Der Beitrag gibt einen Überblick zur aktuellen Ausbildungssituation und deren Entwicklungstrends in der Hauswirtschaft. Die Statistik der Ausbildungsverhältnisse, aufgeteilt nach den Berufen Hauswirtschafterin (Berufsbezeichnungen werden in diesem Beitrag zumeist in der weiblichen Form verwendet, da ca. 95% der Auszubildenden weiblich sind. Sie gelten selbstverständlich ebenso für männliche Auszubildende.) und der Hauswirtschaftshelferin zeigt ein relatives Ansteigen des Helferberufs, und damit der Ausbildung von behinderten jungen Menschen, gegenüber der regulären Ausbildung. Auch weitere strukturelle Daten verdeutlichen, dass dem Berufsbereich Hauswirtschaft eine bedeutsame rehabilitative Funktion, besonders für junge Frauen, zukommt. Die Frage stellt sich, in welcher Weise die hauswirtschaftliche Berufsbildung auf eine solche Situation eingestellt ist und reagieren kann. Der Beitrag schließt mit der Überlegung, dass die Hauswirtschaft vor der spannungsvollen Aufgabe steht, einerseits ihr Berufsprofil weiter zu entwickeln und zu professionalisieren und andererseits eine qualitativ hochstehende Integrationsarbeit für alle diejenigen zu leisten, die mit Förderbedarfen unterschiedlicher Art eine hauswirtschaftliche Ausbildung in Anspruch nehmen.
In den 1990er Jahren wurde die Ausbildungsverordnung für den Beruf Hauswirtschafter/in neu gefasst, sie trat 1999 in Kraft. Unter Schlagworten wie „weg von der Verrichtungsorientierung – hin zur Personenorientierung“ sollte der Beruf der Hauswirtschafterin als moderner Dienstleistungsberuf im Kanon einerseits der sozialpflegerischen, andererseits der gastgewerblichen Berufe profiliert und selbstbewusst aufgestellt werden. Im Ausbildungsberufsbild wurden gleich berechtigt neben den klassischen hauswirtschaftlichen Versorgungssaufgaben die hauswirtschaftlichen Betreuungsaufgaben angeordnet, und im 3. Ausbildungsjahr kommen Qualifikationen wie Kundenorientierung und Marketing oder Kalkulation und Vermarktung von Dienstleistungen hinzu. Die hauswirtschaftliche Berufsausbildung vollzog zugleich die paradigmatische Wende des gesamten Ausbildungssektors hin zu mehr beruflicher Selbstständigkeit im Planen, Durchführen und Beurteilen der eigenen Arbeitsprozesse mit. Weit weniger intensiv wurde dagegen die fachöffentliche Debatte über die Ausbildung in den Helferberufen der Hauswirtschaft geführt, obgleich diese einen großen Anteil der Ausbildungsverhältnisse einnimmt. Vielmehr ist oftmals die Befürchtung spürbar, dass die notwendige Professionalisierungsentwicklung der Hauswirtschaft, die vor allem mehr und anspruchsvollere Fachlichkeit erfordert, durch die Vielzahl gering qualifizierter Auszubildender gefährdet werden könnte.
Neun Jahre nach dem Inkrafttreten der novellierten Ausbildungsverordnung ist es Zeit für eine Zwischenbilanz, die in dem folgenden Beitrag vor allem der Frage gewidmet ist, wieweit sich im Berufsbereich Hauswirtschaft faktisch Aufgaben der Benachteiligtenförderung stellen, und wie der Berufsbereich damit umgeht und umgehen kann.
