In der personen- und haushaltsbezogenen Berufsbildung existiert eine gravierende Diskrepanz zwischen wachsenden gesellschaftlichen Anforderungen an Qualitätsentwicklung und Berufsfachlichkeit sowie arbeitsmarktpolitischer Abdrängung in den Niedriglohnsektor. Dieses Spannungsverhältnis führt zum einen zu einer zunehmenden De-Professionalisierung im Berufsfeld Hauswirtschaft. Zum anderen findet gegenwärtig in der beruflichen Bildung ein Leitbildwechsel statt, der auch neue Chancen für die Aus- und Weiterbildung in personenbezogenen Dienstleistungsberufen eröffnet. Diese Perspektiven bewegen sich in einem spannungsreichen Verhältnis zwischen Professionalisierung und Benachteiligtenförderung, das im folgenden Beitrag aus arbeitsmarktpolitischer und berufspädagogischer Perspektive ausgeführt wird.
Dazu werden zunächst empirische Entwicklungen personenbezogener Dienstleistungsberufe im Kontext von ökonomischem Wachstum und beschäftigungspolitischer Prekarisierung dargestellt. Es folgen Vorschläge zu Professionsstrategien im Kontext von Kompetenzentwicklung und berufspädagogischer Integrationsförderung. Des Weiteren werden an ausgewählten berufsbiografischen Statuspassagen Förderansätze der beruflichen Bildung dargestellt, wobei zum einen Gestaltungansätze des Übergangs Schule – Beruf, zum anderen Möglichkeiten der Teilzeitberufsausbildung sowie schließlich niedrig schwellige Angebote zur beruflichen Qualifizierung in den Blick geraten.
Die gegenwärtige Expansion des Dienstleistungssektors beruht wesentlich auf der Ausweitung personenbezogener Dienstleistungen im tertiären Sektor und der steigenden Nachfrage nach marktförmig erbrachter Arbeit im Feld der Betreuung und Versorgung des Alltags (FRIESE 2006). Daten und Prognosen der Erwerbstätigen- und Beschäftigungsentwicklung verzeichnen seit den 1970er Jahren bis 2010 gegenüber den Beschäftigungsverlusten in produktionsorientierten und primären Dienstleistungen ein deutliches Beschäftigungswachstum von 6,5 Prozent (BECKER 2006: 18), .In personenbezogenen Berufen sind Frauen mit einem Anteil von über 70 % insgesamt deutlich überrepräsentiert, wobei sich Differenzierungen nach einzelnen Segmenten als klassische „Frauenberufe“ abbilden: Im Jahre 2001 beträgt der Frauenanteil in den Gesundheitsberufen derzeit 77,8, in den Sozial- und Erziehungsberufen 66,0 % (Liebig/Karla 2003, S. 115) sowie in privaten Haushalten ca. 95 % (Schupp 2005). Mit dieser Entwicklung leisten die bislang arbeitsmarktpolitisch vernachlässigten weiblichen Berufsfelder einen relevanten Beitrag zum Bedeutungswachstum der Dienstleistungsbeschäftigung. Sie gehören zu den Gewinnern der gegenwärtigen und zukünftigen Wirtschaftsentwicklung und stellen einen relevanten Wirtschaftszweig dar.
Gründe für diese Entwicklung liegen erstens in demografischen Veränderungen, wie dem steigenden Anteil alter Menschen und deren Bedarf nach Unterstützung bei der alltäglichen Versorgung. Ein entscheidender Motor ist zum anderen die steigende Erwerbsarbeit von Frauen, speziell von Frauen mit Kindern, die eine „hauswirtschaftliche Versorgungslücke“ (KETTSCHAU 2003) hinterlässt und wachsende Bedarfe an familienunterstützenden Dienstleistungen hervorbringt (vgl. BMFSJ 2008). Von ökonomischer Bedeutung sind zudem Umstrukturierungen im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Dritten Sektor und eine dynamische Entwicklung von Rationalisierung und Vermarktlichung haushaltsnaher Dienstleistungsarbeit.
Für die Berufspädagogik ist von Bedeutung, dass mit dieser quantitativen Entwicklung zugleich hohe Bedarfe an fachlicher Qualifikation verbunden sind. Sowohl in privaten Haushalten als auch im öffentlichen Dienstleistungssegment wie etwa in der Altenpflege steigt die Nachfrage nach hoher beruflicher Qualifizierung und standardisierter Facharbeit, während die Nachfrage nach nicht formal Qualifizierten auch auf Einfacharbeitsplätzen sinkt (BECKER 2006, BRANDHERM 2007, WEINKOPF 2007 ). Im Zuge der zunehmenden Dienstleistungs- und Marktorientierung in personenbezogenen Dienstleistungsberufen bestehen des Weiteren hohe Bedarfe an der Entwicklung von Qualitätsstandards, um den zunehmend komplexer werdenden Anforderungen von Dienstleistungsunternehmen, Kunden sowie Mitarbeitern gerecht werden zu können (KETTSCHAU 2007).
