemeinbildende und berufsbildende Kompetenzbereiche zu vereinen und dabei die Orientierung am und durch das lernende Individuum selbst betont. Durch die Auseinandersetzung der Lernenden mit typischen Aufgaben der Berufsorientierung kann es gelingen, Lerninhalte neu zu positionieren. Konkret bedeutet dies, dass Lerninhalte sich nicht an Fachstrukturen orientieren sondern an Situationen der Berufsorientierung ausgerichtet sind. Damit wird den Lernenden ein neuer Zugang zum Lernen eröffnet: Berufsorientierung stellt sich als individuell bedeutsame Aufgabe dar; die Lernenden können bereits gemachte Erfahrungen in diesem Kontext einbringen. Allgemein- und berufsbildende Lerninhalte werden so situativ verankert und Kompetenzen können in individuell bedeutsamen Situationen zur Anwendung gebracht werden. Der Zugang Berufsorientierung kann damit auch über verschiedene Bildungsgänge des Übergangssystems genutzt werden. So kann in berufsgrundbildenden Bildungsgängen eine berufsbereichsspezifische und damit engere berufliche Orientierung erfolgen als bspw. in Bildungsgängen der Ausbildungsvorbereitung wie dem Berufsorientierungsjahr. Der Grad an beruflicher Orientierung der Lernenden ist jedoch zunächst zu ergründen und im Zuge individueller Lernaufgaben zur Berufsorientierung zu berücksichtigen.
Ausgehend von dem hier skizzierten Problemraum wurden innerhalb der Entwicklungsarbeit zur Rollenbasierten Kompetenzbilanz[7] sowohl theoretisch- als auch praxisgelagerte Orientierungen aufgenommen, um Gestaltungsanforderungen für die Konzeption eines didaktischen Prototypen formulieren zu können. Im Ergebnis wurde der Zugang zum Lehren und Lernen durch Situationen der Berufsorientierung, die durchgängige Aufnahme einer entwicklungsförderlichen Kompetenzerfassung sowie eine stärkenorientierte Perspektive auf das Lernsubjekt und die Lehr-Lernprozesse als für die Konzeption zu berücksichtigend betrachtet und gelten damit als didaktische Kernkategorien der Rollenbasierten Kompetenzbilanz. Aus konzeptioneller Perspektive stellt das Rollenkonzept einen Zugang dar, diese didaktischen Kernkategorien zu vereinen. Nach vorliegendem Verständnis (s. u.) führt es den Grundgedanken mit, äußere (Lern-)Anforderungen an das Individuum mit mitgeführten intrapersonalen Faktoren (Interessen, Einstellung, Werte etc.) zu vereinen. Gleichzeitig können sie Prozesse der Selbstreflexion und Selbstdarstellung befördern. Wie sich der Rollengedanke im Konzept der Rollenbasierten Kompetenzbilanz niederschlägt, soll im Folgenden näher erläutert werden.
Im Sinne der Gestaltung individuell förderlicher Lernumgebungen stellen Instrumente zur Kompetenzerfassung und Kompetenzentwicklung Basiskomponenten dar (vgl. KREMER/ ZOYKE 2009, 167 f.). Mit Blick auf die Zielgruppe im Projekt InLab erscheint es unter einem hier gewählten stärkenorientierten und motivierenden Ansatz als hinderlich, zu sehr die Vergangenheit als Ausgangspunkt zu sehen, wie es bspw. in anderen Modellen der Kompetenzbilanz[8] durch die Anbindung an vergangenen Lebensphasen, Schul- oder Berufslaufbahnen etc. vorgenommen wird. Ein solcher Rückblick ist gerade im Kontext Übergangssystem relativ oft mit negativen Erfahrungen und Rückschlägen der Jugendlichen verbunden, die sich zum einen auf die Schullaufbahn und den misslungenen Übergang in Ausbildung oder auch Arbeit erstrecken, zum anderen aber auch auf private bzw. soziale Problemlagen zurückführbar sind. Als Zugang dienen den Lernenden im vorliegenden Konzept daher positiv belegte Rollen, die sie gegenwärtig in ihrer Lebenswelt einnehmen. Daraus können zunächst Tätigkeiten erkannt und gesammelt werden, die in einem weiteren Schritt zu Stärken- und Kompetenzbereichen zusammengeführt werden können. Quellen zur Identifikation von Rollen sind bspw. die Bereiche Hobby, Familie / Freunde, Schule oder Nebentätigkeit. Daraus ableitbare Rollen sind bspw. „der Hip-Hopper“, „der beste Freund“, „der Klassenclown“ oder „der Zeitungsbote“. Für günstig wird daneben erachtet, Elemente der Rollenbasierten Kompetenzbilanz nicht isoliert und als einmalig zu betrachten, sondern alternierend in den Verlauf des Bildungsganges einzugliedern, um so eine Durchgängigkeit und einen sukzessiven Kompetenzaufbau im Prozess der Berufsorientierung in Verbindung mit Basiskompetenzen und beruflicher Grundbildung zu erreichen.
Damit werden subjektiv zentrierte Rollen aus der Lebenswelt, die auch informelle Lernorte einbezieht, als Ankerpunkt für eine erste Kompetenzerfassung herangezogen. Dies erfordert von den Lernenden ein hohes Maß an Kompetenz zur Selbstreflexion und ein Grundverständnis der Kategorisierung durch Rollen.[9] GELLER stellt fest, dass der Rollentheorie im Kontext von Selbstdarstellung im Alltag eine gewisse Bedeutung zukommt (1994, 8). Grenzen von Rollen sind jedoch verschieden und insbesondere „gegenüber der individuellen Person spezieller als auch allgemeiner gefasst“ (LUHMANN 1987, 430). Subjektive Rollen stehen damit in Abhängigkeit zu dem vom Individuum jeweils vorherrschenden Verständnis des Rollenbegriffs, seiner Interpretation und Abgrenzungen. Motiviert durch die Erstellung eines individuellen Graffitis unter dem Leitthema ,Wer bin ich, was mache ich und was ist mir wichtig?‘ werden Rollen ergründet und analysiert. Darauf aufbauend erfolgt die Übertragung der ermittelten Stärken in eine tabellarische Übersicht, die die Basis weiterer Kompetenzbilanzierungs- und entwicklungsschritte darstellt (vgl. FREHE/ KREMER 2010). Damit ist die Kompetenzerfassung in diesem Kontext nicht allein auf das Ergründen individueller Entwicklungsstände und vorhandener Kompetenzen resp. Stärken ausgerichtet. Die Situation der Kompetenzerfassung kann hier gleichsam als Möglichkeit zur Kompetenzentwicklung verstanden werden, die bspw. personale und soziale sowie kommunikative Kompetenzbereiche betrifft.
Dieser rollenbasierte Ansatz wird auch für die Kompetenzentwicklung im Prozess der Berufsorientierung mitgeführt: Wo zunächst ein Rekurs auf die individuelle Rezeption des Rollenbegriffs erfolgt (subjektiv zentrierte Rollen), scheint es für eine weitere Anwendung zur individuellen Kompetenzentwicklung notwendig, die Rollentheorie differenzierter aufzunehmen: Die soziologische Rollentheorie geht davon aus, dass in Situationen aus Rollen[10]heraus gehandelt wird (vgl. u. a. TENBRUCK 1961; PARSONS 1966; DREITZEL 1968).[11]Dies impliziert mitunter die Vorstellung, dass sich zumindest eine Anzahl von wiederkehrenden Situationen vorwegnehmen lässt, d. h. das in ihnen erforderliches Handeln antizipierbar ist (vgl. BERGER/ LUCKMANN 1969, 57). Von Rollen kann dann gesprochen werden, wenn ein objektivierter Wissensbestand vorliegt, der einer Mehrheit von Handelnden gemeinsam zugänglich ist: Es geht somit um reziprokes Wissen darüber, wie eine bestimmte, typische Situation durch das Handeln in einer Rolle bewältigt werden kann (vgl. ebd., 78). Nach COBURN-STAEGE dienen Rollen in diesem Zusammenhang als Orientierungskategorie. Wie nun die entsprechende Rolle vom jeweiligen Individuum gefüllt wird, steht in Abhängigkeit zu seinem Selbstkonzept (vgl. 1973, 64). Dies deckt sich mit der Argumentation TENBRUCKs, der zu bedenken gibt, dass im Rollenkontext immer auch individuelle Aspekte wie Emotion, Engagement und Identifikation mitzudenken sind: Demnach wird die Rolle nicht allein durch die Erwartungen anderer real, sondern insbesondere auch durch „eigene Erwartungen, Gefühle, Dispositionen, Einverständnisse, Orientierungen, Werte“ (1961, 21).
