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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT15 - Politik/Wirtschaftslehre
Herausgeber: Eberhard Jung, Martin Kenner & Hans-Georg Lambertz

Titel:
Bildungsziel Übergangsbewältigung: Pädagogisch didaktische Herausforderungen und Strategien am Übergang ins Ausbildungs- und Beschäftigungssystem


Bildungsziel Übergangsbewältigung: Begriff, kompetenztheoretische Einbettung, Vermittlung in der beruflichen Bildung

Beitrag von Eberhard JUNG (Pädagogische Hochschule Karlsruhe)

Abstract

Was nützt die Beherrschung beruflicher Handlungskompetenz, wenn deren Verwendung in der Berufs- und Arbeitswelt durch einen nicht bewältigten Übergang verhindert wird? Der nachstehende Beitrag ist als Plädoyer für eine feste Einbindung übergangsbewältigender Inhalte in bestehende Bildungspläne zu verstehen. Damit sind nicht nur allgemein bildende Schulformen gemeint, sondern gerade auch berufsbildende und tertiäre. Denn in einem gestuften Bildungssystem sollte es immer die Aufgabe der jeweils darunter liegenden Stufe sein, den Übergang in die nächste pädagogisch verantwortungsvoll vorzubereiten. Von der individuellen und gesellschaftlichen Bedeutung gelingender Übergänge ausgehend, wird die Übergangsbewältigung als besondere Herausforderung jeder Lebensbiographie dargestellt. Hinsichtlich einer positiven Bewältigung müssen Übergangswillige über entsprechende Kompetenzen verfügen. Diese sollten im Rahmen der Bewältigung der ersten Schwelle grundlegend erworben werden und die Basis für die Bewältigung aller späteren arbeits- und berufsbezogenen Übergänge bilden. Nach der Auseinandersetzung mit der Begrenztheit üblicher übergangsbezogener Leitbegriffe, wird ein vierfach gestuftes Kompetenzmodell des Erwerbs von Arbeits- und Berufsfindungskompetenz entworfen und mit den entsprechenden Bildungsstandards versehen. Hinsichtlich der curricularen Verortung des Erwerbs von Übergangskompetenz im berufsbildenden Schulwesen, geraten die Lernfelder der politisch-ökonomischen Bildung in den Fokus der Betrachtung. Diese werden anhand gegenwärtiger und zukünftiger Rollen von Jugendlichen begründet. Angesichts der Heterogenität in beruflichen Schulformen und Lerngruppen wird der Erwerb von Arbeits- und Berufsfindungskompetenz auf berufliche Sonderklassen, Lerngruppen des Dualen Systems und berufliche Vollzeitklassen spezifiziert.

1 Einführung - Begriffsbestimmung

Bildungsziele sind normative Umschreibungen dessen, was durch Bildungsprozesse beim zu Bildenden bewirkt werden soll. Dabei wird Bildung sowohl als Ergebnis („gebildet sein“) als auch als Prozess („sich bilden“) verstanden. Bildungsziele beschreiben die oberste Zielebene im staatlich institutionalisierten Bildungssystem. So definieren die Schulgesetze der Bundesländer den Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schulen, der sich an den obersten Grundwerten, den Zielvorgaben des Grundgesetzes und den Landesverfassungen, orientiert. In diesem Sinne definiert das Schulgesetz Baden-Württembergs, dass „jeder junge Mensch ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung hat“ (§1.1). Der Folgeabschnitt verpflichtet Schulen „über die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten hinaus“ zu der Vermittlung bedeutsamer Erziehungsinhalte. Explizit benannt wird, dass junge Menschen „auf die Mannigfaltigkeit der Lebensaufgaben und auf die Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt mit ihren unterschiedlichen Aufgaben und Entwicklungen vorzubereiten“ sind (§ 1.2). Damit wird deutlich: Schule soll auf „das Leben“ vorbereiten, von dem das Arbeits- und Berufsleben einen wesentlichen Teil bildet. Um an diesem erfolgreich teilnehmen zu können, gilt es die ins Arbeitsleben führenden Übergänge erfolgreich zu bewältigen.
In einem gestuften Bildungssystem ist es immer die Aufgabe der jeweils darunter liegenden Stufe, den Übergang in die nächste Stufe pädagogisch verantwortungsvoll vorzubereiten und zu begleiten. Das gelingt beim Übergang aufeinander aufbauender Bildungsstufen wie der Primarstufe in die Sekundarstufe I oder zwischen unterschiedlichen Schulformen des beruflichen Schulwesens recht gut. Beispielsweise ermöglicht der Stufenabschluss der Primarstufe (Versetzung in die Jahrgangsstufe 5) plus der Erreichung geforderter Noten, den Übergang in die nächste Stufe, z.B. die Realschule oder das Gymnasium. Problematischer gestaltet sich dies bei Übergängen in die Berufs- und Arbeitswelt, besonders dann, wenn die angebotenen Ausbildungs- oder Arbeitsplätze in Quantität und Qualität nicht der Nachfrage entsprechen. Als wesentlich erscheint mir dabei, dass die Befähigungen zur Übergangesbewältigung nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden, sondern dass sie in speziellen Lehr-/ Lernprozessen erworben werden. Im Rahmen der Curricula allgemein bildender Schulen (Sekundarstufe I) besitzt die Berufsorientierung eine feste Verankerung. Entsprechendes kann in den Rahmenplänen der Sekundarstufe II nicht identifiziert werden, weder in den Bildungsplänen der vollschulischen Schulformen (Gymnasien, Fachoberschulen usw.), noch im Rahmen der vielfältigen dualen oder vollschulischen Berufsausbildung. 