Dieser Wachstumsentwicklung steht eine qualitative Beschäftigungsstruktur gegenüber, die sich durch fehlende Qualitäts- und Professionsstandards sowie einen zunehmenden prekären Status auszeichnet. Kennzeichnend hierfür sind ein wachsender Anteil an teilzeitbeschäftigten Frauen, der in personenbezogenen Dienstleistungen sowohl deutlich über dem männlichen Anteil als auch über dem weiblichen Teilzeitarbeitsmarkt allgemein liegt; eine deutliche Überrepräsentanz von Frauen in niedrigen Einkommensgruppen sowie eine steigende Zahl von arbeitslos gemeldeten Personen in personenbezogenen und sozialen Berufen (LIEBIG/ KARLA 2003, 116). Arbeitsmarktpolitisch vollzieht sich eine zunehmende Prekarisierung durch befristete Arbeitsverträge und deregulierte Beschäftigungsverhältnisse. Eine Folge ist die Verdrängung personenbezogener Dienstleistungen in den Bereich „einfacher Dienstleistungen“ sowie in den Niedriglohnsektor, der in Deutschland im Vergleich zu den europäischen Nachbarländern seit 1995 deutlich angestiegen ist (BOSCH/ WEINKOPF 2006). In dieser Situation konkurrieren gering Qualifizierte um Arbeitsplätze mit einer geringen Entlohnung mit fachlich qualifizierten Personen, die wiederum eine Verdrängung der niedrigen durch die höheren Qualifikationsebenen zur Folge hat (BRANDHERM 2007, WEINKOPF 2007) .
Eine weitere Folge der Prekarisierung ist ein deutlich höheres Arbeitslosenrisiko bei Geringqualifizierten gegenüber Personen mit Berufsabschluss oder gegenüber Akademikern, unabhängig von Alter und Geschlecht (IAB 2007). Im Jahr 2005 lag die Arbeitslosenquote unter den Geringqualifizierten bei 26% und mit rund 14 Prozentpunkten über dem Durchschnitt (IAB 2007; BMBF 2008; GOLTZ et al 2008). In der Gesamtperspektive ist zu verzeichnen, dass die in klassischen Dienstleistungstheorien prognostizierte Vollbeschäftigung in der Dienstleistungsgesellschaft, die mit dem „kollektiven Hunger nach Tertiärem“ (FOURASTIER 1954) begründet wird, bislang nicht eingetreten ist. Im Gegenteil: Das für moderne Industriegesellschaften charakteristische „Mismatch-Problem“, nach dem der wachsende Bedarf an qualifiziertem Personal trotz hoher Arbeitslosigkeit nicht gedeckt ist, setzt sich in der Dienstleistungsgesellschaft und im Feld personenbezogener und haushaltsnaher Dienstleistungsberufe fort. Dabei werden insbesondere gering qualifizierte Personen zu Verlierer/innen des Strukturwandels und es werden Prozesse der historisch bedingten Dequalifizierung, Semi-Professionalität und Marginalisierung in personenbezogenen Dienstleistungen dramatisch verstärkt.
Gegenüber dieser arbeitsmarktpolitischen Prekarisierung existieren aus berufspädagogischer Perspektive gleichwohl Modernisierungsoptionen. Diese basieren erstens auf der skizzierten Expansion personenbezogener Dienstleistungsberufe und den Anforderungen an Qualifikations- und Professionsstandards. Begünstigend ist zweitens die gegenwärtige Kompetenzwende in der beruflichen Bildung, die neben beruflichen Kompetenzen auch lebensweltliche und informelle Kompetenzbildung einbezieht. Von Bedeutung ist drittens die bildungspolitische Stärkung des Übergangsmanagements und der Aufbau einer neuen Förderstruktur für benachteiligte Jugendliche. Verbunden damit sind ordnungsrechtliche und bildungspolitische Neuerungen, die für Professionalisierung und Qualitätsentwicklung sowie Dienstleistungs- und Marktorientierung in personenbezogenen Segmenten nutzbar gemacht werden können.
Aus historischer Sicht ist bedeutsam, dass Professionalisierung nicht lediglich als Strategie der sozialen, sondern auch als geschlechtsexklusive Schließung von Kompetenz- und Berufszugängen zu charakterisieren ist. Mit der Entstehung des Berufsbildungssystems Anfang des 20. Jahrhunderts vollzieht sich eine Trennung der Geschlechter und Einordnung in zwei Berufsbildungssysteme und damit verbunden in unterschiedliche Wertesysteme. Während die männliche Facharbeiterausbildung mit der Orientierung am Berufsprinzip und der Entwicklung spezifischer Qualitätsstandards vollzogen wird, mündet die Ausbildung für haushaltsnahe, pflegerische und soziale Frauenberufe auf der normativen Basis der „Kulturaufgabe der Frau“ vornehmlich in vollzeitschulische Ausbildungsgänge, die bis in die Gegenwart durch ein geringes Niveau an Standardisierung, durch niedrige gesellschaftliche und monetäre Wertschätzung sowie durch Semi-Professionalität gekennzeichnet sind.
Zur Überwindung dieser historischen Last sind Professionskonzepte zu entwickeln, die sowohl berufliche Handlungskompetenz als auch Qualitätsstandards in personenbezogenen Ausbildungskonzepten begrifflich präzisieren und ausdifferenzieren sowie ordnungsrechtlich und curricular verankern. Begünstigend für Professionsstrategien ist das in der Berufspädagogik zugrunde gelegte Kompetenzparadigma. Auf Basis des mit den KMK-Handreichungen von 1996 eingeleiteten Leitbildwandels zielt Kompetenz im Unterschied zur Qualifikation, die an Verwertbarkeit und Bildungsnachfrage orientiert ist, auf den individuellen Lernerfolg und die Befähigung zu eigenverantwortlichem Handeln in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen. Ein solcher Begriff von Kompetenz kann mit hohem Gewinn für personenbezogene Berufsfelder in Anspruch genommen werden, wird erstmals doch auch der Bereich des Privaten bildungspolitisch thematisiert und damit das Verhältnis von Lebenswelt und Beruf neu in den Blick gerückt. Dabei besteht die Möglichkeit, die bislang im berufspädagogischen Diskurs vernachlässigten Alltags- und Lebensführungskompetenzen für die Berufsbildung und für personenbezogene Ausbildungsfelder neu auszugestalten.
