Wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungsprozesse führen offenbar immer häufiger zu Diskontinuitäten und einer Entstandardisierung von Erwerbsbiographien. Zur Bewältigung dieser Herausforderung wird dem lebenslangen Lernen eine besondere Rolle zugeschrieben, zumal eine berufliche Erstausbildung nur noch eine Einstiegsqualifikation in den Arbeitsmarkt zu sein scheint, die es durch fortlaufende berufsbezogene Weiterbildung zu aktualisieren gilt. Lebenslanges Lernen umfasst dabei nicht nur formale und non-formale, sondern ebenso informelle Lernprozesse. Als komplementäre Lernform sind letztere zunächst auf bildungspolitischer und inzwischen auch auf bildungspraktischer Ebene in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Dabei wird in Deutschland immer wieder über „Bildungspässe“ oder „Portfolios“ als mögliche Instrumente zur Erkennung beziehungsweise Anerkennung informellen Lernens diskutiert.
Ausgehend von einer kurzen Darstellung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungsprozesse stehen im Rahmen dieses Beitrages zunächst die Entwicklungen zur Verbesserung der Anerkennung informellen Lernens in Europa und Deutschland im Mittelpunkt. Exemplarisch werden dabei Aufbau und Ablauf von „Bildungspässen“ und „Portfolios“ vorgestellt. Über die „Gemeinsamen Europäischen Grundsätze für die Ermittlung und Validierung von nicht-formalen und informellen Lernprozessen“ im Besonderen wird dann der Bogen zu Qualitätsstandards berufsbezogener Weiterbildung im Allgemeinen aus der Teilnehmendenperspektive geschlagen. Diesbezüglich besteht eine zentrale Annahme darin, dass sich die Individualisierung von Berufsverläufen in einer Individualisierung von Bildungsangeboten spiegeln muss. Dies sollte durch professionelle Beratung und Begleitung getragen werden, wobei individuelle Voraussetzungen und institutionelle Strukturen idealer Weise ineinander greifen. Schließlich werden auf eher allgemeiner Ebene empirische Befunde zum Nutzen und zu Barrieren berufsbezogener Weiterbildung in diesen Kontext gestellt.
„Was kann ich wissen?“ – „Was soll ich tun?“ – „Was darf ich hoffen?“, diese drei Grundfragen der Kant'schen Philosophie stellen sich auch dem postmodernen Menschen immer wieder aufs Neue. Technisierung der Arbeitswelt, Globalisierung und Individualisierung haben die Rahmenbedingungen beruflicher Biografien und privaten Lebensumstände in den westlichen Industrienationen in Bewegung gebracht (vgl. BECK 1986). Der Wandel als solcher ist dabei eigentlich nichts Neues, neu sind vielmehr dessen Geschwindigkeit, Qualität und Folgewirkungen. Zudem gibt es völlig neue Anforderungen an den Einzelnen, sich aktiv an der Gestaltung gesellschaftlicher Entwicklungen, die sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig und zukunftsfähig sind, zu beteiligen.
Dem Einzelnen haben diese Veränderungen einen geschichtlich bisher einzigartigen Freiraum zur Gestaltung der eigenen (Berufs)Biografie beschert. Damit einher geht jedoch ein wachsendes individuelles, soziales und ökonomisches Risiko. Der Zugewinn an Freiheit führt letztendlich auch zur Notwendigkeit, diese Freiräume zu nutzen, führt zu Entscheidungszwängen und möglicherweise sogar zu einer Überforderung des Einzelnen bei ihrer Ausgestaltung.
Ein wesentliches Element einer konstruktiven Bewältigung dieser und zukünftiger Herausforderungen wird dabei in der Gestaltung einer lernfähigen Gesellschaft gesehen, die sich dadurch auszeichnet, dass allgemeine und berufliche Bildung nicht mit einer Lebensphase abgeschlossen sind, sondern kontinuierlich stattfinden. Selbst wenn in der Literatur nachzulesen ist, dass „von einer Erosion der Normalarbeitsverhältnisse keine Rede sein [kann]“ (BECKER 2004, 62), verstärkt sich der Eindruck, dass sich als Folge dieser Enttraditionalisierung und Individualisierung „Normalerwerbsbiografien“ immer stärker auflösen. Das „Drei-Phasen-Modell […] mit der schulischen und beruflichen Ausbildung bis zum Alter 16, 19 oder etwa 25 am Anfang, der Berufstätigkeit im erlernten Beruf ohne erzwungenen Wechsel in der Mitte und Rente beziehungsweise Pension ab 65 am Ende“ (BOLDER 2006, 66), also der eine Lebensberuf, wird anscheinend abgelöst von einem durch kleinere oder größere Brüche gekennzeichneten Berufsweg. Dieser ruht auf dem Fundament einer breit angelegten (beruflichen) Erstausbildung, an das sich im Laufe des Berufs- und Alltagslebens immer wieder Phasen des Lernens anschließen, die es ermöglichen, mit den sich permanent verändernden Rahmenbedingungen und der ständigen Erneuerung des Wissens Schritt zu halten. Die Kontinuität liegt demnach im beständigen Wandel, und es ist – so wird es zumindest auf politisch-programmatischer Ebene gefordert - Aufgabe des Einzelnen diese dynamische Kontinuität durch eine aktive berufliche und private Weiterentwicklung möglichst vorausschauend mit zu gestalten. Ein solches lebenslanges Lernen für alle ist in den vergangenen Jahren zu einem zentralen Motiv für die Gestaltung der deutschen Bildungslandschaft geworden. Die Unterstützung dieses lebenslangen Lernens kann grundsätzlich auf zwei Wegen erfolgen. Zum einen kann es auf institutioneller Ebene durch die engere Verzahnung und erhöhte Durchlässigkeit zwischen unterschiedlichen Bildungsbereichen gefördert werden, zum anderen kann auf individueller Ebene eine Unterstützung des Einzelnen ansetzen.