2 Übergänge und deren Bewältigung

Übergänge stellen immer besondere Herausforderungen an die Übergangswilligen. Das wurde uns bereits im zarten Kindesalter bewusst, als uns „der beginnende Ernst des Lebens“ bei unserem ersten Übergang (Kindergarten – Grundschule) angekündigt wurde. Dieser wurde dann mit einer großen Geschenktüte und mit Ritualen des Besonderen versüßt. Der nächste Übergang – der von der Primarstufe in die Sekundarstufe I – wurde schon von vielen als schmerzlich erfahren, da das gewünschte Ziel auch unter großen Anstrengungen nicht von jedem zu erreichen war. Dass damit eine lebensbiographisch bedeutende Weichenstellung vollzogen worden war, wurde den Betroffenen erst später deutlich. Noch problembelastender ist der Übergang von der Sekundarstufe I in eine Berufsausbildung – die so genannte 1. Schwelle – ganz besonders dann, wenn die Berufs- und Arbeitswelt weitgehend unbekannt ist, persönliche Eignungen und Neigungen unklar sind, das Bewerbungsverfahren ein Buch mit sieben Siegeln darstellt und die Anzahl der zu Verfügung stehenden Ausbildungsplätze und die Bewerberzahl erheblich voneinander abweichen. Grundsätzlich müssen in jeder Lebensbiographie eine Fülle von Übergängen bewältigt werden, wozu ein spezielles Wissen und Können erforderlich ist, was in geordneten Lehr-Lernprozessen erworben werden sollte.


Weitere Übergänge

  • Berufswechsel (freiwillig, erzwungen)
  • Arbeitsplatzverlust: in Arbeitslosigkeit, aus der Arbeitslosigkeit heraus (evtl. Umschulung)
  • Unterbrechung: Wiederaufnahme der Erwerbsfähigkeit (nach Projekten, Familienpausen usw.)
  • Erwerbsleben - Ruhestand

Übergänge nach einem Studium

  • in den angestrebten akademischen Beruf (oder einen ähnlichen)
  • in Praktika und Ersatztätigkeiten
  • in die Arbeitslosigkeit / Umschulung

Übergänge in den Beruf

  • Berufsausbildung in den Beruf (Zweite Schwelle)
  • in andere Berufe (Zweite Schwelle)
  • Umschulung / Weiterbildung / Tertiärbildung

Übergänge nach der Sekundarstufe II

  • in eine Tertiärbildung (Studium)
  • in eine Berufsausbildung (dual, vollschulisch)
  • in den Übergangssektor (Erste Schwelle)

Übergänge nach der Sekundarstufe I

  • in eine Berufsausbildung (dual, vollschulisch)
  • in vollschulische, berufliche Schulformen
  • in den Übergangssektor
  • in die Sekundarstufe II

Schulische und vorschulische Übergänge

  • Sekundarstufe I  in Sekundarstufe II (allgemeinbildend, berufsbildend)
  • Primarstufe in Sekundarstufe I (Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule)
  • Kindergarten in Grundschule

 

Abb. 1: Übergangsbezogenes Gesamtspektrum

Der Autor hat an anderer Stelle (JUNG 2008, 185ff.; 2000, 106ff.) die mit Übergängen einher gehenden Herausforderungen als Identitätskrisen beschrieben und deren Verlauf und Bewältigung in drei Phasen dargestellt. Auslösend wirken ein anstehender Übergang und das Bewusstwerden, auf diesen nicht genügend vorbereitet zu sein. Unklare Neigungs- und Eignungsvorstellungen, Unkenntnisse über die Anforderungen der Berufsausbildung, Probleme des Ausbildungsplatzerwerbs usw. umschreiben ein Verunsicherungspotential, das oft von Problemen des Jugendalters überlagert werden kann.
Die positive Bewältigung der Herausforderung geht mit der Annahme von Identitätsaufgaben, im Sinne der Suche nach einer Entscheidung für eine berufliche/schulische Zielidentität, einher. Die negative ist durch Ausweichverhalten, Verdrängen und einem Entziehen der erforderlichen Aufgabe gekennzeichnet. Sie führt in eine Sackgasse, denn die Probleme treten zeitlich versetzt und nach Umwegen verstärkt auf. Im Rahmen der positiven Bewältigung erfolgt die Realisierung von Identitätsmerkmalen über einen ausbalancierten Identitätsfindungsprozess. Wünschbare und erreichbare Ziele werden ermittelt, abgewogen und verwirklichend angestrebt. Die berufliche Zielidentität wird über eine Fülle von Realisierungshandlungen wie: Informationen einholen, sich für einen Ausbildungsberuf entscheiden, sich bei verschiedenen Betrieben bewerben, das Auswahlverfahren bestehen, bis hin zur Aufnahme einer Berufsausbildung angestrebt. Die negative Bewältigung geht mit der Nichtannahme der vielfältigen Übergangsherausforderungen einher und führt zu einem fortdauernden Identitätskonflikt.

