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 bwp@ Spezial 4 | September 2008
Hochschultage Berufliche Bildung 2008
FT 02 Chemie und Umwelttechnik

Qualitätsmerkmale der didaktischen Gestaltung arbeitsorientierter Lehr- und Lernprozesse

 

Abstract

Die Einführung von Konzepten zur Qualitätsentwicklung und ssicherung in beruflichen Bildungseinrichtungen kann man zunächst nur unterstützen und befördern. Im Folgenden wird dennoch hinterfragt, welche Motive hinter diesem Aufgreifen unternehmerischer Managementinstrumentarien stehen; wobei inhaltlichen und bildungsökonomische Argumente gegeneinander abgewogen werden (Abschnitt 1). Exemplarisch werden Ansätze und Instrumentarien der Qualitätssicherung in der Bildungsbranche skizziert (Abschnitt 2). Darüber wird die vorrangige Bedeutung der didaktischen Gestaltung der Lehr- und Lernprozesse herausgearbeitet und deren Qualitätsmerkmale erörtert (Abschnitte 3 und 4). Über die Betrachtung von Potenzialen, die für, und Hemmnisse, die gegen Qualitätsmanagement in beruflichen Bildungseinrichtungen sprechen, werden Handlungsschwerpunkte abgeleitet (Abschnitt 5).

1.  Motive für die Einführung von Qualitätsentwicklungskonzepten in der beruflichen Bildung

Nach der intensiv geführten Diskussion zur Kompetenzentwicklung als Ziel beruflicher Bildung (und somit Outputqualität beruflicher Qualifizierungsprozesse), wird die Aufmerksamkeit gegenwärtig auf die Qualitätsentwicklung und -sicherung konzentriert. Das wirft die Frage nach den spezifischen Beweggründen und den erhofften Ergebnissen dieser Auseinandersetzung auf. Es geht also zunächst darum, das Thema in übergeordnete Kontexte einzuordnen, um den Überblick zu wahren oder zu bekommen.

Dieser Frage kann man sich auf unterschiedliche Weise nähern: Zum einen von „innen“, wodurch inhaltliche Motive in den Vordergrund rücken, und zum anderen eher von „außen“, wodurch administrative Gründe in den Fokus geraten.

Zu den inhaltlichen Motiven

Grundlegend gilt, dass die Diskussion um Bildungsziele und -inhalte und somit um Qualitätsmerkmale beruflicher Bildung fortwährend notwendig ist, da die Rahmenbedingungen beruflicher Bildung einem ständigen Wandel unterworfen sind. Dieser Aspekt der Qualitätssicherung würde jedoch bereits mit der Auseinandersetzung um die berufliche Kompetenzentwicklung – als Ziel und Inhalt beruflicher Lehr- und Lernprozesse – abgedeckt werden. Der Diskurs zur Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen (= Mikroebene) offenbart jedoch sehr schnell die Korrelationen zur Makro- und Mesoebene der Bildungsgestaltung. Während auf der Makroebene im Besonderen die Curriculumforschung und -entwicklung sowie bildungspolitische Rahmenbedingungen entfaltet werden, steht die Mesoebene für das Management in der jeweiligen Bildungsorganisation und die Optimierung institutioneller Rahmenbedingungen.

Gestaltungsprozesse auf der Mikroebene ziehen zwangsläufig Veränderungsbedarf bzw. -druck für die beiden übergeordneten Ebenen nach sich. So wird z. B. die Umsetzung arbeitsaufgabenbasierten Lehrens und Lernens gemäß des Lernfeldkonzeptes maßgeblich durch institutionelle Rahmenbedingungen unterstützt oder gehemmt. So erfordert z. B. die projektorientierte Auseinandersetzung mit beruflichen Aufgabenstellungen eine völlig andere technische Ausstattung der Schulen. Zudem wird sie bei einem im 45-Minuten-Rythmus organisierten Schultag nur sehr schwer zu entfalten und zu steuern sein. Managemententscheidungen auf der Mesoebene können folglich die Qualitätsentwicklung auf der Mikroebene stark behindern und die Demotivation der Lehrenden zu Folge haben. Aus dieser Sicht scheint es nur konsequent alle Prozesse der Bildungsgestaltung in den Blick zu nehmen und aufeinander zu beziehen. Diese komplexe Sicht auf alle unternehmensrelevanten (bzw. schulischen) Prozesse ist charakteristisch für Qualitätsmanagementkonzepte, die in Unternehmen seit längerem zum Standard gehören.