Nimmt man die Ausbildungsberufe der Hauswirtschaft zusammen, so scheint die Gesamtzahl der Auszubildenden mit über 14 000 in den letzten Jahren im Großen und Ganzen stabil zu sein. Innerhalb des Berufsbereiches jedoch zeichnet sich eine deutliche Verschiebung zugunsten der Berufe der Hauswirtschaftshelferin bzw. der hauswirtschaftlich-technischen Betriebshelferin ab – im Jahr 2005 übersteigt die Zahl der Ausbildungsverhältnisse in den Helferberufen diejenige der regulären dualen Ausbildung zur Hauswirtschafterin bereits um gute 20% (Tab. 1). Bei den beiden Helferberufen handelt es sich um eine Ausbildung für behinderte junge Menschen im Sinne des § 66 des Berufsbildungsgesetzes. In diesen Berufen werden mit Unterstützung besonderer Fördermaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit junge Menschen mit festgestellten Behinderungen (häufig Lernbehinderungen) qualifiziert – dies geschieht zumeist in speziellen Einrichtungen, zum Beispiel Berufsbildungswerken. Auffallend ist auch der höhere Anteil junger Männer in der hauswirtschaftlichen Behindertenausbildung - er beträgt hier ca. 10%, während der Anteil junger Männer an den Auszubildenden im Beruf Hauswirtschafter/in nur bei ca. 5% liegt.
Tabelle 2 zeigt im 3-Jahres-Trend insgesamt einen Rückgang der Neuabschlüsse von Ausbildungsverträgen – auch hier wieder stärker ausgeprägt bei den Neuabschlüssen im Ausbildungsberuf Hauswirtschafterin als bei den Helferberufen. Zwar ordnet sich dieser Rückgang in eine allgemeine Entwicklung des Verlustes an Ausbildungsplätzen ein (Berufsbildungsbericht 2006, 41f) und ist darüber hinaus auch noch durch geänderte Förderpraktiken der Bundesagentur für Arbeit bedingt (a.a.O., 42) – trotzdem scheint es bei einer Zahl von mittlerweile deutlich unter 2500 Neuabschlüssen im Beruf der Hauswirtschafterin sehr angebracht, konkrete Maßnahmen zur Belebung der dualen Ausbildung zu entwickeln und umzusetzen.
Betrachtet man die zugänglichen Strukturdaten zur Ausbildungssituation in der Hauswirtschaft, so wird deutlich, dass dieser Berufsbereich eine ganz besondere Stellung im Kanon der Berufsbereiche bekleidet. Die klassische duale Ausbildung mit einem erwerbswirtschaftlichen Betrieb und der beruflichen Schule als Hauptpartner spielt fast eine Nebenrolle – während vollzeitschulische, externe oder außerbetriebliche Qualifizierungsformen das Geschehen stark prägen und bestimmen. Der Hauptaspekt, der auch durch die Strukturdaten eindrucksvoll untermauert wird, ist die Qualifizierung behinderter oder benachteiligter Menschen unter integrativer und rehabilitativer Aufgabenstellung.
Die „Schaubilder zur Berufsbildung“, jährlich aktualisiert herausgegeben durch das Bundesinstitut für Berufsbildung, bieten einen Vergleich der schulischen Vorbildung der Auszubildenden über alle Berufsbereiche hinweg. Hier zeigt sich deutlich, mit welch schwieriger Aufgabe der Berufsbereich Hauswirtschaft konfrontiert ist, wenn mehr als ein Viertel der in ihn einmündenden Auszubildenden nicht einmal über einen Hauptschulabschluss verfügt (Tab. 3). Zählt man die Auszubildenden mit Hauptschulabschluss dazu, sind es fast 60%, die allenfalls diesen Schulabschluss vorweisen können. Wenn nun schon die anderen Wirtschaftsbereiche, wie Handel oder Handwerk, vielfach Klage über die „mangelnde Ausbildungsreife“ ihrer (formal wesentlich höher qualifizierten) Auszubildenden führen, wie kann oder muss die hauswirtschaftliche Diagnose zu diesem Thema ausfallen?
Bildet die hohe Zahl der Auszubildenden ohne Hauptschulabschluss die eine Seite des Problems, so ist die vergleichsweise sehr geringe Zahl von Auszubildenden mit Realschulabschluss die andere Seite. Hier zeigt sich deutlich ein Rekrutierungsproblem des hauswirtschaftlichen Berufs gegenüber Schulabgängerinnen und Schulabgängern mit mittlerem Bildungsabschluss und entsprechenden beruflichen Ambitionen. Zwar sehen die Zahlen günstiger aus, wenn man nur den Beruf der Hauswirtschafterin betrachtet, aber auch hier interessieren sich mit 15,7% prozentual nur etwa halb so viele Realschulabgänger/innen für den hauswirtschaftlichen Beruf wie für die Berufe der Landwirtschaft oder des Handwerks.