Die umschriebenen individuellen Entwicklungen sind „in gesellschaftliche Strukturen eingebettet, werden von diesen geprägt und prägen diese wiederum selbst“. Dabei wird aus der soziologischen Perspektive dem Beruf sowohl eine Status zuweisende als auch eine sozial integrierende Funktion zu gestanden, aus der entwicklungspsychologischen Perspektive kennzeichnet die Übernahme der Berufsrolle die erfolgreich beendete Jugendphase (STOMPE 1999, 35f.). Festzuhalten bleibt, dass sich das Übergangsgeschehen umfangreich und komplex darstellt, Übergangsbewältigungen immer Unsicherheiten implizieren und große Herausforderungen an die Identität der Betroffenen stellen. Von gelingenden Übergängen geht eine persönlichkeitsstabilisierende Wirkung aus. Die Erkenntnis, ein gewünschtes Ziel unter erschwerten Bedingungen angestrebt und erreicht zu haben, wirkt progressiv und verstärkend.  Nicht gelingende Übergänge führen zu mangelnder Sozialintegration und erzeugen Gefühle der Überforderung, Überflüssigkeit und Minderwertigkeit. Sie führen zu  Enttäuschungen, verbunden mit Existenz- und Versagensängsten (JUNG, 2008c, 186; DEHLER 1988, 36 f.). Angesichts der mit nicht gelingenden Übergängen einhergehenden Folgen für Individuum und Gesellschaft, scheint es als erforderlich, die Übergangbewältigung als Bildungsziel in übergangsrelevanten Bildungsstufen besser zu verorten.
Aus der Makroperspektive bleibt zu ergänzen, dass gelingende Übergänge – in Qualität und Quantität angemessen – die intergenerative Reproduktion des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens bewirken. Diese verläuft für die Mehrheit der Jugendlichen über die Zulassung zum geordneten Erwerb beruflicher Handlungskompetenz, den Erwerb beruflicher Grund-, Fach- und Weiterbildung, hin zur Meisterschaft. Damit tragen gelingende Übergänge entscheidend zur Entwicklung der Qualität des Produktionsfaktors Arbeit bei und leisten einen wesentlichen Schritt hinsichtlich der technisch-ökonomischen Modernisierung unserer Volkswirtschaft (JUNG 2005, 221).

3 Über die Begrenztheit gängiger Übergangskategorien 

Angesichts der Tragweite des Geschehens erscheint es erforderlich, die mit Übergangsbewältigungen einhergehenden Ziele und Anforderungen begrifflich sauber (kategorial) zu fassen. Kategorien sind Leit- oder Schlüsselbegriffe, mit deren Hilfe der Mensch Erfahrungen und Sinneswahrnehmungen bzw. eine Wissenschaftsdisziplin ihre Erkenntnisse, Inhalte und Prinzipien ordnet. Didaktische Kategorien bilden Denkinstrumente zum Erschließen von Wirklichkeitsbereichen, die der Inhalts- und Komplexitätsreduzierung dienen. Die Kategoriale Didaktik begründet die Auswahl ihrer Lerngegenstände anhand der Prinzipien des Exemplarischen, des Elementaren und des Fundamentalen (KRUBER 2008, 188), denen auch die verwandten Übergangskategorien entsprechen müssen:
Angesichts der Fülle von Ausbildungsberufen können zur Bewältigung der „ersten Schwelle“ nur ausgewählte Übergänge in spezielle Berufe exemplarisch behandelt werden. Dabei repräsentiert der eine Übergang das übergangsspezifische Ganze und kann mit entsprechenden Veränderungen z.B. in den berufsbezogenen Neigungen und Eignungen, auf alle 349 (BIBB 2010) Berufsübergänge übertragen werden.

Um die mit dem Übergang einhergehenden Hersausforderungen bewältigen zu können gilt es, sich elementares Wissen und Können anzueignen und weiter zu entwickeln. Hier sind die Bereiche: Arbeit/Beruf (Erwerbsarbeit, Anforderungen, qualifikatorischer Wandel usw.), Ausbildungsberufe, Ausbildungsmarkt und schulische Bildungsgänge, der Übergangssektor und das Bewerbungsverfahren, aber auch Wissen und Einschätzungen über die eigenen Neigungen und Eignungen usw. von großer Bedeutung.
Das hier erworbene Wissen und Können ist ebenso fundamental. Es wird im Rahmen der Bewältigung der ersten Schwelle erworben und bildet die Grundlage für die Bewältigung aller späteren arbeits- und berufsbezogenen Übergänge.
Durch die Verortung von Berufsorientierung in den Bildungsplänen der nichtgymnasialen Sekundarstufe I, überwiegen die hier verwandten Begrifflichkeiten. Einst hatte die KMK die Berufswahlreife als Ziel der Arbeitslehre genannt und so dem Begriff der Berufswahl zur Akzeptanz verholfen. Zwischenzeitlich wurde immer deutlicher, dass im gemeinten Prozess eine richtige Wahl nur im begrenzten Maße stattfindet. Auch ist für die meisten „Berufswähler“ die Anzahl der zu wählenden Alternativen aufgrund gegebener Restriktionen (Schulnoten, Angebotsengpässe usw.) eher begrenzt. Ebenfalls ist der Zeitpunkt nicht frei gewählt, sondern durch das nahende Ende der Schulzeit vorgegeben. Berufswahl ist daher in vielen Fällen leider „kein genuines Anliegen von Jugendlichen, die in dieser Lebensphase oft mit anderen Adoleszenzproblemen beschäftigt sind, sondern eine von außen an sie herangetragene Erwartung“ (SCHOBER 1997, 104.).
Der gemeinte Prozess erfordert vielmehr mehrere gestufte Entscheidungen (duale Ausbildung - schulische Qualifizierung; betriebliche - vollschulische Ausbildung; Studium - Beruf). Ebenfalls sind Übergänge in nicht beruflich verfasste Tätigkeiten möglich. Deshalb wären die Bezeichnungen „Arbeits- und Berufsfindung“ und „Arbeits- und Berufsfindungsprozess“ angemessener (BEINKE 1999, 61; JUNG 2000). Diese beziehen andere Übergänge, wie den gewollten und erzwungenen Arbeitsplatzwechsel, die Wiederaufnahme einer Erwerbsfähigkeit nach Beendigung von Familienphasen und die Überwindung von Arbeitslosigkeit ein (BUßHOFF1998, 26). Gleichwohl erweist sich der Begriff der Berufswahl als zäh und nahezu unüberwindbar (JUNG 2008e, 68f.).

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Abb. 2: Übergangskategorien des nationalen Paktes (ebd. 12)

Zur besseren Fassung des komplexen Geschehens am Übergang vom Bildungs- ins Beschäftigungssystem, hat der „Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs“ (2006) das Begriffstrias (Ausbildungsreife, Berufseignung, Vermittelbarkeit) begründet. Es handelt sich dabei um drei aufeinander aufbauende Begrifflichkeiten, die eine inhaltliche Verständigung zwischen den beteiligten Akteuren erzielen sollen. Ihre genaue Definition soll z.B. helfen, das nicht zustande kommen einer Berufsausbildung genauer zu identifizieren, auch um geeignete Gegenmaßnahmen einleiten zu können (ebd. 12f.).

Ausbildungsreife: Der Nationale Pakt positioniert den Reifebegriff als zentrale Kategorie in das übergangspezifische Geschehen und grenzt ihn von oft synonym verwandten Begriffen (Ausbildungsfähigkeit, Ausbildungseignung) ab. Ein Jugendlicher ist „ausbildungsreif“, wenn er „die allgemeinen Merkmale der Bildungs- und Arbeitsfähigkeit erfüllt und die Mindestvoraussetzungen für den Einstieg in die berufliche Ausbildung mitbringt“. Der Befund blendet spezifische Anforderungen einzelner Berufe aus und geht davon aus, dass eine fehlende Ausbildungsreife zu einem späteren Zeitpunkt zu erreichen ist (ebd. 13). Anzumerken ist: Der Begriff Reife ist biologisch determiniert. Er markiert das Ende einer Entwicklung, tritt unter günstigen Umweltbedingungen nahezu von selbst ein und geht in den Zustand der Überreife über. Dabei bleiben die immanenten Wechselwirkungen zwischen den genetischen Potenzialen und den Impulsen aus der Umgebung eines Individuums weitgehend ungeklärt. Hingegen muss das hier Gemeinte in anstrengenden Aneignungsprozessen erworben werden (JUNG 2008a, 132f.).

Berufseignung: Ein Jugendlicher kann für einen Ausbildungsberuf als geeignet bezeichnet werden, wenn er über entsprechende personelle Dispositionen verfügt, die auf die Erreichung (späterer) beruflicher Anforderungen („Leistungshöhe“) und eine dadurch bedingte berufliche Zufriedenheit zielen. Die Berufseignung stelle eine bedeutsame übergangstheoretische Kategorie dar. Sie fungiere als Filter (MÜLLER-KOHLENBERG u.a. 2005, 22), der die allgemeine Ausbildungsreife auf bestimmte, vom Tätigkeitsspektrum her ähnliche, Berufe fokussiert. (NATIONALER PAKT 2006, 15). Da leuchtet es ein, dass eine spätere erfolgreiche berufliche Tätigkeit im Berufsfeld Elektrotechnik neben einer physikalisch-technischen Eignung und eines abstrakten Vorstellungsvermögens, auch eines korrekten farblichen Erkennens bedarf. Im Berufsfeld Metalltechnik ist ein dreidimensionales Vorstellungsvermögen unabdingbar und in sozial-pflegerischen Berufen ein gewisses Maß an sozialer Empathie erforderlich. Problematisch erscheint mir jedoch der Umgang mit der zukünftigen Leistungshöhe und Arbeitszufriedenheit. Angesichts sich dynamisch entwickelnder Arbeitsbedingungen bereits an der ersten Schwelle Vermutungen über deren Erreichbarkeit zu treffen, erscheint mir höchst spekulativ (JUNG 2008a, 133ff.).[1]

Vermittelbarkeit: Ein Jugendlicher ist als vermittelbar zu bezeichnen, „wenn bei gegebener beruflicher Eignung ihre Vermittlung […] nicht durch Einschränkungen erschwert oder verhindert wird“. Entsprechende Einschränkungen können „marktabhängig und betriebs- bzw. branchenbezogen bedingt sein“ oder „aber auch in der Person selbst oder ihrem Umfeld liegen“ (ebd. 16). Damit bezieht die Übergangskategorie Vermittelbarkeit nahezu alles ein, womit sich eine Absage begründen lässt. Die Erkenntnis trotz gegebener Ausbildungsreife und Berufseignung aus konjunkturellen Gründen oder aus Gründen der regionalen Bedarfslage nicht vermittelbar zu sein, verweist auf eine Marktenge, die angesichts eines drohenden Facharbeitermangels unverständlich ist. Dabei hilft es dem abgelehnten jungen Menschen wenig, wenn er für die nicht erhaltene Stelle als ausbildungsreif und berufsgeeignet erachtet wird, falls er denn eine Begründung der Absage erhält (JUNG 2008a, 135).
Im Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife werden inhaltliche Anforderungen konkretisiert. Er umfasst die Merkmalsbereiche: Schulische Basiskenntnisse, psychologische Leistungsmerkmale, physische Merkmale, psychologische Merkmale des Arbeitsverhaltens und der Persönlichkeit sowie Berufswahlreife. Die genannten übergangsspezifischen „Mindeststandards“ sind unterhalb der Merkmalsbereiche in Merkmale, Indikatoren/Kriterien und Verfahren zur Feststellung, Beispielfragen, Medien und Hilfsmittel gegliedert. Die Merkmale und Indikatoren sollen für Schulen, Betriebe, Berufsberatung und weitere Akteure am Ausbildungsmarkt eine Orientierung über Mindeststandards bieten (ebd. 10f.).  
Ebenfalls findet die Übergangskategorie Ausbildungsfähigkeit im Rahmen des Übergangs vom Bildungs- ins Ausbildungssystem eine lebhafte Verwendung (SCHLEMMER 2008, 13 ff.). Unter dem Begriff wird die grundsätzliche Befähigung verstanden, den vielfältigen Erfordernissen einer Berufsausbildung entsprechen zu können. Jugendlichen, denen dieses Prädikat („ausbildungsfähig zu sein“) zugestanden wird, müssen über eine Fülle übergangsrelevanter Eigenschaften (Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen, Können, Kenntnisse) verfügen, die aus der jeweiligen Perspektive (ca. 350 anerkannte Ausbildungsberufe) unterschiedlich definiert werden können.
Ausbildungsfähigkeit kennzeichnet sich damit als allgemeines – weder vom Inhalt, Umfang, Branchenbezug noch von seinen Anwendungsregeln her – eindeutig zu definierendes Anforderungsbündel, dem eine prognostische Wirksamkeit unterstellt wird und dessen funktionale Wirkung Lebensbiographien beeinflusst. Dabei überragt der gemeinte Begriffsgegenstand den einer „Fähigkeit“ erheblich. Fähigkeiten umschreiben ein „fähig und in der Lage sein“ und beziehen sich auf die psychischen und physischen Voraussetzungen für leistungsbezogenes Verhalten. Auch wird der Fähigkeitsbegriff oft synonym zu den ähnlichen nicht klar zu unterscheidenden Begriffen (Begabung, Eignung, Talent, Vermögen) verwandt.[2] Das den Fähigkeitsbegriff überragende eigentliche Verständnis von Ausbildungsfähigkeit bezieht Planung, Vollzug und Reflexion übergangsbezogenen Verhaltens ein. Es integriert Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, bezieht Werthaltungen ein und ist damit als ein Kompetenzbündel zu verstehen. Damit erweist sich auch die Übergangskategorie Ausbildungsfähigkeit als nicht ausreichend. Vielmehr bergen die begrifflichen Defizite die Gefahr, dass die Bezeichnung eher im negativen Sinne („nicht ausbildungsfähig zu sein“) ihre Verwendung findet. So haben derzeit Aussagen Konjunktur, vorhandene Ausbildungsplätze wegen registrierter Mängel in der Ausbildungsfähigkeit der Bewerber nicht besetzen zu können.[3]

4 Kompetenztheoretische Einbettung 

Da es sich bei dem was Übergangswillige im Rahmen der Übergangsbewältigung beherrschen müssen um ein Kompetenzbündel handelt und der Begriff Berufswahlkompetenz aus den erläuterten Gründen als ungeeignet erscheint, wird das übergangsrelevante Wissen und Können im Weiteren als Arbeits- und Berufsfindungskompetenz bezeichnet. Übergänge, speziell arbeits- und berufsbezogene, bilden große Herausforderungen im Leben von Menschen (SCHOBER 1997, 104), die es positiv zu bewältigen gilt. Die Bezeichnung Arbeits- und Berufsfindungskompetenz überträgt ein allgemeines Kompetenzverständnis als Befähigung zur positiven Bewältigung komplexer Situationen auf die Domäne arbeits- und berufsbezogene Übergänge und integriert dieses in das seit der Klieme-Expertise (BMBF 2003) umfangreich diskutierte Instrumentarium[4] (JUNG 2000, 93ff.; 2008a, 137ff.; 2010, 81ff.9).

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Abb. 3: Allgemeines Kompetenzverständnis (Definition, Dimensionen, Aspekte) JUNG 2010: 26

Der übergangsbezogene Kompetenzerwerb erfordert angemessene Auseinandersetzungen, einerseits mit den eigenen Neigungen und Interessen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Wertorientierungen und Lebensentwürfen, andererseits mit den Anforderungen und Inhalten von Ausbildungsberufen, den Chancen und Risiken von Arbeitstätigkeiten, Berufen und Arbeitsmärkten (FAMULLA 2008, 23ff.). Dabei besitzt das im Rahmen des Übergangs vom Bildung- ins Ausbildungssystem („Erste Schwelle“) erworbene Wissen und Können eine exemplarische Bedeutung in Hinsicht auf die Bewältigung späterer arbeits- und berufsbezogener Übergänge (JUNG 2000, 94f.). Im Gegensatz zu den früheren berufspädagogischen Differenzierungen und Dimensionierungen wird Kompetenz als ganzheitliches Konstrukt verstanden: Je nach Art und Umfang der Herausforderung werden unterschiedliche Teilmengen der mental-affektiven, inhaltlich-fachlichen, methodisch-strategischen und sozial-kommunikativen Dimensionen zielgerichtet aktiviert, eingesetzt und reflektiert (JUNG 2006, 53). Arbeits- und Berufsfindungskompetenz definiert sich damit als Befähigung, in Abhängigkeit von den individuellen Lebensbedingungen kognitives, affektives, soziales und verhaltensbezogenes Wissen und Können so zu organisieren und einzusetzen, dass Ziele, Interessen, Wünsche in Arbeits- und Berufsfindungsprozessen zu verwirklichen sind (JUNG 2008a, 137f.). Von den Weinertschen Kompetenzanforderungen (BMBF 2003, 74f.) und dem konzeptionellen Zusammenwirken von Kompetenzfacetten (Fähigkeit, Wissen, Verstehen, Können, Handeln, Erfahrung und Motivation) zur Kompetenzentwicklung (dazu JUNG 2007c, 127f.; 2008a, 139f.; 2010:,27) hat der Autor ein vierfach gestuftes Kompetenzmodell entworfen, begründet und auf die Domäne arbeits- und berufsbezogener Übergänge übertragen (2008a, 142 ff.; 2010, 83.). Für die vier Kompetenzstufen wurden entsprechende Bildungsstandards für das Abschlussniveau Sekundarstufe I (erste Schwelle) ausdifferenziert (JUNG 2008a, 144 ff.). In der Spalte kognitiv handelnder Bereich des nachstehenden Schaubildes werden wesentliche Teilmengen dokumentiert. Die affektiv-volitionalen Aspekte werden Kompetenzstufen übergreifend zugeordnet. Sie bilden die Grundlage für den gesamten Kompetenzentwicklungsprozess: Denn bei fehlender Volition und Motivation kann weder angeeignet, verstanden, entschieden, gehandelt und schon gar nicht ein Ausbildungsplatz erworben werden (JUNG 2008a, 143).

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Abb. 4: Arbeits- und Berufsfindungskompetenz (nach JUNG 2008a, 143; JUNG/ OESTERLE 2010, 191, geändert)

Aus der kompetenztheoretischen Perspektive gilt es Bereitschaften und Engagements zu entwickeln, um die Übergangsherausforderung wahr- und anzunehmen. Es sind Kenntnisse über die Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt zu erwerben und mit den eigenen Neigungen, Stärken und Motiven abzustimmen. Dabei sind erste Entscheidungen zu treffen (z.B. Ausbildungsberuf – weiterführende Schule). Darüber hinaus gilt es, sich spezielles Übergangswissen und Können anzueignen, z.B. über das Bewerbungsverfahren (Anschreiben, Auswahltest, Vorstellungsgespräch usw.). Erzielte Teil- und Zwischenergebnisse sind aus der Perspektive der angestrebten Ziele zu bewerten, evtl. zu verwerfen oder weiterzuentwickeln, wodurch die eigene Urteils-, Kommunikations- und Handlungsfähigkeit verbessert wird. Eingeschlagene Wege, Entscheidungen und Ziele gilt es zu überprüfen, zu überdenken und ggf. zu korrigieren. Dabei gilt es auch Frustrationen zu bewältigen, Selbstbewusstsein und Gelassenheit aufzubauen (dazu: JUNG 2009, 39).

5 Vermittlung in der beruflichen Bildung

Wenn Übergänge – speziell arbeits- und berufsbezogene – große Herausforderung im Leben von Menschen darstellen und die Forderung Akzeptanz findet, dass auf jeder Stufe des Bildungssystems Übergangsbewältigungen einzubeziehen sind, dann stellt sich die Frage, wo diese Inhalte in beruflichen Bildungsgängen curricular zu verorten sind. Auf den Hochschultagen 2006 hatte der Autor eine Konzeption für die politisch-ökonomische Bildung entworfen, die Lernfelder und Bildungsstandards als Strukturmerkmale vorsah (JUNG 2007a, 101-125; 2007b, 179-196). Dieser Ansatz wurde auf den Hochschultagen 2008 in Nürnberg und auf der Fachtagung der Bundeszentrale für politische Bildung (München 2009) unter der Thematik a) politisch-ökonomische Bildung als Lernfelder und b) politisch-ökonomische Bildung in  Lernfeldern umfangreich diskutiert. Vor dem Hintergrund, dass jeder Berufsschüler und beruflicher Vollzeitschüler bereits über einen langen Zeitraum politischen und ökonomischen Unterricht genossen hat, war es meine Absicht, eine arbeits- und berufsbezogene politische Bildung zeitgemäß in Lernfeldern zu begründen. Dadurch sollte die politisch-ökonomische Bildung im beruflichen Schulwesen in die Lage versetzt werden, als „Hort der Welterklärung“ in einer immer komplexer und unüberschaubar werdenden Welt von den Lernenden ernst genommen zu werden. Das ehemalige „nebensächliche Laberfach“ sollte so zur spannendsten Berufsschulveranstaltung überhaupt mutieren.
Die Beantwortung der Frage, ob Lernfelder für die politische Bildung in der Berufsschule sinnvoll wären, wurde durch eine Übertragung der Begründung berufsbezogener Lernfelder auf die politisch-ökonomische Bildung eingeleitet.


Berufliche Bildung


Politisch-ökonomische Bildung

Schulische Lernfelder markieren die für einen Beruf typischen Handlungs- und Gestaltungsfelder. Sie bündeln bedeutsame curriculare Teilmengen, anhand derer sich eine für die Erkenntnisgewinnung und den Kompetenzerwerb spezifische Bündelung von Zielen und Inhalten vornehmen lässt. Die typischen beruflichen Handlungseinheiten (Lernfelder) umfassen authentische Problemlagen, die über berufliche Aufgabenstellungen und Handlungsabläufe einer Lösung zugeführt werden.

Lernfelder der politisch-ökonomischen Bildung markieren typische Urteils- und Handlungsfelder. Sie bündeln bedeutsame curriculare Teilmengen, anhand derer sich eine für die Erkenntnisgewinnung und den Kompetenzerwerb spezifische Bündelung von Zielen und Inhalten vornehmen lässt. Typische Urteils- und Gestaltungsfelder  umfassen authentische Problemlagen, die über konkrete Aufgabenstellungen und strukturierende Handlungsabläufe einer Lösung zugeführt werden.

Abb. 5: Intentionale Begründung der Lernfeldstruktur (JUNG 2007a, 113)

Die große Vielfalt möglicher Lebens- und Arbeitssituationen wurde anhand der speziellen Rollen gebündelt, die Jugendlichen zugewiesen werden oder die sie sich durch spezielle Aneignungsaktivitäten erwerben oder bereits erworben haben. Diese bündeln die vielfältigen Herausforderungen, denen sie als Zivil-, Staats- und Wirtschaftsbürger ausgesetzt sind.

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Abb. 6: Lernfelder der ökonomisch-politischen Bildung (JUNG 2007a, 114, 116 geändert)

Diese Lernfelder sollten in einer nicht festgelegten Reihenfolge als Pflichtinhalte vermittelt werden. Deutlich wird, dass in den Lernfeldern 1 (Rolle: Arbeitsloser), 3 (Rolle: Transferzahler/-empfänger) und 5 (Rollen: Abstiegsvermeider, Arbeitsplatzwechsler/-suchender) eindeutige Bezüge zum Bildungsgegenstand Übergangsbewältigung existieren.


        Lernfeld übergreifende Standards

  • Bereitschaft entwickeln, sich mit politisch-ökonomischen Fragestellungen zu beschäftigen, dabei Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse erwerben und anwenden.
  • Gegenstandsbereiche der politisch-ökonomischen Bildung (Politikfelder, Handlungsbereiche) selbständig und in Gruppen planen, durchführen und reflektieren.
  • Ziele definieren, Informationen eigenständig erschließen, sachgerecht aufbereiten, Vorgehensweisen (strategisch) planen und durchführen.
  • Unterschiedliche Präsentations- und Visualisierungstechniken nutzen, um die eigene Handlungsfähigkeit weiterzuentwickeln.
  • Kommunikative Formen der Problemlösung entwickeln, Kritik sachgerecht vortragen und empfangen; Fähigkeiten entwickeln, Kompromisse zu schließen, Selbstbewusstsein und Gelassenheit entwickeln und solidarisch zu handeln.
  • Politisch-ökonomischen Kompetenzerwerb als Chance zur Welterklärung, zur persönlichen Weiterentwicklung (Selbstverwirklichung) und gesellschaftlichen Anerkennung verstehen.

 

Abb. 7: Lernfeld übergreifende Standards (JUNG 2007a: 116f.)

 


       Soziale Sicherheit und Lebensplanung

  • Mit Blick auf eigene Bedürfnisse Konsum-, Spar- und Vorsorgeentscheidungen treffen, deren rechtliche
  • Erwerbs-, Berufs- und Laufsbahnentscheidungen unter Berücksichtigung individueller und gesellschaftlicher Interessen treffen und dabei den Wandel der Arbeitswelt berücksichtigen.
  • Individuelle Interessen und Fähigkeiten mit beruflichen Anforderungen, Handlungsfeldern,
  • Die Arbeitslosigkeit als individuelles und gesellschaftliches Problem beschreiben und ihre Ursachen, Ausprägungen und Folgen beurteilen; Vermeidungs- und Überwindungsstrategien entwerfen und überprüfen.
  • Beruflichen Aufstieg als Lebensziel anstreben, arbeits- und berufsbezogenen Übergänge planen.

 

Abb. 8: Standards Lernfeld 5 (JUNG 2007a: 119, ergänzt)

Angesichts der großen schulform- und lerngruppenbezogenen Heterogenität des berufsbildenden Schulwesens (JUNG 1993, 40ff.)  ergeben sich unterschiedliche Umsetzungsschwerpunkte:
Sonderklassen des Übergangssektors: Bildungsziel Übergangsbewältigung als nachholende allgemein bildende Berufsorientierung (Bewältigung der Ersten Schwelle) mit Hervorhebung berufsfeldspezifischer Erfahrungen. Wir haben uns auf den letzten Hochschultagen recht intensiv mit dem Thema beschäftigt.
Duales System: Bildungsziel Übergangsbewältigung in den Lernfeldern der politisch-ökonomischen Bildung. Da bereits die Erste Schwelle (Übergang in eine Berufsausbildung) erfolgreich überschritten wurde, ist der Blick auf die Herausforderungen der Zweiten Schwelle und weiterer Übergange zu richten. Neben der Übernahme im Ausbildungsbetrieb oder der Weiterbeschäftigung in einem anderen Betrieb, sind berufsfeldinterne oder berufsfeldexterne Übergänge in den Blick zu nehmen. Der Besuch von beruflichen Vollzeitschulen (FOS, Fachschulen) und das Anstreben beruflichen Aufstiegs bildet dabei die positive Option. Die negative - die es zu vermeiden gilt - bildet der Übergang in atypische Beschäftigungsverhältnisse (zeitlich befristete, ohne allgemeinen Kündigungsschutz, Arbeitszeitüberlassung wie Zeitarbeit, Leiharbeit, Personalleasing, Arbeitsausübung außerhalb des Sozialversicherungsschutzes usw.).
Vollzeitklassen: Bildungsziel Übergangsbewältigung im Rahmen des doppelt qualifizierten Abschlusses. Z.B. können Absolventen der Berufsfachschule eine duale Berufsausbildung (Erste Schwelle) oder einen weiterführenden schulischen Bildungsgang anstreben. Für Fachoberschüler und berufliche Gymnasiasten steht das breite Spektrum der Tertiärbildung offen, falls nicht doch eine duale Ausbildung angestrebt wird. Für Fachschulabsolventen z. B. FS-Technik oder FS-Betriebswirtschaft, sollte in Anlehnung an die Hochschulen ein Career Service eingerichtet werden, der eine Anschlussfähigkeit zwischen dem Bildungs- und Beschäftigungssystem über spezielle Lehrveranstaltungen und enge Kontakte mit der Wirtschaft herstellt.
Damit wurde das Bildungsziel Übergangsbewältigung begrifflich, kompetenztheoretisch und curricular für die berufliche Bildung erschlossen. Deutlich wurde auch, dass keine neuen und zum Teil unklaren Übergangskategorien erforderlich sind. Vielmehr gilt es Kompetenzen – in Sinne der Befähigung zur positiven Bewältigung von arbeits- und berufsbezogenen Übergängen – zu vermitteln. Dabei vermag die arbeits- und berufsbezogene politisch-ökonomische Bildung einen wichtigen Beitrag leisten.

Literatur

BEINKE, L. (1999): Berufswahl. Der Weg zur Berufstätigkeit. Bad Honnef.

BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (BMBF) (2008): Berufsbildungsbericht 2008, Bonn/ Berlin.

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[1]  Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass hoch spezialisierte Messpsychologen Entsprechendes zu leisten vermögen, was wohl auch in der beruflichen Rehabilitation eine große Bedeutung besitzt. Jedoch erscheint mir ein auf ganze Jahrgänge bezogener Aufwand als nicht leistbar, selbst wenn damit die Zahl der Ausbildungsabbrüche einzudämmen wäre (eda .).

[2]  Im hier verwandten Sinne bleibt unklar, in welchem Verhältnis der Leitbegriff (Ausbildungsfähigkeit) zu den anderen ihn konstituierenden differentiellen Fähigkeiten (wie z.B. Lese-, Schreib-, Artikulations-, Rechen-, Orientierungs-, Urteils-, Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit) steht.

[3]  Da die Ausbildungsfähigkeit die Funktion einer „Eintrittskarte in die Berufsausbildung“ (Zugangsberechtigung) besitzt und damit Lebensbiographien entscheidend beeinflusst, muss sie, trotz der implizierten begrifflichen Unklarheiten, als eine bedeutsame Übergangskategorie anerkannt werden. Jedoch bleiben ihre Inhalte unklar, zumal im Rahmen der Übergangsbewältigung („erste Schwelle“) ein zertifizierter allgemein bildender Schulabschluss keine Übergangsgarantien bietet.

[4]  Entsprechende Konzeptionen wurden vom Autor in unterschiedlichen Veröffentlichungen (JUNG 2000, 2007c, 2008a, 2010) domänbezogen begründet, wobei die jüngeren, die Definitionen und Verfahrensweisen der Klieme-Expertise (KLIEME u.a. 2003) einbeziehen.


Zitieren dieses Beitrages

JUNG, E. (2011): Bildungsziel Übergangsbewältigung: Begriff, kompetenztheoretische Einbettung, Vermittlung in der beruflichen Bildung. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Fachtagung 15, hrsg. v. JUNG, E./ KENNER, M./ LAMBERTZ, H.-G., 1-16. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ft15/jung_ft15-ht2011.pdf (26-09-2011).



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