Im Rahmen der Entwicklungsarbeit der Rollenbasierten Kompetenzbilanz wird das Rollenkonzept damit zum einen aufgenommen, um vor dem Hintergrund individueller biografischer Erfahrungen einen Zugang zur Kompetenzbilanzierung herzustellen. Auf der anderen Seite werden in Bezug auf Situationen resp. Handlungsfelder zur Berufsorientierung Rollen als didaktisches Konstrukt zur Unterstützung individueller Entwicklungsprozesse und der damit zusammenhängenden Kompetenzbilanzierung aufgenommen. Diese sind jedoch von den subjektiv zentrierten Rollen der Lebenswelt abzugrenzen. Aus den als relevant erachteten vier Situationen beruflicher Orientierung[12] (vgl. KREMER 2010; auch KREMER/ WILDE 2006) wurden Rollen abgeleitet („Selbstentdecker“, „Berufsweltentdecker“, „Chancenauswerter“ und „Realisierer“) und durch die Zuschreibung situationsabhängiger Kompetenzanforderungen konkretisiert. Dabei wird ein ganzheitliches Kompetenzverständnis zu Grunde gelegt, nach dem zur Bewältigung einer Situation gleichsam fachliche, personale als auch soziale Kompetenzen erforderlich sind (in Anlehnung an ROTH 1971, 379 ff.), die ihrerseits auf unterschiedliche Wissensbestandteile zurückgeführt werden können (vgl. KREMER 2007, 29 ff.). In diese Logik lassen sich auch Basiskompetenzen einordnen, die zur Bewältigung einer Situation relevant sind (vgl. KREMER 2010, 6 ff.). Die Rollen der Berufsorientierung sind damit aus didaktischer Perspektive sowohl konstruiert als auch determiniert und sind jeweils mit konkreten Zielformulierungen zur Kompetenzentwicklung versehen.[13]Ausgehend von Kompetenzen, die in einer eingehenden Kompetenzbilanzierung aus subjektiv zentrierten Rollen erfasst wurden[14], können die Berufsorientierungs-Rollen je nach Entwicklungsstand und Interesse individuell realisiert werden. Rollen beruflicher Orientierung erfüllen damit zum einen eine Orientierungsfunktion, die sich sowohl auf verschiedene Bereiche von Berufsorientierung bezieht und damit die Frage behandelt „Was umfasst Berufsorientierung?“. Ebenso erfolgt eine Orientierung auf Ebene der Situation selbst: Hier geht es um die Konkretisierung der Aufgaben beruflicher Orientierung in einer bestimmten Situation, die aus der zugehörigen Rolle bewältigt werden. Wie die jeweilige Rolle jedoch vom Lernenden konkret gefüllt wird, welche persönlichen Stärken, Motive, Werte und Einstellungen die individuelle Handlung beeinflussen, kann nicht von außen bestimmt werden. Hier bieten sich Anknüpfungspunkte für die Verbindung der Kompetenzbilanzierungsergebnisse mit Lernaufgaben. Geht es bspw. um die Aufgabe, sich in der Rolle des „Berufsentdeckers“ über Firmen einer bestimmten Branche zu informieren, wählt eine Schülerin, die ihre Stärken im Bereich der offenen Kommunikation erkannt hat, möglicherweise den Weg über ein persönliches Gespräch, um an Informationen zu gelangen. Der internetaffine Schüler hingegen entscheidet sich möglicherweise für die Informationssammlung über eine Internetrecherche. Gleichzeitig lässt sich hier die Förderung von Basiskompetenzen situiert anbinden. Exemplarisch kann die Förderung sprachlicher Kompetenz herangezogen werden: Das Führen von Telefonaten, das Formulieren von Anschreiben oder die Diskussion über unterschiedliche Formen der Informationsgewinnung im Kreis der Mitschülerinnen sind bspw. basale Kompetenzbereiche zur Bewältigung der Rolle des „Berufsweltentdeckers“. Weitere Beispiele ließen sich für mathematische und soziale Kompetenzen sowie im Kompetenzbereich Wissen und Medien finden (Berechnung von Marktanteilen, Auftreten vor Fremden, Umgang mit Internetquellen etc.). Damit stellen sich die Lerninhalte für die Lernenden zwar nicht neu dar, durch ihre Situationsgebundenheit wird ihnen jedoch ein neuer Zugang zum Lernen eröffnet (vgl. KREMER 2010, 9). Es wird ein Anwendungsbezug geschaffen, der den Lernenden möglicherweise im Zuge der rein fächerorientierten Wissensvermittlung eher verborgen bleibt.[15] Aufgaben in Situationen beruflicher Orientierung lassen sich somit aufgrund verschiedenster Stärken und Entwicklungsbedarfe individualisieren. Hier lässt sich die enge Anbindung an den Grundgedanken individueller Förderung feststellen, dem gerade für die sehr heterogene Schülerklientel und die damit verbundenen Problemlagen im Übergangssystem besondere Bedeutung zukommt.
Das Konstrukt der Rolle, ob nun eher aus soziologisch-biografischer Perspektive gedacht oder als didaktisches Konstrukt zur Kompetenzentwicklung, kann somit als verbindende Klammer zwischen den Basiselementen individueller Förderung- der Kompetenzerfassung und Kompetenzentwicklung- betrachtet werden. Es bietet Potenziale, individuelle Voraussetzungen mit Entwicklungszielen zu vereinbaren.
Abb. 1: Grundkonzept der Rollenbasierten Kompetenzbilanz
Zusammenfassend lässt sich folgende Grundidee und -ausrichtung der Rollenbasierten Kompetenzbilanz formulieren: Die Rollenbasierte Kompetenzbilanz stellt ein Instrument zur Kompetenzerfassung und der gleichzeitigen Kompetenzentwicklung dar. Es rekurriert auf Verfahren der Kompetenzbilanzierung und verknüpft diese – ausgehend von einem stärkenorientierten Ansatz – mit Rollen aus der Lebenswelt der Lernenden und Rollen, die sich aus dem Lerngegenstand der Berufsorientierung ergeben. Durch eine an Rollen gebundene Kompetenzerfassung und -entwicklung kann es gelingen, auf der einen Seite Kompetenzen Lernender des Übergangssystems aus Lebensbereichen für den Kompetenzentwicklungsprozess aufzunehmen, ohne sie mit ihren zumeist negativ belegten Schul- und Lernbiografien zu konfrontieren. Auf der anderen Seite eröffnet eine Kompetenzentwicklung in Rollen die Möglichkeit, den individuellen Voraussetzungen und Entwicklungsstand des Lernenden aufzunehmen. Anforderungen, die an Rollen in bestimmten Situationen gestellt werden, können je nach individueller Kompetenz, vorhandenen Stärken oder Entwicklungszielen realisiert werden. Die Anbindung von Lernumgebungen an Rollen beruflicher Orientierung bietet den Lernenden daneben einen neuen, situationsorientierten Zugang zum Lernen, der auch eine anwendungsbezogene Förderung von Basiskompetenzen zulässt.
Wie bereits angeführt, stellen Stärkenorientierung, entwicklungsförderliche Kompetenzerfassung und Berufsorientierung gemeinsam den Gestaltungs- und Entwicklungsrahmen der Rollenbasierten Kompetenzbilanz dar. Im Folgenden sollen diese Punkte nun genauer betrachtet werden.
Entsprechend eines humanistischen Menschenbildes ist davon auszugehen, dass jeder Lernende grundsätzlich über (Lern-)Potenziale verfügt und gewillt ist, sich (weiterzu-)entwickeln und sein Leben aktiv zu gestalten (vgl. LIPPEGAUS-GRÜNAU 2009, 89). An dieser Grundauffassung setzt das Konzept der Stärkenorientierung an. Dieser Begriff erfreut sich einer alltagspädagogischen Beliebtheit, die sich bspw. in Bemühungen widerspiegelt, ,Stärken zu entdecken‘, ,von Stärken auszugehen‘ oder ,Stärken zu stärken‘ (vgl. HÄCKER 2008, 225), eine einheitliche begriffliche Verwendung kann momentan nicht festgestellt werden. Als Grundidee wird herausgestellt, „dass an Defiziten und Schwächen entlang kaum ein tragfähiges Selbstbewusstsein ausgebildet werden kann. Ein Festnageln von Menschen auf ihre Störungen, Schwächen und Defizite scheint eher dazu geeignet, noch tiefer in die Krise zu führen“ (ebd., 277). Ziel der unter Stärkenorientierung zu verortenden Ansätze[16] ist es, „den Folgen der Dominanz eines kulturell verankerten, historisch tradierten analytisch-defizitorientierten Denkens und Handelns entgegenzuwirken“ und dabei „Menschen in die Lage zu versetzen, ihre Belange eigenmächtig, selbstverantwortet und selbstbestimmt vertreten und ihr Leben selbst gestalten zu können, sie professionell dabei zu unterstützen, Stärken, Gestaltungsspielräume und Ressourcen wahrnehmen und nutzen zu können“ (ebd., 228). Das Mitführen einer implizit stärkenorientierten Haltung im pädagogischen Kontext ist von Lehrenden laufend zu vergegenwärtigen und im Sinne der Stärkenorientierung kritisch zu hinterfragen, insbesondere in Situationen verbaler und nonverbaler Kommunikation mit den Lernenden (vgl. ABT/ DRECHSEL 2005, 286; EISENBART et al. 2010, 24). In Bezug auf die Bildungsarbeit gilt es, Stärken zum Ausgangspunkt des Lernens zu machen. Erfolgserlebnisse sind gezielt hervorzurufen, um Lern- und Entwicklungsblockaden aufzulösen und Lern- und Veränderungsbereitschaft zu stimulieren und so den Entwicklungsprozess in eine produktive Richtung zu lenken (GRIMM et al. 2007, 166). Nach WITTWER (2010) hilft „das Wissen um die eigenen Stärken – gerade in Veränderungssituationen – […] den Jugendlichen, die Herausforderungen der neuen Situation anzunehmen und sich zuzutrauen, diese auch zu ,meistern‘“ (2010, 128). Gleichzeitig bedeutet dies nicht, dass bestehende Defizite vernachlässigt werden sollen; jedoch stellen diese nicht den Ausgangspunkt der Förder- und Lernhandlungen dar (KREMER/ KNUST 2012).
Diese Grundhaltung wird im Konzept der Rollenbasierten Kompetenzbilanz durchgängig aufgenommen. Dies verdeutlicht sich im weiteren Verlauf des Beitrags, wenn es um die Darstellung der entwicklungsförderlichen Kompetenzerfassung im Kontext des Berufsorientierungsprozesses geht.
Kompetenzerfassung ist im Rahmen individueller Förderung eine besondere Rolle beizumessen, geht es doch um die Ermittlung vorhandener Kompetenzen, Entwicklungsmöglichkeiten und Ziele der Lernenden (vgl. KREMER/ ZOYKE 2010b, 24). Kompetenzentwicklung und -erfassung lassen sich nach diesem Verständnis nicht losgelöst voneinander betrachten (KREMER/ ZOYKE 2010a), da bspw. „das Erleben der eigenen Kompetenzen dem Individuum Impulse zu deren Entwicklung liefert“ (LIPPEGAUS-GRÜNAU 2009, 119 f.). Die Resilienztheorie legt nahe, die Lernenden insbesondere in der Aufnahme einer zukunftsgerichteten Perspektive zu stützen und diese auf positive Wünsche denn auf Befürchtungen auszurichten (vgl. APA o. J). Lehrende stehen mithin vor der Herausforderung, adäquate Erhebungsinstrumente auszuwählen bzw. zu entwickeln und deren Ergebnisse zur Gestaltung individuell förderlicher und damit differenzierender Lernangebote zu nutzen (vgl. KREMER/ ZOYKE 2010a; KREMER/ ZOYKE 2010b, 24). Die Rollenbasierte Kompetenzbilanz stellt ein stärkenorientiertes und entwicklungsförderliches Verfahren der Kompetenzerfassung dar. Ihre Ergebnisse werden als „Grundlage für eine gezielte Kompetenzentwicklung im Rahmen einer individuellen Förderung“ (LIPPEGAUS-GRÜNAU 2009, 68) genutzt. Hier geht es darum, sich von dem vermeintlichen Idealbild der homogenen Lerngruppe zu lösen und die Einzigartigkeit des Lernenden aufzunehmen und für die Individualisierung des Lehrens und Lernens zu verwerten (vgl. WEINERT/ SCHRADER 1986, 13 ff.; KREMER/ ZOYKE 2010b, 11). Die Rollenbasierte Kompetenzbilanz verfolgt mit ihrer Entwicklungsorientierung die Absicht, individuelles Lernen zu ermöglichen. Sie kann ferner dazu beitragen, dass „sich die jungen Menschen ihrer Kompetenzen gewiss werden, vielleicht sogar neue, bisher unentdeckte Seiten an sich kennenlernen und so auch in ihrem Selbstvertrauen bestärkt werden“ (ENGGRUBER 2011, 243, vgl. auch KAUFHOLD 2010).
