wbv   Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.

 

 



Schrift vergrößern Schrift zurücksetzen Schrift verkleinern download pdf-file pdf file | www.bwpat.de









 

 bwp@ Spezial 4 | September 2008
Hochschultage Berufliche Bildung 2008
WS 04 Ernährung

Ausbildungsstrukturen in der Hamburger Lehrerbildung im Zuge der BA/MA-Reform



Abstract

Das hier vorgestellte Bändermodell war länger als ein Jahr Arbeitsgrundlage für die Erarbeitung von Strukturen des Kernpraktikums in Hamburg. Es ist als solches und in seiner Verortung im 1. Mastersemester für die allgemein bildenden Lehrämter im April von Vertretern der Universität grundlegend in Frage gestellt worden. Im Augenblick finden Diskussionen um alternative Modelle unter den beteiligten Institutionen statt. Dieser Beitrag bezieht sich im Wesentlichen auf einen Artikel von Tade Tramm und Rainer Schulz: Der Hamburger Weg zu einem integrierten Lehrerbildungscurriculum für Berufs- und Wirtschaftspädagogen (TRAMM/ SCHULZ 2007).

Die Reorganisation der Lehrerbildung in Hamburg

„The educational system cannot rise above the quality of ist teachers!“ (Frei übersetzt: Ein Bildungssystem kann qualitativ nicht besser sein, als seine Lehrerinnen und Lehrer! ), so Michael Fullan, in seiner Eröffnungsrede zum „Scottish Learning Festival 2007“ (FULLAN, M: The new meaning of educational change, 4 th edition, Teachers College Press, Columbia University 2007. http://www.ltscotland.org.uk/slf/video/michaelfullankeynotespeech.asp (26-3-2008).). Fullan stellt in der Rede einmal mehr die Frage nach den Geheimnissen für eine Verbesserung von Bildungssystemen und damit der Unterrichtsqualität hin zu nachhaltigem Lernen. Seiner Ansicht nach ist die eine Kultur des Nachfragens, Reflektierens und des gegenseitigen Vertrauens essentiell für nachhaltige Bildungsreformen. So basiert die in Hamburg auf den Weg gebrachte Reorganisation der Lehrerbildung strukturell auf direkter konzeptioneller und personaler Kooperation von erster und zweiter Phase der Lehrerbildung. Vertreten sind die Phasen einmal durch die Universität Hamburg und hier das Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik (IBW) sowie das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) und hier die Abteilung Ausbildung Berufliche Schulen (LIA3). Das Konzept selbst unterliegt dabei, wie bereits eingangs erwähnt, einer ständigen Weiterentwicklung. Der Begriff „Integrierte Lehrerbildung“ signalisiert damit, dass curriculare Integration sowie institutionelle Kooperation und Verzahnung in der Lehrerbildung im Zentrum der Reformen stehen.

Die Basis für die konzeptionelle Verständigung beider Institutionen bilden die folgenden Eckpunkte:

•  ein gemeinsames normatives Leitbild,

•  die Orientierung an Kompetenzen und Standards unter Berücksichtigung der KMK-Standards vom 16.12.2004,

•  die curriculare Integration auf der Grundlage eines Kompetenzentwicklungsmodells und hochschuldidaktisch begründeten Überlegungen zur Sequenzierung,

•  die Verzahnung von Theorie und Praxis.

Vorausgegangen sind dem Reformprojekt etliche Klagen über die Abschottung von Ausbildungsphasen, über mangelnde Kohärenz in der Gesamtausbildung, die Beliebigkeit der Studieninhalte, die Randexistenz der Lehramtsstudierenden bei den Fachwissenschaften, die schwache Position der Fachdidaktiken, den mangelnden Berufsfeldbezug der universitären und die zu wenig ausgeprägte Wissenschaftsorientierung der zweiten Phase.

Grundlage für die Entwicklung bildete die Drucksache 18/3809 des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg ( BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG 2006), die u. a. Eckpunkte beinhaltet, an denen sich die inhaltliche und Ausgestaltung einer phasenübergreifenden Lehrerbildung orientiert.

