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bwp@ Ausgabe Nr. 23 | Dezember 2012
Akademisierung der Berufsbildung
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 23 sind Karin Büchter, Dietmar Frommberger & H.-Hugo Kremer

Professionalisierung des betrieblichen Bildungspersonals als eine Konsequenz der Akademisierung beruflicher Bildung. Begründung, Ziele und hochschuldidaktisches Konzept des „Trialen Modells“

Beitrag von Uwe FAßHAUER & Martina VOGT (PH Schwäbisch Gmünd)


Abstract

Im ersten Teil des Beitrages werden empirische Begründungen aus Studien für Deutschland referiert, die den Wandel der Tätigkeiten des betrieblichen Bildungspersonals, die über die weiterhin wichtigen beruflich-fachlichen Voraussetzungen hinaus reichen, dokumentiert: Kompetenzbedarf wird in den Bereichen Ausbildungsmethodik, Begleitung und Beurteilung von Auszubildenden gesehen. Ebenso zeigen sich steigende Anforderungen in der prozessorientierten Ausbildungsgestaltung und der Fähigkeit zur Konfliktbewältigung. Qualitative Studien in EU-Ländern zeigen insbesondere die Veränderung des Anforderungsprofils hin zur Lernberatung, -begleitung und Coaching. Eine theoretische Begründung wird im Beitrag in Anlehnung an Arbeiten von HELSPER (2007) und KURTZ (2009) skizziert.
Im zweiten Teil werden – exemplarisch für das Triale Modell - die Ziele, curricularen Elemente und Organisation des berufsbegleitenden Studiengangs B.A. Betriebliche Bildung beschrieben (inkl. Zulassungsvoraussetzungen und Anerkennungsverfahren für beruflich Qualifizierte bzw. Personen ohne Abitur).
Im dritten Teil wird die hochschuldidaktische Konzeption des berufsbegleitenden Studiengangs beschrieben und begründet. Im Zentrum stehen hierbei die Umsetzung des problemorientierten Lernens, der Arbeitsprozessorientierung in den Modulen sowie die Lernbegleitung als zentrales Element der Absicherung von Studierfähigkeit. Der im Beitrag exemplarisch beschriebene berufsbegleitende Studiengang BA Betriebliche Bildung startete zu Beginn des WS 2012_13. Er stellt zz. bundesweit das einzige Programm dieser Art dar, das über die Konzeptionsphase hinaus in die konkrete Umsetzung gelangt ist.

 

Professionalisation of vocational and educational professionals as a result of the ‘academisation’ of vocational education. Motivation, goals and didactic design of the ‘Trialen Model’

In the first part of this article empirical results based on German studies are presented, which illustrate the changing role of trainers/workplace tutors in enterprises whereby the practice goes beyond the still important vocational-technical requirements. Competency requirement is identified in the field of training methods, guidance and assessment of apprentices. Likewise, increasing requirements are shown in the process-oriented approach to the organisation of apprenticeship and conflict resolution skills. Qualitative studies in the EU countries particularly point out the change of the professional profile towards learning consultant, facilitator and coach. In this article a theoretical statement is outlined according to the profession-theoretical works of HELSPER (2007) and KURTZ (2009).
The second part of the article describes – as an example for the Trialen Model - the goals of the study programme, curricular elements and the organisation of the professional study programme,  BA in Vocational Education and Training, which is designed for working people (including prerequisites for admission and the recognition of prior learning for professionally qualified people or for  people without the general qualification for university entrance (Abitur).
The third part describes and justifies the higher education concept of teaching of the programme. The focus is on the realisation of a problem-based learning approach, the work-flow-embedded orientated curricula within the modules, as well as the concept of learning guidance as the central element of securing scholastic aptitude. The study programme designed for full-time employees, which is described in this article, started in the winter semester 2012_13. It is the only programme of this kind in Germany at the moment which goes beyond the concept phase to actual implementation.

1 Empirische und theoretische Begründungen zur Professionalisierung des betrieblichen Bildungspersonals

Die gesellschaftliche Bedeutung von beruflicher und betrieblicher Bildung steigt nicht zuletzt unter den Vorzeichen des demografischen Wandels und des – wie auch immer definierten – Fachkräftemangels. Zugleich aber fehlen für das betriebliche Bildungspersonal mit der akademischen Ausbildung, dem Sozialprestige und der Autonomie des beruflichen Handelns gleich einige ‚äußere’ Merkmale von Professionen. Richtet man jedoch den Blick auf strukturelle Merkmale professionellen Handelns, die auf Interaktion unter Handlungszwang zwischen Personen abzielen, ist die betriebliche Ausbildungstätigkeit genauso professionalisierungsbedürftig, wie dies für die Lehrenden an beruflichen Schulen reklamiert wird.

Folgt man den fachlichen Diskussionen und empirischen Studien zur betrieblichen Bildung, dann hat sich die Rolle des betrieblichen Bildungspersonals in den letzten beiden Jahrzehnten stark verändert. Zumindest dem Anspruch nach soll es auf Basis berufspädagogischer Qualifikationen seine Funktion als Coach, Lernbegleiter, Mentor etc. wahrnehmen (u.a. BAHL/ DIETRICH 2008, EBBINGHAUS 2011). Die Integration heterogener werdender Zielgruppen in betriebliche Aus- und Weiterbildungsprozesse und die Gestaltung betrieblicher Lernkulturen in der Organisation des lebensbegleitenden Lernens zur Bindung von Fachkräften sind nur zwei Stichworte in der Beschreibung aktueller Problemlagen und Rahmenbedingungen in Unternehmen, unter denen professionelles Handeln des Bildungspersonals erwartet wird.