Das Kompetenzparadigma hat darüber hinaus zu einer breiten Debatte über die Gestaltungsfelder und didaktisch-methodische Umsetzung geführt. Von zentraler Bedeutung für personenbezogene Dienstleistungen ist die begriffliche und curriculare Präzisierung von Sozialkompetenz. Hier ist eine Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Berufsfelder vorzunehmen, die zu einer Entmystifizierung beziehungsbezogener Fähigkeiten führt. Dazu bietet es sich an, zum einen die begriffliche Fassung und didaktische Ausdifferenzierung von Sozialkompetenz hinsichtlich der Unterscheidung von „Service“ und „Care“ zu fundieren und zum anderen spezifische didaktische Ansätze auszuarbeiten, die kommunikative und interaktionale Kompetenz einbeziehen sowie prozessuale Aspekte von Qualitätsentwicklung berücksichtigen. Personenbezogene Arbeit setzt ein spezifisches Verständnis von beruflicher Handlungskompetenz voraus, die sich generell in doppelter Weise konstituiert.
Erstens lässt sich personenbezogenes Wissen als bearbeitete Information und durch Reflexion begründete Interpretation charakterisieren, abhängig von der Lernfähigkeit und Lernbereitschaft von Individuen und deren Entscheidung für theoretische Konstruktionen sowie soziales und pädagogisches Handeln; zweitens stellt sich personenbezogenes Wissen und die damit verbunden Sozialkompetenz zugleich als Bestandteil von beruflichem Fachwissen her. Zielt „Dienstleistung am Menschen“ generell darauf, die „Arbeit des Menschen an sich selbst“ zu fördern sowie berufliche Handlungsfähigkeit und Alltagskompetenzen zu stärken, besteht für die berufliche Aus- und Weiterbildung ein doppeltes Ziel: Sozialkompetenz einerseits als interaktiv-kommunikative sowie ethische Fähigkeit zu fördern, andererseits als spezifische Dimension von Fachkompetenz und zentrale Kategorie für professionelle Dienstleistung neu auszudifferenzieren. Zwingend erforderlich für die didaktische Gestaltung eines solchen Lehr-/Lern-Arrangements ist die Berücksichtigung erfahrungs- und lebensweltbezogener sowie biografischer Ansätze.
Zum anderen gerät die Frage der Bedeutung und Anerkennung informeller Kompetenzen und expliziten Wissens in der beruflichen Bildung neu in die Debatte. Die Berücksichtigung und didaktische Aufbereitung informeller Kompetenzen erhält im Segment personenbezogener Dienstleistungen einen besonderen Stellenwert. Fließen die im familiären Alltag und im informellen Sektor erworbenen Kompetenzen in der Regel „unsichtbar“ ohne Bewertung und Akkreditierung in berufliche Tätigkeiten ein, gilt dies insbesondere für Haushalts- und Familienkompetenzen, die bei Frauen vorausgesetzt und als Naturkonstante angesehen werden. Im Forschungsprojekt MOSAIK „Kompetenzentwicklung für junge Mütter.“ (FRIESE 2008) hat sich beispielsweise gezeigt, dass sich junge Frauen aufgrund der Verantwortung für ihr Kind und der damit verbundenen Aufgaben zur Bewältigung des Alltags durch ein bemerkenswert hohes Maß an Sozialkompetenz auszeichnen und diese im Alltag erworbenen Fähigkeiten produktiv in Ausbildungsverläufe einbringen. Gelingt es, in der beruflichen Bildung adäquate didaktische Reflexionsräume und Erfassungsinstrumente im Rahmen von Kompetenzförderung und Curricula zur Verfügung zu stellen, können informelle und soziale Kompetenzen eine wichtige Basis für fachliche Anerkennungen und Qualifizierungen bilden.
Entscheidend für Qualitätssicherung und Standardisierung ist die Klärung und Vereinheitlichung ordnungsrechtlicher Standards in der Ausbildung. Parallel zum Beschäftigungswachstum personenbezogener Dienstleistungen zeichnet sich gegenwärtig ebenfalls in den die Ausbildung prägenden vollzeitschulischen Ausbildungsgänge, die außerhalb des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) sowie der Handwerksordnung (HwO) geregelt sind, ein erhöhter Zuwachs ab (BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2008). Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der fehlenden Ausbildungsplätze und der beklagten mangelnden Ausbildungsreife sowie fehlenden Passung zwischen potenziellen Auszubildenden und Betrieb verzeichnen Berufsfachschulen seit Ende der 1990er Jahre ein kontinuierliches Wachstum, wobei der Frauenanteil deutlich überwiegt. Junge Frauen stellen in vollzeitschulischen Ausbildungen gegenwärtig 66,6 % der Schülerschaft dar, während sie im dualen System mit 39,5 % unterrepräsentiert sind (BMBF 2008).
Dabei unterscheidet sich der Frauenanteil deutlich nach den Ausbildungsbereichen. Gegenüber dem hohen Anteil weiblicher Auszubildender in personenbezogenen Ausbildungsbereichen existiert eine geringe Beteiligung in typischen männlichen Berufsfeldern wie beispielsweise im Handwerk mit einer weiblichen Beteiligung von knapp über 20 %. (BMBF 2008). Mit diesen Ausbildungsstrukturen sind entscheidende Weichen für die späteren Berufsbiografien und Karrierechancen gestellt. Während Ausbildungen im vollzeitschulischen System diskontinuierliche Erwerbsverläufe, geringe Erwerbseinkommen und mangelnde Aufstiegschancen sowie niedrige gesellschaftliche Bewertungen zur Folge haben, zeichnet sich das duale System in Deutschland trotz aller Brüchigkeit hinsichtlich Einkommen, Anerkennung und Einmündung von Jugendlichen in qualifizierte Erwerbsarbeit als relativ stabil aus.