In der „Hitliste“ der Berufe für Ausbildungsanfänger ohne Hauptschulabschluss nehmen die hauswirtschaftlichen Helferberufe eine Spitzenstellung ein (Tab. 4). Berücksichtigt man dazu noch die traditionell übliche Geschlechterverteilung, wird deutlich, dass bei den Berufen zur Ausbildung von behinderten jungen Menschen hauptsächlich die Helferberufe der Hauswirtschaft für junge Frauen in Betracht kommen.
Es bringt die vorab dargestellten Fakten nochmals auf den Punkt, wenn man sich vergegenwärtigt, dass deutlich über 50% der Neuabschlüsse (vgl. auch Tab. 2) in der Hauswirtschaft der Berufsausbildung von Behinderten dienen (Tab. 5).
Was die Tabelle 5 jedoch ebenfalls zeigt, ist, dass kein anderer Berufsbereich im Vergleich auch nur einen annähernd so hohen Anteil an Berufsausbildungen für behinderte junge Menschen aufweist wie die Hauswirtschaft – dass also die Relation zwischen der gesamten Größenordnung der Ausbildung im Berufsbereich und der Ausbildung mit Rehabilitationsauftrag sich als ein Überwiegen des letztgenannten Bereichs gegenüber der regulären Ausbildung darstellt.
Als Akteure, die diese Situation re-produzieren, sind sicher nicht in erster Linie die Auszubildenden selbst zu nennen. Vielmehr sind es Arbeitsagenturen und Maßnahmenträger, die für junge Frauen eine hauswirtschaftliche Grundbildung konzipieren, vielleicht auch im Blick auf ein späteres Leben ohne kontinuierliche Erwerbstätigkeit, in der hauswirtschaftliche Basiskompetenzen auch der Führung des eigenen Haushalts und Bewältigung des eigenen Lebens zugute kommen können.
Auch der Status als „Behinderte“ kann in diesem Zusammenhang als ein Ergebnis von Diagnose- und Beratungsprozessen gesehen werden, die auf eine pragmatische Problemlösung abzielen: „Es ist schon längere Zeit bekannt, dass die Ausbildung in Maßnahmen oder Ausbildungsregelungen für Benachteiligte oder Lernbeeinträchtigte nicht allein durch Vorliegen entsprechender Merkmale bei den Auszubildenden begründet ist, sondern dass solche Maßnahmen als Problemlösestrategien zu verstehen sind, Jugendlichen trotz Mangel an Ausbildungsplätzen eine Lehrstelle zu verschaffen.“ (Kommentar zu Nr. 4.7 der Schaubilder zur Berufsbildung 2007) Mit anderen Worten handelt es sich in der Mehrzahl der Fälle nicht um langfristig (z.B. physiologisch) behinderte Menschen, etwa Absolventinnen und Absolventen der Sonderschulen, sondern um junge Leute mit Lernbeeinträchtigungen und evtl. weiteren Schwierigkeiten im psycho-sozialen Bereich, die keinen oder einen schwachen Hauptschulabschluss vorweisen können und so an der ersten Schwelle, dem Übergang von der allgemein bildenden Schule in Ausbildung zu scheitern drohen. Durch ein gestuftes Diagnose- und Gutachtenverfahren wird die Behinderung offiziell festgestellt, um die jungen Leute anschließend in Maßnahmen zur Ausbildung in den Behindertenberufen gemäß Berufsbildungsgesetz bzw. Handwerksordnung aufnehmen zu können.
Weitere Strukturmerkmale bestätigen die eingangs formulierte These, dass die klassische duale Ausbildung im Bereich der Hauswirtschaft, und zwar auch im regulären Ausbildungsberuf Hauswirtschafter/in , nur eine unter vielen anderen Formen ist – und keineswegs die überwiegend praktizierte.
Diese Merkmale sollen im Folgenden kurz vorgestellt und erläutert werden:
Große Bedeutung der außerbetrieblichen Ausbildungen
Hohe Quoten der vollzeitschulischen Ausbildung
Hoher Anteil an Externenprüfungen.