Zum einen können aus einer strukturtheoretischen Perspektive, die die Antinomien pädagogischen Handelns zum Ausgangspunkt einer Rekonstruktion der grundlegenden Interaktionen in schulischen Lernprozessen macht (HELSPER 2007), Analogien auf das Handeln von Ausbilderinnen und Ausbildern gesehen werden. Insbesondere kann dies für den nicht aufhebbaren Gegensatz von situativen Entscheidungen im betrieblichen Bildungsprozess unter den Bedingungen der Ungewissheit und Unsicherheit zur (berufs)pädagogischen Begründungspflicht gesehen werden. Auch der Gegensatz von Nähe und Distanz, der (emotionalen) Zuwendung des Ausbilders/der Ausbilderin zu jeder einzelnen Person bei gleichzeitiger rollenkonformer Durchsetzung allgemeiner Regeln des Unternehmens und der Ausbildungsziele, prägt das pädagogische Handeln im Unternehmen – um nur diese beiden Punkte exemplarisch zu benennen. Zum anderen kann in Anlehnung an die systemtheoretischen Beschreibungen von KURTZ (2009) konstatiert werden, dass auch für die Lehrenden in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung der Umgang mit Unsicherheit, die Planung des Unplanbaren und das professionelle Handeln als unsicheres Handeln konstitutiv sind. Aus dem professionellen Handeln erwächst aber nicht zugleich auch das Vorhandensein einer Profession. Neben dem hierfür notwendigen Kriterium einer Wissensbasierung der professionellen Berufe treten zumindest der „Interaktionskontext zwischen Professionellem und Klient“ sowie die „hohe gesellschaftliche Wertschätzung“ (ebd., 45) der Ergebnisse dieser Bildungsarbeit in den Fokus.

Die Notwendigkeit der Professionalisierung des betrieblichen Bildungspersonals ergibt sich weiterhin aus zwei zentralen Momenten der Akademisierung beruflicher Bildung. Zum einen bringt die in wenigen Jahren deutlich ausgebaute Beteiligung von Unternehmen an Berufsakademien / Dualen Hochschulen eine neue Zielgruppe in die Ausbildungsabteilungen, die mit dem Bachelor selbst einen akademischen und damit im Vergleich zum ausbildenden Personal häufig höherwertigen Abschluss anstreben. Der Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2012  (vgl. BMBF 2012) nennt für das Jahr 2011 insgesamt 924 duale Studiengänge (2009, 712) mit mehr als 60.000 Studierenden (2009 ca. 49.000) (vgl. ebd., Tabelle A7.4-1). Zum anderen stellen wissensintensive Berufe besondere Anforderungen hinsichtlich Selbststeuerungsfähigkeiten, Erwerb und Umgang mit spezifischen Wissensformen etc. (TIEMANN 2009), die noch vor ein, zwei Jahrzehnten möglicherweise als besondere Anteile von Studierfähigkeit beschrieben worden wären. Sie gelten nunmehr als Teil der beruflichen Handlungskompetenz in diesen Bereichen, auf die das aus- und weiterbildende Personal häufig (noch) nicht zurückgreifen kann.

Damit sind grundsätzliche Unterschiede zwischen beruflicher und akademischer Bildung selbstverständlich nicht aufgehoben. Es ist aber zu konstatieren, dass sich immer deutlicher ein nicht unerheblicher Überschneidungsbereich ausbildet. Auf die ausdifferenzierte Beschreibung der komplementären Entwicklungen zunehmend berufsqualifizierender Ansprüche insbesondere an Bachelorstudiengänge - und damit einer deutlichen Tendenz zur Verberuflichung akademischer Ausbildungen - muss im Rahmen dieses Beitrags allerdings verzichtet werden.

Dominierend ist der Wandel des Anforderungsprofils für das betriebliche Bildungspersonal hin zu Lernbegleitung, -beratung und Coaching. Dies zeigt sich sowohl in Studien, die in Deutschland durchgeführt wurden (BAHL u.a. 2012; FAßHAUER/ JERSAK 2010; SYNTHESEBERICHT 2011; BAHL/ DIETTRICH 2008), als auch in EU-weiten Untersuchungen (HAASLER/ TUTSCHNER 2011; KIRPAL/ TUTSCHNER 2008). Mit dieser grundsätzlichen Verschiebung des professionellen Selbstverständnisses – zumindest der normativen Anforderungen – einher gehen Beschreibungen von neuen Aufgaben im Umgang mit heterogenen Lerngruppen (Konfliktmanagement, Methodik, Diversity Management resp. interkulturelle Kompetenz), dem Messen und Beurteilen von Kompetenzentwicklungen sowie neuen Zuschnitten von Gestaltungs- und Führungsaufgaben für das betriebliche Bildungspersonal.

Die betriebliche Bildungsarbeit folgt dabei konzeptionell offensichtlich dem u.a. in der Schulpädagogik und Hochschuldidaktik angemahnten „shift from teaching to learning“. Mit dieser programmatischen Forderung stellt sich die konkrete Frage nach den didaktischen und methodischen Ausgestaltungen der Lehr-Lernarrangements. Die Studierenden müssen in der Hochschule Lernumgebungen vorfinden, in denen fachliche, überfachliche und persönlichkeitsbezogene Kompetenzen weiterentwickelt und systematisch miteinander verknüpft werden können. Die im Diskurs zur Gestaltung von Lehr-Lernarrangements an Hochschulen formulierten normativen Aspekte ähneln hierbei denen im didaktischen Diskurs der beruflichen Bildung. Ziel ist es in beiden Bereichen, die rezeptiv organisierte Lehr-Lernpraxis in eine aktive, problembasierte Wissenskonstruktion zu transformieren (ZINN/ FAßHAUER 2012).

Wenn man die aktuellen und zukünftigen Anforderungen an das Bildungspersonal insgesamt betrachtet, dann lassen sich einige zentrale Kompetenzbereiche feststellen, die im Kontext von Studiengängen in besonderem Maße gefördert werden können. Dazu gehören: Gestaltung und Begleitung von Lernprozessen, individualisierter Umgang mit einer heterogenen Klientel, Bewusstsein um eindeutige pädagogische Leitlinien, selbstreflexives Handeln, Interkulturalität, Diagnostik von individuellen Lern- und Bildungsvoraussetzungen, Ausbildungsorganisation und Bildungsmarketing sowie berufsfeldbezogene Fachlichkeit.