Neben der ungleichen Verteilung der Geschlechter in der Ausbildungsstruktur gelten als wesentliche Hindernisse für die fehlende Professionalisierung die uneinheitlichen Ausbildungsstandards und Qualifikationsprofile, deren Ausgestaltung entweder vollständig in der Kulturhoheit der Länder oder in den einstellenden Instanzen liegt. Weitere Probleme liegen in der Heterogenität und Zersplitterung der Ausbildungsordnungen sowie in der fehlenden Praxis und Förderung beruflicher Handlungskompetenz in vollzeitschulischen Ausbildungen. Von hoher Priorität für die Zukunftsgestaltung sind die Vereinheitlichung und Bereinigung der Ausbildungsordnungen und Berufsbezeichnungen sowie die Neujustierung und Tarifgestaltung personenbezogener Dienstleistungstätigkeiten. Dringlich ist ebenso die Entwicklung und Implementation von geeigneten Instrumenten zur Qualitätssicherung, die ebenso differenzierte Arbeitsprozesse und Tätigkeiten, Kundennachfrage sowie Dienstleistungs- und Marktorientierung in den beruflichen Bildungsauftrag einbeziehen.
Im bildungspolitischen Diskurs wird mit Blick auf die Passung zwischen Ausbildungsplatz suchenden Absolventen und den Bedarfen der Wirtschaft seit Ende der 1990er Jahre die Dualisierung aller Berufsausbildungen unterhalb der Hochschule nach dem Berufsbildungsgesetz gefordert (KRÜGER 2004). Mit der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes von 2005 haben sich weitere Öffnungen und Reformoptionen heraus kristallisiert. Insbesondere die Einbeziehung vollzeitschulischer Ausbildung in das Berufsbildungsgesetz und die Zulassung von Berufsfachschulabsolventen durch die Kammern stellt einen wichtigen Meilenstein dar. Weiter gehende ordnungsrechtliche Innovationen bietet gleichwohl die Neuordnung des schweizerischen Berufsbildungsgesetzes (BBiG) im Jahre 2004, die eine Integration der Gesundheitsberufe in die Bundeskompetenz vornimmt (vgl. KRAUS 2007).
Darüber hinaus sind weitere Reformmöglichkeiten auszuloten und umzusetzen. Die vom „Innovationskreis Berufliche Bildung“ (BMBF 2007) vorgelegten Leitlinien zur Reform der beruflichen Bildung zielen auf Strukturverbesserungen, die auch für personenbezogene Dienstleistungsberufe neue Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Vor dem Hintergrund der heterogenen ordnungsrechtlichen Regelungen in personenbezogenen Ausbildungssegmenten kommt es wesentlich darauf an, einerseits das bislang nicht vorhandene Berufsprinzip zu stärken und ordnungsrechtlich zu implementieren. Andererseits sind diejenigen Instrumente und curricularen Ansätze der Ausbildung auszuschöpfen, die Flexibilisierung sowie Durchlässigkeiten und Anschlussfähigkeiten beruflicher Abschlüsse sichern. Die Anerkennung von Leistungen vollzeitschulischer Berufsausbildungsgänge nach § 43 BBiG und § 36 HwO sowie die Zulassung von Externen zur Kammerprüfung und Anerkennung von Berufserfahrungen nach § 45 BBiG und § 37 HwO bieten Möglichkeiten, die strukturelle Verknüpfung von vollzeitschulischen und dualen Ausbildungsprinzipien voranzutreiben.
Angesichts der Anforderungen an interdisziplinäre und fachübergreifende Kompetenzen ist darüber hinaus ein breites Berufsbild mit enger Verzahnung von Aus- und Weiterbildung herzustellen. In personenbezogenen Segmenten kann die curriculare Gleichzeitigkeit von Basis- und Teilkompetenzen sowie Strukturierung von Berufsgruppen in gemeinsame Kernqualifikationen und Spezialisierungsmöglichkeiten professionswirksam sein. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der zunehmenden Versorgungsbedarfe älterer Menschen kommt der Schnittstelle zwischen den Berufsfeldern Hauswirtschaft und Pflege eine besondere Bedeutung zu. Auch die zunehmenden Anforderungen an sozialpädagogische Begleitung in Ausbildungsverläufen schaffen neue Schnittstellen zu dem Berufsfeld Erziehung und Soziales. Für eine curriculare Neuschneidung sind horizontale Durchlässigkeiten zwischen den Berufsfeldern und zugleich notwendige fachliche Spezialisierungen zu ermöglichen, die den komplexen Anforderungen in den jeweiligen Berufsfeldern gerecht werden und Anschlussstellen für die berufliche Fort- und Weiterbildung herstellen. Von Bedeutung sind darüber hinaus die Implementierung von neuen Praxisorten in der vollzeitschulischen Ausbildung und Verbesserung der Lernortkooperation, die Anerkennung und Stärkung von Ausbildungsverbünden sowie die Integration und Zertifizierung von modularisierten Elementen und zeitflexiblen Ausbildungsmodellen in der berufliche Aus- und Weiterbildung.
Die skizzierten Reformoptionen fließen gegenwärtig verstärkt in den Leitbildwandel der berufspädagogischen Integrationsförderung ein, der einen Weg von der „Notgemeinschaft“ zum Innovationsfaktor des Berufsbildungssystems eröffnen kann. Die berufspädagogische Tradition der Förderung benachteiligter Jugendlicher (vgl. BOJANOWSKI et al. 2004) ist durch zwei sich bedingende Faktoren gekennzeichnet ist: durch den Mangel an betrieblichen Ausbildungsplätzen in Zeiten wirtschaftlicher Not und durch die Einrichtung von außerbetrieblichen und außerschulischen Maßnahmen der beruflichen Bildung für berufsschulpflichtige Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Dabei bildeten sich nach der Jungarbeiterbeschulung in den 1950er Jahren und insbesondere in den 1980er Jahren vor dem Hintergrund des steigenden Ausbildungsplatzmangels sowie der sinkenden Ausbildungsbereitschaft der Betriebe unterschiedliche Ansätze und Instrumente heraus. Mit der Einrichtung des schulischen Berufsvorbereitungsjahres (BVJ) und den berufsausbildungsvorbereitenden Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit reichen diese von der Ausbildungsvorbereitung (BvB) über Maßnahmen berufsbegleitender Nachqualifizierung und ausbildungsbegleitender Hilfen (abH) bis zu Berufsausbildungen in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE) unter Einschluss sozialpädagogischer Betreuung.