In der „Strategie für lebenslanges Lernen in der Bundesrepublik Deutschland“ wird dieses hypothetische Konstrukt definitorisch als „konstruktives Verarbeiten von Informationen und Erfahrungen zu Kenntnissen, Einsichten und Kompetenzen“ (BUND-LÄNDER-KOMMISSION FÜR BILDUNGSPLANUNG UND FORSCHUNGSFÖRDERUNG 2004, 13) gefasst, dass sich „an verschiedenen Lernorten von der frühen Kindheit bis einschließlich der Phase des Ruhestandes“ vollzieht (EBENDA, 13). Dieses nationale Strategiepapier ist Ausdruck einer bildungspolitischen Entwicklung innerhalb der Europäischen Union, die vor gut zehn Jahren eingesetzt hat und in der lebenslanges Lernens für alle Bürgerinnen und Bürger allmählich von der theoretisch-programmatischen Ebene auf die praktische Ebene geführt werden soll. Ein Meilenstein dieses Prozesses ist das „Memorandum über lebenslanges Lernen“ (KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN 2000) aus dem Jahr 2000. Basierend auf dem Europäischen Rat von Lissabon, in dem die Schlussfolgerung gezogen wurde, „dass der erfolgreiche Übergang zur wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft mit einer Orientierung zum lebenslangen Lernen einhergehen muss“ (EBENDA, 3), werden darin im Rahmen von sechs Grundbotschaften Ziele definiert, mit denen eine umfassende Strategie für lebenslanges Lernen verfolgt werden soll. Lebenslanges Lernen wird dabei nicht als ein Aspekt von Bildung und Berufsbildung gesehen, vielmehr soll es zum Grundprinzip werden, an dem sich Angebot und Nachfrage in sämtlichen Lernkontexten ausrichten.
Die darin enthaltenen Maßnahmen zur Förderung lebenslanger Lernprozesse orientieren sich zunächst an den einzelnen Lebensphasen. Das „Strategiepapier für Lebenslanges Lernen in der Bundesrepublik Deutschland“ (vgl. BUND-LÄNDER-KOMMISSION FÜR BILDUNGSPLANUNG UND FORSCHUNGSFÖRDERUNG 2004) unterscheidet diesbezüglich zwischen Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen, Erwachsenen und Älteren als den Akteuren lebenslangen Lernens. Darüber hinaus definiert das Strategiepapier informelles Lernen, Selbststeuerung, Kompetenzentwicklung, Vernetzung, Modularisierung, Lernberatung, neue Lernkultur und gerechten Zugang zur Bildung als zentrale Entwicklungsschwerpunkte in jeder dieser Lebensphasen. Verknüpft man die Entwicklungsschwerpunkte mit den einzelnen Lebensphasen, so erhält man eine Art „Arbeitsmatrix“ für lebenslanges Lernen, die es individuell mit Inhalt zu füllen gilt.
In diesem Dokument wie auch im Memorandum über lebenslanges Lernen wird eine Differenzierung lebenslangen Lernens in die Lernformen formales, non-formales und informelles Lernen vorgenommen. „Das Kontinuum des lebenslangen Lernens rückt dabei das nicht-formale und das informelle Lernen stärker ins Bild“ (KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN 2000, 10). Formales, nicht-formales und informelles Lernen schließen sie sich demnach nicht gegenseitig aus, vielmehr stehen sie in einem komplementären Ergänzungsverhältnis.
Unterscheiden lassen sich diese Lernformen zunächst aufgrund ihrer Organisationsform (vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG 2004, 146). Während formale und non-formale Lernprozesse im Hinblick auf Lernzeiten, Lernorte, Lerninhalte und Lernformen fremdorganisiert werden, sind informelle Lernprozesse diesbezüglich selbstorganisiert. Diese Selbstorganisation des Lernens kann mit voller Absicht erfolgen, sie kann sich aber auch en passant, das heißt beiläufig und unbewusst vollziehen. Eine weitere Unterscheidung bezieht sich auf die Bewertung von Lernergebnissen. Formales und non-formales Lernen führen zu Zertifikaten, das heißt zu Dokumenten, mit denen an einem definierten Standard überprüftes Wissen und Können eines Individuums von einer externen Instanz bescheinigt wird. Voneinander abgrenzen lassen sich diese beiden Lernformen hinsichtlich ihrer Reichweite. Während Zertifikate formaler Lernprozesse, wie etwa Schulzeugnisse, Berufs- oder Studienabschlüsse, eine sehr hohe Verkehrsgeltung besitzen, sind die Zertifikate non-formaler Lernprozesse, wie zum Beispiel innerbetriebliche Weiterbildungsabschlüsse, relativ von geringerer Bedeutung. Vielfach handelt es sich hier um Teilnahmebestätigungen. Die Ergebnisse informellen Lernens werden im Unterschied dazu üblicherweise nicht zertifiziert. Faktisch kann daraus die Situation resultieren, dass eine Person umfangreiches Wissen und Können in einem bestimmten Bereich außerhalb formaler Kontexte erworben hat und über eine entsprechende Kompetenz im Sinne von Handlungsfähigkeit verfügt, diese Kompetenz jedoch für sie selbst im Verborgenen liegt und/oder gegenüber Anderen nicht dokumentiert und somit auch nicht darstellbar ist.