Eine weit verbreitete Form der Ausbildung in der Hauswirtschaft ist diejenige über außerbetriebliche Träger. Diese Träger, teils bundesweit vertretene Berufsbildungswerke, teils (lokale) Vereine, teils Untergliederungen von Verbänden oder Kammern arbeiten als Maßnahmennehmer der Bundesagentur für Arbeit, indem sie den betrieblichen Part der dualen Ausbildung übernehmen, sowie teils auch Stützunterricht und eine sozialpädagogische Begleitung der Auszubildenden. Außerbetriebliche Ausbildung kommt immer dann in Frage, wenn Ausbildungsinteressenten kein reguläres betriebliches Ausbildungsverhältnis eingehen können, weil sie mit ihren Bewerbungen auf dem Ausbildungsstellenmarkt scheitern, oder auch, weil sie direkt in die entsprechenden Maßnahmen „hinein beraten“ werden. Daten über den genauen Anteil der außerbetrieblichen an allen Ausbildungsverhältnissen fehlen, doch kommt der Berufsbildungsbericht zu dem Schluss: „Auch wenn genauere Schätzungen fehlen, so ist davon auszugehen, dass in der Hauswirtschaft der größte Anteil an außerbetrieblich begründeten Lehrverhältnissen zu finden ist.“ (Berufsbildungsbericht 2006, 53) Dies ist sicher auch dadurch (mit-)begründet, dass die Ausbildungsbetriebe in der Hauswirtschaft in der Regel kleine und kleinste, nur in Ausnahmefällen mittlere Unternehmen sind, entsprechend immer nur geringe Zahlen an Auszubildenden beschäftigen und aufgrund von wirtschaftlichen Entwicklungen die Ausbildungsfähigkeit und -bereitschaft auch auf dem Sektor der Hauswirtschaft nachlässt.
Vergleichsweise hoch ist die Zahl der vollzeitschulischen Ausbildungen in den haus- und ernährungswirtschaftlichen Berufen – sie steht mit 6.022 Schülerinnen und Schülern im Schuljahr 2004/05 an der Spitze derjenigen Berufsgruppen, die an Berufsfachschulen nach dem Berufsbildungsgesetz bzw. der Handwerksordnung ausgebildet werden. (Berufsbildungsbericht 2006, 184) Hier handelt es sich um Ausbildungen ohne Ausbildungsvertrag, bei denen die Rolle des betrieblichen Dualpartners durch eine Reihe von Praktika ersetzt wird. Diese Ausbildungsform weist in den letzten Jahren ständig steigende Tendenzen auf. (ebd.)
In beiden letztgenannten Formen fehlt zwar die reguläre betriebliche Erfahrung, als Vorteil ist aber zu werten, dass die Ausbildung sehr intensiv und zielgruppenbezogen durchgeführt werden kann.
Wiederum eine herausragende Stellung nimmt der Berufsbereich der Hauswirtschaft ein, wenn es um die Anzahl und Relation von Externenprüfungen geht (Tab. 6). Diese stehen zum einen am Ende der vollzeitschulischen Ausbildung. Zum anderen wird besonders im Beruf der Hauswirtschafterin eine Bestimmung des Berufsbildungsgesetzes ausgeschöpft, die es Personen ermöglicht, aufgrund mehrjähriger Erfahrung in einem Beruf auch ohne reguläre Ausbildung zur Kammerprüfung anzutreten (§ 45 BBiG bzw. § 37 HwO). Die nachzuweisende Zeit der Praxiserfahrung wurde in der jüngsten Novelle des Berufsbildungsgesetzes von dem doppelten auf das eineinhalbfache der regulären Ausbildungszeit verkürzt, also auf 4,5 Jahre. Gilt diese Möglichkeit der Externenprüfung nach einer bestimmten Zeit beruflicher Erfahrung für alle Berufe , so ist es der Hauswirtschaft vorbehalten, dass auch Praxiserfahrungen bei der Führung des eigenen (Mehrpersonen-)haushalts angerechnet werden können. Auf dieser Grundlage kommt es vielfach zu Externenprüfungen von Frauen, die bisher keine Berufsausbildung erwerben oder abschließen konnten oder die in der Familienphase ihr Interesse an der Hauswirtschaft entdeckt haben und sich nun diesem Bereich auch beruflich zuwenden wollen. Eine Vorbereitung oder formale Qualifizierung für diese Prüfungen ist gesetzlich nicht erforderlich – jedoch bieten vielfach Träger der Erwachsenenbildung Kurse an, mit denen Interessentinnen sich auf die Externenprüfung zur Hauswirtschafterin vorbereiten können. Diese Kurse orientieren sich an dem Ausbildungsrahmenplan – weitere, Zielgruppen spezifische Inhalte oder differenzierte Qualifikationsziele für diese Kurse existieren bislang nicht auf einer bundesweit kommunizierten Ebene.
