wbv   Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.

 

 



Schrift vergrößern Schrift zurücksetzen Schrift verkleinern download pdf-file pdf file | www.bwpat.de







 

 bwp@ Ausgabe Spezial 4 | September 2008
Hochschultage Berufliche Bildung 2008
FT 01 Bau, Holz, Farbe und Raumgestaltung

Qualitätsentwicklung am Oberstufenzentrum Holztechnik Berlin im Spiegel des Berichtes der Schulinspektion

 


1. Vorgeschichte der Schulinspektion in Berlin

Mit dem Schulgesetz von 2004 hat der Berliner Senat einen wichtigen Schritt in Richtung modernem Bildungswesen getan. Durch eine zentrale Vorgabe für größere Selbstständigkeit, wie sie seit langem von den Schulen gefordert wurde, verbunden mit mehr Eigenverantwortung, eröffnen sich den einzelnen Schulen dringend benötigte Handlungsspielräume hin zu einer nicht zuletzt durch die Ergebnisse internationaler Studien angemahnten Qualitätsentwicklung von Unterricht und innerschulischen Arbeitsprozessen.

Als Instrumente für eine möglichst transparente Schulentwicklung und gleichzeitig einer verstärkten Rechenschaftslegung gegenüber dem staatlichen „Auftraggeber“ sowie den „Kunden“ des Schulsystems, den Eltern, Schülern, Ausbildungsbetrieben, bezüglich der in den Schulen tatsächlich erreichten Qualitätsstandards, wurden u.a. Schulprogramm, interne und externe Evaluation implementiert.

Das in den Schulen erarbeitete Schulprogramm stellt dabei mit den definierten Qualitätsentwicklungszielen sowie den jeweiligen Maßnahmen zur Umsetzung und Steuerung die Schwerpunkte der aktuellen Entwicklung dar. Das gesamte Spektrum schulischen Wirkens soll in Berlin neben der internen Evaluation mittels innerschulisch selbst bestimmter Kriterien im Schul- und Evaluationsprogrammen noch durch eine externe Evaluation allgemeingültig operationalisierbar abgebildet werden.

Für diese externe Rechenschaftslegung ist die Schulinspektion verantwortlich, die damit eine wichtige Funktion im Gesamtkonzept der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung an den eigenverantwortlichen Schulen Berlins wahrnimmt.

2.  Warum eine freiwillige Meldung zur Schulinspektion?

Das Oberstufenzentrum Holztechnik, am 01.09.2006 offiziell zur „marcel-breuer-schule“ benannt, entschied sich nach einer kurzen internen Diskussion für eine freiwillige Meldung zur Teilnahme gleich im ersten Durchgang der Schulinspektion. Die Gründe dafür lagen zum einen im aktuellen Stand der eigenen Schulentwicklung. Eine sehr dynamische strukturelle und personelle Entwicklung innerhalb der letzten Jahre, die innerschulisch begonnene Umsetzung einer Neuorientierung des Curriculums in der Berufsbildung zu einer Lernfeldorientierung sowie der Stand von Schulprogramm und Evaluationsprogramm ließen eine frühzeitige Verknüpfung mit der externen Evaluation durch die Schulinspektion als einen sehr sinnvollen Prozessschritt erscheinen.

Zum anderen waren wir selbst an einer offensiven Auseinandersetzung mit diesem Instrument der Schulqualitätsentwicklung interessiert, um auf die in der Bildungsdiskussion oftmals nicht ausreichend berücksichtigten besonderen Rahmen- und Zielbedingungen der Berufsbildung hinzuweisen.

Der für das Schuljahr 2007/2008 avisierte Umzug der marcel-breuer-schule, dem Oberstufenzentrum für Holztechnik, Glastechnik und Design, an einen neuen Schulstandort in Berlin-Pankow, verbunden mit vielen ungeklärten räumlichen, strukturellen und personellen Rahmenbedingungen, ließen eine möglichst frühzeitige Schulinspektion ebenfalls angeraten erscheinen.