Im Vordergrund der betrieblichen Bildungsarbeit steht damit nicht nur das domänenspezifische Fachwissen, sondern auch eine pädagogische Prozesskompetenz. Diese vereint idealerweise konzeptionelles, bildungswissenschaftliches Grundlagenwissen, didaktisches Konzeptions- und Planungswissen mit der Fähigkeit zur Strukturierung von Lerngelegenheiten sowie das Diagnostizieren, Prüfen und Bewerten. Einen zentralen Stellenwert nimmt die Kategorie der Reflexion ein, d.h. das theoriegeleitete Nachdenken und Begründen des eigenen Handelns in pädagogischen Situationen unter der Bedingung der Entlastung von unmittelbarem Handlungs- und Entscheidungsdruck. Vor allem hierin liegt die Notwendigkeit der Beteiligung von Hochschulen an der Professionalisierung des betrieblichen Bildungspersonals (Faßhauer/ Jersak 2010).

2 Das „Triale Modell“ – Ziele, Curriculum und Organisation

Ausgehend von den bisher vereinzelt vorliegenden empirischen Analysen, den kurz umrissenen theoretischen Vorüberlegungen zur Situation des ausbildenden Personals sowie der eigenen, in einem BMBF-Verbundprojekt erstellten Bedarfs- und Machbarkeitsstudie (Synthesebericht 2011), wurde der berufsbegleitende Studiengang B.A. Betriebliche Bildung entwickelt. Dieser Studiengang wird seit September 2012 an der PH Schwäbisch Gmünd durchgeführt. Er bezieht die beiden Lernorte Hochschule und Herkunftsunternehmen der berufsbegleitend Studierenden kontinuierlich ein. Die berufliche Weiterbildung als dritter (trialer) Lern,ort’ ist einerseits vor allem über die Inhalte der Fortbildungsberufe „gepr. Aus- und Weiterbildungspädagoge/-pädagogin“ und „gepr. Berufspädagoge/-pädagogin“ curricular integriert. Andererseits werden erfahrene Dozenten aus der beruflichen Weiterbildung als Lernbegleiter und z.T. auch als Dozenten im Studiengang integriert und sichern somit die Trialität auf der Ebene des Personals und der eingesetzten Lehr-/Lernmethoden.

2.1  Ziele und Inhalte des berufsbegleitenden B.A. Betriebliche Bildung

Ziel des Studiums ist es, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Aufbau von Handlungskompetenzen im Feld der betrieblichen Bildung zu erwerben. Die Studierenden lernen komplexe Probleme zu beschreiben und zu analysieren und dabei theoretisches Grundlagenwissen mit Handlungswissen zu verknüpfen. Die Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs sollen in der Lage sein, selbständig und auf wissenschaftlicher Grundlage an theoretischen und praktischen Problemen der betrieblichen Bildung zu arbeiten und entsprechende Bezüge zu verschiedenen Tätigkeitsfeldern herzustellen. Im Einzelnen sollen sie

- Handlungskompetenzen in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern betrieblicher Bildung beschreiben, analysieren und vermitteln

- zur Gestaltung und Analyse betrieblicher Bildungsprozesse befähigt werden 

-  Ansätze zum pädagogisch wirksamen Umgang mit (kulturell) heterogenen Gruppen kennen und diese hinsichtlich der eigenen Aus- und Weiterbildungspraxis bewerten und kommentieren.

Professionelles Wissen setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Es besteht zum einen aus wissenschaftlichem, in der Regel an einer Hochschule erworbenem Wissen und zum anderen konstituiert es sich aus Berufswissen im Sinne eines im Prozess der berufspädagogischen Arbeit generierten Erfahrungs- und Alltagswissens. Professionelles Handeln in der betrieblichen Bildung wird als eine Dienstleistung verstanden, die auf komplexe Aufgabenstellungen und Problemsituationen bezogen ist. Begründet auf dem Professionswissen tritt sie in einer fallspezifischen Konkretion einer face-to-face-Interaktion auf. Das übergeordnete Ziel des Studiengangs ist die Weiterentwicklung und Vertiefung einer so verstandenen Handlungskompetenz für das betriebliche Bildungspersonal.

Die Entwicklung und Gestaltung des Studiengangs Betriebliche Bildung basiert auf den Erkenntnissen einer Bedarfs-, Anforderungs- und Machbarkeitsstudie zur Professionalisierung des betrieblichen Aus- und Weiterbildungspersonals, die 2010 in einem BMBF-Verbundprojekt an vier Standorten bundesweit durchgeführt wurde (SYNTHESEBERICHT 2011). Die Studie hat gezeigt, dass der Ansatz des Trialen Modells dem Professionalisierungsbedarf der Zielgruppe entspricht, die beiden Teilsysteme Berufsbildung und Hochschulbildung verzahnt, die stetig geforderte Durchlässigkeit der Bildungssysteme in einem Weiterbildungskonzept praktisch umsetzt und somit weitere Professionalisierungswege auf Seiten der hochschulischen Bildung ermöglicht (s. Abb. 1). Die Konzeption des Trialen Modells leistet somit einen Beitrag zur postulierten Öffnung der Hochschulen für beruflich Qualifizierte, da sich das Modell gezielt an beruflich qualifizierte Personen richtet, die nach den Landeshochschulgesetzen mit einem Meister-/ Techniker- oder äquivalentem Fortbildungsabschluss die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung erwerben und formal zur Aufnahme eines Hochschulstudiums berechtigt sind.