Mit über 45% kommen die Externenprüfungen im Beruf Hauswirtschafter/in nahe an die Hälfte aller Kammerprüfungen heran. Wie prekär zum Teil diese Qualifizierungen sind, zeigt sich auch in der auffallend niedrigen Erfolgsquote von 67%.
Mit den vorgestellten Daten und Fakten wurde deutlich, dass die hauswirtschaftliche Berufsausbildung vor ganz speziellen Herausforderungen steht. Der rehabilitative Auftrag, der sich mit der Ausbildung einer großen und steigenden Zahl junger Menschen in den hauswirtschaftlichen Helferberufen verbindet, muss in einer engen Verbindung von fachlicher Qualifizierung und sozialpädagogischer Begleitung und Förderung wahrgenommen werden. Ausbildung in der Hauswirtschaft heißt eben in vielen Fällen Ausbildung in spezialisierten, außerbetrieblichen Einrichtungen, heißt Ausbildung von jungen Menschen mit erfahrenen Behinderungen, Benachteiligungen und Beeinträchtigungen. Um diese schwierige Aufgabe meistern zu können, benötigt das Ausbildungspersonal mehr als nur eine gute fachliche und übliche berufs- und arbeitspädagogische Qualifikation. Einzelne Zuständige Stellen, so in Rheinland-Pfalz, sind hier mit herausragendem Beispiel voran gegangen, indem sie für Ausbilderinnen, die in der sog. Reha-Ausbildung tätig werden, eine sozialpädagogische Zusatzqualifikation zur Pflicht gemacht haben. (vgl. BAUR 2004) Hilfreich wäre eine bundesweite Diskussion und Standardisierung von Qualifikationsprofilen zur Befähigung der Ausbildungskräfte in der Hauswirtschaft für diesen rehabilitativen Aufgabenbereich. Ebenso müssen bei der Ausbildung schulischer Lehrkräfte, die die Fakultas für die Berufliche Fachrichtung Ernährung/Hauswirtschaft anstreben, die spezifischen Ausbildungssituationen und Zielgruppen in diesem Berufsbereich umfassend vorgestellt und die erforderlichen pädagogischen und fachdidaktischen Schlussfolgerungen erarbeitet werden.
Eine interessante Option für die hauswirtschaftliche / haushaltswissenschaftliche Fachdiskussion ist die Verknüpfung der beruflichen Qualifizierung mit der Vermittlung allgemein bildender Kompetenzen zur Alltagsgestaltung und persönlichen Lebensführung. Dieses wurde bisher nur ansatzweise, und zwar im Kontext der Konzepte und Modelle zur Armutsprävention der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft, geleistet. (KETTSCHAU/ BRINKMANN 2002) Angesichts der Tatsache, dass viele der jungen Frauen und Männer, die eine Ausbildung beginnen, selbst in vielfältiger Weise benachteiligt sind und sich in einem schwierigen Prozess der Entwicklung zur eigenständigen Lebensgestaltung befinden, ist eine Implementation allgemein bildender hauswirtschaftlicher Inhalte in die berufliche Bildung sehr nahe liegend. Hier ist etwa an Fragen von Wirtschaftsführung, Gesundheitsbildung, Ernährung u.v.m. zu denken. Die Bildungsziele, wie sie zum Beispiel in dem Projekt REVIS (Reform der Ernährungs- und Verbraucherbildung an Schulen – www.evb.de ) formuliert wurden, sind sicher nicht mit dem Abschluss der allgemein bildenden Schulen als erreicht anzusehen. Es wäre deshalb aus fachlicher Sicht geboten, gerade die Phase der Berufsausbildung, als Lebensphase des Erwachsenwerdens und häufig der Gründung eines eigenen Haushalts, in die Vermittlung alltagsbezogener Kompetenzen zur Lebensgestaltung und Haushaltsführung einzubeziehen.