Die Fokussierung auf die Qualitätssicherung lässt sich des Weiteren aus bildungsökonomischer Perspektive begründen.

Zu den bildungsökonomischen Motiven

Bildungsdienstleister stehen zunehmend zwischen dem steigenden qualitativen Anspruch an Bildungsangebote, welcher zwangsläufig Innovationsdruck nach sich zieht (vgl. KLÜBER/ LÖWE 2006) und dem wachsenden Kostendruck, der durch Budgetkürzungen, die Reorganisation der Einkaufsprozesse durch die Auftraggeber, neue Förderstrukturen (Bildungsgutscheine, AZWV) u. ä. verursacht wird.

„Zentraler Erfolgsfaktor von Bildungsorganisationen wird in Zukunft die Fähigkeit sein, sich dauerhaft durch qualitativ hochwertige Bildungsdienstleistungen vom Wettbewerb zu differenzieren. Angebot und Qualität dieser Leistungen müssen sich konsequent an dynamisch ändernden Anforderungen der (institutionellen) Auftraggeber und Kunden orientieren“ (KLÜBER/ LÖWE 2006, 8).

Auch wenn Innovationsdruck und Kostendruck zunächst entgegen gesetzte Pole darstellen, deren Wirkungen eher konträr zueinander stehen, erzwingen sie von Bildungsunternehmen, die für öffentliche und betriebliche Kostenträger arbeiten, gleichermaßen einen Veränderungsprozess (Transformationsprozesse). Und es stellt sich zwangsläufig die Frage, ob diese Veränderungen Synergieeffekte zulassen, die die Minimierung beider Drücke nach sich ziehen. Kann es gelingen, die Innovationsfähigkeit eines Bildungsdienstleisters zu erhöhen und gleichzeitig die Kosten zu senken?

Derartige Anforderungen lassen Bildungsunternehmen nach Lösungsvarianten erfolgreicher Wirtschaftsunternehmen schielen. Wie gelingt es diesen ihre Geschäftsprozesse qualitativ und ökonomisch zu optimieren?

Typischer Lösungsansatz ist die Umstellung auf das prozessorientierte Unternehmensmanagement (vs. funktions- bzw. aufbauorientiertes Management). Dieses erfordert die Analyse und das aufeinander Beziehen aller Unternehmensprozesse, wodurch diese in ihrer Funktion geordnet und wertschöpfende Prozesse als Kernprozesse herausgestellt werden können. Es können Schnittstellen erfasst, Doppelarbeit minimiert und Einzelprozesse optimiert werden (vgl. KLÜBER/ LÖWE 2006). Diese Aspekte stellen zugleich die Grundzüge eines Qualitätsmanagements dar, womit sich auch aus bildungsökonomischer Perspektive die Notwendigkeit oder zumindest die Zweckmäßigkeit von Qualitätsentwicklungskonzepten herausstellt.

Bislang schienen sich Bildungsprozesse einer solchen Analyse und Optimierung zu entziehen, da sie höchst komplex und irgendwie immer spezifisch sind. Zum einen sind Lehr- und Lernprozesse zielgruppenadäquat zu gestalten und zum anderen hat jeder Lehrende seinen besonderen Stil in der didaktischen Gestaltung usw. Durch den zunehmenden Kostendruck bei gleichzeitiger Forderung nach qualitativen Mindeststandards werden die genannten Bedenken quasi gezwungenermaßen aufgehoben. Entscheidendes Indiz hierfür ist die Vergabepraxis von Bildungsaufträgen (AZVW), die eine Zertifizierung von Bildungsträgern und Maßnahmen voraussetzt. Bedingung für die Zertifizierung ist die konzeptionelle Verankerung der Qualitätsentwicklung und -sicherung!