Voraussetzungen im Überblick:

•  Lehramtsstudiengänge sind konsequent auf die Bedürfnisse der späteren Berufstätigkeit in der Schule ausgerichtet;

•  praxisbezogene Einführung, ein vierwöchiges Orientierungspraktikum, ein Semester Praxis in der Masterphase; insbesondere das „Kernpraktikum“ in gemeinsamer institutioneller und personeller Verantwortung des LI und der Universität;

•  phasenübergreifende systematische Ausrichtung der Ausbildung an den zu erwerbenden Kompetenzen (Kerncurricula);

•  modularisierte Studiengänge und Akkreditierung im Rahmen des Europäischen Credit Transfer Systems;

•  zehnsemestriges Studium (inkl. eines Praxissemesters) und einjähriger Vorbereitungsdienst;

•  das Prüfungswesen wird während des Studiums reformiert (abschichtende Leistungen);

•  die Einrichtung eines Zentrums für Lehrerbildung (ZLH), getragen von LI, Universität und Schulentwicklung. Dadurch Ermöglichen von inhaltliche Abstimmungen des Studienangebots und Verbesserung der Anschlussfähigkeit der Phasen. Regelmäßige Evaluierung der Lehrerbildung und Weiterentwicklung den wechselnden Anforderungen entsprechend. Die Arbeit der Sozietäten (Es wurden insgesamt 28 Sozietäten eingerichtet. Neben Vertretern der Fachwissenschaften sind in ihnen Fachdidaktiker (IBW), Fachseminarleiter (LIA3) und Studierende vertreten. Für den Bereich Ernährung und Haushaltswissenschaften bzw. Hauswirtschaft ist die Sozietät 24 entstanden, zuständig für die Fachrichtungen der personenbezogenen Dienstleistungen, deren fachwissenschaftliche Ausbildung am Fachbereich Chemie der Uni HH erfolgt. Dazu gehören gleichberechtigt die Fachrichtungen: Gesundheit und Körperpflege sowie Chemotechnik. ) wird ebenfalls durch das ZLH koordiniert und gesteuert;

•  Berufeingangsphase für junge Lehrkräfte und verbindliche Einführung einer beruflichen Fortbildung für alle Lehrkräfte von 45 Stunden/Jahr.

Das Kernpraktikum stellt, neben anderen, zum Teil schon früher eingeleiteten tief greifenden Reformen, den zentralen Bestandteil einer integrativen Lehrerbildungskonzeption in der zweiten Phase der Lehrerbildung (Vgl. die bestehende Ausbildungsstruktur des LI in Modulen und Kontinua. LI 2004 und MUSTER-WÄBS/ PILLMANN-WESCHE/ RUPPEL 2003. ) dar.

Die Struktur des Kernpraktikums ist im Wesentlichen das Produkt einer intensiven Zusammenarbeit des damaligen Leiters der Abteilung Ausbildung für Berufliche Schulen im LI, Rainer Schulz sowie einer Arbeitsgruppe, vertreten durch die Fachseminarleiterin Barbara Fahland und Hauptseminarleiter Rainer Pillmann-Wesche mit Prof. Tade Tramm und Prof. Thomas Vollmer, beide vom ibw. Die Beteiligung der Akteure auch auf der schulischen Ebene ist im Februar 2008 durch einen LI-Workshop eingeleitet worden.

Grundprinzip des Kernpraktikums ist es, über den primären Gewinn von Handlungssicherheit, die Routinebildung und den Abbau von Ängsten und Unsicherheiten zu kognitiven Fähigkeiten und der affektiven Bereitschaft zu gelangen, um sich mit der Praxis reflexiv und analytisch auseinanderzusetzen. Als Voraussetzung gelten qualifizierte Mentoren an den Schulen und Seminarleiter des LI, die den Praxisprozess vorantreiben. Entscheidend ist die enge Zusammenarbeit mit den Universitätsvertretern.

Das Ausgestaltungskonzept zum Zeitpunkt der Hochschultage 2008 stelle ich im Folgenden kurz vor (Die Struktur hat sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits verändert. ).

Es soll:

•  mit 30 Leistungspunkten integraler Teil des Studiengangs auf Masterniveau sein,

•  im Umfang von einem Semester auf den Vorbereitungsdienst angerechnet werden,

•  in gemeinsamer personeller und institutioneller Verantwortung der Universität und des Landesinstituts durchgeführt werden,

•  wesentlich an beruflichen Schulen und unter Beteiligung der beruflichen Schulen durchgeführt werden (45 Berufliche Schulen als potentielle Ausbildungspartner in Hamburg),

•  die Didaktiken der beruflichen Fachrichtungen, die Fachdidaktiken der (zweiten) Unterrichtsfächer und schließlich die Fachwissenschaften (der beruflichen Fachrichtungen und der Unterrichtsfächer).