Die traditionelle pädagogische Diagnostik umfasst gemäß Definition „alle diagnostischen Tätigkeiten, durch die bei einzelnen Lernenden und den in einer Gruppe Lernenden Voraussetzungen und Bedingungen planmäßiger Lehr- und Lernprozesse ermittelt, Lernprozesse analysiert und Lernergebnisse festgestellt werden, um individuelles Lernen zu optimieren“ (INGENKAMP/ LISSMANN 2005, 13). Damit wird zunächst eine Fokussierung auf Kompetenzentwicklungssettings formalen Lernens vorgenommen.[17] REINDERS stellt die fehlende Berücksichtigung insbes. informeller Kompetenzentwicklungssettings als Defizit vorherrschender Kompetenzerfassungsverfahren heraus (vgl. 2007, 82). Die Rollenbasierte Kompetenzbilanz nimmt diese Bereiche explizit auf und rekurriert damit auf Verfahren der Kompetenzbilanzierung (vgl. ERPENBECK 2003, 11 f.; LIPPEGAUS-GRÜNAU 2009, 75). Vor dem Hintergrund der betrachteten Zielgruppe wird als besonderes Potenzial ihr stärkenorientierter Zugang gesehen, nicht von Defiziten der Lernenden auszugehen, sondern die Aufdeckung und Vergegenwärtigung (verborgener) Kompetenz aus insbes. informellen Kontexten wie Familie, Hobby oder Ehrenamt sowie deren Dokumentation und Ausrichtung auf mögliche berufliche Tätigkeiten in den Vordergrund zu stellen. Kritisch betrachtet wird hingegen der Zugang dieser Verfahren zur Kompetenzerfassung über die biografisch ausgerichtete Reflexion des Schul- bzw. Berufsweges sowie die zumeist fehlende oder unverbindliche Nutzung ihrer Ergebnisse für weiterführende Kompetenzentwicklungsschritte. Für die Rollenbasierte Kompetenzbilanz wird daher ein stärkenorientierter Zugang über gegenwärtige, subjektiv zentrierte Rollen aus der Lebenswelt der Jugendlichen als Ankerpunkt für eine erste Kompetenzerfassung herangezogen.
Über den Gesamtprozess der Auseinandersetzung mit dem individuellen Berufsorientierungsprozess wird eine, in der ersten Kompetenzbilanz entwickelte, individuelle Stärkentabelle mitgeführt. Sie wird über die Zeit aktualisiert und erweitert und dient im Zuge der Kompetenzerfassung (in actu oder begleitend) als Orientierung für Lehrende und Lernende. Aus ihr können Entwicklungsschritte abgeleitet und entwickelte Kompetenzen dokumentiert werden. Hierüber zeigt sich die im Gesamtkonzept mitgeführte Stärkenorientierung. LIPPEGAUS fordert im Kontext von Kompetenzerfassungsverfahren den konsequenten Perspektivwechsel von der Defizitorientierung hin zu den Stärken der Jugendlichen. Demzufolge soll auf das geachtet werden, „was Jugendliche leisten und nicht auf die Erfüllung oder Nichterfüllung möglicher Erwartungen oder starrer Vorgaben. […] Das Erlebnis der eigenen Kompetenz und deren Anerkennung tragen im Sinne des ,Empowerments‘ zu einer Stärkung des Selbstbewusstseins bei. Sie stärken die Motivation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie ihre Bereitschaft, eigene Ziele eigenverantwortlich zu entwickeln und umzusetzen“ (2008, 56). Methodisch orientiert sich die Rollenbasierte Kompetenzbilanz überwiegend an qualitativ und interpretativ ausgerichteten Verfahren. Dabei werden insbesondere kreative Zugänge wie Graffitis oder Mindmaps genutzt. Daneben spielen Gesprächs- und Beratungsbausteine diesem Kontext eine besondere Rolle. Zu betonen ist hier, dass die Kompetenzbilanzierung nicht allein durch die Lehrenden erfolgt. Vielmehr soll es gelingen, dass die Lernenden ihr Selbstbild schärfen und darüber in Austausch und Diskussion mit ihren Mitschülern gelangen. Gleichzeitig ist das Konzept so offen, dass an einigen Stellen auch standardisierte Tests zur Kompetenzmessung oder Berufseignung eingesetzt werden können. Dies ist jedoch immer mit den Erfordernissen und Zielsetzungen der Lernenden in Einklang zu bringen.
Zusammenführend kann dann von einer entwicklungsförderlichen Kompetenzerfassung gesprochen werden, (1) wenn sie zum einen die Bedürfnisse und Erfordernisse der Lernenden in sich aufnimmt und erzielte Ergebnisse in Zusammenhang mit subjektiven (Persönlichkeit) wie objektiven (Lerngegenstand) Entwicklungsschritten bringt. (2) Zum anderen erfordert sie, dass die Situation selbst aus didaktischer Perspektive beleuchtet wird: D. h., dass die Situation der Kompetenzerfassung gleichzeitig als Raum für Kompetenzentwicklung verstanden wird und damit auch didaktisch zu gestalten und damit nutzbar zu machen ist.
Das in der Rollenbasierten Kompetenzbilanz aufgenommene Verständnis von Berufsorientierung nimmt verschiedenen Facetten der Berufswahltheorie didaktisch auf und integriert diese aus einer ganzheitlichen Perspektive.[18] Aus Sicht der Lernenden stellt sich Berufsorientierung als Lernaufgaben dar, „die sich im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung von Übergängen in Ausbildung bzw. Arbeit stellen. Sie erstrecken sich zum einen auf die berufliche Orientierung i. e. S.: Individuelle Voraussetzungen auf der einen und arbeitsmarktlich gelagerte Anforderungen auf der anderen Seite sind zu sondieren. Daneben wird die Verzahnung dieser beiden Perspektiven in Form eines Matchingprozesses relevant. In Konsequenz stellt sich eine Realisierungsaufgabe, in der Entscheidungen getroffen und Umsetzungsschritte (gezielte Stellensuche, Verfassen von Bewerbungsunterlagen etc.) durchgeführt werden. Damit stehen nicht konkrete Vermittlungsperspektiven in Ausbildung oder Arbeit im Vordergrund; vielmehr geht es im Sinne individueller Förderung um eine ganzheitliche, am Individuum ansetzende und damit nachhaltige Kompetenzentwicklung zur selbstgesteuerten Bewältigung von sich immer wieder neu stellenden Aufgaben beruflicher Neu- und Umorientierung.“ (KREMER 2010, 5). Der Prozess der Berufsorientierung wird vorliegend in drei Handlungsbereiche untergliedert: Der Handlungsbereich der Orientierung, der Handlungsbereich der Verzahnung sowie der Handlungsbereich der Realisation (in Anlehnung an KREMER/ WILDE 2006). Eine tiefergehende Differenzierung erfolgt dadurch, dass diesen Handlungsbereichen vier Situationen der Berufsorientierung zugeordnet werden: Selbstentdeckung, Berufsweltentdeckung, Chancenauswertung und Realisierung (siehe Abb. 2), die jeweils durch unterschiedliche Kompetenzanforderungen konkretisiert werden.
Abb. 2: Handlungsfelder und Situationen der Berufsorientierung (KREMER 2010, 6)
Die im Konzept der Rollenbasierten Kompetenzbilanz mit dem Lernprozess innerhalb der Berufsorientierung verbundene Kompetenzerfassung soll vor diesem Hintergrund jedoch nicht in einem (berufs-)eignungsdiagnostischen Sinne verstanden werden, nach dem lediglich die Eigenschaften der Lernenden mit Anforderungen der Arbeitswelt gegenübergestellt und zusammengebracht werden. Es geht vor dem Hintergrund der besonderen Zielgruppe eher darum, auch zusätzliche Kompetenzen resp. Ressourcen aufzudecken und den Lernenden in die Lage zu versetzen, die eigene Berufsbiografie selbst zu gestalten (vgl. LIPPEGAUS-GRÜNAU 2009). Entgegen einer anforderungsorientierten Perspektive stellt die Rollenbasierte Kompetenzbilanz ein subjektorientiertes Verfahren dar, das im Sinne FRÜCHTLs dazu beiträgt, dass Lernende „sich ihrer Kompetenzen bewusst werden und auf dieser Grundlage ihre weitere berufliche Entwicklung gestalten können.“ (2010, 106 f.). Ergänzend kann mit ENGGRUBER (2011, 243 f.) argumentiert werden, die dafür plädiert, Lernende im Prozess der Berufsorientierung zu unterstützen, „indem sie im Laufe des Kompetenzfeststellungsverfahrens für sich den Beruf oder zumindest das Berufsfeld finden, der bzw. das ihren Kompetenzen am meisten entspricht.“ Die Kompetenzerfassung wird innerhalb der Rollenbasierten Kompetenzbilanz über den Entwicklungsprozess als durchgängiges Prinzip betrachtet; dabei werden sowohl zeitpunktbezogene als auch begleitende Formen der Kompetenzerfassung eingebunden (vgl. Abb. 3). Über drei Zeitpunkte wird eine systematische Kompetenzbilanzierung aufgenommen, die jeweils unterschiedlichen Zielsetzungen und Ausrichtungen unterliegen: Zu Beginn des Entwicklungszeitraums wird der Fokus auf bestehende Kompetenzen und individuelle Stärken der Lernenden gelegt. Die zweite Kompetenzbilanz schließt an erste Lernsituationen zur Berufsorientierung an, die die Auseinandersetzung mit der eigenen Person, Interessen und beruflichen Vorstellungen sowie die Analyse beruflicher Möglichkeiten beinhaltet und schließlich in einem individuell vorgenommenen Abstimmungsprozess dieser Perspektiven mündet. Diese Kompetenzbilanz hat zum Ziel, den bisherigen Berufsorientierungsprozess zu beleuchten. Lehrende beraten und entscheiden gemeinsam mit der/dem Lernenden über den weiteren Entwicklungsweg und überlegen die Frage, ob im nächsten Schritt (a) die Realisierung beruflicher Vorstellungen vorgenommen werden kann oder (b) eine weitere orientierende Auseinandersetzung mit der eigenen Person und / oder beruflichen Möglichkeiten notwendig ist. Die dritte Kompetenzbilanz wird am Ende des Berufsorientierungsprozesses vorgenommen und beleuchtet diesen retrospektiv. Der Weg bis hin zur Realisierung der Berufsvorstellung wird den Lernenden erneut vor Augen geführt und dokumentiert. In diesem Rahmen erstellte Unterlagen können in Bewerbungsverfahren die intensive Auseinandersetzung mit dem gewählten Beruf / Betrieb belegen und die Bewerbungsunterlagen auf diesem Wege möglicherweise bereichern.