Die analytische Trennung von formalem, non-formalem und informellem Lernen öffnet den Blick für den Unterschied zwischen „Qualifikation“ im Sinne einer an definierten Anforderungen ausgerichteten und entsprechend zertifizierten Handlungsfähigkeit und „Kompetenz“ als einer nicht zertifizierten Handlungsfähigkeit. Damit verbunden ist der Perspektivwechsel von einer mehr objektiven zu einer mehr subjektiven Betrachtungsweise von insbesondere beruflicher Handlungsfähigkeit. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Individualisierung und Selbstorganisation von Lernprozessen wird dem informellen Lernen eine wachsende Bedeutung zugeschrieben, da es eine Betrachtung der jenseits von Qualifikationen liegenden oder über Qualifikationen hinaus gehenden Kompetenzen einer Person ermöglicht. Vor diesem Hintergrund ist nun eine der Grundbotschaften des „Memorandums über lebenslanges Lernen“ die deutliche Verbesserung der Methoden zur Bewertung von Beteiligung und vor allem Erfolg informellen Lernens (KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN 2000, 18). Dieser für das Bildungssystem paradigmatische Wechsel von der Input- zur Outputperspektive stellt einen Beitrag zur Förderung gesellschaftlicher Mobilität und Teilhabe, insbesondere von mutmaßlich bildungsbenachteiligten und lernfernen Gruppen dar. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 70% aller Lernprozesse informell stattfinden. Die Sicht auf Lernen wird jedoch maßgeblich durch die formale schulische Lernerfahrung geprägt, die häufig negativ besetzt ist. Dabei wird übersehen, dass auch im alltäglichen Handeln viele Probleme flexibel und lösungsorientiert bewältigt werden, und dieses Meistern des Alltages auch auf permanenten Lernprozessen basiert. Im Hinblick auf die Entwicklung von Fähigkeiten zum selbst gesteuerten und selbst organisierten Lernen wird mit dem Fokus auf Kompetenzen ein grundlegender Perspektivwechsel von der individuellen „Fehlersuche“ zur individuellen „Schatzsuche“ oder ein Wechsel von der Defizit- zur Kompetenzorientierung vollzogen.
Diese Perspektive findet sich beispielsweise im EUROPASS-Konzept der Europäischen Union wieder. Mit dem „Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlamentes und des Rates über ein einheitliches Rahmenkonzept zur Förderung der Transparenz von Qualifikationen und Kompetenzen (EUROPASS)“ (KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN 2003) Bei der Transparenz von Qualifikationen und Kompetenzen steht im Unterschied zu einer formalen Anerkennung - als Zulassung zu Bildungsgängen oder als Anrechnung von Bildungsinhalten zur Verkürzung von Bildungsgängen – eine gesellschaftliche Anerkennung zur Erhöhung der Mobilität zwischen Ländern und Regionen, zwischen Wirtschaftszweigen und Unternehmen und unter dem Aspekt des lebenslangen Lernens zwischen Lernen und Arbeiten im Mittelpunkt. Ziel ist es, vorhandene Instrumente zu integrieren, damit diese Dokumente leichter zugänglich, kohärenter und bekannter werden, da „ein abgestimmtes Portfolio von Dokumenten ... eine stärkere Kommunikationswirkung als eine lose Sammlung separater Dokumente [ hat ] “ (EBENDA, 8). Dieser Bezugsrahmen soll darüber hinaus auch für die Entwicklung weiterer Instrumente dienen. Der Vorschlag setzt die ersten fünf Dokumente fest, die in das EUROPASS-Portfolio (siehe http://www.europass-info.de ) einbezogen worden sind. Kernstück des Portfolios ist der „Europäische Lebenslauf“. Daneben enthält es den in „Mobilipass“ umbenannten und überarbeiteten bisherigen „EUROPASS Berufsbildung“, mit dem alle lernrelevanten transnationalen Mobilitätserfahrungen in ganz Europa erfasst werden sollen, einen Diplomzusatz für den Bereich der Hochschulbildung, in dem Informationen über den spezifischen Bildungsweg des Inhabers enthalten sind, eine Zeugniserläuterung für den Bereich der beruflichen Bildung, in der unabhängig vom Inhaber eine berufliche Qualifikation näher erläutert wird, sowie das Europäische Sprachenportfolio. Darüber hinaus können weitere Dokumente hinzugefügt werden, um eine stärkere Konzentration auf bestimmte Bereiche oder Fertigkeiten zu ermöglichen.