Aus diesem Kontext heraus wurde ein so genanntes „Bändermodell“ (Barbara Fahland, FSL WL und Prof. Dr. Thomas Vollmer) als gemeinsamer Rahmen vom Zentrum für Lehrerbildung (ZLH) verabschiedet. Es soll sich voraussichtlich auf das zweite (10 LP) und dritte (20 LP) Mastersemester erstrecken, um damit zu gewährleisten, dass die Studierenden insbesondere ihre fachwissenschaftlichen Studien während des Kernpraktikums fortsetzen können und nicht aus dem, häufig jährlich abgestimmten, Veranstaltungsturnus ausgesondert sind. Die Masterarbeit im vierten Semester soll mit einem klaren erziehungswissenschaftlich-didaktischen Bezug und in Anbindung an das Kernpraktikum verfasst werden.

Im Kernpraktikum erkunden die Studierenden im Tandem zunächst das System Schule und übernehmen Assistenztätigkeiten. Danach führen sie unterrichtspraktische Versuche durch, die, begleitet durch kollegiale Beratung, in selbständigem Unterricht münden. Dazu parallel verläuft ein Band von Reflexions- und Supervisionsprozessen in größeren Gruppen von 12-14 Studierenden. Ein weiteres Band bilden Leistungen, die in diesem Rahmen für das System Schule erbracht werden wie die Erarbeitung von Unterrichtsmaterialien. Aber auch integrierte Projekte aus einer Forschungsperspektive. Diese liegen in der Verantwortung der Universität und sollen der Gefahr einer allzu starken Verengung der Ausbildung auf praktische Anforderungen vorbeugen (Eine detaillierte Darstellung dieser Zusammenfassung entnehmen Sie bitte aus: TRAMM, Tade; SCHULZ, Rainer: Der Hamburger Weg zu einem integrierten Lehrerbildungscurriculum für Berufs- und Wirtschaftspädagogen, in: bwp@, Nr. 12, Juni 2007.
Online unter: http://bwpat.de/ausgabe12/tramm_schulz_bwpat12.pdf
).

Da die Struktur in ihrer sequentiellen Gestaltung seitens der Universität grundsätzlich in Frage gestellt worden ist, finden fortlaufend rege Diskussionen um mögliche alternative Vorschläge statt. Das zeigt meiner Ansicht nach, dass sich hier eine Kultur des Nachfragens und Reflektierens ausgebildet hat. Der Veränderungsprozess ist damit in permanenter Bewegung, die allerdings nicht linear verläuft. Die Basis für die Nachhaltigkeit der Reformen ist vorhanden; setzt jedoch die vertrauensvolle Einbeziehung aller Akteure in Planung und Implementierung in Verbindung mit einer gezielten Informationspolitik voraus.

 

Literatur

BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG (Hrsg.) (2006): Reform der Lehrerausbildung. Mittelungen des Senats an die Bürgerschaft. Drucksache 18/3809 vom 28.02.06.

FULLAN, M. (2007): The new meaning of educational change, 4th edition, Teachers College Press, Columbia University .

INSTITUT FÜR BERUFS- UND WIRTSCHAFTSPÄDAGOGIK [IBW] (2003): Kerncurriculum Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Hamburg.

KMK (2004): Standards für die Lehrerbildung. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004, Bonn.

LANDESINSTITUT FÜR LEHRERBILDUNG UND SCHULENTWICKLUNG HAMBURG [LI] (Hrsg.) (2004): Konzept der Teilmodularisierung der Lehrerbildung. Hamburg.

MUSTER-WÄBS, H./ PILLMANN-WESCHE, R./ RUPPEL, A. (2003): Basisüberlegungen zum Modellversuch UbS-HH und dessen Zusammenhang mit Aspekten der Reform der Lehrerinnen- und Lehrerbildung in Hamburg. Hamburg.

TRAMM, T./ SCHULZ, R. (2007): Der Hamburger Weg zu einem integrierten Lehrerbildungscurriculum für Berufs- und Wirtschaftspädagogen. In: bwp@, Nr. 12, Juni 2007. Online: http://bwpat.de/ausgabe12/tramm_schulz_bwpat12.pdf (10-07-2008).

 

------------------------
bwp@ 2001 - 2008
Hrsg. von Karin Büchter, Franz Gramlinger, Martin Kipp, H.-Hugo Kremer und Tade Tramm
Postalische Adresse:
bwp@
Universität Hamburg, Sedanstraße 19, 20146 Hamburg
Im Internet: http://www.bwpat.de
bwp@ erscheint 2xjährlich ausschließlich online
Development: HoHo OG, DK-AT
(C) 2008 bwpat.de