Mit Blick auf die Daten und Fakten der hauswirtschaftlichen Berufsausbildung stellt sich aus meiner Sicht weiterhin die Frage, ob die bestehenden Varianten der hauswirtschaftlichen Berufsausbildung und deren rechtliche, institutionelle, fachliche und pädagogische Ausgestaltung der gegebenen Situation (noch) Ziel führend gerecht werden. Die Helferinnenausbildung kommt nur für „Behinderte“ im Sinne von § 66 des Berufsbildungsgesetzes in Frage - eine solche Eingruppierung kann unter Umständen langfristig für bestimmte Auszubildende mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringen. Bei der Vollausbildung zur Hauswirtschafterin dagegen wurden mit dem Neuordnungsverfahren von 1999 Professionalisierungsansprüche formuliert und im Ausbildungsberufsbild sowie dem Ausbildungsrahmenplan festgeschrieben, die in der Ausbildungswirklichkeit vielfach nicht leicht umzusetzen sind. Diejenigen jungen Menschen, die eine hauswirtschaftliche Berufsausbildung aufnehmen, verfügen, wie der Beitrag gezeigt hat, in der Mehrzahl über deutlich geringere schulische Vorbildungen als Auszubildende im deutschen Durchschnitt und in benachbarten Berufsbereichen. Aus der Praxis der betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildung ist dementsprechend häufig die Klage zu hören, dass die Ansprüche der Verordnung mit den real verfügbaren Auszubildenden kaum oder nur unter großen Schwierigkeiten umzusetzen sind. Zudem spricht der kontinuierliche Rückgang der Neuabschlüsse von Ausbildungsverträgen eine deutliche Sprache.
Zu überlegen sind also Wege, wie der Anspruch „Hauswirtschaft als moderner Dienstleistungsberuf“ qualitativ und quantitativ umgesetzt und zugleich die real vorhandenen Zielgruppen mit ihren Lernvoraussetzungen, ihren beruflichen Qualifizierungsmöglichkeiten und -interessen optimal erreicht werden können. Daneben ist es auch weiterhin ein wünschenswertes Ziel, andere Zielgruppen, mit höheren/besseren allgemein bildenden Schulabschlüssen für eine hauswirtschaftliche Ausbildung zu gewinnen.
Einer solchen möglichen Spreizung von Vorbildungen, Begabungen und Entwicklungsinteressen der Auszubildenden könnte durch entsprechende Auffächerung des Berufsbildes begegnet werden, wie zum Beispiel durch Aufsetzen von weiteren Qualifizierungsstufen (Fachhauswirtschafterin) oder auch durch Stufung im Rahmen der Erstausbildung. In den zurzeit zahlreich entstehenden Qualifizierungsmaßnahmen, die zunächst vorgelagert zu einer Vollausbildung konzipiert sind, könnte man auch eine solche erste Stufe der Ausbildung sehen. Wichtig ist hierbei, den Bezug zu den anerkannten Ausbildungsberufen zu wahren, so dass „die Möglichkeit (besteht), sie auf die Ausbildungszeit und Ausbildungsinhalte entsprechend anzurechnen“. (BAUR 2006, 46)
Eine Zielgruppen gerechtere Ausbildung ist weiterhin zu verwirklichen durch Ausschöpfen der neuen Möglichkeiten des Berufsbildungsgesetzes wie gestreckte Prüfungen oder auch Teilzeitausbildung für junge Frauen (und Männer) mit Elternpflichten. (vgl. BAUR, a.a.O.) Schon seit geraumer Zeit erhobene Forderungen nach einer Flexibilisierung der Ausbildung durch Modularisierung und Zertifizierung einzelner Ausbildungsabschnitte (vgl. BRINKMANN 2002) wurden zwar durch die 2005er Novelle des Berufsbildungsgesetzes nicht vollständig unterstützt, jedoch ergeben sich aus der aktuellen Gesetzeslage durchaus andere Optionen, die auch im Bereich der Hauswirtschaft sinnvoll sein können, wie etwa die Zusatzqualifikationen zur Ergänzung oder Erweiterung der beruflichen Handlungsfähigkeit (§ 5, Abs. 2, Ziffer 5 BBiG). Hierdurch ließe sich das Berufsbild attraktiver gestalten und passgenauer an den Ansprüchen des Arbeitsmarktes ausrichten.