Betrachtet man existierende Ansätze zur formalen Anerkennung informell erworbener Kompetenzen in Europa, so lässt sich erkennen, dass in den meisten europäischen Ländern in den vergangenen Jahren gesetzliche Grundlagen für eine formale Anerkennung informell erworbener Kompetenzen geschaffen worden sind (vgl. BJÖRNAVOLD 2000). Teilweise verbunden mit Reformen von Berufsbildungssystemen wird damit ein prinzipiell erleichterter Zugang zu Bildungswegen, eine Verkürzung von Bildungszeiten oder die Zulassung zu Prüfungen ermöglicht. Die Situation in Deutschland unterscheidet sich davon insofern grundlegend, als hier vergleichsweise weniger Möglichkeiten einer formalen Anerkennung informellen Lernens bestehen. Allerdings gibt es auch hier mehr Ansätze, als sich auf den ersten Blick vermuten lässt (vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (Hrsg.) 2008). Am prominentesten sind dabei die Externenprüfung nach dem Berufsbildungsgesetz bzw. der Handwerksordnung oder der Hochschulzugang für berufliche qualifizierte Personen ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung. Im Unterschied dazu schlägt sich die gesellschaftliche Anerkennung informell erworbener Kompetenzen in Deutschland in einer Fülle von Kompetenzbilanzierungen und Portfolios nieder (vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (Hrsg.) 2004 oder ERPENBECK/ VON ROSENSTIEL 2007).
Im Rahmen der Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie für einen „Weiterbildungspass mit Zertifizierung informellen Lernens“ (vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (Hrsg.) 2004) wurden diese Nachweisformen im Sinne von Kompetenzbilanzierungen und Portfolios im Rahmen einer explorativen Studie erstmals in Deutschland näher untersucht. Dabei wurde zunächst festgestellt, dass es sich überwiegend um Tätigkeitsnachweise oder Teilnahmedokumentationen von Bildungsveranstaltungen handelt, eine darüber hinausgehende Identifizierung von Fähigkeiten und Kompetenzen auf Grundlage der jeweiligen Inhalte jedoch die Ausnahme darstellt. Darüber hinaus ist erkennbar, dass derartige Instrumente in einzelnen gesellschaftlichen Teilbereichen eingesetzt werden.
Am Übergang Schule-Beruf finden sich beispielsweise der Berufswahlpass oder der ProfilPASS für junge Menschen. Der Berufswahlpass unterstützt berufliche Entscheidungsprozesse im Rahmen eines schulischen Gesamtkonzeptes, wobei die Dokumentation von Kompetenzen dabei einen Baustein bildet, der in andere Schritte eingebettet ist. Der ProfilPASS für junge Menschen verfolgt einen methodisch differenzierteren Ansatz. Ausgehend von Tätigkeiten zielt er auf eine durch qualifizierte Personen begleitete systematische Orientierung über Eigenschaften und Stärken sowie deren Entwicklung. Ausgehend von individuellen Stärken arbeiten beide Ansätze wesentlich mit Selbsteinschätzungen, sind entwicklungsorientiert ausgerichtet und leisten einen Beitrag zur Stärkung des Selbstbewusstseins.
Im beruflichen Bereich finden sich vor allem Ansätze zur Bescheinigung der Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen, die sowohl inner-, als auch überbetrieblich eingesetzt werden. Dabei werden auf Formblättern unter anderem Zeitpunkt und Dauer sowie Titel und Thema von Veranstaltungen erfasst. Über eine reine Dokumentation und Sammlung hinaus gehende Ansätze finden sich beispielsweise beim Job-Navigator, der unter anderem ein Kompetenzhandbuch zur Erstellung einer Kompetenzbilanz und eine systematische Potenzialanalyse beinhaltet, oder dem Talentkompass NRW, mit dem man sich Erfahrungen, Wissen, aber auch Interessen und Werte bewusst machen kann.
Im ehrenamtlichen Bereich lassen sich Ansätze finden, bei denen sowohl Tätigkeitsbeschreibungen, als auch die Bescheinigung der Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen erfolgen, so zum Beispiel durch die Nachweismappe Ehrenamt. Ein neuerer Ansatz ist der Kompetenznachweis Lernen im sozialen Ehrenamt, mit dem ausgehend von einer Tätigkeitsanalyse vorab definierte überfachliche Kompetenzen aus der Freiwilligenarbeit erfasst und bilanziert werden.
Diese Herangehensweise findet sich auch in der Kompetenzbilanz für Berufsrückkehrerinnen. Ausgehend von Situationen aus der Familientätigkeit werden hier ebenfalls nach Feldern gegliederte Kompetenzen zunächst im Rahmen einer Selbsteinschätzung bewertet und die Ergebnisse mit der Einschätzung einer anderen Person verglichen. Während bei diesem und dem voraus gehenden Ansatz Beratung eine untergeordnete Rolle spielt, ist diese beim Kompetenznachweis Kultur ein unverzichtbares Element. Hier werden Schlüsselkompetenzen Jugendlicher, die an künstlerischen und kulturpädagogischen Veranstaltungen teilgenommen haben, herausgearbeitet.
Im Zuge der oben angesprochenen explorativen Untersuchung wurden Empfehlungen für die Gestaltung eines bildungsbereichs- und zielgruppenübergreifenden Ansatzes in Deutschland formuliert. Daraus ist das ProfilPASS-System entstanden, bei dem die prozessorientierte Ermittlung, Bilanzierung und Entwicklung von Fähigkeiten und Kompetenzen als Beitrag zur Förderung der individuellen Dialogfähigkeit im Mittelpunkt steht. Ausgehend von einzelnen Tätigkeitsfeldern werden hier biografische Etappen gesammelt und die damit verbunden Tätigkeiten auf Fähigkeiten und Kompetenzen untersucht. Diese sind nicht vorgegeben, sondern müssen von den Nutzenden selbst in Worte gefasst werden. Begleitende Beratung stellt hierbei einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar.