Galten diese Ersatzmaßnahmen zunächst vornehmlich als Notinstrument für Problemgruppen des Ausbildungsmarktes, entwickelten sie sich seit den 1990er Jahren insbesondere in den neuen Bundesländern zu Regelmodellen, die durch staatliche Förderung und bildungspolitische Programme des Bundes und der Länder sowie rechtliche Regelungen flankiert wurden. Als gesetzliche Grundlagen galten bis 1997 das Arbeitsförderungsgesetz (AfG), das Kinderjugendhilfegesetz (KJHG) und das Sozialgesetzbuch (SGB I), die 1998 mit der Überführung der Benachteiligtenförderung im Sozialgesetzbuch (SGB III) zusammengefasst wurden. Damit wurden zu Beginn des 21. Jahrhunderts wesentliche Neuerungen für die berufliche Förderung Benachteiligter eingeleitet, die mit der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) im Jahre 2005 in eine verbindliche ordnungsrechtliche Regulierung einflossen.
Diese Strategie der Flexibilisierung und Individualisierung von Bildungsangeboten wurde ebenfalls in das Neue Fachkonzept für berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit aus dem Jahr 2004 aufgenommen. Die neue Förderstruktur sieht zielgruppenübergreifende, binnendifferenzierte und kooperative Förderangebote mit dem Zuschnitt von Qualifizierungen auf individuelle Bedürfnisse, berufsqualifizierende sowie berufsübergreifende Grundqualifikationen vor. Mit dem Einstieg über die Eignungsanalyse, der Möglichkeit zum Erwerb von Qualifizierungsbausteinen auf der Grundlage von anerkannten Ausbildungsberufen, der stärkeren Ausrichtung an betrieblichen Erfordernissen und Nutzung betrieblicher Lernmöglichkeiten sowie der Einführung einer Bildungsbegleitung wurden mit der Verordnung über die Bescheinigung von Grundlagen beruflicher Handlungsfähigkeit (Berufsausbildungsvorbereitungs-Bescheinigungsverordnung BAVBVO) von 2003 neue Aufgaben verankert, die auf eine passgenaue Förderung von jungen Menschen unter 25 Jahren zielen und neue Chancen für die Einmündungen in die Regelausbildung sowie Erwerbsarbeit eröffnen.
Für benachteiligte Jugendliche stellt sich insbesondere der Übergang von der Schule in eine berufliche Ausbildung als eine riskante Statuspassage dar. Der Anteil von jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss ist hoch. 2005 waren 1,57 Mio. junge Erwachsene ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Dies entspricht einem Anteil von 16,1% der aktuellen Wohnbevölkerung (BMBF 2008, S. 110f .). Dabei erweist sich eine zureichende Berufsorientierung und gelingende Berufswahl als eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Bewältigung des ersten Übergangs. Schüler und Schülerinnen mit Hauptschulabschluss wünschen sich zwar die Einmündung in eine duale Ausbildung, jedoch steht für einen Großteil der Jugendlichen lediglich der Weg in die Berufsvorbereitung, in die außerbetriebliche Ausbildung oder in ungelernte Tätigkeiten offen. Hier liegt schon an der ersten Schwelle ein biografischer und struktureller Bruch, der sich zwangsläufig an der zweiten Schwelle fortsetzt. Der Übergang aus der Berufsausbildung in das Erwerbsleben erweist sich insbesondere als Hindernis für Jugendliche, die eine überbetriebliche oder vollzeitschulische Ausbildung absolviert haben. Sie haben geringere Chancen als die im dualen System Ausgebildeten, ohne Bruch von der Ausbildung in eine Erwerbstätigkeit zu münden.
Diese Schwierigkeiten verschärfen sich gegenwärtig aufgrund steigender Qualifikationsanforderungen und einer zu spät einsetzenden Berufsorientierung in einem hierfür nicht vorbereiteten allgemein bildenden Schulsystem. Besonders betroffen von dieser Problematik sind Mädchen und junge Frauen. Empirisch weisen junge Frauen zwar eine steigende Bildungsbeteiligung, bessere Schulabschlüsse und eine hohe Ausbildungsmotivation nach. Diese Potenziale stehen jedoch in bemerkenswerter Diskrepanz zur Einmündung in qualifizierte Ausbildungs- und Erwerbsperspektiven. Nach dem DJI-Übergangspanel haben junge Frauen im Vergleich zu jungen Männern eine relativ niedrige Übergangsquote in Ausbildung. Entsprechend besuchen sie häufig weiter eine allgemeinbildende Schule (vgl. GAUPP/ REISSIG 2006, 27). Münden junge Frauen in das duale System, wählen sie überwiegend Berufe mit geringem Karrierepotenzial.