Unter diesem Gesichtspunkt sind die kommunal verankerten Berufsschulen in einer grundsätzlich anderen Ausgangssituation. Als Institutionen des öffentlichen Rechts sind sie dem Druck durch die Vergabepraxis nicht ausgesetzt. Dennoch haben sie sich zunehmend am Markt zu behaupten, so dass engagierte Schulleiter und Mitarbeiter sehr wohl über Innovationen und die Optimierung der Geschäftsprozesse nachdenken. Insofern schließt sich hier der Kreis zu den inhaltlichen Motiven, die für die Einführung eines Qualitätsmanagements für berufliche Bildungsprozesse sprechen – auch wenn diese bekanntlich weniger wirkungsvoll als ökonomische Zwänge sind.

2.  Ansätze und Instrumentarien der Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung

Die positive Bewertung der Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung hebt die Frage nach möglichen Formen und Instrumentarien für die Bildungsbranche auf den Plan. Die Ansätze der Qualitätssicherung reichen von Programmen zur Schulentwicklung bis zur Einführung von Qualitätsmanagementsystemen (QM-Systeme) (vgl. Tabelle 1).

Während Programme zur Schulentwicklung in der Berufsschule seit c a. 10 Jahren diskutiert werden, sind QM-Konzepte in Berufsschulen gegenwärtig noch wenig bekannt. Hier könnte in den kommenden Jahren eine Trendwende einsetzen, da erste Bundesländer (Bayern, Baden Württemberg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen) die Einführung von QM-Systemen administrativ im Rahmen von Projekten fördern und fordern. Länderspezifisch werden unterschiedliche QM-Konzepte zugrunde gelegt, wobei das Schweizer Modell Q2E ( Qualität durch Entwicklung und Evaluation ) vorrangig zur Anwendung kommt bzw. als Basis für jeweils angepasste Konzepte dient.

Q2E als systematisches Qualitätsmanagementkonzepte zeichnet sich dadurch aus, dass alle schulischen Prozesse - also die Lehr- und Lernprozesse neben den personal- und organisationsrelevanten Prozessen - analysiert und ggf. optimiert werden, sowie alle Hierarchiestufen und externe Partner in die Überlegungen einbezogen und an der Identifizierung der drängenden Handlungsfelder beteiligt werden .

Mit der Modellbezeichnung werden die Entwicklung und die Evaluation als die beiden entscheidenden Handlungsfelder genannt. Beide werden sowohl auf die individuelle als auch auf die institutionelle Perspektive bezogen werden, so dass sich vier Teilaufgaben ergeben (vgl. Tabelle 2).

Durch die Beteiligung aller interner Mitarbeiter sowie externer Partner ergeben sich verschiedene Zugänge zur Qualitätsentwicklung und -evaluation, die LANDWEHR als vier instrumentelle Komponenten des Q2E-Modells differenziert. Die Komponenten orientieren sich am Qualitätsleitbild der Schule, welches die Qualitätsmaßstäbe und somit inhaltliche Vorgaben und Zielstellungen enthält (vgl. Abbildung 1).

Im Qualitätsleitbild des Bildungsunternehmens wird zum eigentlichen Bezugs- und Orientierungspunkt für alle Maßnahmen der Qualitätssicherung, da in ihm die Ergebnisse der Analyse- und Recherchephase verankert werden. Hierzu sind folgende grundlegenden Fragen zu beantworten:

•  Welche Prozesse sind für die jeweilige Bildungseinrichtung gegeben und welche Funktion haben sie im Rahmen des komplexen Geschäftsprozesses? (vgl. Abschnitt 3)

•  Welche Qualitätsmerkmale sind jeweils erwünscht bzw. notwendig? (vgl. Abschnitt 4)

•  Auf welche Art und Weise können diese Qualitätsmerkmale erfasst werden? Welche Indikatoren oder Messgrößen stehen zur Verfügung?

•  Welche Faktoren hemmen die Qualitätsentwicklung in Bildungseinrichtungen und wie kann gegengesteuert werden? (vgl.Abschnitt 5)

3.  Kern- und Supportprozesse in beruflichen Bildungseinrichtungen

Zur Ermittlung und Charakterisierung aller unternehmensinternen Prozesse werden durch die QM-Systeme Orientierungshilfen gegeben, die zugleich eine systematische Prozessdokumentation unterstützen. Kernprozesse sind jeweils die wertschöpfenden Prozesse eines Unternehmens. Für Bildungsunternehmen sind das die Lehrprozesse. Sie werden ins Zentrum gestellt und von Unterstützer- und Führungsprozessen getrennt betrachtet (vgl. Abbildung 2).