Die Studie hat neben den formalen Kriterien der Organisation des Studiengangmodells zwei zentrale Kompetenzbereiche eruiert, die die Kompetenzanforderungen an das betriebliche Bildungspersonal subsumieren. Die beiden Kernprozesse, die das Handeln eines/r Aus- und Weiterbildners/in beschreiben beziehen sich zum einen auf die Gestaltung und Begleitung von Lernprozessen und zum anderen auf die Gestaltung von Planungs- und Managementprozessen. Der 2009 bundeseinheitlich geregelte Fortbildungsberuf „Geprüfte/r Berufspädagoge/in“ hat diese Prozesse in seinem Curriculum bereits verankert (vgl. Synthesebericht 2011). Die Inhalte des Fortbildungsberufs sind somit integraler Bestandteil des Curriculums. Allerdings zeigen die Ergebnisse der Studie ebenfalls, dass die Bedarfe an eine Professionalisierung über das in dem Fortbildungsberuf vermittelte anwendungsorientierte Kompetenzniveau hinaus gehen.

Neben der Gestaltung und Durchführung der Lern-, Planungs-, und Managementprozesse beruht der Professionalisierungsbedarf auf der wissenschaftlichen Fundierung und Reflexion der eigenen Handlungsfähigkeit. Somit stellt die Konzeption des Studiengangs eine notwendige Weiterentwicklung des Fortbildungsberufs dar, um die anwendungs- und praxisorientierten Inhalte der Fortbildung um eine wissenschaftlich fachsystematische Bearbeitung berufspädagogischer Fragestellungen von Seiten der Hochschule zu ergänzen.

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Abb. 1:   Professionalisierungswege für das betriebliche Bildungspersonal (eigene Darstellung)

2.2   Curriculare Integration von Weiterbildung und Studium

Auf Basis der Erkenntnisse der Vorstudie wurden im Rahmen der Curriculumentwicklung des Bachelorstudiengangs Betriebliche Bildung die Kerninhalte des Fortbildungsberufs „geprüfte/r Berufspädagoge/in“ zugrunde gelegt und durch eine wissenschaftliche und theoriegeleitete Fundierung von Bildungsprozessen ergänzt und vertieft. Im Sinne der Diskussion der Durchlässigkeit der Bildungssysteme akademischer und beruflicher Bildung kann dieses Studiengangformat als fortbildungsintegrierender Studiengang bezeichnet werden. Abbildung 2 gibt einen Überblick über die Module und Teilmodule des Curriculums.

Die Inhalte der Module spiegeln die konstatierten Inhalte der Anforderungs- und Bedarfsanalyse wieder (vgl. ebd.). Die Inhalte des Fortbildungsberufs sind in den Modulen 1, 2 und 5 verankert. Die Kompetenzanforderungen der betrieblichen Kernprozesse der Gestaltung und Begleitung von Lernprozessen und der Management- und Planungsprozesse werden in den Teilmodulen nochmals inhaltlich spezifiziert und in für die Kernprozesse relevante Themenblöcke gegliedert. Integraler Bestandteil des ersten Moduls ist insbesondere auch die Befassung mit den Standards wissenschaftlichen Arbeitens, das Einüben grundlegender Arbeitstechniken sowie die Reflexion unterschiedlicher Wissensformen in der beruflichen bzw. akademischen Bildung. Kontinuierlich über alle Module wird – mit steigendem Schwierigkeitsgrad und Umfang – die Produktion eigener Texte nach wissenschaftlichen Standards durch die Studierenden zu leisten sein.

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Abb. 2:   Modulübersicht Bachelor Betriebliche Bildung

Als konkretes Beispiel für die Integration von Weiterbildung und Studium sei an dieser Stelle exemplarisch Modul 2 „Lernprozesse evaluieren und Qualität sichern“ herausgegriffen (s. Abb. 3). Teilmodul 2.2.2 „Messen von beruflicher Handlungskompetenz“ und Teilmodul 2.2.3 „Funktionen von Beurteilungen“ basieren auf den Inhalten der Ausbildung zum/r „geprüfte/n Berufspädagoge/in“. Diese handlungs- und praxisorientierten Inhalte werden im Studiengang um das Teilmodul 2.2.1 „Diagnostische Messverfahren“ um eine kompetenz- und wissenschaftstheoretische Auseinandersetzung von Seiten der Hochschule vertieft und ergänzt. Das für die betriebliche Bildung konstitutive Spannungsverhältnis von einerseits ökonomischen Nutzenerwartungen gewinnorientierter Unternehmen und andererseits den darüber hinausgehenden individuellen Ansprüchen an ganzheitliche Kompetenzentwicklung und Persönlichkeitsbildung wird in Modul 2 verdeutlicht (bspw. unter dem Fokus von Bildungscontrolling und Qualitätsmanagement in der Aus- und Weiterbildung). Damit einher geht die kritische Reflexion, das theoriegeleitete Nachdenken über das eigene Handeln der Studierenden in ihren beruflichen Kontexten. Die Entwicklung selbstreflexiver Kompetenzen wird nicht zuletzt durch die umfangreiche und obligatorische Portfolioarbeit über den gesamten Studienverlauf unterstützt (s. Kap. 3.1).

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Abb. 3:   Curriculare Integration von Weiterbildung und Studium (eigene Darstellung)

Modul 6 „Berufspädagogik“ ergänzt das Curriculum des Fortbildungsberufs um wissenschaftstheoretische und forschungsmethodische Grundlagen der Berufsbildungsforschung. Dabei stehen personale und gesellschaftliche Dimensionen des Erwerbs von Qualifikation und Kompetenz aber auch die Auseinandersetzung mit Systemaspekten und aktuellen berufsbildungspolitischen Positionen im Zentrum der Auseinandersetzung.

Über fachliche Qualifikationen und wissenschaftliche Kompetenzen hinaus fördert der Studiengang bei Absolventinnen und Absolventen die Fähigkeit und Bereitschaft für sich als Individuum die persönlichen Entwicklungschancen, Anforderungen und Einschränkungen in Beruf, Familie und öffentlichem Leben zu klären und zu beurteilen. Hierzu gehören insbesondere auch die Entwicklung reflektierter Wertvorstellungen, die selbstbestimmte Bindung an Werte sowie die Motivation und Befähigung zu zivilgesellschaftlichem Engagement. Im Studiengang werden fast ausschließlich bildungs- und sozialwissenschaftliche Themen und Problemstellungen bearbeitet, denen per se eine Nähe zu gesellschaftlich relevanten Diskursen zugesprochen werden kann. Insbesondere die Reproduktion gesellschaftlicher Ungleichheitsverhältnisse über das Bildungssystem, die gesellschaftliche Integrationsfunktion von Beruflichkeit sowie geschlechts- und migrationsspezifische Exklusionsprozesse sind durchgängig Gegenstand der Lehrinhalte in den Modulen. 