Die vielschichtigen Hindernisse am Übergang Schule-Beruf erfordern die Intensivierung eines wirksamen Übergangsmanagements, das durch die Verknüpfung bewährter Förderkonzepte ein durchlässiges, durchgängiges und transparentes Fördersystem schafft (vgl. BMBF 2005b). Dabei ist der Einsatz didaktisch-methodischer Instrumente, die ganzheitliche und individuelle Perspektiven zugrunde legen sowie alltags- und lebensweltliche Konzepte berücksichtigen, von zentraler Relevanz. Unverzichtbar sind darüber hinaus sozialpädagogisch begleitete Maßnahmen sowie die Stiftung von regionalen Netzwerken und Kooperationsstrukturen zwischen Schulen und berufsbildenden Einrichtungen als auch bereichsübergreifende Aktivitäten zwischen Jugendhilfe, Agentur für Arbeit und Bildungsträgern.
Befunde des Projekts MOSAIK „Kompetenzentwicklung für junge Mütter.“ belegen, dass spezifische Zielgruppen wie z. B. junge Mütter Angebote zur Berufsorientierung und Berufsvorbereitung benötigt, die auf ihre individuellen Bedarfe hin ausgerichtet sind. Dabei kommt der niedrig schwelligen und sozialräumlich konzipierten Berufsorientierung eine zentrale Stellung zu. Bedeutsam ist die frühzeitige Einbindung von Betrieben durch Praktika, um den Ernstcharakter der Maßnahme zu unterstreichen und um Kontakte zu potenziellen Ausbildungsbetrieben herzustellen. Einen zentralen Stellenwert erhält darüber hinaus die Integration von Teilzeitmodellen in die Berufsvorbereitung, um auch jungen Frauen mit Kindern eine Chance zu bieten, in den regulären Fördermaßnahmen eine individuelle Teilzeitregelung zu vereinbaren.
Ein Beispiel gelungener Praxis bietet die im Rahmen des Projektes MOSAIK implementierte und evaluierte Berufsorientierungsmaßnahme „Ich gehe meinen Weg mit Kind und Beruf“, die in zeitmodifizierter und modularisierter Form erfolgreich durchgeführt wurde (vgl. FRIESE 2008). Die Maßnahme zielte darauf ab, den Ausstieg junger Mütter aus dem Arbeitslosengeld II und den Einstieg in Ausbildung und Beschäftigung zu ermöglichen. Als grundlegende Voraussetzung galten die Stabilisierung der labilen Familienbeziehungen sowie die Sicherung einer kontinuierlichen und qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungsmaßnahme im Verlauf des Kurses. Das Curriculum sah drei Module vor: erstens die Reflektion der Erfahrungen und Berufswünsche der Teilnehmerinnen, zweitens die Stabilisierung des schulischen Basiswissens und der familiären Beziehungskonstellationen sowie drittens spezifische Inhalte der Berufsvorbereitung und die Durchführung eines Betriebspraktikums. Als unverzichtbare Voraussetzung für den Maßnahmeerfolg haben sich dabei neben dem niedrig schwelligen Curriculum und dem stadtteilbezogenen sozialräumlichen Ansatz die kontinuierliche sozialpädagogische Begleitung sowie die Sicherung der Kinderbetreuung herausgestellt (vgl. FRIESE 2008).
Mit den skizzierten Ansätzen sind neue pädagogisch-didaktische Orientierungen für die Umsetzung des Konzepts „Bildung im Lebenslauf“ (vgl. BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2008, 6) hergestellt, das ganzheitliche und individuelle Förderansätze einbezieht. Gleichwohl können aus berufspädagogischer Perspektive auch Zweifel hinsichtlich des Spannungsverhältnisses von pädagogischer Qualität und ökonomischer Effizienz geäußert werden. Eröffnen sich doch vor dem Hintergrund der aktuellen Ausbildungsplatzmisere, der dramatisch hohen Jugendarbeitslosigkeit, der wachsenden sozialen Ungleichheit im Bildungswesen sowie der zunehmenden Bildungsdefizite von Kindern und Jugendlichen mit den neuen Berufsbildungs- und Arbeitsmarktinstrumenten sowohl neue Risiken als auch Chancen für benachteiligte Gruppen: Risiken im Kontext der Philosophie „Fördern und Fordern“ hinsichtlich der verstärkten Ausgrenzung „leistungsschwacher“ Jugendlicher an der ersten Schwelle beim Übergang von der Schule zum ersten Ausbildungsstellenmarkt sowie Chancen hinsichtlich der Implementierung von neuen, alternativen Ausbildungsstrukturen, die gesellschaftliche und individuelle Problemlagen, Einstellungen und Bedürfnisse von Jugendlichen berücksichtigen.
Neben dem Paradigmenwechsel in der Berufsvorbereitung werden gegenwärtig auch in der beruflichen Ausbildung neue ordnungsrechtliche und curriculare Ansätze etabliert, die das Leitbild „Work-Life-Balance“ auf den Bereich der Ausbildung ausdehnen. Work-Life-Balance ist zwar seit geraumer Zeit ein prominentes Thema des Gender Mainstreaming, wurde jedoch bislang vornehmlich auf weibliche Statuspassagen in betrieblichen Strukturen und berufsbiografisch bereits etablierten Lebensphasen bezogen. Diese Ausrichtung findet sich auch in den derzeit vielfältig aufgelegten Programmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, in den Bündnissen für Wirtschaft und Familie sowie in den Ansätzen zur Förderung von Existenzgründung und beruflichem Wiedereinstieg. Auch Konzepte des Managing Diversity, die genderorientierte Instrumente wie beispielsweise das Mentoring beinhalten, zielen insbesondere auf gut ausgebildete und beruflich qualifizierte Frauen in Führungspositionen. Diese Kopplung von Work-Life-Balance an biografische und soziale Lagen, schließt die Statuspassage Jugend und Ausbildung aus.