Im Hinblick auf die Einordnung und Wertigkeit dieser verschiedenen Ansätze stellt sich unmittelbar die Frage der Qualität. Einen Anhaltspunkt bietet der „Entwurf von Schlussfolgerungen des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedsstaaten zu gemeinsamen europäischen Grundsätzen für die Ermittlung und Validierung von nicht formalen und informellen Lernprozessen“, die seit Mai 2004 vorliegen (RAT DER EUROPÄISCHEN UNION 2004). Sie zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie keine bestimmten methodischen oder institutionellen Lösungen vorgeben, da solche Lösungen in ihrem Zuschnitt den lokalen, regionalen, sektoralen oder einzelstaatlichen Besonderheiten Rechnung tragen müssen, und umreißen grundlegende Anforderungen, die unbedingt erfüllt sein müssen, damit sich ein nachhaltiges Klima von Vertrauen, Unparteilichkeit und Glaubwürdigkeit entfalten kann. Die Grundsätze gruppieren sich in die vier Hauptrubriken individuelle Ansprüche, Verpflichtungen der Akteure, Vertrauen und Verlässlichkeit sowie Glaubwürdigkeit und Rechtmäßigkeit. So sollten derartige Verfahren beispielsweise auf dem Grundsatz der Freiwilligkeit beruhen, in Orientierung, Beratung und Informationen in Bezug auf diese Systeme und Ansätze eingebettet sein oder unparteilich bewertet werden.
Speziell für den Übergang zwischen Schule und Beruf wurden im Rahmen des Transferprojektes „Kompetenzfeststellung im Übergang Schule – Beruf“ zum Programm „Kompetenzen fördern – Berufliche Qualifizierung für Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf“ Qualitätsstandards formuliert (BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG (Hrsg.) 2007). Diese gruppieren sich in die drei Rubriken pädagogische Prinzipien, professionelle Umsetzung und systematische Beobachtung und werden beispielsweise im Hinblick auf Subjektorientierung, Lebens- und Arbeitsweltbezug, Schulung des Personals, kriteriengeleitete Beobachtung oder Trennung von Beobachtung und Bewertung ausgeführt.
Wenn, wie einführend dargestellt, eine berufliche Erstausbildung „nur noch“ eine Einstiegsqualifikation in den Arbeitsmarkt darstellt und allgemeine und berufliche Bildung nicht mit einer Lebensphase abgeschlossen sind, sondern kontinuierlich stattfinden, dann kommt der Qualität von Weiterbildungsmaßnahmen als eine Bedingung für die Möglichkeit der erfolgreichen Gestaltung insbesondere beruflicher Biographien ein besonderer Stellenwert zu. Im Verständnis der inzwischen international anerkannten Begriffsdefinition der DIN ISO 8042 wird Qualität als „Gesamtheit aller Merkmale und Eigenschaften eines Produktes oder einer Dienstleistung, die sich auf deren Eignung zur Erfüllung festgelegter oder vorausgesetzter Erfordernisse beziehen“ betrachtet. Unter Weiterbildung wird in Deutschland die „Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase“ (DEUTSCHER BILDUNGSRAT 1970, 197) verstanden. Im Hinblick auf die Erweiterung der Perspektive von Qualifikationen um Kompetenzen hat sich auch das Verständnis von Weiterbildung im Sinne dieser Definition inzwischen insofern verändert, als in den 1970er Jahren des letzten Jahrhunderts beim Gedanken an „organisiertes Lernen“ vor allem fremdorganisiertes Lernen im Mittelpunkt stand, dieses Verständnis inzwischen jedoch um selbstorganisiertes Lernen erweitert wurde.
Betrachtet man berufsbezogene Weiterbildungsangebote im Bereich der Hauswirtschaft, so findet sich hier eine Vielzahl von Angeboten. Sei es Meister/in der Hauswirtschaft, geprüfte/r Fachhauswirtschafter/in, geprüfte Fachkraft für Haushaltsführung und Familienbetreuung in Haushalten landwirtschaftlicher Betriebe (Dorfhelfer/in), stattlich geprüfte/r Wirtschafter/in, staatliche geprüfte/r hauswirtschaftliche/r Betriebsleiter/in oder staatlich anerkannte/r Familienpfleger/in, für potenzielle Nutzer und Nutzerinnen solcher Angebote stellt sich die Frage, wie man sich darin zurechtfinden und eine geeignete Auswahl treffen kann. Im Sinne der oben angesprochenen vorausschauenden Planung von biographischen Berufsverläufen können - ausgehend von einer Klärung der persönlichen Ziele und Voraussetzungen -Checklisten als eine Hilfe zur Operationalisierung von Qualität einer Bildungsmaßnahme herangezogen werden. Beispielhaft werden hier die Checklisten des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung und des Bundesinstituts für Berufsbildung aufgegriffen.