Insgesamt ist die Rollenbasierte Kompetenzbilanz damit so ausgerichtet, dass die Lernenden ihre Vorerfahrungen zur Berufsorientierung, die sie zumeist aus der Allgemeinbildung mitbringen, hier zum Einsatz bringen können. Es geht dann auch darum, bestehende Handlungskonzepte und Verhaltensroutinen zu überdenken und neue zu entwickeln. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass Berufsorientierung nicht allein durch Informationssammlung zu verschiedenen Berufen und Bewerbungstrainings bewältigt werden kann oder bestimmten Fächern wie Deutsch oder Datenverarbeitung zuordenbar ist. Trotz vielfacher Erfahrungen der Lernenden in diesen Bereichen, scheinen eine Fokussierung auf die eigene Person und mit ihr verbundene Interessen und Stärken sowie die Auseinandersetzung mit Wunschberufen und Alternativen aber auch der Umgang mit insbesondere Absagen Aspekte beruflicher Orientierung darzustellen, die den Lernenden bisher in (berufs-)schulischen Kontexten kaum näher gebracht wurden (GRAWE 2010, VORBECK 2010). Diese Aufgabenbereiche erfordern Kompetenzen zu ihrer Bewältigung – die Fähigkeit zur Selbstreflexion spielt hier eine besondere Rolle und ist zu fördern (vgl. BMBF 2004, 104). Damit erscheint es als wichtig, den Lernenden einen ganzheitlichen Blick auf die Herausforderung der Berufsorientierung zu eröffnen und sie für die Berücksichtigung relevanter Perspektiven zu sensibilisieren. Um die Jugendlichen insbesondere auch in die Lage zu versetzen, je nach individuellem Stand der beruflichen Orientierung Facetten und Fokussierungen aufzunehmen, werden didaktisch konstruierte Rollen der Berufsorientierung eingebunden. Sie stellen eine Ableitung aus den oben benannten vier Situationen beruflicher Orientierung dar und werden als „Selbstentdecker“, „Berufsweltentdecker“, „Chancenauswerter“ und „Realisierer“ benannt. Ihre Konkretisierung erfolgt durch die Zuschreibung situationsabhängiger Kompetenzanforderungen, systematisiert durch ein Kompetenzraster.
Der Bezug von Lehren und Lernen auf Berufsorientierung als kollektive Herausforderung lässt es zu, eine gemeinsame Problemlage von individuell unterschiedlichen Ausgangspunkten und Voraussetzungen anzugehen. Damit wird ein homogen erscheinendes Problemfeld fokussiert, ohne die Heterogenität der Gruppe oder die Besonderheiten des Individuums zu negieren. Gleichzeitig bieten Situationen und Anforderungen beruflicher Orientierung Lehrenden die Möglichkeit, den Lernenden ganzheitlich wahrzunehmen und Kompetenzen, die außerhalb von Schule entwickelt wurden, aufzunehmen. Dies gelingt jedoch nur dann, wenn Ergebnisse der Kompetenzerfassung zur Ermöglichung individueller Kompetenzentwicklung genutzt werden. Im Rahmen der Rollenbasierten Kompetenzbilanzierung spielt der Einbezug der Lernenden eine bedeutende Rolle. Der Prozess der Berufsorientierung und die Entscheidung für einen (Ausbildungs-)Beruf sollen durch die Lernenden nicht als von außen vorgegeben verstanden werden, sondern als bewusst und durch eine intensive Orientierungsphase begründet. Die Erfahrung, die eigene berufliche Zukunft selbst gestalten zu können, kann dazu beitragen, Kompetenzen zur Bewältigung von Berufsorientierungssituationen bei den Lernenden auch nachhaltig zu festigen.
Im Folgenden sollen nun Herausforderungen und Potenziale der Rollenbasierten Kompetenzbilanz vorgestellt werden. Mit Bezug auf diese bwp@-Ausgabe wird dabei eine besondere Fokussierung auf Aspekte einer entwicklungsförderlichen Kompetenzerfassung gelegt. Die Ergebnisse entstammen der fallübergreifenden Auswertung problemzentrierter Interviews mit Lehrkräften, die am Entwicklungs- und Implementationsprozess der Rollenbasierten Kompetenzbilanz beteiligt waren.[19] Die identifizierten Potenziale und Herausforderungen, die in der Anwendung von und dem Umgang mit der Rollenbasierten Kompetenzbilanz verbunden sind, lassen sich gemäß der Zugänge zu individueller Förderung über die Komponenten Organisation, Curriculum und Lernumgebung (vgl. KREMER/ ZOYKE 2009) systematisieren.
Die rollenbasierte Kompetenzbilanz verlangt von Lernenden, dass sie eigene Rollen aufnehmen, analysieren und in der Auseinandersetzung mit dem individuellen Berufsorientierungsprozess auswerten. Dies stellt hohe Anforderungen an die Fähigkeit zur Reflexion der eigenen Lebenswelten. Die Lehrkräfte schätzen dies als große Herausforderung für die Lernenden ein. Obwohl die Lernenden vielfältige Erfahrungen mit (Lern-)Inhalten der Berufsorientierung mitbringen, erstrecken sich diese doch zumeist auf die Erstellung von Bewerbungsunterlagen und das Einüben von Bewerbungsgesprächen. Die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Person und eine daran anknüpfende Analyse der eigenen Interessen, Fähigkeiten und insbesondere Stärken werden als große Herausforderung gesehen. Hier stehen die Lehrenden vor der Aufgabe, den Reflexionsprozess anzustoßen und einen geeigneten Analyserahmen zu schaffen. Die Idee, subjektiv zentrierte Rollen als einen solchen Rahmen zu nutzen, bringt aus Perspektive der Lehrkräfte die Schwierigkeit mit sich, dass den Lernenden der von ihnen als abstrakt gekennzeichnete Rollenbegriff zunächst näherzubringen ist. Maßnahmen zur Einführung, wie die Vorstellung exemplarischer Rollen, die Lernende einnehmen können oder das Durchführen von Rollenspielen, wurden im Zuge der Erprobung eingesetzt und als positiv bewertet. Daneben wird der kreative Zugang, sich den eigenen Rollen zunächst über ein offen gestaltetes Graffiti zu verschiedenen Lebensbereichen und einer anknüpfenden Systematisierung in einem Mindmap anzunähern, als geeigneter vorgelagerter Schritt gesehen, der die Analyse der eigenen Rollen unterstützt. Gleichzeitig wird dieser Prozess jedoch als sehr zeit- und begleitungsintensiv beschrieben. Insgesamt wurde die Rolle des Selbstentdeckers als besonders relevant eingeschätzt. Die Thematisierung der Rolle des Selbstentdeckers stellt sich für die Lehrenden als eine neue und den bisherigen Unterricht zur Berufsorientierung aus ihrer Sicht bereichernde Perspektive dar. Gleichzeitig wird sie als für die Lernenden sehr motivierend und ansprechend beschrieben. Die Lehrenden haben darüber hinaus darauf hingewiesen, dass sich eine solche, persönlichkeitsorientierte und ganzheitliche Sichtweise auf den Lernenden für die eigene didaktische Arbeit als besonders aufschlussreich darstellt. Gerade im Prozess der Berufsorientierung wird es als wichtig empfunden, auf eine gute Basis zur individuellen Begleitung und Beratung zurückgreifen zu können. Als Voraussetzung für die Öffnung der Lernenden wird jedoch ein entsprechendes Vertrauensverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden sowie unter den Lernenden dargestellt, auf das möglicherweise zu Beginn des Bildungsganges zunächst noch hinzuarbeiten ist.
Das Konzept der Rollenbasierten Kompetenzbilanz intendiert, den Lernenden individuelle Lernaufgaben bereitzustellen, die an ihren jeweiligen Stärken ansetzen und den individuellen Stand der Berufsorientierung berücksichtigen. Die Lehrenden beschreiben durchgängig, dass die Lernenden bzgl. ihrer beruflichen Orientiertheit auf sehr unterschiedlichen Entwicklungsständen einzuordnen sind. Zum einen stellen die Lehrkräfte fest, dass ein Teil der Lernenden über konkrete jedoch teilweise unreflektierte Berufsvorstellungen verfügt. Die Lehrenden stehen hier vor der Herausforderung, den Lernenden Anlässe zu bieten, ihre beruflichen Entscheidungen zu hinterfragen und ihren Blick für alternative berufliche Optionen zu weiten. Hier sehen sich die Lehrenden nicht immer in der Lage, den Lernenden – über das eigene Fachgebiet hinaus – das Gesamtspektrum an beruflichen Möglichkeiten aufzuzeigen. Zum anderen wird auch auf Lernende verwiesen, die in diesem Prozess einer intensiven Begleitung und Beratung bedürfen. Dies führt zu der Herausforderung, den Lerngegenstand der Berufsorientierung zu flexibilisieren, damit die Lernenden diesen entsprechend ihres Entwicklungsstandes aufnehmen können. So sind nach Aussage der Lehrkräfte zwar grundsätzlich alle Rollen der Berufsorientierung zu durchlaufen, die Intensität der Auseinandersetzung kann hierbei jedoch variieren.
Ein stärkenorientierter Zugang wird von den Lehrenden durchgehend als sinnvoll und wichtig erachtet. Dies erfordert, dass Lernaufgaben nicht nach einem tradierten Verständnis ausgehend von Defiziten gestaltet werden. Diese Sichtweise auf den einzelnen Lernenden wird von den Lehrenden durchgängig als neuer und das Selbstkonzept der Lernenden förderlicher Zugang beschrieben. Gleichzeitig sehen sie sich jedoch in der Unterrichtspraxis weiter mit den bestehenden Defiziten der Lernenden konfrontiert. Für die Lehrenden besteht die besondere Herausforderung, sich von dem – auch systemisch begründeten (siehe Punkt 1 in diesem Beitrag) – Defizitblick zu lösen und die Sicht auf die Stärken der Lernenden zu schärfen. Die Auswertung zeigt, dass die in der Kompetenzbilanz ergründeten Stärken durch die Lehrenden überwiegend aus einer auf den Bewerbungsprozess bezogenen Verwertungsperspektive betrachtet werden: Der Blick wird darauf gewendet, wie die Nennung und Beschreibung der eigenen Stärken bspw. für die Individualisierung von Bewerbungsunterlagen genutzt werden kann. Die Möglichkeit, die erfassten Stärken zur Individualisierung von Lernaufgaben zu nutzen, wird nicht benannt. Dies lässt darauf schließen, dass die Verknüpfung von Kompetenzerfassungsergebnissen mit Kompetenzentwicklungsschritten als weitere bestehende Herausforderung gesehen werden kann.