Durch den fortbildungsintegrierenden Studiengang wird ein maßgeschneidertes Professionalisierungsangebot für Aus- und Weiterbildungspersonal in Betrieben angeboten. Dies ermöglicht eine akademische Professionalisierung der Personengruppe, die sich bereits auf Seiten der beruflichen Bildung durch die 2009 einheitlich geregelten Fortbildungsberufe „geprüfte/r Aus- und Weiterbildungspädagoge/in“ oder „geprüfte/r Berufspädagoge/in“ qualifiziert hat. Ebenso besteht für die Personengruppe, die das Studium ohne bereits absolvierte Fortbildung aufnimmt, die Möglichkeit einen Doppelabschluss zu erwerben. Der Abschluss zum/r geprüften Berufspädagoge/in kann während des Studiums an einer Industrie- und Handelskammer durch Prüfung erworben werden. Der Studiengang endet mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts, der den Zugang zu fachlich entsprechenden Masterstudiengängen ermöglicht. Bedingt durch die überfachliche Konzeption des Curriculums, die es Personen aus den unterschiedlichsten Branchen und Herkunftsberufen ermöglicht, einen anerkannten Hochschulabschluss zu erwerben ist keine Schnittstelle zu Masterstudiengängen vorgesehen, die (auch) zum Eintritt in den Vorbereitungsdienst für das höhere Lehramt an beruflichen Schulen führen.

2.3   Organisation des berufsbegleitenden Studienganges

Das Triale Modell integriert drei Lernorte: Hochschule, Weiterbildungseinrichtung und Betrieb. Inte­gration meint hier neben der curricularen Integration ebenfalls, die Besonderheiten der Wissensbestände und Lernformen der drei Lernorte in einem Studienmodell mit ihren jeweiligen Stärken der Lerninhalte und Lernformen zu verknüpfen (s. Abb. 4). Diese curriculare Integration akademischer und beruflicher Bildung liefert eine Antwort auf die Frage, wie Praxisdefizite an Hochschulen und Theoriedefizite in der betrieblichen Berufsausbildung überwunden werden können (vgl. KUDA/ KAßEBAUM 2012, 89). Zugleich wird mit den beiden Lern-„orten“ Weiterbildung und Betrieb dem aus der Vorstudie resultierenden Bedarf einer engen Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis entsprochen und aus wissenschaftlicher Perspektive kann davon ausgegangen werden, dass der Erwerb „trägen Wissens“ minimiert wird. Empirische Studien zur Wirksamkeit einer solchen hochschuldidaktischen Konzeption stehen allerdings noch weitgehend aus.

Der berufsbegleitende Bachelorstudiengang ist auf eine Dauer von sechs Semestern angelegt. Bedingt durch die Anrechnung von Arbeitszeit als Lernzeit innerhalb der Bearbeitung zwei betrieblicher Projekte, ist der Studiengang trotz berufsbegleitendem Status in sechs Semestern studierbar.

Wie bereits dargestellt ist der Studiengang in sieben Modulen organisiert. Modul 1 und 2 konzentrieren sich inhaltlich auf die Gestaltung und Evaluation berufspädagogisch-/betrieblicher Lernprozesse. Modul 5 greift die organisationale Ebene betrieblicher Bildungsprozesse auf und Modul 6 beschäftigt sich aus einer wissenschaftlichen Perspektive heraus mit aktuellen berufspädagogischen Fragestellungen. Parallel zu diesen vier Modulen werden Modul 3 und 4 im Rahmen der betrieblichen Projekte im Prozess der Arbeit absolviert (s. Kap. 3). Modul 7 beinhaltet die Bachelorarbeit und das abschließende Kolloquium zum Studiengang.

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Abb. 4:   Triales Bildungsmodell (eigene Darstellung)

Zudem ist die kontinuierliche Lernbegleitung maßgebliches Element des berufsbegleitenden Studiengangs. Experten der Berufsbildung und Lehrende der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd begleiten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer während der Selbstlernphasen und den betrieblichen Projekten. Sie stehen hierbei nicht alleine als Ressourcepersonen für fachlich-inhaltliche Fragen zur Verfügung sondern haben insbesondere auch Änderungen im beruflichen Lernumfeld der Studierenden im Blick.

Durch die vollständige Integration der Inhalte des Fortbildungsberufs „geprüfte/r Berufspädagoge/-pädagogin“ wird Studierenden, die diesen Abschluss zu Beginn des Studiums bereits erworben haben, die Hälfte der Studienleistungen pauschal anerkannt, da Inhalte und Niveau dem Curriculum des Studiengangs entsprechen. Neben einer pauschalen Anrechnung sind auch individuelle oder kombinierte Anrechnungsmodelle mittels Portfolioverfahren möglich (vgl. ANKOM-ARBEITSMATERIALIEN).

Die Präsenzlernzeit findet an 35 Wochenenden (Freitag/Samstag) in Form von Blockveranstaltungen in einem drei bis vier-wöchentlichen Rhythmus statt. Die berufsbegleitende Organisationsform ist unabhängig von den Vorlesungszeiten der Hochschule organisierbar und daher mit der Arbeits- und Lebenssituation von Berufstätigen vereinbar. Neben dem Betrieb als zentralen Lernort, finden die Präsenzphasen des berufsbegleitenden Studiengangs an der Hochschule statt. Die spezifischen Wissensbestände des Lernorts „Weiterbildung“ werden lernortübergreifend vermittelt. Dozenten des Fortbildungsberufs „geprüfte/r Berufspädagoge/-pädagogin" vermitteln die Inhalte und geben ihr praxisbezogenes Expertenwissen an die Studierenden weiter. Im Rahmen der Programmentwicklung des Trialen Studienmodells wurde ein zielgruppenspezifisches Studienangebot konzipiert, das die Bedarfe von berufsbegleitend Studierenden, sowohl zeitlich-organisatorisch als auch auf der Ebene spezifischer Lehr-Lernformen berücksichtigt.