In der Checkliste „Wie finde ich die richtige Weiterbildung?“ (DEUTSCHES INSTITUT FÜR ERWACHSENENBILDUNG (o.J.)) werden aus Sicht der Nutzenden von allgemeinen und berufsbezogenen Weiterbildungsangeboten für die Bereiche „Überblick verschaffen“, „Qualität des Angebots“, „Qualität des Anbieters“ sowie „Kosten und Fördermöglichkeiten“ Prüfkriterien zur Verfügung gestellt. Hinsichtlich der Qualität des Angebotes ist beispielsweise von Bedeutung, ob Informationen schriftlich zur Verfügung gestellt werden, Ziele, Inhalte und Dauer eines Angebotes klar benannt sind, Angaben zu Arbeitsweisen, Methoden und Qualifikation der Lehrkräfte gegeben werden oder eine persönliche Beratung angeboten wird. Mit dem einleitenden Hinweis, dass Erfolg und Zufriedenheit einer Weiterbildung nicht zuletzt von der eigenen Beteiligung abhängen, wird der Klärung der eigenen Ziele und Möglichkeiten eine zentrale Rolle zugewiesen.
Vom Umfang her differenziertere Fragestellungen finden sich in der speziell auf die berufliche Bildung zugeschnittenen Checkliste „Qualität beruflicher Weiterbildung“ (BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG 2001). Dargestellt werden hier sieben Bereiche, die ausgehend von den folgenden Leitfragen weiter ausgeführt werden:
Was sollten Sie vor der Entscheidung für eine Weiterbildungsmaßnahme beachten?
Was kostet die Weiterbildung?
Wie gewährleistet der Anbieter die Qualität seiner Weiterbildung?
Um welche Art von Maßnahmen handelt es sich, wie ist sie organisiert?
Wie ist die Maßnahme aufgebaut? Welche Inhalte werden vermittelt? Welche Methoden werden eingesetzt, welche Lernmittel genutzt?
Mit welchem Abschluss endet die Weiterbildungsmaßnahme?
Welche Bedeutung hat der Abschluss der Weiterbildungsmaßnahme für Ihre berufliche Zukunft?
Die Klärung der eigenen Ziele und Möglichkeiten steht wie bei der zuvor beschriebenen Checkliste auch hier am Anfang. So ist im Hinblick auf die mögliche Auswahl einer berufsbezogenen Weiterbildungsmaßnahme zunächst zu überlegen, was damit genau erreicht werden soll. Auf der Grundlage einer Klärung der persönlichen Voraussetzungen kann dann in einem nachfolgenden Schritt, möglicherweise unterstützt durch Bildungsberatung eine zielgerichtete und systematische Suche nach entsprechenden Möglichkeiten und Angeboten durchgeführt werden. Hinsichtlich der Prozessqualität eines Angebotes stehen Aspekte wie zugrunde liegende und einsehbare Lehrpläne, eingesetzte Methoden, Angebote zur Unterstützung der Teilnehmenden beim Lernen oder der Praxisbezug und damit auch die Frage der Grundqualifizierung und (laufenden) Weiterbildung des Bildungspersonals im Vordergrund. Neben diesen personalen Aspekten geht es aber auch um die infrastrukturelle Ausstattung einer Einrichtung, also darum, ob Räumlichkeiten in entsprechender Anzahl und Ausstattung sowie in entsprechendem Zustand vorhanden sind. Im Sinne einer laufenden Verbesserung der Angebote stellt sich hier auch die Frage nach der Evaluation vorhandener Angebote durch die Weiterbildungseinrichtung selbst, darüber hinaus gehend ebenso nach dem Vorhandensein eines Qualitätssicherungskonzeptes und idealer Weise eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems. Einen besonderen Zuschnitt auf die Bedürfnisse der Lernenden und des Lernprozesses bietet diesbezüglich beispielsweise die Lernerorientierte Qualitätstestierung in der Weiterbildung (LQW) (ZECH 2006).
Bezogen auf den Outcome einer berufsbezogenen Weiterbildungsmaßnahme sollte die Frage gestellt werden, in welcher Form die vermittelten Inhalte und hinzugewonnen Kompetenzen im anschließenden Tätigkeitszusammenhang eingebracht werden können. Zur Unterstützung eines solchen Transfers werden hier modellhafte Ansätze erprobt, den Transfer des Gelernten in den jeweiligen Tätigkeitszusammenhang durch professionelle Begleitung als festen Bestandteil in eine berufsbezogene Weiterbildungsmaßnahme zu integrieren. Neben harten Faktoren, wie etwa einem Einkommenszuwachs, sollten bei der Beurteilung des potenziellen Nutzens aber auch weichere Faktoren, wie die Sicherung des Arbeitsplatzes, die Verbesserung von Aufstiegschancen oder das Erschließen weiterer Arbeitsbereiche nicht aus dem Blick geraten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es im Hinblick auf die Beschaffenheit einer berufsbezogenen Weiterbildungsmaßnahme eine Fülle unterschiedlicher Merkmale gibt, die es im Rahmen eines Entscheidungsprozesses, bei Bedarf unterstützt durch Beratung, systematisch zu erarbeiten gilt. Checklisten sind dabei eine Hilfe, diesen Prozess auf die eigene Biographie zu beziehen sowie systematisch und möglichst umfassend zu gestalten.