Die Auswertung der vorliegenden Interviews zeigt, dass die Lehrkräfte der Auseinandersetzung mit Berufsorientierung in Bildungsgängen des Übergangssystems eine hohe Relevanz zusprechen. Die Lehrenden schildern jedoch gleichzeitig eine Dilemma-Situation, die sich darin zeigt, dass die Thematisierung von Berufsorientierung zwar als notwendig und für die Lernenden als individuell bedeutsam eingeschätzt wird, jedoch auch eine starke Ausrichtung auf fachliche Lerninhalte erfolgt, die die Vergabe eines allgemeinbildenden Abschlusses legitimieren. Dies führte in der Erprobungsphase zu der Schwierigkeit, Berufsorientierung durchgehend in die Unterrichtspraxis einzubinden. Die in den beteiligten Bildungsgängen vorherrschende Orientierung an Fachstrukturen, ähnlich der des allgemein bildenden System, scheint ebenfalls Auswirkungen auf die curriculare Verankerung des Unterrichts zur Berufsorientierung zu haben: In der Implementationsphase wurde das Konzept der Rollenbasierten Kompetenzbilanz in bestehende und – aus Perspektive der Lehrenden – der Thematik nahestehende Fächer integriert, wie beispielsweise dem Fach Deutsch oder dem Fach Datenverarbeitung. In einem anderen Fall wurden zusätzliche, den Projektressourcen entstammende Stunden eingeführt, um ein ergänzendes Fach Berufsorientierung ermöglichen zu können. Die integrale Förderung von Basiskompetenzen in den aus Situationen beruflicher Orientierung abgeleiteten Rollen scheint vor dem Hintergrund eines fächerorientierten Lehrplans nur schwer umsetzbar. In der Praxis wurde eher die Strategie aufgenommen, Bestandteile der Berufsorientierung in die bestehende Fachstruktur einzuordnen oder in einem eigenständigen Fach zu bündeln. Für die Umsetzung einer situations- resp. rollenorientierten Umsetzung ist eine genaue Analyse und Abstimmung der Curricula erforderlich, um auch basale Fachinhalte zu erschließen, die für die Bewältigung der Anforderungen von Berufsorientierungsrollen notwendig erscheinen und damit eine integrale Förderung von Basiskompetenz zu ermöglichen.
Nach Aussage der Lehrkräfte wurde die Strukturierung des Berufsorientierungsprozesses durch die im Konzept verankerten Rollen und Kompetenzbilanzierungs-Bausteine als konzeptionelle Hilfe empfunden. Sie wurde als Basis genutzt, um bestehende Materialien einzelnen Entwicklungs- und Kompetenzerfassungsbereichen zuzuordnen und Gestaltungsbedarfe auszumachen. Ebenfalls bot sie den Lehrenden eine Hilfe, die Sequenzierung über den gesamten Bildungsgang zu planen. Als besondere Herausforderung stellten die Lehrenden in diesem Kontext heraus, bestehende Maßnahmen wie Sozialkompetenztrainings, Besuche von Bildungsmessen und insbesondere die Praktikumsphasen stimmig in den Gesamtprozess zu integrieren. Die Berücksichtigung üblicher Bewerbungsfristen stellte sich in der Erprobungsphase als weitere zu berücksichtigende Größe heraus. Diese Herausforderungen stellen besondere Ansprüche an die Bildungsgangplanung, die von einzelnen Lehrenden nur schwer zu bewältigen ist. Planungs- und Abstimmungsprozesse im Bildungsgangteam scheinen hier von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus ist zu überlegen, wie die Praktikumsphasen als Bestandteil beruflicher Orientierung in das Gesamtkonzept aufzunehmen sind, um hier mögliche Potenziale – bspw. der praxisnahen Berufserkundung – aufnehmen zu können.
Durch die Rollenbasierte Kompetenzbilanz wird die Kompetenzentwicklung innerhalb von Rollen beruflicher Orientierung und in Lernumgebungen zur entwicklungsförderlichen Kompetenzerfassung intendiert. Damit stellen sich komplexe Anforderungen an Lehrende, die nicht von einzelnen Aktiven oder Fachverantwortlichen allein bewältigt werden können sondern einer Kooperation untereinander bedürfen. Dies betrifft die inhaltliche und zeitliche Planung des Bildungsgangs auf curricularer Ebene ebenso wie bspw. die Offenlegung von Entwicklungsschritten und -ergebnissen, die innerhalb einzelner Lernumgebungen identifiziert wurden. Hier ist dann über Instrumente nachzudenken, die den gesamten Prozess der Berufsorientierung abbilden und damit Dokumentations- und Transferzwecken dienen. Die Lehrkräfte betonen in diesem Zusammenhang den hohen Stellenwert von Reflexions- und Austauschformaten untereinander. Dies gewinnt dann zusätzlich an Bedeutung, wenn sich aufgrund einer eingeschränkten Personalsituation Zuständigkeiten und Einsatzgebiete ändern und die betroffenen Lehrenden das Unterrichtsgeschehen nicht durchgehend mitverfolgen können.
Im Kontext der Implementation der Rollenbasierten Kompetenzbilanz gilt es somit, Fragen der Zuständigkeit und Verantwortung zu klären, mögliche Zeitfenster offenzulegen oder finanzielle Mittel zur Durchführung zu analysieren. Auch die Analyse bereits bestehender Angebote und personeller Ressourcen kommen hier zum Tragen. So stellen die Lehrkräfte innerhalb der Interviews bestehende Netzwerke dar, bspw. mit externen Berufsberatern und Anbietern von Sozialkompetenztrainings. Gleichzeitig wurde verdeutlicht, dass diese durchgeführten Maßnahmen mitunter ohne Anbindung an den eigenen Unterricht durchgeführt wurden. Damit stellt sich die Herausforderung, bestehende Netzwerke und deren Angebote zu nutzen, jedoch auch hier Transparenz und eine inhaltliche Anbindung an den eigenen Unterricht zu gewährleisten.
Es ist deutlich geworden, dass auf Ebene der Lernumgebung, des Curriculums und der Organisation vielfältige Potenziale bestehen, die Lehrenden jedoch auch komplexen Herausforderungen gegenüberstehen. Zusammenführend kann festgehalten werden, dass im Kontext von Berufsorientierung eine starke Orientierung an der Vermittlung der Lernenden in Ausbildung und Arbeit zu erkennen ist. Mit Bezug auf die Stärkenorientierung bedeutet dies, dass die Ergebnisse der Stärkenanalyse häufig in direktem Zusammenhang mit Anforderungen der Arbeitswelt (Berufseignung) oder als Potenzial zur Individualisierung von Bewerbungsunterlagen gesehen werden. Damit ist die Gefahr verbunden, innerhalb von Kompetenzerfassungsverfahren eine Ausbildungsfähigkeit oder Berufseignung attestieren zu wollen.
Als übergreifende Herausforderung kann es daher gesehen werden, dass Berufsorientierung nicht allein in seiner Funktion zur erfolgreichen Bewältigung des Übergangs in Ausbildung bzw. Arbeit zu verstehen ist, sondern darüber hinaus als neuer Zugang zum Lehren und Lernen. Wenn dies sich nicht länger an starren Fachstrukturen ausrichtet sondern an Situationen beruflicher Orientierung, bieten dies die Möglichkeit, Lerninhalte anwendungsorientiert neu anzuordnen und die Entwicklung von Basiskompetenzen und Kompetenzen der beruflichen Grundbildung zusammenzuführen. Die Erkenntnisse liefern daher einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Konzeptes. Hier stellt sich die Herausforderung, Berufsorientierung nicht als von Fachinhalten isolierten Referenzrahmen zur Kompetenzentwicklung aufzunehmen, sondern die Idee zu forcieren, Berufsorientierung als situativen Zugang zu verstehen, der auch die Kompetenzentwicklung bzgl. Basiskompetenzen und beruflicher Grundbildung umfasst.