3 Hochschuldidaktische Konzeption

Das berufsbegleitende Format des Studiengangs mit der Integration des Fortbildungsberufs und des Lernorts Betrieb, als auch die gezielte Ansprache der Zielgruppe ohne traditionelle Hochschulzugangsberechtigung verdeutlichen das besondere Profil dieses Studiengangs, das sich auch in der hochschuldidaktischen Konzeption zeigt. Studierende, die bereits ein hohes Maß an Erfahrungswissen mitbringen und das berufsbegleitende Studium als Professionalisierung ihrer bisherigen Tätigkeit aufnehmen, sehen den Lerntransfer von im Studium erworbenen Kompetenzen auf ihr berufliches Tätigkeitsfeld als eine zentrale Anforderung an die Studienkonzeption. Der Bildungsauftrag der Hochschule, die Beschäftigungsfähigkeit der Studierenden zu fördern stützt diesen Bedarf (vgl. Gerholz/ Sloane 2008). Die Herausforderung liegt darin, diese Anforderung in der didaktisch-curricularen Ausgestaltung eines Studiengangs umzusetzen und Kompetenzentwicklungsprozesse bei Studierenden anzuregen, die Sie dazu befähigen, diesen Theorie-Praxis-Transfer zu leisten. Im Sinne einer bolognagerechten Hochschullehre stehen in diesem hochschuldidaktischen Studiengangkonzept Kompetenzorientierung und Lernerzentrierung im Mittelpunkt (vgl. Ertel/ Wehr 2007). Gegenüber tradierten Vollzeitstudiengängen ist die Wahl passender Lehr-Lernformen, neben der notwendigen Bedingung der organisationalen Passung an das Leben berufstätiger Studierender (Präsenzphasen an Wochenenden, hoher Selbststudienanteil usw.) von großer Bedeutung. Die Lehr-Lernprozesse der Präsenz- und Selbstlernphasen stützen sich auf eine didaktisch-curriculare Gesamtkonzeption der Handlungsorientierung, die eine bolognakonforme, kompetenzorientierte Ausrichtung des Studiengangs und somit die Förderung beruflicher Handlungskompetenz sicherstellt (vgl. Schaper/ Schlömer/ Paechter 2012).

Im Folgenden werden Elemente des didaktischen Konzepts vorgestellt. Dazu zählen die didaktische Formatierung der Präsenzveranstaltungen, die betrieblichen Projekte als zentrales Element des Lernortes Unternehmen sowie das Konzept der kontinuierlichen Lernbegleitung.

3.1   Didaktische Formatierung der Präsenzphasen

Zu den didaktischen Leitlinien des Studiengangkonzepts, zählt die Geschäfts- und Arbeitsprozessorientierung. Für die konkrete didaktische Umsetzung in den Präsenzphasen bedeutet dies die Orientierung an konstruktivistischen Lehr-Lernmethoden, die sowohl im Rahmen des aktuellen hochschuldidaktischen Diskurses als auch in der beruflichen Bildung an Bedeutung gewinnen (vgl. Wehr/ Ertl 2008, Schelten 2010).

Die konkrete didaktische Formatierung des Studiengangs während der Präsenzphasen basiert auf der Gestaltung einer problemorientierten Lernumgebung, der der wissensbasierte Konstruktivismus zu Grunde liegt. Dieser stützt sich auf die Annahme, dass im

„wissensbasierten Konstruktivismus (...) Lernen als eine persönliche Konstruktion von Bedeutungen interpretiert (wird), die nur dann gelingt, wenn eine ausreichende Wissensbasis zur Verfügung steht. Zum Erwerb dieser Wissensbasis kann auf instruktionale Anleitung und Unterstützung nicht verzichtet werden“ (Reinmann/ Mandl 2006, 638, in Anlehnung an RESNICK/ WILLIAMS/ HALL 1998).

Es findet ein stetiger Wechsel zwischen lehrendenzentrierten Phasen der Wissensvermittlung (Instruktion) und aktiven studierendenzentrierten Phasen (Konstruktion) statt.

Diese didaktische Formatierung lehnt sich an den aus der beruflichen Bildung bekannten Cognitive Apprenticeship Ansatz an, der ursprünglich aus der traditionellen Handwerkslehre stammt und sich ebenfalls auf die Hochschullehre übertragen lässt, da dieser Ansatz eine praxisnahe Vermittlung der Lerninhalte stützt (vgl. Ertel 2008).  Der Lehrende weckt im Rahmen der Inputphasen das Interesse der Lernenden (modelling). Für die aktiven Phasen werden handlungsorientierte Methoden gewählt, die situiertes Lernen ermöglichen. Der Lehrende steht während dieser Phase als Berater zur Seite und gibt wenn nötig Hilfestellung (coaching, scaffolding). Die erarbeiteten Lernergebnisse werden im Anschluss an die Selbst- bzw. Gruppenarbeitsphasen gemeinsam im Plenum diskutiert und somit auch reflektiert (articulation, reflection). Der Transfer des Gelernten in die Praxis wird in die Phase des Selbststudiums mittels praxisorientierter Lernaufträge übertragen und in der darauffolgenden Präsenzveranstaltung wieder aufgegriffen (exploration).