Auf eine verbesserte Gestaltung der institutionellen und curricularen Kooperation der Lernorte und Einbindung unterschiedlicher betrieblicher Realitäten richten sich Reformvorhaben und Modellprojekte, auch und gerade in der Hauswirtschaft mit ihrem hohen Anteil an vollzeit-schulischen und außerbetrieblichen Ausbildungen. Die Qualität der Ausbildung zu verbessern, theoretisches und praxisbezogenes Lernen zu verknüpfen, und nicht zuletzt neue betriebliche Partner für die hauswirtschaftliche Ausbildung zu gewinnen und zu binden, sind wichtige Ziele der Modellmaßnahmen. (vgl. BRINKMANN 2003) Lernortverbünde als Mittel der Wahl können dabei hauptsächlich betriebliche Partner zusammen führen oder ihren Ausgangspunkt in den beruflichen Schulen nehmen und von dort in neuartiger Weise betriebliche Partner in die Ausbildung einbinden. Der Modellversuch „Dienstleistung im Lernortverbund“ (DILL), an dem als schulische Partner das Anna Siemsen-Berufskolleg in Herford und das Schulzentrum Bremen-Neustadt beteiligt waren, hat hier herausragende Arbeit geleistet. Diese Beispiele weiter zu entwickeln und auf andere Bedingungen und Standorte zu übertragen ist eine lohnende Zukunftsaufgabe.
Flexibilisierung, Zielgruppenorientierung, Verknüpfung von beruflichen und die persönlichen Kompetenzen fördernden allgemeinen Lerninhalten, eine den Aufgaben gerecht werdende Qualifizierung des beruflichen Ausbildungs- und Lehrpersonals, neue Formen der institutionellen und curricularen Kooperation – unter diesen Stichworten lassen sich viele Entwicklungsaufgaben der nächsten Zeit diskutieren. Weitere werden dazu kommen, so dass der hauswirtschaftlichen Berufsbildung die Innovationsimpulse nicht ausgehen werden.
BAUR, M. (2004): Sozialpädagogische Zusatzqualifizierung der Lehr- und Ausbildungskräfte in der Hauswirtschaft – Konzept und Erfahrungen. In: Haushalt und Bildung, Heft 4/2004, 35-47
BAUR, M. (2006): Das neue Berufsbildungsgesetz und seine Impulse für Innovationen in der Hauswirtschaft. In: Haushalt und Bildung, Heft 3/2006, 45-53.
BRINKMANN, E. (Hrsg.) (2002): Berufsbildung in der Hauswirtschaft. Modularisierung und Zertifizierung im gestuften Qualifizierungssystem. Genesis, Stand, Vision, Provokation. Dokumentation der Fachtagung Hauswirtschaft im Rahmen der Hochschultage Berufliche Bildung 2002. Bielefeld.
BRINKMANN, E. (2003): Wege zur Handlungskompetenz – Lernortkooperation. In: Simpfendörfer, Dorothea (Hrsg.): Hauswirtschaft – Handreichung zur Ausbildung. Hamburg.
BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (Hrsg.) (2006): Berufsbildungsbericht 2006. Bonn, Berlin.
BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG: Schaubilder zur Berufsbildung, verschiedene Jahrgänge. www.bibb.de .
Dienstleistung im Lernortverbund, Modellverbund im BLK-Programm „Kooperation der Lernorte in der Beruflichen Bildung“ (KOLIBRI) (2003): Abschlussbericht.
KETTSCHAU, I./ BRINKMANN, E. (Hrsg.) (2002): Module zur Armutsprävention für die hauswirtschaftliche Berufsbildung – Begründungen und erste Ansätze. Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft, Konzepte und Module zur Armutsprävention, Bd. 2, Bonn.