Durch die klare Differenzierung der Prozesse werden alle unternehmensinternen Abläufe für die Mitarbeiter transparent. Zugleich rücken deren Relationen, die sich u.  a. als Zweck-Mittel-Beziehungen darstellen, (wieder) ins Bewusstsein. Dazu sei noch einmal betont, dass für Bildungseinrichtungen die Lehr- und Lernprozesse die Kernprozesse und somit den Zweck des Unternehmens darstellen. Alle anderen Prozesse sind dem unterzuordnen bzw. stellen lediglich Mittel zur Zielerreichung dar.

Problematisch für die Qualitätsentwicklung in beruflichen Bildungseinrichtungen wird es dann, wenn dieses Grundverständnis nicht gegeben ist. Nach einer Erfassung durch FUßSTETTEN muss mit dieser Einschränkung gerechnet werden. Nur 20 % (!) der Zielvereinbarungen extern evaluierter Schulen in Bayern adressieren „Unterricht, Bildung und Erziehung“ als Schlüsselprozess, die anderen 80 % geben hierfür unterstützende Prozesse an (FUßSTETTEN 2007, 40). Unter diesem Gesichtspunkt gerät die Diskussion um Qualitätssicherung zu einer Farce. Und es ist zu befürchten, dass außerordentlicher administrativer Aufwand betrieben wird, der letztendlich sehr wenig zur realen Verbesserung der beruflichen Ausbildung beitragen kann.

Im Gegensatz zu den o. g. Ergebnissen, werden die Betrachtungen im Folgenden auf die Kernprozesse beruflicher Bildungsunternehmen (wobei Berufsschulen auch als solche verstanden werden) und somit auf die Lehr- und Lernprozesse konzentriert.

4.  Qualitätsmerkmale beruflicher Lehr- und Lernprozesse

Sind alle Prozesse, die den Arbeitsalltag in Bildungseinrichtungen ausmachen, definiert und geordnet, können die Qualitätsmerkmale – im Sinne von erwünschten Mindeststandards - zugeordnet werden. Zur Systematisierung dieser Merkmale werden diese ebenfalls geordnet, wobei u.  a. eine Einteilung in Input-, Prozess- und Outputqualitäten vorgenommen werden kann (vgl. LANDWEHR 2004). Für die Analyse und Entwicklung von Qualitätsstandards beruflicher Lehr- und Lernprozesse macht es jedoch Sinn, wenn die Analyseperspektiven weiter aufgeschlüsselt werden. Hierfür bietet sich die Orientierung an den Bedingungsfeldern sowie an den klassischen Handlungs- bzw. Entscheidungsfeldern des Lehrenden an (vgl. Ziel-Inhalt-Methoden-Relation von KLINGBERG 1974 oder das Lerntheoretisches Modell von HEIMANN, OTTO, SCHULZ).

Die Analyse der soziokulturellen, anthropogenen (Leistungsvoraussetzungen der Lernenden usw.), materiell-technischen, organisatorischen (Zeitkorridore, Raumkapazitäten) Bedingungen sichert den Zugang zu den Inputqualitäten.

Über die Auseinandersetzung mit den Handlungsfeldern

•  Feinzielbestimmung,

•  Inhaltsauswahl und -anordnung,

•  methodischer Gestaltung sowie

•  Evaluation des Lehr- und Lernprozesses

werden Kriterien für Prozess- und Outputqualitäten bestimmt.

Damit mündet die Diskussion zum Qualitätsmanagement in beruflichen Bildungsprozessen ganz unspektakulär in der klassischen Auseinandersetzung zu den Grundfragen der didaktischen bzw. berufsdidaktischen Gestaltung. Trotz oder gerade wegen dieser Entzauberung wird der Diskussion eine ungebrochene Bedeutung beigemessen. Die Qualität von Lehr- und Lernprozesse – vor allem schulischer – steht nach wie vor in der Kritik. Insofern muss der didaktischen Gestaltung, welche per Definition auf die Schlüsselprozesse beruflicher Bildung gerichtet ist, höchste Aufmerksamkeit geschenkt werden. Nach Auffassung der Autorin bestehen die Defizite weniger in der didaktischen Theorie als vielmehr in den Schwierigkeiten bei der Aneignung und der Umsetzung dieses didaktischen (und psychologischen) Professionswissens in komplexen Situationen des Schul- bzw. betrieblichen Alltages. An dieser Stelle werden Anforderungen an die Lehreraus- und -fortbildung deutlich.

Mit Blick auf die einzelnen Handlungsfelder können Qualitätsmerkmale beruflicher Lehr- und Lernprozesse weiter untersetzt werden, was an dieser Stelle nur angedeutet werden:

Die Qualität der von den Lehrenden konkret abgeleiteten Feinziele ist daran gebunden, ob in der Summe alle Bildungskriterien widergespiegelt werden. Das wären:

•  Persönlichkeitsentwicklung

•  Teilhabe an Gesellschaft

•  Beschäftigungsfähigkeit.

Die Auswahl, Anordnung und Aufbereitung der Bildungsinhalte ist dann qualitativ hochwertig, wenn die Inhalte für die Lernenden nachvollziehbare Ausschnitte der beruflichen Wirklichkeit erkennen lassen. Geeignete Orientierungs- und Bezugspunkte sind hierfür berufliche Arbeitsaufgaben. Durch den Aufgabenbezug kann zum einen eine in sich geschlossene Struktur der jeweils relevanten Bildungsinhalte gesichert werden, wodurch gleichzeitig der Komplexität und der Beliebigkeit der Inhalte Schranken gesetzt werden. Zum anderen werden Arbeitsaufgaben aus sehr verschiedenen Arbeitskontexten abgeleitet (vgl. NIETHAMMER 2006), wodurch sie in ihren äußeren Erscheinungen äußerst unterschiedlich wirken. Damit kann der Lehr- und Lernprozess methodisch abwechslungsreich gestaltet werden.

Durch die Orientierung an beruflichen Arbeitsaufgaben kann zudem gesichert werden, dass der Fokus der Auseinandersetzung auf die für die Facharbeit bedeutsamen Aspekte gerichtet wird, wie z. B. die Wirkung und die Beeinflussbarkeit der Führungsgrößen eines technischen Prozesses (Prozessparameter). Fehler wie z. B. die Erarbeitung von Inhalten ohne jeden Kontextbezug oder die Beschränkung auf Überblickwissen zum jeweiligen technischen Arbeitssystem, was einem populärwissenschaftlichen Zugang entspräche, werden vermieden. Derartige Fehler schleichen sich selbst in einigen Lehrbüchern ein, wodurch die Arbeit der Lehrenden erschwert wird (vgl. GROßE 2007).

Qualitätskriterien für die methodische Gestaltung von Lehr und Lernprozessen einschließlich des Einsatzes entsprechender Unterrichtsmittel sind daran gebunden, dass den Lernenden Handlungs- und Gestaltungsspielräume für die bewusste und selbstständige Auseinandersetzung mit den jeweiligen Aneignungsgegenständen (berufliche Arbeitsaufgaben) geboten werden. Das selbstständige Handeln, was im Besonderen kognitives Handeln neben dem manuellen Tun meint, darf dabei nicht nur möglich sondern es muss notwendig sein. Kognitives Handeln setzt Denken und Erkenntnisprozesse voraus, welche nicht mit Hören, Lesen und Abschreiben gleichgesetzt werden können.

Durch den Arbeitsaufgabenbezug wird der Lernprozess unmittelbar aus einem gedanklich oder real nachvollzogenen Arbeitsprozess abgeleitet und durch diesen strukturiert.

Zur methodischen Gestaltung hat der Lehrende die unterschiedlichen Dimensionen des Lehr- und Lernprozesses bedingungs- und adressatengerecht zu arrangieren, wobei die Abhängigkeiten zu den anderen Handlungs- und Bedingungsfeldern zu beachten sind (Ziel-Inhalts-Methoden-Relation).

Die Diskussion der methodischen Gestaltungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Es soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass jede der vier, einander bedingenden, methodischen Gestaltungsdimensionen für sich genommen komplex sein können. Darin liegt m. E. eine entscheidende Ursache für bestehende Qualitätsmängel in der methodischen Gestaltung: der Mensch kann nur eine bestimmte Komplexität verarbeiten und bewältigen, so dass bestimmte Aspekte in der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen dem Selbstlauf überlassen sind.

Die Dimensionen des Lehr- und Lernprozesses sind

•  die Lehr- und Lernschritte , welche die Prozessstruktur bestimmen.

Bei der Planung und Initiierung der Lehr- und Lernschritte geht es im Besondern um die Gewährleistung ihrer folgerichtigen (logischen) Anordnung. Folgerichtigkeit muss aus verschiedenen Perspektiven gesichert werden, welche parallel zu sichern sind (vgl. NIETHAMMER 2006, Abb. 5-12 im Anhang):

•  didaktische Folgerichtigkeit (Zielorientierung/Motivation ð Erstaneignung ð Festigung ð Kontrolle)

•  Folgerichtigkeit gemäß des Problemlöseprozesses (Zielanalyse ð Situations- und Bedingungsanalyse (u. a. Selektieren des bereits Bekanntes von dem Unbekanntem) ð Entwerfen von Lösungsvarianten ð Entscheiden für einen Weg ð Durchführen/Umsetzen (inklusive der Erschließung des Unbekannten) ð Kontrolle

•  Folgerichtigkeit der Erkenntnisprozesse (z. B. von der Erscheinung auf das Wesen schließen (progressiv-reduktives Vorgehen) oder aus vielen Einzelfällen verallgemeinern (induktives Vorgehen).

•  die Handlungsmuster , welche die Handlungsstruktur des Lehr- und Lernprozesses bestimmen und zu standardisierten Verlaufsformen verfestigt werden können (z. B. Experimentelle Methode, Fallmethode, Plan- und Rollenspiel u.  a. ).

•  die Sozialformen, welche die Beziehungsstruktur des Lehr- und Lernprozesses bestimmen und in Differenzierungs- oder Integrationsformen verfestigt werden können (z.  B . Frontale Einzel- oder Gruppenarbeit, getrennt-gemeinsame Einzel- oder Gruppenarbeiten, regellose Einzel- oder Gruppenarbeit)

•  die Unterrichtsmittel , die die Repräsentationsstruktur der jeweils betrachteten Wirklichkeitsausschnitte bestimmen (Modelle vs. Experimente, Simulationsprogramme, Fließschemata vs. Fotografien vom technischen System).

Da die Dimensionen in Abhängigkeit zueinander zu gestalten sind, ergibt sich ein enormer methodischer Handlungsspielraum, dessen Komplexität – wie gesagt – nicht immer erkannt wird. Zur relativ einfachen Bewertung der methodischen Qualität wurden einzelne Merkmale operationalisiert (vgl. Tabelle 3). Die dargestellte Checkliste kann vor allem für die Selbstevaluation genutzt werden. Sie bietet einen schnellen Zugang zu wichtigen Aspekten, wobei es nicht darum gehen kann, jedes Merkmal maximal zu erfüllen. Das würde den Lehrprozess überfrachten. Wenn bestimmte Merkmale ausgeblendet werden (wie z. B. das Experiment), sollte der Lehrende begründen können, warum er darauf verzichtet. Dabei haben Argumente, die auf die Prozess- und Outputqualität orientieren (z. B. Kompetenzentwicklung, Initiieren von Erkenntnisprozessen durch die Konfrontation mit experimentell zugänglichen Phänomenen) Vorrang vor Argumenten, die auf die Inputqualität verweisen (mangelnde Zeit, schlechte Raumbedingungen und Ausstattung usw.). Letztere sind Ansatzpunkte für die Optimierung der Unterstützer- und Führungsprozess.

An den Best-Practise-Beispielen von WENTZEL und ROTTHUES (in diesem Band) kann exemplarisch sehr gut nachvollzogen werden, wie Qualitätsstandards bei der didaktischen Gestaltung beruflicher Lehr- und Lernprozesse gesichert werden können.


5.  Potenziale und Hemmnisse für die Qualitätssicherung in beruflichen Bildungseinrichtungen

Mit der Reflexion der Qualitätskriterien für die didaktische Gestaltung beruflicher Lehr- und Lernprozesse wurden bereits Potenziale und Barrieren für die Qualitätsentwicklung und -sicherung deutlich, welche unmittelbar mit den methodischen Kompetenzen der Bildungsakteure korrelieren. In der nachstehenden Tabelle werden noch einmal einige Potenziale und Grenzen des Qualitätsmanagement in Bildungsorganisationen gegenübergestellt, wie sie auch in der öffentlichen Diskussion angeführt werden.

 

FOKUS Individuum

FOKUS Institution

Potenziale

Optimierung des individuellen Lehrerhandelns:

•  Erfolgserlebnisse durch höhere Qualität des Lernens

•  Kompetenzempfinden steigt

•  Teambildung (im Kollegium, zu Kollegen andere Lernorte, zu den Lernenden)

Optimierung institutioneller Prozesse und Rahmenvorgaben durch:

•  höhere Autonomie, mehr organisatorische und pädagogische Freiheitsgrade

•  Steigendes öffentliches Ansehen und Transparenz der Leistung an der Schule

•  leistungsabhängige Ressourcenzuteilung (!?)

Hemmnisse, Grenzen

•  Fähigkeit zur Selbstkritik nicht selbstverständlich (Kompetenzen bzw. Kompetenzmängel sind zu wenig bewusst bzw. werden ignoriert.)

•  Kriterien „guten“ Unterrichts nicht ohne weiteres operationalisierbar

•  Befürchtung negativer Folgen für Karriere/Ressourcenzuweisung

•  Kultur der Selbstkritik sowie Umgang mit Fehlern und Nichtwissen wenig ausgeprägt

•  Kriterien „guten“ Unterrichts werden institutionell zu wenig diskutiert (FAßHAUER 2007)

•  QM erfordert zusätzliche Ressourcen für Führungs- und Unterstützerprozesse, die Kernprozessen verloren gehen

M. E. sprechen sowohl die Potenziale als auch die Hemmnisse für das Qualitätsmanagement in beruflichen Bildungseinrichtungen. Die Hemmnisse offenbaren ganz offensichtliche Handlungsschwerpunkte, die einer längst fälligen, aber sicher langwierigen Auseinandersetzung innerhalb der Community der beruflichen Bildung (und darüber hinaus) bedürfen. Solange an diesen Stellen kein Umdenken auf Seiten der Lehrenden, der Schulleitung bzw. Geschäftführung und der Schuladministration erzielt wird, kann auch die leistungsabhängige Ressourcenverteilung keine positiven Effekte bringen. Diese würde nämlich einen kritisch-konstruktiven Umgang mit den individuellen und den institutionellen Leistungen voraussetzen, der dann auch als solcher positiv zu werten ist.

Aus dieser Sicht bleibt die Frage offen, ob die Zertifizierung eines Bildungsunternehmens bzw. seiner Maßnahmen wirklich Schlussfolgerungen zur Qualität dieser Bildungsangeboten zulässt (vgl. hierzu Abschnitt 1).

 

Literatur

FASSHAUER, U. (2007): Bedeutung von Qualitätsmangement für didaktische Innovationen. In: berufsbildung. Zeitschrift für Praxis und Theorie in Betrieb und Schule, 61, H.106/107, 13-18.

FUßSTETTEN, H. (2007): Externe Evaluation aus der Sicht eines Wirtschaftsvertreters. In: berufsbildung. Zeitschrift für Praxis und Theorie in Betrieb und Schule, 61, H.106/107, 39/40.

GROßE, R. (2007): Anforderungen an handlungsorientierte Lehrbücher – diskutiert am Beispiel umwelttechnischer Berufe. Wissenschaftliche Arbeit an der TU Dresden. Dresden.

KLINGBERG, L. (1974): Einführung in die Allgemeine Didaktik. Vorlesungen. Berlin.

KLÜBER, K./ LÖWE C., R. (2006): QM und Zertifizierung in Bildungsorganisationen auf der Basis des internationalen Standards DIN EN ISO 9001:2000. Augsburg.

NIETHAMMER, M. (2006): Berufliches Lernen und Lehren in Korrelation zur chemiebezogenen Facharbeit. Bielefeld.

LANDWEHR, N. (2004): Q2E – Qualität durch Evaluation und Entwicklung. Das Q2E-Modell. In: BUCHEN, H./ HORSTER, L./ ROLFF, H.-G. (Hrsg.): Schulleitung und Schulentwicklung. Stuttgart/Berlin, 1-16.

ZÖLLER, A. (2007): Wegmarken zu einer systematischen schulischen Qualitätsentwicklung. In: berufsbildung. Zeitschrift für Praxis und Theorie in Betrieb und Schule, 61, H.106/107, 3-8.

 

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