Wie bereits dargestellt sind die Inhalte und das gewählte didaktische Konzept, das sich an konstruktivistischen Lehr-Lernmethoden orientiert direkt auf die Leitziele des Studiengangs, der Entwicklung und Professionalisierung einer theoriegeleiteten Reflexion und Fundierung des pädagogischen Handelns in der Aus- und Weiterbildung mit einem starken Theorie-Praxis-Bezug abgestimmt. Im Sinne des Constructive Alignment Ansatzes (vgl. BIGGS/ TANG 2011), der die Abstimmung kompetenzorientierter Lehr-, Lern- und Prüfungsprozesse beschreibt,  sind die Prüfungsformen dieses Studiengangs ebenfalls auf die Kompetenzziele abgestimmt. Die Prüfungsformen belaufen sich auf Präsentationen mit Kolloquien und schriftlichen Ausarbeitungen, die gewährleisten, dass die Learning-Outcomes auf einem reflexiven Kompetenzniveau mit einem direkten und individuellen Theorie-Praxisbezug geprüft werden können. Der Diskurs, der in der Hochschuldidaktik unter dem Begriff des Constructive Alignment geführt wird, ist ebenfalls in der beruflichen Bildung im Sinne einer kompetenzorientierten Gestaltung von Lehr- Lern- und Prüfungsprozessen in der Ausbildung aktuell (vgl. LORIG u.a. 2011, vgl. SEVERING/ WEIß 2011).

3.2   Betriebliche Projekte

Die curriculare Integration betrieblicher Projekte und die damit verbundene Anerkennung von Arbeitszeit als Lernzeit ist ein weiteres wesentliches Merkmal des Studiengangmodells. Die Themen der Projekte werden von den Studierenden in Absprache mit ihrem Unternehmen gewählt, da es sich um Projekte handelt, die ohnehin von Seiten der Betriebe an die Mitarbeiter bzw. Studierenden herangetragen werden.  Die Lernform des „work based learning“ (vgl. Hartmann/ Light 2010) ermöglicht es, Lernen an realen Projekten am Arbeitsplatz als Studienleistungen anzuerkennen ohne zusätzliche Zeitressourcen der Studierenden zu binden. Die Planung, Umsetzung und Evaluation der betrieblichen Projekte am Arbeitsplatz, macht knapp ein Drittel der Studienzeit aus. In Form einer Projektdokumentation werden die Lernschritte festgehalten und sowohl in den Präsenzphasen als auch im Rahmen einer Lernbegleitung kontinuierlich reflektiert.

Die möglichen Themenstellungen für die betrieblichen Projekte sind im Modulhandbuch dokumentiert. Vor Beginn des betrieblichen Projektes müssen die Studierenden in Form eines Exposés nicht nur die Projektziele, deren Kontext in den Arbeits- und Geschäftsprozessen und den (erwarteten) betrieblichen Nutzen beschreiben. Darüberhinaus sind der berufspädagogische Gehalt des Projekts, die pädagogischen und persönlichen Lernziele sowie die eigene Motivation zu diesem Projekt vorab zu beschreiben und auf dieser Basis am Ende zu reflektieren. In der Durchführung des Projektes werden die Studierenden von Lernbegleitern des Studiengangs unterstützt. Diese suchen mindestens einmal die Studierenden im Unternehmen auf und kommunizieren regelmäßig per Telefon/Skype o.ä.

Zusätzlich zur Projektdokumentation (die ggf. nach einzelbetrieblichen Vorgaben zu erstellen ist) trägt das Projektportfolio dazu bei, Erfahrungen und Hürden im Verlauf der betrieblichen Projekte zu reflektieren und für den Austausch in einer Präsenzveranstaltung aufzubereiten. Da im Rahmen der didaktischen Grundkonzeption in allen Präsenzwochenenden mind. eine Fallarbeit als Lehrmethode vorgesehen ist, ergeben sich eine Vielzahl thematisch passender Kontexte. Zur Veranschaulichung der am Lernort Unternehmen bearbeiteten Inhalte kann die Aufzählung der zz. gestarteten Projekten dienen:

- Implementierung einer Juniorfirma bei der ABC AG – Chancen und Risiken für die betriebliche Ausbildung

-  Erstellen und Einführung eines betrieblichen Ausbildungsplanes für den neuen Ausbildungsberuf  Industriekaufmann/-frau unter Berücksichtigung berufspädagogischer Aspekte (sowie Entwicklung eines Schulungskonzeptes für die Ausbildungsbeauftragten im Betrieb).

- Optimierung der Betreuung der JuniorCompany ABC. Entwurf einer strukturierten Lernbegleitung (Coaching) und Betreuung der Junioren.

-  Entwicklung, Evaluation und Implementierung eines Beobachtungs- und Bewertungsbogens für die mündlichen Leistungen von Teilnehmern rettungsdienstlicher Ausbildungskurse an einer staatlich anerkannten Rettungsassistentenschule.

- Projekt zur Passung der betrieblichen Ausbildungsplanung auf die Ausbildungsordnung

- Neuplanung von einem Ausbildungsordnungsplan

- Effizienz im Kontext der Berufsausbildung am Standort Kraftwerk ABC im Hinblick auf:
Verbundausbildung,  Betriebliche Projekte, Prozessorientierte Ausbildung

- Entwicklung eines Lernpasskonzeptes

- Umbau der Lehrwerkstatt für die zukünftige Nutzung für Projektarbeit und Einführung von Lerninseln

Diese Art zu Lernen kommt insbesondere Studierenden entgegen, die parallel zu ihrer beruflichen Praxis ein einschlägiges Studium absolvieren.

3.3   Lehr-/Lernmethoden

Einem Studiengangkonzept, das einen konstruktivistischen Lehr-Lernansatz verfolgt, liegen handlungsorientierte und situierte Lehr-Lernmethoden zugrunde, die eine kompetenzorientierte Ausrichtung des Lehr-Lernprozesses unterstützen (vgl. Schaper/ Schlömer/ Paechter 2012). Diese didaktische Ausrichtung fordert von den Studierenden ein hohes Maß an Selbstregulation und Verantwortungsübernahme in Bezug auf die individuelle Planung, Durchführung und Kontrolle des eigenen Lernprozesses (vgl. Gerholz 2012, 62). Diese Kompetenz muss von Seiten der Studierenden erlernt werden können und es ist Aufgabe der Studienganggestaltung Formate bereitzustellen, die die Studierenden dabei unterstützen und somit einen Beitrag zur Sicherung der Studierfähigkeit leisten.