Das Verhältnis von Kompetenzerfassung und -entwicklung kann durch ein Spannungsfeld dargestellt werden. Dass die isolierte Betrachtung der jeweiligen Pole im Kontext individueller Förderung jedoch zu Problemen führen kann, erscheint dabei offenkundig: Eine Kompetenzerfassung zum Selbstzweck hat kaum Wirkungskraft, gleichzeitig scheint eine Kompetenzentwicklung entlang formaler Vorgaben und ohne Bezugnahme auf individuelle Vorkenntnisse und Entwicklungsbedarfe kaum den Ansprüchen individueller Förderung zu genügen. Eine systematisch und inhaltlich abgestimmte Verbindung von Kompetenzerfassungsergebnissen und Entwicklungsschritten scheint damit notwendig (vgl. KREMER/ ZOYKE 2010a; ZOYKE 2012, 198 ff.). Gleichzeitig scheint es jedoch auch erforderlich, den Blick auf die Situation der Kompetenzerfassung selbst zu schärfen. Schon innerhalb der Konfrontation resp. Auseinandersetzung mit Kompetenzerfassungsverfahren ergeben sich Auswirkungen für die betroffenen Subjekte: So ist zu vermuten, dass die Lernenden sehr wohl wahrnehmen, ob eine Kompetenzerfassung eher auf den Vergleich (z. B. des Lernstandes) zu anderen Lernenden (z. B. einer Vergleichsgruppe) zielt oder ob es sich um eine lernsubjektorientierte Zielsetzung zur Ergründung individueller Kompetenzen handelt. So hat beispielsweise ein Kompetenztest Mathematik andere Auswirkungen auf den Lernenden als ein Verfahren zur Selbstreflexion und Analyse individueller Stärken (z. B. auf das Selbstwertgefühl und / oder die Motivation des Lernenden). Dies bedeutet jedoch nicht, dass Testverfahren o. Ä. im Rahmen einer entwicklungsförderlichen Kompetenzerfassung generell unberücksichtigt bleiben sollten. Es ist jedoch darauf zu verweisen, mögliche, damit verbundene Botschaften und Wahrnehmungen bei den Lernenden zu berücksichtigen. Negative Erlebnisse im Rahmen der Durchführung von Kompetenzerfassungsverfahren könnten bspw. durch eine geeignete Einführung und Verwertungsbeschreibung abgemildert werden ebenso wie durch individuelle Begleitungsleistungen der Lehrenden. Im Weiteren ist auch darüber nachzudenken, welche Konsequenzen mit den an der Durchführung der Kompetenzerfassung beteiligten Personen und damit verbunden mit der Transparenz des Prozesses der Ergebnisgenerierung einhergehen. Im Sinne einer entwicklungsförderlichen Kompetenzerfassung ist es nicht allein Aufgabe der Lehrenden, diese durchzuführen. Vielmehr geht es darum, den Lernenden selbst in diesen Prozess einzubinden, indem Begründungsmuster für Erfassungsergebnisse offengelegt und reflektiert werden oder sogar selbst vom Lernenden formuliert werden. Lernende vor die Aufgabe zu stellen, eigene Kompetenzen einzuschätzen und individuelle Entwicklungsziele zu formulieren, kann im Prozess der Kompetenzerfassung eine implizite Kompetenzentwicklung bewirken. Diese kann sich bspw. auf die Kommunikation / Formulierung einer Selbstdarstellung beziehen, Kompetenzen im Umgang mit Argumenten und Begründungsmustern betreffen oder Wirkung auf eine konstruktive Umgangsweise mit Kritik haben. Dies hat dann auch Auswirkungen auf die methodische Ausgestaltung von Kompetenzerfassungsverfahren: Eine auf Objektivität setzenden Kompetenzerfassung ist mit den Grundsätzen individueller Förderung wie Partizipation, dialogisches Vorgehen, Verstehen, Verständigung und Aushandlung nur schwer vereinbar, da in solchen „messtheoretisch abgesicherten Verfahren nicht das Subjekt mit seinem Eigensinn und seinen individuellen Deutungen und Problemen im Zentrum des diagnostischen Interesses [steht, P.F.], sondern seine vorab definierten, auf Skalen festgehaltenen Verhaltensweisen und Kompetenzen, so wie sie sich auf einer statistisch ermittelten Normalverteilungskurve nach objektivierten Maßstäben darstellen.“ (ENGGRUBER 2011, 248). Gerade vor dem Hintergrund eines stärkenorientierten, motivierenden Zugangs zum Lehren und Lernen wird die Anwendung insbesondere qualitativer Verfahren und Methoden als geeignet angesehen, haben laut PREIßER doch viele Jugendliche dieser Zielgruppe frustrierende und ihr Selbstwertgefühl schwächende Erfahrungen mit Leistungstest in der Schule gemacht (vgl. 2009, 49 f.). Aus Perspektive der Lehrenden besteht die Herausforderung, sich auf die Lebenswelt und die Erfahrungsräume der Lernenden einzulassen: „Die Erlebnisse, Lebensbedingungen und Perspektiven (besonders) benachteiligter Jugendlicher unterscheiden sich z. T. erheblich von denen derjenigen, die Bildung vermitteln. Ein Sich-Einlassen auf die Voraussetzungen benachteiligter junger Menschen setzt die Bereitschaft voraus, sich von eigenen Normen zu lösen und Kompetenzentwicklung im Übergang Schule - Beruf aus immer wieder anderen Perspektiven zu betrachten.“ (LIPPEGAUS-GRÜNAU 2009, 88). Im Rahmen der Rollenbasierten Kompetenzbilanz werden vielfältige Methoden angewandt. Durchgehend ist das Vorgehen, Reflexionsprozesse durch kreative Lernaufgaben anzuregen, diese sukzessive zu systematisieren und zur Grundlage von Bilanzierungs- und Entwicklungsgesprächen resp. -schritten zu machen. Der Austausch zwischen Lernenden und Lehrenden erfolgt dabei nicht allein punktuell. Vielmehr besteht schon bei der Erstellung von Materialien oder der Bewältigung von Aufgabenstellungen ein intensiver Dialog. KRAWITZ fordert, dem oft als trivial abgestraften Dialog im Kontext einer individualpädagogischen Diagnostik mehr Bedeutung beizumessen (vgl. 2003, 126 ff.). Die Methode der Selbsteinschätzung nimmt dabei einen weiteren besonderen Stellenwert ein. Die Kompetenz zur Selbsteinschätzung und damit verbunden die Setzung individueller Ziele und Wege zur Erreichung dieser wird auch als basale Kompetenz zur Bestreitung von Anforderungen im Prozess der Berufsorientierung gesehen. „Bei Auszubildenden, bei denen der Entwicklungs- und Förderaspekt vor dem Leistungsprinzip stehen sollte, ist ein interindividueller Vergleich mit anderen nicht angebracht. Hier müßte es darum gehen, intraindividuelle Stärken und Schwächen zu fördern bzw. abzubauen. Unter dem Gesichtspunkt, daß Kompetenzen Bestandteil der Gesamtpersönlichkeit sind und schon vor Ausbildungs-/Berufsbeginn entwickelt wurden, ist der Selbstbeurteilung künftig mehr Gewicht beizumessen.“ (SEYFRIED 1995, 151; vgl. auch WITTWER 2010, 118).
Zusammenfassend verweisen diese Ausführungen auf die Gefahr, die mit einem isolierten Einsatz von Kompetenzerfassungsinstrumente einhergehen. Im Sinne einer entwicklungsförderlichen Kompetenzerfassung geht es darum, die Situation der Kompetenzerfassung didaktisch zu fassen und zu strukturieren oder m. a. W. Situationen der Kompetenzerfassung im Sinne einer Lernumgebung didaktisch zu gestalten und sich ihrer Wirkungen bewusst zu sein. Vor diesem Hintergrund scheinen folgende Fragestellungen relevant:
Kritisch gewendet könnte nun die Frage gestellt werden, ob sich eine entwicklungsförderliche Kompetenzerfassung überhaupt noch im Sinne einer Kompetenzerfassung darstellen lässt oder ob hier nicht übergreifend von Kompetenzentwicklung zu sprechen ist. Das diesem Beitrag zugrunde liegende Verständnis einer entwicklungsförderlichen Kompetenzerfassung positioniert diese jedoch genau zwischen den Polen. Damit besteht die Herausforderung, die Produktperspektive (Generierung von Erfassungsergebnissen) mit der Entwicklungsperspektive zu vereinen.
ABELS, H. (2007): Einführung in die Soziologie. Bd. 2. Die Individuen in ihrer Gesellschaft, 3. Aufl. Wiesbaden.
ABT, V./ DRECHSEL, S. (2005): Veränderte Haltungen in der Kinder- und Jugendhilfe durch systemisch-ressourcenorientierte Fortbildung. In: Jugendhilfe, 43, H. 6, 284-294.
AMERICAN PSYCHOLOGICAL ASSOCIATION (APA) (o. J.): 10 Ways to Build Resilience. Online:http://www.apa.org/helpcenter/road-resilience.aspx (07-05-2012).
BEICHT, U. (2010): Bedeutung und Wirksamkeit von Bildungsgängen des Übergangssystems. In: BIBB (Hrsg.): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2010. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Online:http://datenreport.bibb.de/media2010/a12voe_datenreport_bbb_2010.pdf (19-09-2012).
BERGER, P. L./ LUCKMANN, T. (1969): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt am Main.
BEUTNER, M./ FREHE, P./ KREMER, H.-H./ ZOYKE, A. (2009): Individuelle Förderung – Einblicke in Strukturen und erste empirische Ergebnisse des Modellprojektes. In: Kölner Zeitschrift für «Wirtschaft und Pädagogik», 24, H. 47, 15-38.
BMBF (Hrsg.) (2004): Weiterbildungspass mit Zertifizierung informellen Lernens. Machbarkeitsstudie im Rahmen des BLK-Verbundprojektes. Online:http://www.bmbf.de/pub/weiterbildungspass_mit_zertifizierung_informellen_lernens.pdf (01-04-2010).
BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT (Hrsg.) (2009): Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife. Online:http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/Veroeffentlichungen/Ausbildung/Kriterienkatalog-zur-Ausbildungsreife.pdf (01-04-2012).
BUßHOFF, L. (1989): Berufswahl. Theorien und ihre Bedeutung für die Praxis der Berufsberatung. 2., neubearbeitete Auflage. Stuttgart, Berlin, Köln.
COBURN-STAEGE, U. (1973): Der Rollenbegriff. Ein Versuch der Vermittlung zwischen Gesellschaft und Individuum. Heidelberg.
DREITZEL, H. P. (1968): Die gesellschaftlichen Leiden und die Leiden an der Gesellschaft. Vorstudien zu einer Pathologie des Rollenverhaltens. Stuttgart.
ENGGRUBER, R. (2003): Zur Heterogenität Jugendlicher mit Berufsstartschwierigkeiten – ein Systematisierungsversuch. In: BUSIAN, A. et al. (Hrsg.): Dokumentation zum Dortmunder Forschertag Berufliche Bildung NRW: ,Jugendliche mit Berufsstartschwierigkeiten – Wirksame Unterstützung vor Ort?‘ in Dortmund. Band 139, 9-27. Online:http://www.sfs-dortmund.de/odb/Repository/Publication/Doc%5C609%5Cbeitr139.pdf (21-07-2012).
ENGGRUBER, R. (2011): Kompetenzdiagnostik in der beruflichen Integrationsförderung – zwischen politischen Ansprüchen und pädagogischen Diskursen. In: SIECKE, B./ HEISLER, D. (Hrsg.): Berufliche Bildung zwischen politischem Reformdruck und pädagogischem Diskurs. Festschrift zum 60. Geburtstag von Manfred Eckert. Paderborn, 242-255.
ERLER, W./ GERZER-SASS, A./ NUßHART, C./ SASS, J. (2000): Die Kompetenzbilanz. Eigene Stärken erkennen und beruflich nutzen. Online:http://cgi.dji.de/bibs/33_633komp.pdf (16-06-2009).
ERPENBECK, J. (2003): Kompetenzbilanzen – Schlüsselmethoden europäischen Kompetenzvergleichs. In: QUEM (Hrsg.): Kompetenzen bilanzieren. Auf dem Weg zu einer europaweiten Kompetenzerfassung. Münster, 7-16.
ERPENBECK, J./ HEYSE, V. (2007): Die Kompetenzbiographie – Wege der Kompetenzentwicklung. 2. Aufl. Münster (u. a.).
FEND, H. (2005): Entwicklungspsychologie des Jugendalters. Nachdruck der 3. durchges. Aufl. Wiesbaden.
FREHE, P./ KREMER, H.-H. (2010): Die Rollenbasierte Kompetenzbilanz- Berufsorientierung im Übergangssystem gestalten. Ein Prototyp aus Arbeitsbereich III. InfoLab 3. Online:http://groups.uni-paderborn.de/cevet/cevetblog/wp-content/uploads/2010/06/InfoLab3_Online.pdf (01-04-2012).