Von großer Bedeutung sind vor diesem Hintergrund diejenigen bildungspolitischen und ordnungsrechtlichen Eckpunkte, die die seit Ende der 1990er Jahre erprobten Ansätze für zeitmodifizierte Ausbildungen aufgenommen haben. Nachdem im März 2001 mit dem „Eckwertepapier des Bund-Länder-Ausschusses zur Reform der beruflichen Bildung“ bereits Empfehlungen für zeitmodifizierte Ausbildungen ausgesprochen wurden, erhielt die Teilzeitberufsausbildung mit der jüngsten Novellierung des Berufsbildungsgesetzes mit Wirkung vom 01.04.2005 eine gesetzliche Grundlage. Im § 8 Abs. 1 BBiG heißt es: „ (…) bei berechtigtem Interesse kann sich der Antrag auch auf die Verkürzung der täglichen und wöchentlichen Ausbildungszeit richten“ (BMBF 2005a). Ein berechtigtes liegt dann vor, „(…) wenn Azubis ein eigenes Kind oder einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen betreuen müssen“ (vgl. DIHK 2005). Auch der wissenschaftliche Beirat für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat in einem Gutachten das Thema der bisher strukturell erschwerten Vereinbarkeit von Ausbildung und Elternschaft aufgegriffen und eine Reihe politischer Handlungsempfehlungen an die Akteure des Berufsbildungssystems formuliert (www.bmfsfj.de). Wichtige Impulse für die konkrete Ausgestaltung vor Ort geben die „Eckpunkte für zeitmodifizierte Berufsausbildung und Berufsvorbereitung“ des „Netzwerks Teilzeitberufsausbildung“ (www.netzwerk.teilzeitberufsausbildung.de). Mit diesen Regelungen sind historisch erstmals ordnungsrechtliche Verankerungen aufgenommen, die lebensweltliche und familiäre Verpflichtungen an der Schnittstelle zur beruflichen Bildung berücksichtigen.
Zugleich geben Forschungsergebnisse relevante Aufschlüsse über subjektive Perspektiven junger Mütter, strukturelle und pädagogische Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implementation in das Berufsbildungssystem sowie über Erfahrungen von Betrieben, Berufsschulen und Bildungsträgern (vgl. ANSLINGER 2007, ZYBELL 2006, NADER et al. 2003). Aus Sicht der jungen Mütter wird zwar die strukturelle und emotionale Ambivalenz deutlich, die in der Ausbildung bewältigt werden muss wie etwa hinsichtlich der Zeitknappheit und der widerstreitenden Empfindungen bezüglich der Verbundenheit mit dem Kind. Zugleich stellen sich jedoch die Berufsausbildung und der damit ausgebildete Zugewinn an Kompetenz und Selbstbewusstsein als zentraler stabilisierender Faktor heraus.
Von Seiten der Betriebe, Kammern, Schulen und Bildungsträger werden jungen Müttern ebenfalls positive Aspekte wie hohe Motivation, hohes Maß an Sozial- und Organisationskompetenz sowie gute Prüfungsergebnisse bescheinigt. Jedoch existieren auch Bedenken gegen die Abweichung von der Ausbildungsnorm und Unsicherheiten bezüglich der Umsetzung der neuen ordnungsrechtlichen Regelungen in den Ausbildungsalltag. Dabei werden auch Problemlagen wie höhere Ausfallzeiten durch Krankheit des Kindes sowie zeitweise Überforderungen aufgrund der Doppelbelastung der Auszubildenden thematisiert. Umso deutlicher wird der Stellenwert der sozialpädagogischen Betreuung und der pädagogisch-didaktischen Unterstützung durch die Berufsschule. Die Erfahrungen zeigen, dass junge Menschen mit Kindern in der Berufsausbildung Unterstützung bei der Alltagsgestaltung und im Zeitmanagement benötigen. Entscheidende Voraussetzungen für das Gelingen der Ausbildung sind ebenso finanzielle Anreize für die Betriebe wie auch zureichende materielle Sicherungen für junge Mütter.
Die zunehmende Nachfrage nach hoher fachlicher Qualifizierung im Segment der Einfacharbeitsplätze erfordert auch neue berufspädagogische Konzepte für gering qualifizierte Personengruppen. Die Berufspädagogik steht vor der Herausforderung, neue Konzepte und Instrumente an der Schnittstelle von einfachen Tätigkeiten zu qualifizierten Berufsbildungswegen zur Verfügung zu stellen sowie Einstiegs- und Rückkehrmöglichkeiten in organisierte Qualifikationsstrukturen und Erwerbsmöglichkeiten zu eröffnen. Mit der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes wird mit der Aufnahme von Stufenkonzepten, modularen Strukturen und Qualifizierungsbausteinen eine Öffnung für die Integration niedrig schwelliger Konzepte in Ausbildung und Qualifizierung geschaffen.
Diese Perspektive verfolgt das in Berlin eingerichtete und von der Justus-Liebig-Universität Gießen wissenschaftlich begleitete Modellprojekt BertHa „Kompetenzentwicklung für Haushaltsnahe Dienstleistungen. Berufliche Qualifizierung - Anerkannte Zertifizierung“. Ziel des Projekts ist die Entwicklung, Erprobung und Evaluation eines Qualifikationskonzepts im Segment haushaltsnaher Dienstleistungen. Zielgruppen sind jüngere Erwachsene, gering Qualifizierte bzw. Un- und Angelernte mit und ohne Erfahrungen im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen, denen eine Rückkehr in organisierte Qualifikationsstrukturen und Erwerbsmöglichkeiten angeboten werden soll. Das Projekt stellt sich die Aufgabe, im Rahmen der arbeitsmarktpolitischen Instrumente die geplante Qualifizierung sowohl an den regionalen Besonderheiten des Arbeitsmarktes und Bedarfe der Betriebe wie auch am Bedarf der Arbeitssuchenden auszurichten. Auf diese Weise soll den Teilnehmenden der Weg zu einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auf dem ersten Arbeitsmarkt geebnet werden.