Mit der abschließenden Frage der Checkliste „Qualität beruflicher Weiterbildung“, welche Bedeutung der Abschluss einer Weiterbildungsmaßnahme für die eigene berufliche Zukunft hat, ist der Nutzen berufsbezogener Weiterbildung angesprochen. Dieser Frage vorausgehend stellt sich hier zunächst die Frage nach der (berufsbezogenen) Weiterbildungsbeteiligung. Einen orientierenden Einblick bieten die Ergebnisse der Repräsentativerhebung „BSW – AES 2007“ (VON ROSENBLADT/ BILGER 2008), in der das seit 1979 bestehende „Berichtsystem Weiterbildung (BSW)“ (BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (Hrsg.) 2005) als nationales Berichtsystem in einen europäischen Berichtsrahmen für lebenslanges Lernen überführt werden soll, der sich auf den „Adult Education Survey (AES)“ stützt. Darin lässt sich zunächst erkennen, dass sich der seit 1997 rückläufige Trend der Weiterbildungsteilnahme bei der 19-64jährigen Bevölkerung nicht fortgesetzt hat. Mit 43% steigt die Beteiligungsquote tendenziell leicht an. Im Verständnis der AES-Erhebung zeigt sich dabei, dass „Weiterbildung … zu einem großen Teil während der Arbeitszeit oder auf betriebliche Anordnung statt [ findet ] . Legt man diese zwei Kriterien zugrunde, entfallen 60% aller Weiterbildungsaktivitäten auf ‚betriebliche Weiterbildung'. 24% sind individuell berufsbezogene Weiterbildung (außerhalb des Betriebes), 16% sind nicht berufsbezogene Weiterbildung“ (VON ROSENBLADT/ BILGER 2008, 4). Die Tatsache, dass der berufliche Bezug der meisten Weiterbildungsaktivitäten zur Folge hat, dass die Weiterbildungsbeteiligung in den höheren Altersgruppen zurückgeht, lässt auf den ersten Blick vermuten, dass das Alter die entscheidende Größe für die Teilnahme an einer Weiterbildung ist. Unterscheidet man allerdings nach erwerbstätigen und nichterwerbstätigen Personen, so zeigt sich, dass die Beteiligung an Weiterbildung über die Altersgruppen hinweg konstant bleibt und erst bei den über 55-jährigen leicht zurück geht. Bei nicht-erwerbstätigen Personen ist die Bildungsbeteiligung in den jüngeren Altersgruppen hingegen hoch und geht mit zunehmendem Alter deutlich zurück (EBENDA, 6). Als Erklärung liegt die überwiegend vorbereitende Funktion für einen Einstieg oder Wiedereinstieg in eine Berufstätigkeit zu Grunde. Insgesamt ist weniger das Lebensalter, ebenso wenig wie das Geschlecht, sondern vielmehr das Bildungsniveau und der Erwerbsstatus für die Teilnahme an einer Weiterbildung von hoher Bedeutung sind.
Der Nutzen von Weiterbildung wird insgesamt als hoch eingeschätzt. So können 45% der Befragten „sehr viel“ und weitere 42% „recht viel“ der Fähigkeiten und Kenntnisse, die sie dort erworben haben, nutzen. (EBENDA, 5). Welche unterschiedlichen Aspekte mit dem Nutzen von berufsbezogener Weiterbildung in Verbindung gebracht werden, zeigt beispielsweise die Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung „Kosten und Nutzen beruflicher Weiterbildung“, in der der Nutzen berufsbezogener Weiterbildung über eine direkte Bewertung durch die Befragten ermittelt wurde (vgl. BEICHT/ KREKEL/ WALDEN 2004). Im Rahmen der Befragung wurden dabei zwölf unterschiedliche Aspekte des bereits eingetretenen und noch erwarteten Nutzens anhand einer vierstufigen Skala differenziert. „Mittels einer Faktorenanalyse wurden aus den in die Befragung einbezogenen Zielen von beruflicher Weiterbildung drei voneinander unabhängige Faktoren identifiziert, die als generelle Ziele berufsbezogener Weiterbildung aufgefasst werden können“ (BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (Hrsg.) 2005, 369):
Kompetenzerweiterung und Persönlichkeitsentwicklung,
Absicherung und Verbesserung der beruflichen Situation,
eigene materielle Lebensgrundlage.
Die erhofften Ziele finden ihre Entsprechung in der Regel auch im Nutzen von berufsbezogener Weiterbildung. Die Bedeutung der einzelnen Weiterbildungsziele und der tatsächliche Nutzen fallen im Hinblick auf soziodemographische Merkmale der Befragten unterschiedlich aus. So stehen für weibliche Personen vor allem der Gesamtnutzen einer Weiterbildung und das Knüpfen persönlicher und sozialer Kontakte im Vordergrund, während bei Haupt- und Realschulabsolventen, Personen mit betrieblicher Berufsausbildung sowie Personen mit Meister-, Techniker oder Fachwirtabschluss Sicherheit vor Arbeitsplatzverlust den Hauptbeweggrund darstellt. Der Weiterbildungsnutzen wird insgesamt von 85% der Befragten als eher positiv bewertet. Diese positive Nutzenbeurteilung von Weiterbildung bei subjektiver Einschätzung wird auch durch andere Datenquellen bestätigt.