FRÜCHTL, M. (2010): Kompetenzfeststellung bei Migrantinnen und Migranten. In: BETHSCHEIDER, M. et al. (Hrsg.): Kompetenzorientierung in der beruflichen Bildung. Bielefeld, 97-110.
GELLER, H. (1994): Position Rolle Situation. Zur Aktualisierung soziologischer Analyseinstrumente. Opladen.
GRAWE, K. (2010): Erfahrungen zur Berufsorientierung von Jugendlichen am Berufskolleg – Eine empirische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung von Genderaspekten. Examensarbeit (unveröffentlicht).
GREINERT, W.-D. (2007): Kernschmelze – der drohende GAU unseres Berufsausbildungssystems. Technische Universität Berlin. Online:http://www.bakfst.de/Greinert-Kernschmelze.pdf (21-07-2012).
GRIMM, K./ VOCK, R./ ECKERT, M. (2007): Sozialpädagogik in der beruflichen Integrationsförderung. Anforderungen, Zielgruppenwahrnehmung, Rollendefinition. Münster.
INGENKAMP, K./ LISSMANN, U. (2005): Lehrbuch der Pädagogischen Diagnostik. 5., völlig überarb. Aufl. Weinheim, Basel.
JAECKEL, M./ ERLER, W. (o. J.): Kompetenzbilanz für Migrant/inn/en. Checkliste zum Einschätzen der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Online:www.stiftung-interkultur.de/jt2007_workshop.ppt (16-06-2009).
KAUFHOLD, M. (2010): Ein Analyseraster zur Beurteilung von Verfahren der Kompetenzerfassung. In: BETHSCHEIDER, M. et al. (Hrsg.): Kompetenzorientierung in der beruflichen Bildung. Bielefeld, 33-48.
KIMMELMANN, N. (2010): Cultural Diversity als Herausforderung der beruflichen Bildung. Standards für die Aus- und Weiterbildung von pädagogischen Professionals als Bestandteil von Diversity Management. Online:http://www.opus.ub.uni-erlangen.de/opus/volltexte/2010/1711/pdf/Dissertation_Kimmelmann_FINAL_15.12.09.pdf (01-03-2012).
KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT (2000): Memorandum über Lebenslanges Lernen. Online:http://www.bologna-berlin2003.de/pdf/MemorandumDe.pdf (01-04-2012).
KONSORTIUM BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG (2006): Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Bielefeld. Online:http://www.bildungsbericht.de/daten/gesamtbericht.pdf (01-03-2012).
KRAWITZ, R: (2003): Der Dialog als Methode individualpädagogischer Diagnostik. In: EBERWEIN, H./ KNAUER, S. (Hrsg.): Lernprozesse verstehen. Wege einer neuen (sonder-)pädagogischen Diagnostik. Ein Handbuch. 2. Auf. Weinheim, 126-137.
KREMER, H.-H. (2007): Selbstgesteuertes Lernen in medienbasierten kooperativen Lernumgebungen. In: KREMER, H.-H. (Hrsg.): Lernen in medienbasierten kooperativen Lernumgebungen- Modellversuch KooL. Paderborn, 25-46.
KREMER, H.-H. (2010): Berufsorientierung – Neue Profilierung als Chance und Herausforderung der Bildungsgänge im Übergangssystem. Grundlagentext zur Entwicklungsarbeit. InfoLab 2. Online:http://groups.uni-paderborn.de/cevet/cevetblog/wp-content/uploads/2010/06/infolab2_onlineversion-final.pdf (01-04-2012).
KREMER, H.-H. (2011): Berufsorientierung als Herausforderung für berufsbildende Schulen! In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Workshop 02, hrsg. v. RÜTZEL, J./ ZÖLLER, A., 1-12. Online:http://www.bwpat.de/ht2011/ws02/kremer_ws02-ht2011.pdf (01-04-2012).
KREMER, H.-H./ KNUST, S. (2012):Stärkenbasierte Bildungsarbeit zur individuellen Kompetenzentwicklung im Übergang von Schule zu Berufs- und Arbeitswelt. In: KREMER, H.-H./ BEUTNER, M./ ZOYKE, A. (Hrsg.): Individuelle Förderung und berufliche Orientierung im berufsschulischen Übergangssystem. Ergebnisse aus dem Forschungs- und Entwicklungsprojekt InLab. Paderborn, 89-107.
KREMER, H.-H./ WILDE, S. (2006): Entwicklung und Implementation einer komplexen Lernumgebung zur Berufswahlvorbereitung. In: Wirtschaftspädagogische Beiträge, H. 12. Online:http://pbfb5www.uni-paderborn.de/www/fb5/wiwi-web.nsf/id/3E26D7F61E04A527C1256FC0003DC24D/$file/wpb_h12.pdf (01-04-2012).
KREMER, H.-H./ ZOYKE, A. (2009): Individuelle Förderung von Kompetenzen. Curriculare und didaktisch-methodische Optionen. In: Erziehungswissenschaft und Beruf, 57, H. 2, 163-173.
KREMER, H.-H./ ZOYKE, A. (2010a): Kompetenzdiagnose als Basis individueller Förderung- Zum Geheimnis einer Black Box!? In: MÜNK, D./ SCHELTEN, A. (Hrsg.): Kompetenzermittlung für die Berufsbildung. Verfahren, Probleme und Perspektiven im nationalen, europäischen und internationalen Raum. (Schriften zur Berufsbildungsforschung der Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetz AG BFN, Band 8). Bielefeld, 145-160.
KREMER, H.-H./ ZOYKE, A. (2010b): Individuelle Förderung zur Kompetenzentwicklung in der beruflichen Bildung – Überlegungen zur Grundlegung eines Forschungs- und Entwicklungsbereichs. In: KREMER, H.-H./ ZOYKE, A. (Hrsg.): Individuelle Förderung in der beruflichen Bildung. Grundlegung und Annäherung im Kontext von Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Paderborn, 9-27.
KULTUSMINISTERKONFERENZ (KMK) (2005): Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz. Erläuterungen zur Konzeption und Entwicklung. Online:http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16-Bildungsstandards-Konzeption-Entwicklung.pdf (05-05-2012).
LIPPEGAUS, P. (2008): Kompetenzfeststellung im Übergang Schule – Beruf. In: KOCH, M./ STRAßER, P. (Hrsg.): In der Tat kompetent. Zum Verständnis von Kompetenz und Tätigkeit in der beruflichen Benachteiligtenförderung. Bielefeld, 53-72.
LIPPEGAUS-GRÜNAU, P. (2009): Kompetenzen erkennen und entwickeln. Sozialpädagogisch-orientierte Kompetenzfeststellung im Übergang Schule – Beruf dargestellt am Beispiel einer Diagnose- und Trainingseinheit für benachteiligte Jugendliche.
LUHMANN, N. (1987): Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie. Frankfurt.
MIEBACH, B. (2007): Soziologische Handlungstheorie. Eine Einführung. Opladen.
MÜNK, D. (2008): Vorwort. In: MÜNK, D./ RÜTZEL, J./ SCHMIDT, C. (Hrsg.): Labyrinth Übergangssystem. Forschungserträge und Entwicklungsperspektiven der Benachteiligtenförderung zwischen Schule, Ausbildung, Arbeit und Beruf. Bonn, 7-11.
PARSONS, T. (1966): Der Begriff der Gesellschaft: Seine Elemente und ihre Verknüpfungen. In: JENSEN, S. (Hrsg.): Zur Theorie sozialer Systeme. Opladen.
PREIßER, R. (2009): Kompetenzen von benachteiligten Jugendlichen feststellen und fördern. Forschungsergebnisse und Handreichung für die sozialpädagogische Praxis. Paderborn, Verl.
REINDERS, H. (2007): Diagnostik jugendlichen Kompetenzerwerbs durch außerschulische Aktivitäten. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 10, 71-86.
RENKL, A. (1996): Träges Wissen: Wenn Erlerntes nicht genutzt wird. In: Psychologische Rundschau, 47, 78-92.
ROTH, H. (1971): Pädagogische Anthropologie. Bd 2: Entwicklung und Erziehung. Hannover.
SCHAUB, G. (2005): Der Stellenwert des informellen Lernens bei der berufsorientierten Kompetenzfeststellung für benachteiligte Jugendliche. DJI (Hrsg.). Online:http://cgi.dji.de/bibs/389_4763_WT_2_2005_schaub.pdf (01-04-2012).
SCHMIDT, C. (2011): Krisensymptom Übergangssystem. Die nachlassende soziale Inklusionsfähigkeit beruflicher Bildung. Bielefeld.
SEKRETARIAT DER KULTUSMINISTERKONFERENZ (2007): Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe. Online:http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2007/2007_09_01-Handreich-Rlpl-Berufsschule.pdf (01-04-2012).
SEYFRIED, B. (1995): Soziales Verhalten: Die Illusion "objektiver" Beurteilung. In: SEYFRIED, B. (Hrsg.): "Stolperstein" Sozialkompetenz. Was macht es so schwierig, sie zu erfassen, zu fördern und zu beurteilen? Bielefeld, 137-152.
SLOANE, P.F.E. (2003): Schulnahe Curriculumentwicklung. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik online – bwp@, Nr. 4. Online:http://www.bwpat.de/ausgabe4/sloane_bwpat4.pdf (05-05-2012).
STOMPOROWSKI, S. (2007): Pädagogik im Zwischenraum. Acht Studien zur beruflichen Bildung Benachteiligter an berufsbildenden Schulen. Paderborn.
TENBRUCK, F. H. (1961): Zur Deutschen Rezeption der Rollentheorie. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 13, 1-40.
VORBECK, K. (2010): Erfahrungen zur Berufsorientierung von Jugendlichen am Berufskolleg – Eine empirische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung von motivationalen Aspekten. Masterarbeit (unveröffentlicht).
WEINERT, F./ SCHRADER, F. W. (1986): Diagnose des Lehrers als Diagnostiker. In: PETILLON, H./ AUFFENFELD, A./ INGENKAMP, K. (Hrsg.): Schülergerechte Diagnose. Theoretische und empirische Beiträge zur pädagogischen Diagnostik. Festschrift zum 60. Geburtstag von Karlheinz Ingenkamp. Weinheim u. a., 11-29.
WITTWER, W. (2010): Diagnose der Veränderungskompetenz bei Auszubildenden. In: BETHSCHEIDER, M. et al. (Hrsg.): Kompetenzorientierung in der beruflichen Bildung. Bielefeld, 113-130.