3.  Wie wird die Schulqualität in Berlin gemessen?

Der ‚Handlungsrahmen Schulqualität' stellt die wesentliche Grundlage für die Erarbeitung des Verfahrens und die Instrumente der Berliner Schulinspektion dar. Das gültige Maß für die Schulqualität ist dabei in fast allen Bundesländern ähnlich. Auf der Basis eines Rasters mit 6 Qualitätsbereichen und 25 Qualitätsmerkmalen, denen wiederum insgesamt 73 Qualitätskriterien zugeordnet sind, sollen die Berliner Schulen ihren Entwicklungsbedarf eigenverantwortlich definieren und die Unterrichts- und Schulprozesse selbstständig steuern. Der Handlungsrahmen Schulqualität ist als Orientierung und konkrete Hilfestellung bei der Schulprogrammarbeit, der Schulentwicklung sowie der internen und externen Evaluation vorgesehen. Die politische Zielvorgabe lautet, ein ‚Qualitätsmanagement als kontinuierlichen Lern- und Verbesserungsprozess' an den Schulen zu implementieren.

Im Schuljahr 2005/2006 wurde in Berlin für die externe Evaluation eine Schulinspektion aufgebaut. Diese hat die Aufgabe, alle öffentlichen Berliner Schulen innerhalb von fünf Jahren nach transparenten und einheitlichen Qualitätsmaßstäben zu überprüfen mit dem Ziel:

•  die Validität des schulinternen Qualitätsurteils durch eine unabhängige Außensicht zu erhöhen;

•  die Verbindlichkeit der im Schulprogramm beschlossenen Entwicklungsmaßnahmen unter dem Aspekt der Rechenschaftslegung herzustellen;

•  den innerschulischen Diskussions- und Entwicklungsprozess durch den Evaluationsbericht zu fördern;

•  Stärken und Schwächen hervorzuheben und Entwicklungsnotwendigkeiten durch gezielte Hinweise zu benennen.

Die Unabhängigkeit der Schulinspektionsteams gegenüber den besuchten Schulen soll einen unverstellten, möglichst objektiven Blick auf die Unterrichts-, Erziehungs- und Organisationsprozesse ermöglichen. Die Schulinspektion begutachtet das Gesamtsystem Schule, nicht einzelne Lehrkräfte. Sie soll vorrangig als Einrichtung zur Zustandsbeschreibung und zur Beratung für die Weiterentwicklung der o.g. Prozesse fungieren.

4.  Vorbereitung auf die Schulinspektion

Die Vorbereitungen in der Schule erstreckten sich hauptsächlich auf zwei Bereiche, die Systematisierung der geleisteten praktischen Schulleitungs- und Schulentwicklungsarbeit sowie die Information der Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, Eltern und Ausbildungspartner über die zu erwartenden Rahmenbedingungen.

So wurden für die Inspektion eine große Anzahl Ordner mit den jeweiligen Materialien zu den 18 Qualitätsmerkmalen der ersten Phase der Berliner Schulinspektion, 16 Merkmalen nach Vorgabe plus 2 schulische Wahlbereiche, zusammengestellt bzw. ergänzt und aktualisiert.

Alle Verantwortungsträger des OSZ Holztechnik, Fachbereichs- und Fachleiter/innen sowie Schul- und Abteilungsleitungen wurden aktiv mit einbezogen. So entstand eine überaus anregende Arbeitsphase zu einer Art Zwischenbilanz, der von uns gemeinsam in den letzten Jahren geleisteten Schulentwicklung. Dieser kompakte Rückblick ließ somit ganz nebenbei eine motivierende, positive Selbsteinschätzung der schulischen Leistungs- und Verantwortungsträger entstehen. Darüber hinaus konnten konkrete Zielsetzungen für die weitere Entwicklung abgeleitet werden.

Parallel dazu wurde mit einer bewusst transparenten Informationsarbeit in Richtung Schüler, Lehrkräfte und sonstige Mitarbeiter der Schule etwaigen Ängsten und Vorbehalten gegenüber der Schulinspektion entgegengewirkt.

Die Erstellung einer Organisationsablaufplanung, insbesondere für die beiden Inspektionstage, rundeten die Vorbereitungen in der Schule ab.