Das Konzept zielt auf eine einjährige Qualifizierung im Feld haushaltsnaher Dienstleistungen auf der curricularen Basis von Qualifizierungsbausteinen. Gemäß § 69 BBiG handelt es sich dabei um inhaltlich sowie zeitlich in sich geschlossene, strukturierte Lerneinheiten, die an eine Berufsausbildung heranführen und auf eine Facharbeit vorbereiten sollen. Grundlage für die Entwicklung der Qualifizierungsbausteine bilden dabei die Inhalte anerkannter Ausbildungsberufe. Ziel ist die Vermittlung beruflicher Handlungsfähigkeit und die Förderung sowie Unterstützung des Integrationsprozess in Ausbildung und Erwerbsarbeit.
Die Teilnehmenden erwerben in Theorie- und Praxiseinheiten Kenntnisse und Wissen aus den Bereichen Raumreinigung, Textilreinigung/-pflege, Speisenzubereitung und Service sowie Kranken-/Altenpflege. Die thematischen Bereiche und Kompetenzen der aufeinander bezogenen Qualifizierungsbausteine werden aus den jeweiligen Ausbildungsverordnungen, insbesondere der Hauswirtschaft, der Gebäudereinigung und der Altenpflege abgeleitet. Zugleich werden Erfahrungen aus bundesweit bewährten Qualifizierungsbausteinen aus der Berufsvorbereitung integriert. Neben den fachspezifischen Inhalten ist die Förderung von Sprach- und Kommunikationskompetenzen ein fester Bestandteil des Curriculums wie auch die kontinuierliche Begleitung durch pädagogische Fachkräfte.
Die Qualifizierungseinheiten schließen jeweils mit einem anerkannten Zertifikat ab. Neben der flexiblen Einmündung in Erwerbsarbeit soll auch die Perspektive einer Weiterqualifizierung wie zum Beispiel eine hauswirtschaftliche Berufsausbildung eröffnet werden. Darüber hinaus wird in Abstimmung mit den Teilnehmenden ein individuelles Qualifikationshandbuch erstellt (vgl. Q-Pass). Ziel des Handbuchs ist die Erfassung und Fortschreibung der formal und informell erworbenen Kompetenzen. Von besonderer Relevanz ist dabei die Verdeutlichung und Reflexion der Lernprozesse im Alltag sowie der dort erworbenen informellen Kompetenzen. Diese sollen subjektiv verdeutlicht und reflexiv für die berufliche Qualifizierung nutzbar gemacht werden.
Das Instrument der Qualifizierungsbausteine ist in der gegenwärtigen berufspädagogischen Debatte noch umstritten. Zu Recht bestehen Zweifel hinsichtlich des Spannungsverhältnisses zwischen kurzfristiger Nutzbarmachung für den Arbeitsmarkt und Ausbildungsqualität wie auch hinsichtlich der Aushöhlung des Berufsprinzips. Diese Zweifel betreffen in gleicher Weise die Einführung von Ausbildungsabschnitten und Ausbildungsbausteinen, Stufenausbildungen sowie die Implementierung modularisierter Konzepte in der beruflichen Ausbildung. Gleichwohl sind auch die Vorteile einer besseren Durchlässigkeit in Ausbildungsverläufen zu sehen, die insbesondere den biografischen Verläufen von Frauen und jungen Müttern entgegen kommen.
Erfahrungen aus europäischen Nachbarländern belegen, dass modulare Strukturen mit entsprechenden Zertifizierungen gut geeignet sind, Module sowohl ausbildungsförmig umzusetzen als auch für Zusatzqualifikationen und Weiterbildung nutzbar zu machen. Für Frauen bietet sich damit die Perspektive, eine zeitlich flexible qualifizierte Ausbildung zu absolvieren, die mit den individuellen biografischen Anforderungen und Familienaufgaben vereinbar ist. Aus der Perspektive weiblicher Ausbildungs- und Erwerbsverläufe schafft die Ausdifferenzierung individueller Förderkonzepte durch modularisierte Formen Durchlässigkeiten zwischen der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Diese kommt auch den nicht selten vorhandenen berufsbiografischen Brüchen von Frauen entgegen, die vornehmlich aufgrund von Familienpflichten entstehen, wie z. B. bei der Gruppe der Berufsrückkehrerinnen wie auch bei der Gruppe der jungen Mütter. Erfahrungen für diese Perspektive können aus internationalen Ansätzen wie beispielsweise aus den Niederlanden gewonnen werden, die Wiedereinstieg, Aufstieg, Berufswechsel landesweit ermöglichen und standardisieren.
Der Beitrag hat Dimensionen von Qualitätsentwicklung im Spannungsverhältnis von Professionalisierung und Benachteiligtenförderung am Segment personenbezogener Berufsfelder aufgezeigt. Deutlich geworden ist die Diskrepanz zwischen dem Bedeutungszuwachs personenbezogener Arbeit und der zunehmenden arbeitsmarktpolitischen Prekarisierung. Für die Zukunftsgestaltung personenbezogener Ausbildungs- und Berufskonzepte ist es unerlässlich, sowohl Prozesse der ordnungsrechtlichen und curricularen Standardisierung voranzutreiben als auch die neuen Instrumente der Flexibilisierung der beruflichen Bildung zu nutzen. Hieraus ergibt sich eine doppelte Strategie: Qualitäts- und Professionsentwicklung ist einerseits auf hohem fachlichem Niveau im Regelsystem der beruflichen Bildung zu verankern; andererseits können neue Instrumente der Benachteiligtenförderung mit dem Ziel der Normalisierung personenbezogener Ausbildungsbereiche sowie berufspädagogischer Integrationsansätze wirksam werden.
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