ZOYKE, A. (2012): Individuelle Förderung zur Kompetenzentwicklung in der beruflichen Bildung. Eine designbasierte Fallstudie in der beruflichen Rehabilitation. Paderborn.
[1] Vgl. exemplarisch den Lehrplan des Berufsgrundschuljahres (BGJ) Wirtschaft und Verwaltung des Schulministeriums NRW unter:http://www.berufsbildung.schulministerium.nrw.de/cms/upload/_lehrplaene/a/bg/wirtschaft.pdf.
[2] Die Kultusministerkonferenz hat Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss(Hauptschulabschluss nach Klasse 9 und 10) in den Fächern Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache (Englisch und Französisch) beschlossen (siehehttp://www.berufsbildung.schulministerium.nrw.de/cms/upload/_lehrplaene/a/bg/wirtschaft.pdf).
[3] Nach Definition der BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT kann eine Person als ausbildungsreif bezeichnet werden, „wenn sie die allgemeinen Merkmale der Bildungs- und Arbeitsfähigkeit erfüllt und die Mindestvoraussetzungen für den Einstieg in die berufliche Ausbildung mitbringt. Dabei wird von den spezifischen Anforderungen einzelner Berufe abgesehen, die zur Beurteilung der Eignung für den jeweiligen Beruf herangezogen werden (Berufseignung).“ (2009, 13).
[4] Als weitere Herausforderung in diesem Kontext wäre noch das unterschiedliche Kompetenzverständnis, das jeweils in der Allgemeinbildung resp. beruflichen Bildung vorherrscht, zu diskutieren. Hierauf soll in diesem Beitrag jedoch verzichtet werden, da es vordergründig darum geht, die Anforderungsbereiche an das Übergangssystem darzustellen.
[5] Der Standardbegriff ist wissenschaftlich wie im allgemeinen Sprachgebrauch nicht einheitlich verwendet. Im weitesten Sinne handelt es sich dabei um Bezugspunkte, an denen eine (verbindliche) Orientierung stattfindet, wie bspw. Kompetenzprofile o. Ä. (vgl. KIMMELMANN 2010, 155). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird zum einen auf die verbindlich determinierten Bildungsstandards der Sekundarstufe I Bezug genommen (vgl. KMK 2005), zum anderen wird hinsichtlich des Berufsbildungssystems die Orientierung an beruflichen Anforderungen aufgenommen und als Standard beruflicher Bildung verstanden (vgl. SLOANE 2003, 1), ohne jedoch diese im Einzelnen ausweisen zu wollen.
[6] Weiterführende Informationen zum Projekt InLab sind zu finden unter: cevet.uni-paderborn.de/inlab/.
[7] Die Rollenbasierte Kompetenzbilanz wurde im Rahmen des XENOS-Projekts InLab (Individuelle Förderung und selbstgesteuerte Kompetenzentwicklung für multikulturelle Lebens- und Arbeitswelten in der berufsschulischen Grundbildung) in Zusammenarbeit mit Lehrenden aus drei Berufskollegs in NRW entwickelt.
[8] Unter dem Begriff Kompetenzbilanz können Konzepte gefasst werden, die im Sinne eines stärkenorientierten Ansatzes persönliche Kompetenzen aufnehmen. Ergründet werden diese insbesondere aus informellen Kontexten wie Familie, Hobby oder Ehrenamt, indem sie durch biografische Verfahren zugänglich gemacht werden. Als Aufgabe stellt sich damit zum einen die Aufdeckung und Vergegenwärtigung (verborgener) Kompetenzen sowie ihre Dokumentation, zum anderen ist ihre Relevanz für berufliche Tätigkeiten zu analysieren. Die Reichweite der Modelle zur Kompetenzbilanzierung kann sich auf die reine Kompetenzdiagnose erstrecken, daneben aber auch Kompetenzentwicklungsbedarfe aufdecken oder – in einem am weitesten gefassten Verständnis – darüber hinaus einen diagnosegeleiteten Kompetenzentwicklungsprozess intendieren. Im Rahmen der Entwicklungsarbeiten der Rollenbasierten Kompetenzbilanz wurden verschiedene Ausformungen von Kompetenzbilanzierungsinstrumenten analysiert. Betrachtet wurde insbesondere die DJI Kompetenzbilanz (ERLER et al. 2000), die Kompetenzbilanz für Migrant/inn/en (JAECKEL/ ERLER o. J.), der Kompetenzreflektor (GILLEN/ PROß 2005) sowie die Kompetenzbiographie von ERPENBECK/ HEYSE (2007). Dies erfolgte zum einen, um die Grundstruktur einer Kompetenzbilanz zu konturieren und zum anderen, um Potenziale und unbefriedigende Punkte aufzudecken, die als Grundlage für weitere Entwicklungsschritte dienten.
[9] Eine Konkretisierung der Vorgehensweise sowie die Herausstellung von Herausforderungen und Schwierigkeiten innerhalb der Umsetzung erfolgt in Gliederungspunkt 3 aus der Praxisperspektive.
[10] Das Rollenkonzept kann hier nicht erschöpfend thematisiert werden. Vorliegend handelt es sich zunächst um die erste Rezeption von Leitgedanken, die das Konstrukt der sozialen Rolle für kompetenzerfassende und kompetenzentwickelnde Zielsetzungen anwendbar erscheinen lassen.
[11] An dieser Stelle soll kurz auf den Diskurs innerhalb der Rollentheorie hingewiesen werden: Vertreter der struktur-funktionalistischen Rollentheorie wie PARSONS, LINTON und MERTON begreifen Rollen als System normativer Erwartungen. Diese werden von den individuellen Rollenträgern im Prozess der Sozialisation erlernt und in normkonformes Rollenhandeln überführt. Die Gesellschaft gibt demnach dem Individuum durch Rollen vor, wie es zu handeln hat (ABELS 2007, 101). Dem gegenüber steht die symbolisch-interaktionistische Rollentheorie. MEAD, einer der Begründer dieses Ansatzes, betont, dass in jeder Rolle ein notwendiges Element an Spontaneität enthalten ist. Er interpretiert ferner die Identitätsentwicklung eines Individuums als Prozess der Rollenübernahme (vgl. MIEBACH 2007, 40).
[12] Zum vorliegenden Verständnis von Berufsorientierung siehe 2.2.3 in diesem Aufsatz.
[13] KREMER konkretisiert die Situation „Beruf - Entdecke Deine Möglichkeiten“ anhand von Kompetenzformulierungen (2010, 8).
[14] Eine exemplarische Ausdifferenzierung einer Kompetenzbilanzierung im Sinne einer Eingangsdiagnostik kann der Projektdokumentation InfoLab 3 (FREHE/ KREMER 2010) entnommen werden.
[15] Vgl. hierzu ergänzend die Diskussion um „Träges Wissen“, z. B. bei RENKL (1996).
[16] Neben dem Begriff der Stärkenorientierung zeigen sich weitere ähnliche Prinzipien wie die Ressourcenorientierung, das Empowerment oder das Enrichment (vgl. HÄCKER 2008, 228).
[17] Im deutschsprachigen Raum wird von Kompetenzerwerb in formalen, non formalen und informellen Kontexten gesprochen. Als formaler Bereich der Kompetenzentwicklung können Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen zusammengefasst werden, innerhalb derer anerkannte Abschlüsse erreicht und Qualifikationen erlangt werden können. Non-formale Kompetenzentwicklung findet dagegen außerhalb dieser Hauptsysteme allgemeiner oder beruflicher Bildung statt und führt in der Regel nicht zum Erwerb eines Abschlusses im formalen Sinne. Diese Form der Kompetenzentwicklung kann am „Arbeitsplatz und im Rahmen von Aktivitäten der Organisationen und Gruppierungen der Zivilgesellschaft (Jugendorganisationen, Gewerkschaften und politische Parteien) stattfinden. Auch Organisationen oder Dienste, die zur Ergänzung der formalen Systeme eingerichtet wurden, können als Ort nichtformalen Lernens fungieren (z. B. Kunst-, Musik- und Sportkurse oder private Betreuung durch Tutoren zur Prüfungsvorbereitung)“ (KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT 2000, 9 f.). DOHMEN (2001, 19) versteht informelles Lernen als einen Oberbegriff, der sowohl das „unbeabsichtigte und unbewusste beiläufige Lernen wie ein bewusstes absichtliches Lernen in der außerschulischen Umwelt umfasst“ (vgl. auch SCHAUB 2005, 24). Die Übergänge zwischen bewusstem und unbewusstem informellen Lernen beschreibt er als fließend (vgl. ebd.).
[18] Bspw. legt FEND (2005, 372 f.) ausgehend von einer entwicklungstheoretischen Verortung ein rationales Entscheidungsmodell vor, in dem differenzierte Prüfverfahren im Prozessablauf immer wieder durchlaufen werden müssen. Er unterscheidet die Entscheidungsphasen berufliche Präferenzen, Abschätzung der persönlichen Ressourcen, Prüfung der Chancen und Angebote, die der Realisierungsphase vorangehen. Ein ähnlich angelegtes Phasenmodell schlägt BUßHOFF vor. Er differenziert sein Modell in die Phasen Problemwahrnehmung, Informationssuche- und Verarbeitung, Entwicklung von Alternativen, Entscheidung, Realisierung und Bewältigung von Nachentscheidungsproblemen (1989, 49 ff.).
[19] Auf die Auswertungsmethode kann vorliegend nur verkürzt Bezug genommen werden: Im Sinne der qualitativen Inhaltsanalyse nach MAYRING (vgl. 2010) wurden Textsequenzen zunächst deduktiv den benannten Kernkategorien Stärkenorientierung, Berufsorientierung und entwicklungsförderliche Kompetenzerfassung zugeordnet. Eine vertiefende Analyse erfolgte durch eine induktive Vorgehensweise, durch die Herausforderungen und Potenziale aus Lehrendenperspektive identifiziert werden konnten. In weiteren, hier noch nicht berücksichtigten Auswertungsschritten, wird die Lernendenperspektive zu Wahrnehmung des Berufsorientierungsunterrichts mit der Rollenbasierten Kompetenzbilanz hinzugezogen. Zur Explikation der Ergebnisse werden in einem Rekonstruktionstext zusammengeführte Textmaterialien wie Protokolle aus den Entwicklungstreffen, Materialien der Lehrkräfte etc. herangezogen.
FREHE, P./ KREMER, H.-H. (2012): Rollenbasierte Kompetenzbilanz – Potenziale und Herausforderungen für das berufsschulische Übergangssystem. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 22, 1-27. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe22/frehe_kremer_bwpat22.pdf (05-11-2012).
bwp@
-Format: