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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS28 - Hochschulzugang
Herausgeber: Antje Barabasch & Ernst A. Hartmann


Titel:
Durchlässigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung


Die Gestaltung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und hochschulischer Bildung: Übergangsansätze aus vier Ländern

Beitrag von Antje BARABASCH & Ludger DEITMER (CEDEFOP & Universität Bremen)

Abstract

Der Beitrag widmet sich verschiedenen Ansätzen zur Gestaltung und Verbesserung des Übergangs zwischen Berufs- und Hochschulbildung in den vier Ländern: USA, England, Finnland und der Schweiz. Der Vergleich zeigt, dass die Vielfalt an Übergangsmöglichkeiten tief in nationalen Bildungskulturen verwurzelt ist und die Institutionalisierung erhöhter Durchlässigkeit (Permeabilität), aber auch deren tatsächliche Nutzung, sehr unterschiedlich vorankommt. In allen vier Ländern wurden neue Übergangswege zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung geschaffen. Aufgrund zunehmender Heterogenität der Lernenden ist auch eine verstärkte Individualisierung der Übergänge erkennbar. Dabei kommt der Validierung informell erworbener Fähigkeiten und Kompetenzen eine größere Bedeutung zu.

1 Einführung

Bei der internationalen Betrachtung von Übergangsmodellen und institutionellen Strukturen fällt auf, dass um diese aus deutscher Perspektive verstehen und interpretieren zu können, jedes System für sich zunächst dekontextualisiert – also die Struktur aus dem Gesamtzusammenhang herausgelöst werden muss – um es dann erneut zu kontextualisieren – also in den deutschen Verständnishorizont zu übersetzen. POWELL und SOLGA (2008) verweisen unter anderem darauf, dass sich die Vorstellungen über die Rolle von Berufsbildung und Hochschulbildung im Ländervergleich unterscheiden, aber auch überschneiden und ineinander greifen und auf die Widersprüche, die sich daraus ergeben können. Bei ihrer Untersuchung der institutionellen Ordnungen stießen sie auf MEYER und ROWAN (1992), welche sich kritisch mit Funktion und Einfluss der Institutionen bei der Durchsetzung von Policies beschäftigt haben. POWELL und SOLGA (2008) „Powerful myths built into society as ways of interpreting the world influence both the original formal structure of organizations and their ability to survive and retain their legitimacy“ (16). Damit wird die leitgebende Rolle von Ideen oder einer bestimmten Policy Rhetorik unterstrichen, die, auch wenn ein Umdenken bereits notwendig erscheint, lange im Politikgeschäft bestehen bleiben können, um die Legitimität bestimmter Institutionen zu sichern. Diese Dynamik muss auch bei der Betrachtung des Diskurses und der daraus resultierenden Entwicklungen bezüglich einer Erleichterung des Hochschulzuganges für Absolventen von Berufsausbildungen bzw. stark berufspraktisch orientierten Ausbildungsprogrammen berücksichtigt werden. Das Wissen um die (tatsächlichen) Hintergründe und die Sinnhaftigkeit einer solchen Diskussion erscheint genauso erforderlich wie das Verstehen der Strukturen, die aufgrund dessen geschaffen wurden. Nicht zuletzt erfordern die neuen Entwicklungen, die sich aus politischen Reformen bzw. Policies ergeben immer eine wissenschaftlich fundierte Evaluation der Ergebnisse und Auswirkungen.

International haben sich verschiedene Ansätze und Modelle des Übergangs etabliert. Dabei gibt es einige Staaten, in welchen auch informelles Lernen systematisch in Bildungsabschlüsse einbezogen wird (z.B. in der Schweiz, Finnland, Frankreich, Norwegen oder England) (DEHNBOSTEL 2009). Im Rahmen der „Übergangs-Diskussion“ werden vor allem Fragen des Transfers von Kreditpunkten oder abgeschlossenen Einheiten eines Bildungs- und Ausbildungsprogrammes an die Hochschule erörtert. In den USA steht das Thema des erfolgreichen Transfers zwischen Arten beruflicher Bildung oder Vorbildung und  Hochschule seit mehr als 30 Jahren auf der Agenda. 1991 hatte die American Association of Community Colleges als das „Year of Transfer“ deklariert (ROKSA 2009).

Der Übergang zwischen Bildungseinrichtungen wird in der Wissenschaft mit Permeabilität umschrieben. Der Begriff Artikulation bezieht sich auf die Abstimmung zwischen Berufsbildungsträgern und Hochschulen. Besteht eine funktionierende Abstimmung zwischen den Bildungsstufen und Bildungsträgern, dann gilt ein System als permeabel. Ein artikuliertes Programm beinhaltet eine kohärente Aufeinanderfolge von Kursen, beginnend bei der Vermittlung von Basisqualifikationen in Junior und Senior High School und dem Abschluss mit einer fortgeschrittenen zielgerichteten Ausbildung in einer tertiären Einrichtung. Letztere ist häufig eine Einrichtung, die vor allem, aber nicht ausschließlich, berufsbildende Abschlüsse anbietet, wie z.B. die Community Colleges in den USA. Artikuliert ist ein Programm dann, wenn sowohl die beruflichen Fächer als auch die allgemeinbildenden Fächer aufeinander abgestimmt sind. Die folgende Abbildung verdeutlicht das australische Verständnis von „articulation“ und zeigt exemplarisch wie zwischen High School Programmen und darauf aufbauenden College Programmen Abstimmungen möglich sind. Motor des Interesses an solchen Anrechnungsverfahren ist der erwartete Sozialstatusgewinn, der sich aus einer zusätzlichen Ausbildung (Hochschule oder Berufsbildende Einrichtung) ergibt. Aufgrund recht hoher Schulabbrecherquoten an den High Schools besteht die Intention die Attraktivität der Berufsausbildung zu erhöhen und gleichzeitig auch das Niveau der Teilnehmer in den allgemein bildenden Fächern zu steigern, um die jungen Erwachsenen kurz- oder langfristig zum weiteren Lernen und dem Streben nach einem tertiären Abschluss zu motivieren. Auch das im Vergleich zur Berufsausbildung erwartete höhere Gehalt spielt in vielen Ländern bei den Studierenden oder Auszubildenden eine große Rolle.


Initiates file download

Abb. 1:   Elemente der Artikulation in Australien
Quelle: http://www.ferris.edu/admissions/articulation/ArticModel.pdf  (8.8.2011)

Der internationale Trend zu mehr Hochschulqualifikationen, welcher nur in Australien gegenläufige („Reverse Articulation“) Entwicklungen aufweist (GOLDING/ VALLENCE 2000), führt dazu, dass zunehmend auch Zielgruppen in den Blick geraten, die bisher traditionell einfache Berufsausbildungen (in den USA beispielsweise innerhalb der High School oder paralleler Einrichtungen wie Career Academies oder Career- and Technology Center) absolviert hatten oder ausschließlich durch „Learning on the Job“ Fähigkeiten und Fertigkeiten erwarben, die für die Ausübung des jeweiligen „Jobs“ erforderlich waren. GOLDING (1999) spricht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit 2-Wege Übergangsmodelle zu erstellen, die die verschiedenen berufsqualifizierenden Laufbahnen in Australien realistischer widerspiegeln. Die Biographien junger Erwachsener in Australien und den USA sind häufig durch diskontinuierliche Erwerbsverläufe und damit einhergehende diskontinuierliche Bildungslaufbahnen gekennzeichnet, da ein zunächst eingeschlagener Weg nicht zum entsprechenden Erfolg auf dem Arbeitsmarkt führte oder sich Interessen verschoben haben. Hindernisse bei der Gestaltung von Bildungslaufbahnen liegen zum einen in der Notwendigkeit der privaten Finanzierung von Bildung, der fehlenden Anerkennung von Vorleistungen und administrativen Besonderheiten (HARRIS/ RAINEY 2006, MORTIMER 2003).

Ein weiteres Argument zur Befürwortung von Übergangserleichterung durch Anerkennung von Vorleistungen ist, dass Individuen dazu befähigt werden sollen flexibel zwischen verschiedenen Qualifikationswegen zu wechseln, um möglichst schnell sich verändernden Anforderungen am Arbeitsplatz und Arbeitsmarkt gerecht werden zu können. Die Anerkennung von zuvor erworbenen Kreditpunkten führt zur Reduzierung des zeitlichen und finanziellen Aufwandes für die Weiterqualifizierung. Herausgestrichen werden auch die  sozialen Aspekte dieser Flexibilisierung. Hierbei spielen die gesellschaftlichen Aufstiegschancen eine entscheidende Rolle (FOLEY 2007, JAMES 2007, RAFFE 1998). Aufgrund dieser rhetorischen Neubetrachtung der einstmalig deutlicheren Trennung von verschiedenen Bildungswegen (FROMMBERGER 2009) wurden neue Policies und daraus folgend Instrumente und Methoden zur Erleichterung von Übergängen zwischen Bildungsinstitutionen und Bildungsgängen entwickelt und eingesetzt.

In den USA haben mehrere Autoren zu dem weit verbreiteten Irrglauben, dass ein Hochschulstudium zu sozialem Aufstieg führt, Stellung bezogen und aufgezeigt, dass die Verschuldung im Studium zu einem über die Lebensspanne durchschnittlich niedrigeren Gehalt führen kann, diejenigen, welche nach der High School direkt in eine Berufsausbildung für bestimmte technische Berufe münden zeitlebens durchschnittlich mehr verdienen können und ein häufiger beruflicher Wechsel, der unter Umständen weitere Ausbildungen erfordert, ebenfalls nicht zu den erhofften finanziellen Zuwächsen führt (SENNET  1998). WHEELAHAN (2009) verweist weiterhin darauf, dass die zunehmende Vergabe von erweiterten Berufsabschlüssen langfristig auch deren Wertigkeitsverlust nach sich ziehen kann. Deshalb erscheint eine größere Transparenz der Übergangsmöglichkeiten und insgesamt eine Erleichterung des Übergangs von der Berufsbildung in die Hochschulen als ein Ausweg aus dieser Situation.  

Im Folgenden werden ausgewählte Berufsbildungssysteme und die in ihnen möglichen Übergänge zwischen Berufs- und Hochschulausbildung vorgestellt.  Die vier Länder wurden gewählt, weil sie einander in ihren Ansätzen kontrastieren und unterschiedliche Modelle der Erwerbsqualifikation repräsentieren: kooperatives Ausbildungssystem/duales Berufsbildungssystem (Schweiz), staatlich öffentliches bzw. stark schulisch orientiertes System (Finnland) und marktorientiertes Qualifizierungssytem mit pragmatischem Ansatz (USA bzw. UK) (GREINERT 2011).

2 Ausgewählte Beispiele für Übergangsmodelle

2.1 USA

Der Übergang zwischen verschiedenen Ausbildungseinrichtungen ist in den USA durch sogenannte ‚Articulation Agreements‘ (Abbildung 1) geregelt. Diese werden zwischen bestimmten Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen, meist innerhalb eines Bundesstaates getroffen und ermöglichen die Anerkennung von Vorleistungen auf das Studium an einem Community College oder später einer 4-Jahres Institution (Forschungsuniversität) (HUGHES/KA RP 2006). Mittlerweile sind die bundesstaatlichen Regierungen, Stiftungen und die einzelnen Bildungsinstitutionen sehr stark in die Entwicklung entsprechender Umsetzungsrichtlinien involviert.

Berufsbildungsprogramme orientieren sich in ihrer Organisation an dem 1999 vom U.S. Department of Education entwickelten System der Career Cluster. Hierbei werden Berufsrichtungen unter einer Abteilung gebündelt. Das System ordnet die meisten Berufe nach gemeinsamen Kenntnissen und Fertigkeiten. Es bestehen folgende Career Clust

  • Landwirtschaft, Nahrungsmittel und natürliche Ressourcen
  • Architektur & Bauwesen
  • Kunst, Audio/Video Technologie & Kommunikation
  • Wirtschaft, Management & Administration
  • Bildung und Erziehung
  • Finanzen
  • Regierung und öffentliche Verwaltung
  • Medizinische Berufe
  • Hotellerie und Tourismus
  • Sozialwesen
  • Informationstechnologie
  • Gesetzgebung und öffentliche Sicherheit
  • Verarbeitende Industrie
  • Marketing, Verkauf und & Service
  • Wissenschaft, Technologie, Konstruktion & Mathematik
  • Transport, Distribution & Logistik


Ein erster berufsqualifizierender Abschluss kann in den USA bereits während der High School oder einer parallel angesiedelten Einrichtung erworben werden, während man gleichzeitig – zumindest theoretisch – die allgemeinbildenden Fächer auf hohem Niveau absolvieren könnte, um die Voraussetzungen für ein Hochschulstudium zu erfüllen. Inhaltlich soll das dort gebotene Programm die jungen Erwachsenen dazu motivieren ihren High School Abschluss am Ende der 12. Klasse zu erwerben, auch wenn letztendlich nur ein kleiner Teil derer, die berufsbildende Kurse besucht, auch hier bereits einen ersten Abschluss erzielt (HULL 2005). Realistisch ist jedoch, dass junge Erwachsene in den letzten Jahren der High School Kreditpunkte erwerben, die zunächst den Übergang in das Community College und eine Anerkennung auf einschlägig weiterführende „Studiengänge“ ermöglichen. Der Transfer vom Community College an eine 4-Jahres Institution wäre anschließend bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen ebenfalls möglich. Nicht selten liegen bei Erwachsenen, die eine solche Berufs- und Bildungsbiographie aufweisen viele Jahre zwischen dem Erwerb weiterer Ausbildungsabschlüsse; Ausbildungen wurden zwischenzeitlich abgebrochen oder unterbrochen und finden parallel zu Arbeit und Familie statt. KLEIN/ GREEN (2011) weisen weiterhin daraufhin, dass die Schüler, welche mindestens 4.0 Kreditpunkte in berufsvorbereitenden Kursen erwerben, tendenziell größere Schwierigkeiten hatten die Voraussetzungen für die Leistungen in den allgemeinbildenden Fächern zu erfüllen und deutlich seltener 4-Jahres Institutionen besuchten oder gar mit einem Abschluss verließen.

Zu den Einrichtungen, die bereits intensiver auf das Berufsleben vorbereiten und häufig ‚Articulation Agreements’ mit weiterführenden Einrichtungen haben, zählen die Career Academies und Career Technology Center. Career Academies sind in der Regel Berufsschulen innerhalb einer High School, können aber auch eigenständige High Schools sein, in welchen alle Schüler eine Berufsausbildung absolvieren. Manche Schulen bieten nur in einigen der Cluster aus oder fassen mehrere Cluster zusammen, um ihre Ressourcen effektiver zu nutzen. Die Schüler absolvieren außerdem die erforderlichen akademischen Kurse und sollen hier eigentlich nach den gleichen Standards gemessen werden wie Schüler an den High Schools in sogenannten College Prep Klassen (auf das College vorbereitende akademische Kurse). Im Anschluss an die Career Academy sind manche Schüler bereits für Assistenzberufe qualifiziert, die wie z.B. im Automobilsektor eine erste Stufe der beruflichen Qualifizierung darstellen, aber nur die Ausübung einfacher Tätigkeiten erlauben. Wird die Berufsausbildung im Anschluss an die High School noch für 2 bis 4 Jahre fortgesetzt, locken Einstiegsgehälter, die deutlich über denen von Bachelor Absolventen liegen können.

Career Technology Center sind eigenständige Schulen, welche in den Klassen 11 und 12 sowohl eine allgemeinbildende als auch eine berufliche Ausbildung offerieren. Die Schüler müssen sich hier sofort für ein Ausbildungsprogramm entscheiden. Sie werden von ihren Heimatschulen entsandt, sind aber in diesen formal noch eingeschrieben und bekommen von dort ihr Abschlusszeugnis. In den meisten Fällen belegen die Schüler alle Kurse im Career Center des Berufsschulbezirkes. Auch ist im Rahmen von ‚Tech Prep’ Programmen oder ‚Articulation Agreements’ eine Anerkennung von Vorleistungen auf Programme an Community Colleges möglich.

Neben ‚Articulation Agreements’ gibt es auch national gültige sogenannte Tech Prep Programme, in welchen die Schüler in den letzten beiden Jahren der High School bereits eine Berufsausbildung beginnen und diese dann an allen am Tech Prep Programm teilnehmenden Colleges überall im Land fortsetzen können. Auch hier findet eine Anrechnung der in der ersten Berufsausbildung erworbenen Kreditpunkte auf einschlägig weiterführende Ausbildungs-/Studienprogramme statt. Tech Prep Programme erstrecken sich über 4 bis 6 Jahre und können in verschiedenen Konstellationen absolviert werden (Abbildung 1). Heute offerieren ca. 47 % der High Schools mindestens ein Tech Prep Programm und nahezu alle Community Colleges, Technical Colleges, 4-Jahres Colleges, Arbeitgeber und Gewerkschaften sind in einem Tech Prep Consortium (U.S. DEPARTMENT OF EDUCATION 2007). ZIRKLE (2011) weist jedoch darauf hin, dass die Evaluationsergebnisse dieser Tech Prep Maßnahmen nicht eindeutig deren Erfolg bestätigen, was aber gleichzeitig nicht heißt, dass diese, auch wenn sie nicht nach sechs Jahren mit einer höher wertigen beruflichen Qualifizierung abgeschlossen werden, nicht trotzdem einen Zugewinn für die Teilnehmer darstellen.

Abb. 2:    Übersicht über Kombinationsmöglichkeiten in den Tech Prep Programmen
Quelle: Informationsbroschüre des Great Oaks Institute of Technology, Ohio

Ähnliche, vom Umfang kleinere, Initiativen und Maßnahmen, die das Ziel verfolgen allgemeinbildende und berufsbildende Kurse auf High School Niveau anzubieten, damit eine erste Berufsvorbereitung oder ein erster Berufsausbildungsabschluss und die Grundlage für weiterführende Programme erreicht werden, gibt es im ganzen Land. Die häufigste im Anschluss an die High School besuchte berufsbildende Einrichtung ist das Community College. Die ungefähr 1600 Community Colleges im Land werden von etwa 40 % der High School Abgänger besucht. Die Colleges bieten neben den berufsbildenden Angeboten auch allgemeinbildende Kurse an, um die Teilnehmer auf ein Studium an einer 4-Jahres Institution vorzubereiten (STERN/ FINKELSTEIN/ STONE III, LATTIG/ DORNSIFE 1995).

In den USA wollen mehr als 50 % der Teilnehmer an Programmen der Community Colleges anschließend an eine 4-Jahres Institution wechseln (NATIONAL CENTER FOR EDUCATION STATISTICS [NCES] 2006). SCHMIDTKE (2011) weist darauf hin, dass Studierende, die den Wechsel vom Community College vornehmen, häufig große Schwierigkeiten in der Eingewöhnung haben und die Mehrzahl der Studienanfänger das Studium nach kurzer Zeit abbricht. Die Möglichkeit des Transfers über den Umweg von Tech Prep Programmen und Community Colleges ist besonders für Studierende mit sozio-ökonomischen Benachteiligungen eine Chance ein Hochschulstudium zu absolvieren. Auch zwischen Community Colleges und Hochschulen gibt es Vereinbarungen bzgl. der Anerkennung von Kursen und Kreditpunkten. Um den Transfer zu gewährleisten haben Community Colleges zunehmend Articulation Agreements mit einzelnen Hochschulen initiiert, in welchen ganz genau festgelegt ist, welche Kurse unter welchen Bedingungen übertragen werden können. Problematisch ist, dass sich laut SCHMIDTKE die Hochschulen nicht immer an die Vereinbarungen halten, was letztendlich insbesondere für die Studierenden ethnischer Minderheiten zu Benachteiligung führt.

Zusammenfassend lässt sich für die USA sagen, dass eine Diffusion verschiedener Aus- und Weiterbildungsangebote erkennbar ist, die auf die Notwendigkeit einer größeren Differenzierung und Individualisierung zurückgeführt werden kann. Formal ist ein fließender Übergang zwischen Berufs- und Hochschulbildung möglich. Community Colleges bieten akademische Kurse an, in welchen die Vorbereitung auf standardisierte Tests, deren Absolvierung Voraussetzung für ein Hochschulstudium ist, erfolgt. Eine institutionalisierte Berufsausbildung mit großer Transparenz, wie im europäischen Raum, ist wenig entwickelt. Deshalb erscheint ein unmittelbarer Vergleich mit deutschen oder finnischen Ansätzen der Berufsbildung nicht möglich, denn grundsätzlich bestehen hier keine parallelen Systeme und die Berufsbildung ist mehr oder weniger in das Hochschulausbildungsystem integriert.

2.2  England

Ähnlich wie andere Englischsprachige Länder verfügt England über ein breit differenziertes Aus- und Weiterbildungsangebot, dessen Grenzen fließend und dessen Transparenz bezüglich der Wertigkeit, der programmatischen Inhalte und der Qualität der Lehre nicht immer gewährleistet ist. In den vergangenen 3 Jahren wurde ein neuer Qualifikationstypus eingeführt – ‚Diplomas’, welche an 14-19 Jährige vergeben werden. Diese Abschlüsse sollen eine Alternative zu sowohl den etablierten zum Hochschulzugang berechtigenden Abschlüssen GCSE[1] und A-Levels[2] als auch den berufsqualifizierenden Abschlüssen, z.B. den ‚BTEC Diplomas[3]’ bieten. Ein besonderes Merkmal hinsichtlich der Entwicklung der 14-19 Diplomas ist die Beteiligung der Arbeitgeber an der Entwicklung dieses Bildungs- und Ausbildungsangebotes.

ERTL und HAYWARD (2010) haben den Entwicklungsprozess dieser Abschlüsse begleitet und sich kritisch mit deren Governance Strukturen und Wirksamkeit auseinandergesetzt. Ziel der Einführung dieses neuen Abschlusses ist es, zum einen junge Erwachsene länger und besser auszubilden und zum anderen deren Wahlmöglichkeiten bezüglich weiterführender Studiengänge zu erhöhen und damit zu mehr Chancengerechtigkeit beizutragen. Die Teilnehmer verbleiben üblicherweise in ihrer Schule, können jedoch parallel dazu Kurse in anderen Einrichtungen besuchen. Dazu zählen sowohl High Schools, lokale Colleges als auch Arbeitgeber. Auf diese Weise können die Teilnehmer akademische Kurse absolvieren (z.B. in Mathematik, Naturwissenschaften oder Englisch) als auch berufsspezifische Kenntnisse erwerben und sowohl das GCSE als auch das A-level erreichen. Die Diplome werden auf drei Niveaustufen vergeben:

‚Foundation Diploma’ - Level 1 Qualifikation, entspricht 5 GCSEs, Grad D bis G

‚Higher Diploma’ - Level 2 Qualifikation, entspricht 7 GCSEs, Grad A bis C

‚Advanced Diploma’ - Level 3 Qualifikation für die über 16 Jährigen, entspricht 3,5 A Levels

Teilnehmer, die ein ‚Foundation’ oder ‚Higher Diploma’ erwerben, haben die Möglichkeit entweder weitere Bildungsniveaus zu erreichen oder in den Arbeitsmarkt einzutreten und sich dort weiterzubilden. Wer im Bildungssystem verbleibt, kann ein höheres Diplom erwerben oder einen anderen Abschluss, z.B. GCSEs, A Level oder Lehre. Insgesamt sind 14 Spezialisierungen an ausgewählten Schulen möglich: 

  • Wirtschaft und Finanzen
  • Baugewerbe
  • Kreativität und Medien
  • Konstruktion
  • Umweltstudien
  • Haar und Kosmetik
  • Hotellerie und Gastronomie
  • Informatik
  • Verarbeitende Industrie und Produkt Design
  • Öffentliche Versorgung
  • Handel
  • Gesellschaft, Gesundheit und Entwicklung
  • Sport und Freizeit
  • Reisen und Tourismus


Innerhalb dieser Schwerpunkte wird außerdem in drei Fachbereiche unterschieden:

1.) ‚Principal Learning’ bezieht sich auf das berufstheoretische Lernen innerhalb einer Spezialisierung. Die Teilnahme ist verpflichtend.

2.) ‚Generic Learning’ bezieht sich auf die Gruppe der allgemeinbildenden Fächer wie Englisch, Mathematik, Informatik, ‚Personal Learning and Thinking Skills’, Arbeitserfahrung und ein Projekt.

3.) ‚Additional and Specialist Learning’ offeriert Wahlmöglichkeiten und soll zur Weiterentwicklung motivieren. Hier können sich die Teilnehmer nach eigener Wahl und verfügbaren Möglichkeiten spezialisieren.

Der britische Ansatz Programme für diejenigen jungen Erwachsenen anzubieten, welche für die rein akademischen Schulfächer weniger Motivation aufbringen und ihnen stattdessen erste berufliche Fähigkeiten zu vermitteln, scheint Ansätzen aus den USA zu folgen. Inwieweit die Teilnehmer tatsächlich im Anschluss an diese Programme eine Hochschule besuchen, muss erst untersucht werden. Generell verweist das Modell aber auf eine Flexibilisierung des Erwerbs von Schulabschlüssen, die theoretisch auch für ein Hochschulstudium qualifizieren. 

2.3  Finnland

Ein interessanter Fall für die Gestaltung der Durchlässigkeit sowohl zwischen beruflicher und allgemeiner Bildung als auch zwischen der akademischen und beruflichen Bildung stellt das finnische Berufsbildungssystem dar. Auf der Basis gesetzlicher Grundlagen wird derzeit der Versuch unternommen, die Durchlässigkeit durch individuelle Lernpfade für Fort- und Weiterbildungswillige zu verbreitern (Competence Based Qualifications). Damit soll Personen aus der Arbeitswelt die Möglichkeit eröffnet werden, eine neue berufliche Qualifikation zu erwerben und darauf aufbauend an einer Fachhochschule oder Universität zu studieren oder berufliche Aufstiegschancen (um so etwas wie die Meisterqualifizierung zu erlangen) wahrzunehmen (STENSTRÖM 2009, 87). 

Ein wichtiger Grundsatz im finnischen Bildungssystem lautet, dass zwar eigenständige Pfade der Allgemein- bzw. Berufsbildung existieren, es aber für die Jugendlichen möglich sein soll zwischen diesen zu wechseln. Verbrieft ist also ein Recht auf Durchlässigkeit zwischen beruflicher und allgemeiner Sekundarstufe II Bildung. Ebenso soll die Zugänglichkeit zu höherer, akademischer Bildung in Form der Fachhochschulen und Universitäten bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (Abitur oder berufliche Qualifizierung) für alle Bürger des Landes möglich werden (REFERNET 2010, 23).

Der Grundidee des gleichberechtigten Zugangs zu Bildung folgt bereits das allgemeinbildende Schulsystem, in welchem alle Schüler für die ersten neun Jahre nicht getrennt werden, sondern Gesamtschulen alle Schüler gleichermaßen fördern. Im Anschluss daran besuchen die Schüler entweder die gymnasiale oder berufliche Oberstufe. 2007 wählten 33 % die gymnasiale bzw. 66.7 % die berufliche Oberstufe während im Vergleich dazu der EU 27 Durchschnitt bei 48,5 % bzw. 46,3 % liegt (REFERNET 2010, 38).

Ein fundamentaler Unterschied zum schweizerischen oder deutschen Befähigungsnachweis, wie das Berufsmaturat oder das Abitur, liegt darin, dass die Interessenten an höherer Bildung sich grundsätzlich durch (Eingangs-) Prüfungen für den Zugang zur Hochschulausbildung qualifizieren müssen. Obwohl die Abschlusszeugnisse der gymnasialen oder beruflichen Sekundarstufe II als Eingangsvoraussetzung für die Hochschulen anerkannt werden, wird die Feststellung der Studierfähigkeit des Bewerbers im gewünschten Studienfach den Hochschulen überlassen.

Die Entwicklung des finnischen Berufsbildungssystems ist vor dem Hintergrund der späten Industrialisierung des Landes zu betrachten, denn sie hat sich erst nach dem zweiten Weltkrieg vollzogen. Je nach Branchenbedarf und materiellen Möglichkeiten variierten die beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten und damit das Angebot an Weiterbildungen stark. In den 80er Jahren begann die Regierung mit der Vereinheitlichung des Ausbildungssystems, z.B. bzgl. der Dauer und seiner Integration in die Sekundarstufe II. Die berufliche Bildung wurde, zumindestens was den Zugang zur (Fach-) Hochschule betrifft, gleichberechtigt neben der allgemeinen Bildung etabliert. Dieser bildungspolitische Akzent sollte die weitere Industrialisierung im vormals stark agrarisch geprägten Land vorantreiben. Zunächst wurde vornehmlich ein vollzeitschulisches Berufsbildungssystem entwickelt, da es noch an geeigneten betrieblichen Ausbildungsplätzen mangelte. Dies führte zum gegenwärtigen mit 120 Leistungspunkten kreditierten, modularisierten Berufsbildungssystem. Bereits erzielte schulische Leistungspunkte können auf andere Berufsausbildungen angerechnet oder auch als Vorleistung für einen Wechsel in die allgemeine Bildung anerkannt werden, um die horizontale Durchlässigkeit zu verbessern.

Seit 10 Jahren führen alle beruflichen (Erst-)Ausbildungen in drei Jahren zu einer ersten beruflichen Qualifikation und berechtigen grundsätzlich zum Besuch einer Fachhochschule oder der Universität, an denen jedoch noch Aufnahmeprüfungen absolviert werden müssen. Damit soll sichergestellt werden, dass nur solche Studierenden ein Studium beginnen, welche auch die entsprechenden Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abschluss mitbringen (STENSTRÖM 2009, 89).

Die Erstausbildung ist in Finnland in acht Bereiche eingeteilt, beginnend mit den primären Sektoren, vor allem der Land- und Forstwirtschaft über die industrielle Produktion in Technik und Kommunikation; Logistik und Transport, (Betriebs-) Wirtschaft, Handel und Verwaltung bis zu den sozialen Berufen. Die Praxisanteile der Ausbildung werden über drei Jahre hinweg in mehreren Praktika absolviert und können mit bis zu 20 Kreditpunkten für insgesamt 6 Monate abgerechnet werden. Ob dieser geringe Praxisanteil auch dazu führt, dass ein relativ hoher Prozentsatz der Abgänger der beruflichen Bildung nicht den nahtlosen Übergang in ein Beschäftigungsverhältnis schafft, ist noch nicht ausreichend untersucht worden. Die aktuellen Zahlen zeigen eine Arbeitslosigkeit von maximal 13 %, schwanken jedoch in den verschiedenen Sektoren zwischen 5,5 % und 13,1 %. Die Anzahl der Absolventen von Hochschulstudiengängen scheint insgesamt eher gering. Nur 14 % absolvieren beispielsweise ein Fachhochschulstudium (FINNISH NATIONAL BOARD OF EDUCATION 2011). Dies liegt zum einen an den Aufnahmeprüfungen der Hochschulen, zum anderen aber auch daran, dass viele Jugendliche nach der langen Schulzeit erst einmal berufliche Erfahrungen sammeln wollen und zunächst keine höhere Bildung anstreben.

Im Vergleich zur schulisch geprägten Berufsschulausbildung wird in der Lehrlingsausbildung Finnlands ähnlich wie im dualen Ausbildungsmodell der Schweiz und/oder Deutschlands ein Praxisanteil von 80 % betrieblichen Lernens gegenüber 20 % theoretischer Unterweisung in der Schule wahrgenommen. Die Ausbildung wird von Agenturen der kommunalen Bildungsabteilungen koordiniert. Diese wählen Berufsschulen und Lehrer per Ausschreibung gezielt für die theoretischen Unterweisungen aus oder wechseln bei Nichtgelingen die schulische Begleitung. Diese Agenturen können aber auch bei berufsnahen Stiftungen, Vereinen oder Vereinigungen eingegliedert sein. Ein elaboriertes Betreuungssystem in Betrieb und Schule soll dafür sorgen, dass die Auszubildenden je nach Vorwissen und Leistungsvermögen auch individuelle Lernwege verfolgen können (GUIDANCE IN FINLAND 2010). Das heißt konkret, dass eine Ausbildung zwischen 1 und 3 Jahren in der Zeitdauer schwanken kann, je nach Vorwissen und Leistungsvermögen der Auszubildenden. Im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz scheint das finnische Lehrlingswesen flexibler gestaltet werden zu können. Die Steuerung des Systems, einschließlich der Anerkennung des vorher erworbenen Wissens und Könnens, wird in großem Maße von den Berufsschullehrern übernommen. Diese kooperieren eng mit den Betrieben, was sich positiv auf die Gestaltung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und allgemeiner/akademischer Bildung auswirken könnte.

Ein dritter und bemerkenswerter Weg des Erwerbs von beruflichen Qualifikationen und damit des Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigung besteht durch ein seit 2005 etabliertes Validierungssystem, welches es Fach- und Arbeitskräften erlaubt auch ohne formale schulische Vorbildung ihr berufliches Können zu demonstrieren. Hiermit besteht die Chance, auch zu späteren Zeitpunkten der Erwerbsbiographie informell erworbenes, berufliches Wissen durch praktische Kompetenztests anerkennen zu lassen. Dies geschieht durch praktische Demonstration bzw. der Bewältigung einer Aufgabenstellung vor einem Expertengremium. Auf diesem Wege können auch erweiterte bzw. spezialisierte berufliche Qualifikationen erreicht werden, welche ähnlich der Meisterprüfung vor allem neue Karrierechancen in Unternehmen eröffnen. Dieses berufliche Weiterbildungsangebot gibt es in dieser Form im deutschen oder schweizerischen System (noch) nicht, es ist aber als ein Ausdruck von besonderer Durchlässigkeit zu werten. Schließlich wird auch denjenigen Personen, die erst im späteren Alter einen Bildungszugang anstreben und/oder den Nachweis einer beruflichen Qualifizierung erhalten möchten, die Chance geboten, ihr in der Arbeits- und Berufswelt erworbenes Wissen und Können unter Beweis zu stellen. Die auf diesem Wege mögliche Anerkennung von beruflichen Bildungsabschlüssen führt wiederum zur  Zugangsberechtigung zum Hochschulstudium. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer an diesem berufsbegleitenden Qualifizierungspfad liegt mit bis zu fünfzig Jahren sehr viel höher als bei den Absolventen der vollzeitschulischen Berufsbildung (im Schnitt ca. 20 Jahre) (STENSTRÖM 2009, 85-102, FINNISH NATIONAL BOARD OF EDUCATION 2011, 5).

Tabelle 1:     Verteilung der aktuellen Teilnehmer am finnischen Berufsbildungssystem (BB)

Typ des BB Systems

Teilnehmer in 2011 in circa

% Anteil am BB System

Berufsschule (Vollzeit)

135.000

Circa 50 %

Competence Based Training

76.000

Circa 30 %

Lehrlingsausbildung

58.000

Circa 20 %

Gesamtteilnehmer am finnischen BB System

269.000

100 %

 

Eine der Stärken der finnischen Übergangsansätze besteht darin, dass das Land über eine gesetzlich verankerte Durchlässigkeit zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung als auch zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung verfügt. Verstärkt wird diese Einschätzung durch die oben dargestellten Versuche einer Anerkennung der in der betrieblichen Praxis erworbenen Fähigkeiten und Kompetenzen. Mit dem System der Competence Based Qualification können auch Erwachsene, wie z.B. Umschüler, wieder Zugang zu beruflichen Qualifikationen oder auch zur Hochschulausbildung erhalten. Weiterhin werden durch stärkere Flexibilisierung und Individualisierung der beruflichen Ausbildungswege mehr Chancen für das Erreichen einer höheren Qualifikationsstufe, sei es innerhalb des beruflichen Karrierepfades oder auch die Möglichkeit zum Hochschulstudium eröffnet.

2.4  Schweiz

Die Schweiz zeichnet sich durch ein leistungsfähiges und zukunftsorientiertes Berufsbildungssystem aus, da immerhin ca. 65 % eines Alterjahrgangs in eine duale Ausbildung integriert werden (HOECKEL/ FIELD/ GRUBB 2009. Das System basiert auf einer dualen Struktur der Ausbildung und der Übergang in die tertiäre Bildung ist durch das sogenannte Berufsmaturat in innovativer Weise geregelt. Hierbei können Jugendliche, die eine Berufslehre absolvieren und die schulisch leistungsstark sind, entweder parallel zu ihrer beruflichen Ausbildung oder in direktem Anschluss die Hochschulzugangsberechtigung erwerben. Die Berufsmaturität ist die Voraussetzung zum Besuch der Fachhochschulen und - über eine weitere Ergänzungsprüfung (Passerelle) - der kantonalen Universitäten und der Eidgenössisch Technischen Hochschule (ETH). Analog besteht eine Passerelle für Absolvent/innen einer gymnasialen Maturität für das Studium an einer Fachhochschule (NAEGELE/ STALDER 2010).

Eine wichtige Voraussetzung für die Ausgestaltung des Berufsmaturats war die Entscheidung die Schulen der höheren beruflichen Bildung (z.B. Ingenieurschulen) in Fachhochschulen (Universites of Applied Sciences) zu verwandeln. Den jungen Erwachsenen kann so nach Absolvieren einer Berufsausbildung der Zugang zu einer hochschulischen Einrichtung ermöglicht werden.

Die Reaktionen der ausbildenden Betriebe auf diesen besonderen Weg des Hochschulzugangs waren anfänglich eher kritisch. Es wurde befürchtet, dass der zusätzliche Berufsschultag die praktische Ausbildung im Betrieb und die Produktivität beeinträchtigen würde und die Kosten der Ausbildung steigen. Bedenken bestanden weiterhin hinsichtlich der  Rekrutierung von Auszubildenden für den Ausbildungsbetrieb, da Auszubildende verstärkt ein Hochschulstudium aufnehmen würden. Da nur ein Teil der Auszubildenden die Berufsmaturität wählt, konnten diese Sorgen entkräftet werden. Zum anderen erkennen die Betriebe, dass mit einer Hochschulausbildung auch viele der Auszubildenden nach dem Fachhochschulstudium besser ausgebildet sind und innovative Funktionen in den Betrieben übernehmen könnten. Die jährlich steigenden Abschlüsse zum Berufsmaturat zeigen aber auch, dass es eine hohe Attraktivität besitzt. Die Durchlässigkeit des Schweizer Berufsbildungssystems wurde damit erhöht.

Die Ergänzungsprüfung „Passerelle“ ermöglicht es den Auszubildenden weiterhin eine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung zu erwerben. GROB/ LEU/ KIRCHHOFF (2007) haben untersucht inwieweit Auszubildende dieses Angebot erfolgreich wahrnehmen und wie es um die Motivation der Teilnehmer bestellt ist. Der Übergang der Passerelle-Absolventen ins universitäre Studium gelingt aus der Perspektive der Studierenden mehrheitlich zufriedenstellend. Die Erfolgsquote liegt bei 70 %. Im Vergleich zu den Durchschnittswerten der Referenzstudien sind diejenigen welche über die Passerelle zum Studium kommen leistungsmotivierter und besitzen ein stärkeres Durchhaltevermögen. Sie sind beim Wissenserwerb stärker intrinsisch motiviert. Weiterhin sind sie tendenziell mehr in der Lage  ihr Studium selbstbestimmt zu organisieren.

Der Erfolg des Schweizer Übergangssystems lässt sich unter anderem aus dessen Governancestrukturen erklären. RAUNER (2008) kennzeichnet diese als Ausdruck eines koordinierten und pluralen Steuerungssystems, in dem die einzelnen Akteure (Betriebe, Sozialpartner, Kantone und bundesstaatliche Einrichtungen) in effizienter Weise  zusammenwirken. Einen guten Ordnungsrahmen für solch ein, als konzertiert zu bezeichnendes Handeln der beteiligten Institutionen und Personen, liefert das 2004 geschaffene Berufsbildungsgesetz, mit dem es gelungen ist eine zukunftsweisende Berufsbildung zu etablieren (HOECKEL/ FIELD/ GRUBB 2009, NAEGELE/ STALDER 2010).

Entgegen der Kritik (Tertiarisierungsthese), die ähnlich auch in Deutschland besteht, dass das Schweizer Berufsbildungssystem nicht mehr zeitgemäß ist, weil die Wissensgesellschaft vermehrt akademisches und wissenschaftlich erworbenes Wissen erfordere, welches die Berufsbildung nur bedingt hervorbringen würde, zeigt das hier beschriebene Übergangsmodell, dass durch das modernisierte Berufsbildungsgesetz als auch die Berufsmaturität und die Verankerung praktischer Erfahrungen in der fachhochschulischen Bildung eine dynamische Antwort auf diese Annahmen gegeben werden kann.

3 Zusammenfassung

Bei der Darstellung der Ansätze zum Übergang von der Berufsbildung in die Hochschulbildung in den vier ausgewählten Ländern USA, England, Finnland und der Schweiz fällt auf, dass in den anglophilen Ländern verstärkt auf die Entwicklung von Übergangsprogrammen (England 14-19 Diploma, Tech Prep Kurse) gelegt wird, welche die Anerkennung von Vorleistungen auf einschlägige weiterführende Ausbildungs- oder Studienprogramme ermöglichen. Der Erfolg dieser Maßnahmen ist nicht eindeutig nachweisbar und scheint sich eher darin zu manifestieren, dass in Einzelfällen ein vorzeitiges Verlassen der High School verhindert werden kann und den jungen Erwachsenen längerfristig die Möglichkeit zu einem Studium am Community College oder ähnlicher Einrichtungen eröffnet wird. Demgegenüber setzt das Schweizer System, als ein Beispiel für ein sehr leistungsfähiges, duales Ausbildungsmodell, auf Berufsmaturat und Passerelle Prüfungen. Hier zeigen einschlägige Studien, dass diese Übergänge von den leistungsfähigeren Absolventen des Berufsbildungssystems verstärkt wahrgenommen werden. Diese Personen können sich mit ihren beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten im folgenden Fachhochschul- oder Universitätsstudium durchaus behaupten. Dagegen erweitert Finnland die Durchlässigkeit gegenüber Personen die sich schon in der Berufspraxis befinden. Hiermit wird durch ein Anerkennungssystem für non-formal oder informell erworbene Kompetenzen der Zugang zum formellen Bildungssystem erweitert und die Chance eröffnet an einer Hochschule zu studieren.

Bezüglich der eingangs erwähnten Herausforderungen des Vergleichs von Ansätzen zur Verbesserung der Durchlässigkeit soll hier kurz auf weiteren Forschungsbedarf verwiesen werden. Bezugnehmend auf ROSKA (2009) lässt sich konstatieren, dass es bisher sehr wenige Studien gibt, die den Transfer zwischen verschiedenen Bildungsinstitutionen zum Inhalt haben oder die Effekt bzw. die Wirksamkeit der Policies untersuchen. Sie schlägt deshalb vor zunächst einmal genau zu definieren, welche Zielgruppe im jeweiligen Kontext untersucht werden müsste. Die Verbesserung des Übergangs, insbesondere wenn zu späteren Zeitpunkten im Lebensverlauf die Anerkennung von informal oder non-formal erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten einbezogen wird, bezieht sich auf Menschen sehr verschiedener Altersgruppen. Diese müssten getrennt auf ihre Zugangsmöglichkeiten zu weiterer Bildung und der tatsächlichen Wahrnehmung dieser Möglichkeiten untersucht werden. Der Wechsel auf eine weitere Bildungseinrichtung allein bietet keine valide Grundlage für die Einschätzung des Erfolges von Policies, die eine Erleichterung des Übergangs intendieren.

Weitere wichtige Untersuchungsgegenstände werden von GUIFFRIDA (2009) aufgezeigt. Er verweist im U.S. amerikanischen Kontext unter anderem darauf, dass die ethnische Identitätsentwicklung, also die Wahrnehmung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe und wie diese in der Gesellschaft akzeptiert wird, auch die Erfahrungen am College bzw. die Einstellung zum College Besuch beeinflussen kann. Da junge Erwachsene mit Migrationshintergrund häufig zunächst eine Berufsausbildung absolvieren und besonders auf Möglichkeiten des späteren Übergangs an die Hochschulen angewiesen sind, gleichzeitig aber auch sehr spezifischen sozialen Herausforderungen gegenüber stehen, erscheint es notwendig diese Zielgruppe gesondert in den Blick zu nehmen.

Problematisch könnte auch die Transparenz der Übergangsmöglichkeiten sein. Aus den vorhandenen Daten lässt sich schwer erkennen inwieweit die Varianten der Gestaltung des Übergangs von Berufsbildung zur Hochschulbildung bei denen, die daran interessiert sein könnten, bekannt sind, von ihnen verstanden und als realisierbar betrachtet werden. Auch die Kooperation zwischen verschiedenen Einrichtungen und institutionelle Barrieren für die Anerkennung von Vorleistungen sind in diesem Zusammenhang bisher kaum untersucht worden. Während GRUBB und LAZERSON (2011) in den USA eine zunehmende Verberuflichung von Hochschulstudiengängen (Vocationalization of Higher Education) als Trend erkennen, die infolge zunehmenden Wettbewerbs und der Ökonomisierung von Bildung entsteht, gibt es in der Schweiz und Finnland in dieser Hinsicht deutliche Vorbehalte. In beiden Ländern bleiben die Universitäten bei ihren hohen Ansprüchen bzgl. der Eingangsvoraussetzungen zum Hochschulstudium, offerieren aber Vielen die Möglichkeit des Zugangs.

Die Idee „College for All“, welche bei Skeptikern verschiedener Übergangsmodelle und Instrumente zur Gestaltung der Transparenz von Übergängen häufig kritisiert wird, hat international zunächst den politischen Willen unterstützt den Übergang zwischen verschiedenen Bildungs- und Ausbildungsstufen sowie Bildungsinstitutionen zu erleichtern und gleichzeitig durchlässiger zu gestalten mit dem Ziel das Ausbildungsniveau in der Bevölkerung insgesamt zu heben. Diese Entwicklung wird in vielerlei Hinsicht aber auch kritisch hinterfragt. In den USA beispielsweise zeigen nationale Datensätze, dass sich zwar die Einschreiberaten an Colleges seit 1970 erhöht haben, aber 42 % der High School Absolventen weitere 10 Jahre benötigen um einen ersten College Abschluss zu erwerben. In anderen Studien wird die Erfolgsrate noch geringer eingestuft. Nur 20 % aller Studierenden schaffen demzufolge einen Abschluss an einer 4-Jahres Institution innerhalb von 6 Jahren (NATIONAL CENTER FOR PUBLIC POLICY AND HIGHER EDUCATION 2004, STONE III 2011). Obgleich also der Übergang von der High School zu den Colleges in vielerlei Hinsicht als erstrebens- und förderungswert betrachtet werden kann, sind die Nebeneffekte dieser Entwicklung in den USA nicht zu unterschätzen. Dies bezieht sich insbesondere auf die steigenden Kosten für einen Collegebesuch. SWARTHOUT (2006) verweist darauf, dass mehr als zwei Drittel der College Absolventen nach dem Abschluss zunächst über Schulden verfügen und zwischen 23 % und 55 % der neuen Absolventen Schulden haben, die über viele Jahre nicht ohne weiteres reduziert werden können. Diese jungen Erwachsenen ziehen häufig nach dem College Besuch und gescheiterten Versuchen eine dem Abschluss entsprechende Anstellung zu finden, zurück zu ihren Eltern. Ähnliche Effekte können auch in England beobachtet werden. Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Ansätze aus Finnland, aber insbesondere aus der Schweiz – wo eine grundständige Berufsausbildung solide Aussichten auf einen Arbeitsplatz bietet – als nachhaltiger. Der Hochschulabschluss kann für den Einzelnen einen Zugewinn bedeuten, die Vereinfachung der Durchlässigkeit zum Hochschulstudium zu lebenslangem Lernen motivieren und die individuelle berufliche Flexibilität erhöhen, aber der Berufsabschluss bildet in der Regel eine solide Basis für beruflichen Erfolg. 

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[1]  Das General Certificate of Secondary Education (GCSE) und das International General Certificate of Secondary Education (IGCSE) entsprechen etwa dem deutschen Realschulabschluss. In England werden die Prüfungen dazu auch abgelegt, wenn die Schüler weiterhin zur Schule gehen, um auf den Hochschulabschluss hinzuarbeiten. Das GCSE gilt im britischen Schulsystem als die wichtigste Abschlussprüfung für die Sekundarstufe I der High School.

[2]  Das Advanced Level (A-level), ist der höchste Abschluss des Schulsystems in England. Mit einer bestimmten Note abgeschlossene A-levels sind die Zugangsvoraussetzung für viele Universitäten.

[3]  The BTEC Extended Diploma ist ein berufsbildender Abschluss, der von jungen Erwachsenen ab 16 Jahre erworben werden kann. Ein sogenannter BTEC ND Abschluss, welcher der höchste erwerbbare berufsbildende Abschluss ist, entspricht dem A-Level.


Zitieren dieses Beitrages

BARABASCH, A./ DEITMER, L. (2011): Die Gestaltung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und hochschulischer Bildung: Übergangsansätze aus vier Ländern. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Workshop 28, hrsg. v. BARABASCH, A./ HARTMANN, E. A., 1-19. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ws28/barabasch_ws28-ht2011.pdf (26-09-2011).



Hochschultage Berufliche Bildung 2011 - Web page

http://www.hochschultage-2011.de/