5.  Das Inspektionsverfahren im April 2006

Auf einem offiziellen Vorgespräch Ende Februar 2006 wurden letzte Verfahrensfragen zwischen dem Inspektionsteam, dem Schulleiter und weiteren Mitgliedern der Schulleitung, des Kollegiums sowie der Schulgremien abgeklärt.

Im April startete dann die Inspektion mit einem Schulrundgang von Schulleitung und Inspektionsteam, um die Gegebenheiten des OSZ Holztechnik kennenzulernen. Es wurden an den zwei Inspektionstagen insgesamt 96 Unterrichtsbesuche von jeweils 20 Minuten Dauer durchgeführt und anhand des standardisierten Unterrichtsbeobachtungsbogens evaluiert. Das Inspektionsteam sah 72 von 90 an der Schule unterrichtenden Lehrkräften. Die Besuche waren über alle Abteilungen, Bildungsgänge und Lehrjahre bzw. Lehrstufen verteilt.

Darüber hinaus fand eine standardisierte, anonyme Befragung der Lehrkräfte statt. Die Rücklaufquote der Fragebögen betrug 89%.

Interviews mit dem Schulleiter, der stellvertretenden Schulleiterin, den drei Abteilungsleitern sowie durch das Inspektionsteam im Vorgespräch ausgewählten 5 Schülerinnen und Schülern, 7 Lehrkräften, 4 Eltern und 6 Vertretern von Ausbildungsbetrieben rundeten die beiden intensiven, arbeitsreichen Inspektionstage ab.

Für die Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler bedeuteten diese kurzen Unterrichtsbesuche durch die Inspektion in der Regel keine Störung. In der Schule war jedoch eine gewisse Anspannung zu spüren, die zum einen mit der Erstmaligkeit dieser Situation, zum anderen mit historischen Erfahrungen staatlicher Inspektionen von Lehrkräften aus dem ehemaligen Ostberlin zu erklären sein könnte.

Die Interviews im Rahmen der Inspektion wurden als konstruktiv und sinnvoll bewertet, es gab keinerlei Kritik an der Arbeit und dem Auftreten der Inspektionsmitglieder.

6.  Wie bewertet die „normale“ Lehrkraft die Schulinspektion?

Um neben der Sichtweise ‚der Leitung' die Stimmung an der ‚Basis' einzufangen, haben wir eine kleine, nicht repräsentative Umfrage durchgeführt. Da wir in den informellen Pausengesprächen doch häufiger negative Einschätzungen hörten, haben uns die Ergebnisse doch überrascht. Über 80% der Lehrkräfte gaben uns eine positive Rückmeldung!

Hier einige Auszüge aus der Umfrage über die Schulinspektion:

Das Instrument der Schulinspektion bewerte ich mit….

•  Gut!

•  Positiv, gut daran ist, dass sich der Unterricht öffnet.

•  Negativ, schafft nur bürokratische Arbeitsplätze und eine imaginäre „Musterschule“

•  Positiv, die Kontrolle von Schulqualität ist wichtig, jedoch ist eine Umsetzung der Ergebnisse nicht erkennbar, eine fortlaufende Beratung wäre wünschenswert.

•  Positiv, gut daran ist die Kommunikation im Kollegium.

•  Positiv, gut daran ist, dass sie als Instrument zur Qualitätsentwicklung taugt.

•  Schlecht daran ist, dass keine Differenzierung des Schultyps erfolgt.

•  Positiv, sie verhindert „Betriebsblindheit“, deshalb ist eine Einschätzung von außen zu begrüßen .

•  Positiv, gut daran ist, dass sie innerschulische Prozesse, wie Teambildung und Führungskräfte-Feedback, fördert.

•  Schulinspektion ist wie Sex, das Wichtigste ist das Vorspiel und die Zigarette danach!