Diese Unterstützungsangebote sind im Studiengang Betriebliche Bildung unter dem Begriff der Lernbegleitung subsumiert. Die qualifizierte Lernbegleitung ist ein zentrales Element des Studiums, um den Studierenden bestmögliche Lernbedingungen und die Förderung selbstregulierten Lernens zu ermöglichen.

Lernportfolio

Ein zentrales Element der Lernbegleitung im Studiengang Betriebliche Bildung ist das Lernportfolio, das als Instrument zur Unterstützung konstruktivistischer Lernumgebungen in der Hochschullehre gilt und die Entwicklung der Studierfähigkeit stützt (vgl. Degenhardt/ Karagiannakis 2008, vgl. Rechenbach u.a. 2011).

Ziel dieser Portfolioarbeit ist es, den Studierenden ein Instrument an die Hand zu geben, das Sie bei der kontinuierlichen Dokumentation und Reflexion des persönlichen, selbstregulierten Lernprozesses unterstützt und Ihnen in den Selbstlernphasen und während der Bearbeitung der betrieblichen Projekte Struktur in der wenig strukturierten Lernumgebung bietet. Zahlreiche empirische Studien bestätigen den Einsatz von Lernportfolios als Unterstützung effektiven Lernens, Anregung zur Selbstreflexion, Unterstützung zur Selbstregulation und zeigen positive Effekte in Bezug auf die Lernmotivation (vgl. Gläser-Zikuda 2010).

Das Konzept des Portfolios (s. Abb. 5) im Studiengang Betriebliche Bildung erfüllt zwei wesentliche Funktionen. Zum einen ist es im ursprünglichen Sinne eine Mappe, die sowohl die Dokumentation erbrachter Leistungen als auch die Sammlung von studienrelevanten Unterlagen und Arbeitsergebnissen vereint. Zum anderen dient das Portfolio der schriftlichen Reflexion der persönlichen Lernfortschritte und der Selbstbeobachtung des eigenen Lernprozesses.

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Abb. 5:   Lernportfolio B.A. Betriebliche Bildung (eigene Darstellung)

Das Lernportfolio des Studiengangs Betriebliche Bildung, das als Förderinstrument und nicht zur Leistungsbeurteilung eingesetzt wird, besteht u.a. aus drei leitfragengestützten Teilportfolios.

¾ Das Arbeitsportfolio (1) hat zum Ziel, die Studierenden zur Reflexion der gelernten Inhalte und Methoden (Lerngegenstände) anzuleiten, die in den Präsenz- und Selbstlernphasen aufgrund von Lernaufträgen vermittelt bzw. erarbeitet werden. Die Leitfragen beziehen sich auf einen fachlichen Rückblick und auf den Lerntransfer der Themen in die betriebliche Praxis.

¾ Das Prozessportfolio (2) dient der persönlichen Reflexion des eigenen Lernprozesses. Es ist ein Instrument zur metakognitiven Bearbeitung der eigenen Lernstrategien und wird von den Studierenden nach jedem Teilmodul, das i.d.R. aus zwei bis vier Präsenz- und Selbstlernphasen besteht bearbeitet. Die metakognitive Auseinandersetzung mit der Analyse des eigenen Lernprozesses leistet einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Studierfähigkeit und zur Verbesserung des selbstregulierten Lernens.

¾ Das Projektportfolio (3) dient, neben der klassischen Projektdokumentation als Instrument zur kontinuierlichen Reflexion des Lernprozesses im Rahmen der Bearbeitung der betrieblichen Projekte. Die Studierenden dokumentieren in regelmäßigen Abständen sowohl ihren kognitiven als auch metakognitiven Lernprozess. Diese Reflexion der persönlichen Lernschritte und Herausforderungen der Teilnehmer/innen sind die Basis der kontinuierlichen Beratungsprozesse im Rahmen einer persönlichen Lernbegleitung durch Experten der betrieblichen Bildung.

Tabelle 1 fasst die Organisation der leitfadengestützten Teilportfolios mit besonderem Bezug zur Lehr- und Studienstruktur nochmals zusammen.

Tabelle 1:  Organisation der leitfadengestützten Teilportfolios

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Kollegiale Fallberatung

Das didaktische Format der kollegialen Fallberatung ist neben dem Lernportfolio, ebenfalls Teil des Konzepts der Lernbegleitung des Studiengangformats (vgl. Tietze 2003). Das strukturierte Beratungsformat ist fester Bestandteil der curricularen Struktur eines jeden Präsenzwochenendes und bietet den Studierenden die Möglichkeit, Fragestellungen, die sich im Kontext der Projektarbeit in den Betrieben ergeben, in den Präsenzwochenenden zu thematisieren. Mit diesem Format gelingt es, die Themen der betrieblichen Projekte in die Präsenzwochenenden zu integrieren.

Kontinuierlicher Austausch der Dozierenden und Lernbegleiter

Neben den lernendenzentrierten Formen der Lernbegleitung, zählt ebenfalls der kontinuierliche Austausch der Dozierenden und Lernbegleiter eine zentrale Rolle. Regelmäßige Lehrgangskonferenzen stellen die inhaltlich curriculare Passung der Module sicher und tragen mit einem Austausch über Lernstand und –leistungen der Studierenden zur Planung individueller Unterstützungsmöglichkeiten der Teilnehmer/innen bei.

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Zitieren dieses Beitrages

FAßHAUER, U./ VOGT, M. (2013): Professionalisierung des betrieblichen Bildungspersonals als eine Konsequenz der Akademisierung beruflicher Bildung. Begründung, Ziele und hochschuldidaktisches Konzept des „Trialen Modells“. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 23, 1-19. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe23/fasshauer_vogt_bwpat23.pdf   (28-03-2013).


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