Im Berichtsystem Weiterbildung werden auch Angaben zu Weiterbildungsbarrieren gemacht (vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (Hrsg.) 2005, 363 - 382). Mit bundesweit 71% Zustimmung und damit mit deutlichem Abstand zu der Aussage „Ich habe auch ohne Weiterbildung ganz gute Chancen im Beruf“, der im Vergleich dazu nur noch 38% zugestimmt haben, steht „Lernen ist anstrengend“ an vorderster Stelle. Einer solchen grundsätzlichen Hürde muss in Zeiten der Individualisierung von Lernverläufen besondere Beachtung im Hinblick auf die Gestaltung individueller (Unterstützungs-)Angebote, insbesondere im Lernprozess geschenkt werden. Daneben bestehen zentrale Hürden in der Entfernung zwischen Wohn- und Veranstaltungsort, dem zu entrichtenden Preis für das Angebot, aus beruflichen oder zeitlichen Gründen begrenzten zeitlichen Ressourcen zur Teilnahme an einem Angebot, Lernform, Alter, Lerngeschwindigkeit oder auch schlechte Erfahrungen, mit vorausgehenden Weiterbildungen.
Weiterbildungsbarrieren können allerdings je nach sozialem Milieu sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Im Rahmen der Studie „soziale und regionale Differenzierung von Weiterbildungsverhalten und -interessen“ wurden anhand sozialer Milieus zielgruppenspezifische Weiterbildungsprofile sichtbar gemacht (BARZ/ TIPPELT 2004). Ausgehend von prägenden Bildungserfahrungen in Kindheit und Jugend sowie Bildungsvorstellungen und Bildungsbegriff werden typische Weiterbildungsinteressen, Weiterbildungsbarrieren sowie Ansprüche an Methoden und Ambiente dargestellt. Zudem werden die Entwicklung von Persönlichkeitskompetenz, Schlüsselqualifikationen, informelles Lernen und Nutzung und Image verschiedener Anbieter betrachtet.
Über eine allgemeine Nutzenbetrachtung hinaus gehend kann der individuelle Nutzen von Weiterbildung nur auf Basis der jeweiligen Lebensumstände durch die lernende Person selbst definiert werden. Sie ist dabei eng mit der jeweiligen Biographie und Sozialisation verknüpft. In diesem Zusammenhang kann der Bogen zur Qualität berufsbezogener Weiterbildung zurück geschlagen werden, dass einer möglichst genauen Klärung der Ausgangssituation im Hinblick auf den subjektiven Erfolg einer Weiterbildungsmaßnahme maßgebliche und richtungweisende Bedeutung zukommt.
Im Zuge der Individualisierung von Bildungsverläufen und der Entstandardisierung von Erwerbsbiografien kommt der Passgenauigkeit von berufsbezogener Weiterbildung zwischen individuellen Bedürfnissen und unternehmerischen Bedarfen eine wachsende Bedeutung zu. Anbieterseitig ist dabei ein – idealer Weise auf der Grundlage einer Kompetenzbilanzierung basierendes - möglichst individuell zugeschnittenes Angebot, also keine „Weiterbildung von der Stange“, erforderlich. Im Sinne eines Ineinandergreifens individueller Bedürfnisse und institutioneller Strukturen sollten Beratung und Begleitung im Vorfeld und auch als Lernprozessbegleitung während eines Angebotes, ebenso aber auch als Transferbegleitung nach der Umsetzung des eigentlichen Angebotes ermöglicht werden. Damit kann ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung von Qualität und Nutzen berufsbezogener Weiterbildung und zur Gestaltung lebenslanger Lernprozesse geleistet werden.
BARZ, H./ TIPPELT, R. (Hrsg.) (2004): Weiterbildung und soziale Milieus in Deutschland. Band 1: Praxishandbuch Milieumarketing. Bielefeld.
BECK, U. (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a.M.
BECKER, R. (2004): Wandel der Sozialstruktur von Erwerbsverläufen oder: Warum diskontinuierliche Erwerbsbiographien eher Konstrukt als Realität sind. In: BEHRINGER, F. u. a. (Hrsg.): Diskontinuierliche Erwerbsbiographien. Baltmannsweiler, 59-70.
BEICHT, U./ KREKEL, E. M./ WALDEN, G. (2004): Berufliche Weiterbildung – welchen Nutzen haben die Teilnehmer? In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 33, H. 5, 5-9.
BJÖRNAVOLD, J. (2000): Making learning visible: identification, assessment and recognition of non-formal learning in Europe. Thessaloniki.
BOLDER, A. (2006): Neue alte Normalität. Empirie und Gestaltungsbedarf durchschnittlicher Erwerbsbiographien nach dem Ende des Rheinischen Kapitalismus. In: NEUENDORFF, H./ OTT, B. (Hrsg.): Neue Erwerbsbiografien und berufsbiografische Diskontinuitäten. Identitäts- und Kompetenzentwicklung in entgrenzten Arbeitsformen. Hohengehren, 64-80.
BUND-LÄNDER-KOMMISSION FÜR BILDUNGSPLANUNG UND FORSCHUNGSFÖRDERUNG (2004): Strategie für Lebenslanges Lernen in der Bundesrepublik Deutschland. Materialien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung. Heft 115. Bonn. Online: http://www.bmbf.de/pub/strategie_lebenslanges_lernen_blk_heft115.pdf (04-06-2008).
BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG (Hrsg.) 2007: Qualitätsstandards für Verfahren zur Kompetenzfeststellung im Übergang Schule – Beruf. Bonn und Moers. Online: http://www.kompetenzen-foerdern.de/imbse_qualitaetsstandard.pdf (04-06-2008).
BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG (Hrsg.) (2001): Checkliste „Qualität beruflicher Weiterbildung“. Bonn. Online: http://www.bibb.de/de/checkliste.htm (12-06-2008).
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