7.  Bericht der Schulinspektion

Der zuvor übersandte schriftliche Bericht wurde den Mitgliedern der Schulkonferenz Ende Mai 2006 ausführlich erläutert. Der Schulleitung wurde schon im Vorfeld die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Dadurch konnten für einige im Bericht mit Entwicklungsbedarf angeführte Qualitätskriterien auf aus schulischer Sicht relativierende Rahmenbedingungen hingewiesen werden. So resultierten zum Beispiel die sich zum Stand von Schulprogramm und internen Evaluationsprogramm abgeleiteten Anmerkungen letztendlich deutlich aus der zeitlichen Verschiebung der senatseigenen Zeit-Maßnahmenplanung zur Einführung der jeweiligen Instrumente zur Qualitätsentwicklung.

Aus den Beschreibungen der standardisierten Unterrichtsbeobachtungen sowie den Inspektionsanalysen zu den Qualitätsbereichen und deren Qualitätsmerkmalen konnte Bestätigung für getroffene Entwicklungsentscheidungen sowie Anregungen für weitere Schritte gezogen werden.

Insgesamt ergab sich aus dem vorgestellten Bericht sowie der Zusammenfassung der Ergebnisse eine Anerkennung und Bestätigung der in den letzten Jahren geleisteten Arbeit.

8.  Auswirkungen der Schulinspektion auf die weitere Schulentwicklung

Für die marcel-breuer-schule, das ehemalige Oberstufenzentrum Holztechnik ist die freiwillige Meldung zur Schulinspektion zum damaligen Zeitpunkt des eigenen Entwicklungsstandes als positiv zu werten. Die im Vorfeld bereits initiierten Organisationsentwicklungen erhielten hierdurch noch eine zusätzliche Dynamik. So wurde auf allen Ebenen verstärkt Personalentwicklung betrieben und die Teambildung sowie Fortbildungsbereitschaft zur erfolgreichen Umsetzung der lernfeldorientierten Curricula erhielt deutlichen Auftrieb. Der stetig vorhandene Bedarf an Unterrichtsentwicklung wurde von den Lehrkräften in allen Bereichen anerkannt und mit einem starken Maß an Strukturiertheit, Transparenz und Nachhaltigkeit in Angriff genommen.

In der Schule selbst wird mehr und öfter über Unterricht, Unterrichtsqualität, Gelingensbedingungen für guten Unterricht, Organisationsbedarf sowie Ziele und Etappen der Schulentwicklung gesprochen und entsprechend gehandelt.

9.  Führt die Schulinspektion automatisch zu mehr Schulentwicklung

Bei aller positiven Bewertung ‚dieser' Schulinspektion, zu ‚diesem' Zeitpunkt und an ‚dieser' Schule bleibt doch festzustellen, dass die Schulinspektion in Berlin ausschließlich der Bewertung von Arbeitsprozessen und Ergebnissen schulischen Handelns dient, jedoch nicht einmal ansatzweise der Analyse der Rahmenbedingungen schulischer Arbeit.

Selbstverständlich steht der Unterricht im Mittelpunkt der Schulqualität, aber es sind auch Voraussetzungen nötig und er wird durch Nebenbedingungen beeinflusst.

Der Handlungsrahmen Schulqualität kann nicht von der Einzelschule allein erfüllt werden. Trotz neuem Schulgesetz ist jede Schule in das Gesamtsystem des Berliner Schulwesens eingebunden und immer noch auch von diesem System abhängig. Hilfreich wäre deshalb eine differenzierte Gesamtschau auf das Berliner Schulsystem mit allen Instrumenten zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung, mit seinen Zuständigkeiten in der ministeriellen und operativen Schulaufsicht, auf deren Zusammenarbeit sowie auf die Kooperation von Schulaufsicht und Schule.

Hier könnte die Schulinspektion die wichtige Aufgabe erfüllen, von der Außenperspektive zu beurteilen, was die Schulen selbst verbessern könnten, und wie sie durch die Schulaufsicht und Bildungspolitik besser zu unterstützen wären.

Sollten jedoch die einzelnen hier angesprochenen Instrumente nicht in ein sinnvolles, strukturiertes und verlässliches Handeln aller Verantwortungsebenen nachhaltig eingebunden werden, besteht die Gefahr einer ‚Demotivierung der Motivierten'!