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 bwp@ Spezial 4 | September 2008
Hochschultage Berufliche Bildung 2008
FT 06 Hauswirtschaft

Berufsorientierung junger Frauen zwischen Geschlechterrollenklischees und Professionalisierung

 

Abstract

Ginge es allein nach den Schulabschlussniveaus, müssten junge Frauen heute auch überall dort im Berufsleben zu finden sein, wo traditionell Männer dominieren: in Naturwissenschaft, Technik, Ingenieurswesen, Führungspositionen. Tatsächlich ist das nicht so oder nicht in dem gewünschten Masse. Die institutionelle und die individuelle Berufsorientierung spiegeln diese Situation und bedingen sie zugleich mit. Die unvollkommene Integration von Frauen in die Berufswelt ist Ausdruck der unvollkommenen Emanzipation der Gesellschaft.

Der Beitrag entstand im Vorfeld einer neuen Forschungsarbeit der Autorin zum ‚Berufsweltwissen junger Frauen', die wesentlich auch durch das Konzept des Weltwissens von ELSCHENBROICH (2002) angeregt worden ist.

1.  Berufsorientierung im Zwischenstadium

Das Thema „Berufsorientierung junger Frauen zwischen Geschlechterrollenklischees und Professionalisierung“ hat etwas Schillerndes und Attraktives: Es hat eine gewisse Uneindeutigkeit – ist die Berufsorientierung von jungen Frauen selbst gemeint oder die Berufsorientierung als institutionalisiertes Angebot? – und es führt uns mitten hinein in gesellschaftliche Veränderungsprozesse – und zwar sowohl auf Seiten der jungen Frauen selbst als auch bei Konzepten und Angeboten institutionalisierter Berufsorientierung.

Diese gesellschaftlichen Veränderungsprozesse bewegen sich zwischen Geschlechterrollenklischees und Professionalisierung – Begrifflichkeiten, die hier als Synonyme für die Pole traditionell/rückwärtsgewandt versus modern/dynamisch stehen sollen.

In gewisser Weise pendeln nicht nur die Berufsorientierung von jungen Frauen und die institutionelle Berufsorientierung zwischen diesen beiden Polen, sondern auch deren Betrachtung und Bewertung durch Wissenschaft und Politik.

Verankert in der Suche nach wirksamen Konzepten und erfolgreichen Strategien zur Verbesserung der Ausbildungs- und Berufssituation von Frauen, ist die nach Professionalisierung strebende Berufsorientierung für junge Frauen immer wieder auch mit ihrem Scheitern konfrontiert – jedenfalls immer dann, wenn eine über die Jahrzehnte hinweg nahezu unverändert geringe Beteiligung von Frauen an Männerberufen und eine ebenso nahezu unverändert hohe Konzentration von Frauen auf Frauenberufe zum Maßstab für eine ‚richtige' oder ‚falsche' Berufsorientierung erhoben wird: Es hat sich nichts verändert, also ist die Berufsorientierung falsch. Dabei wird diese negative Schlussfolgerung – über deren Qualität und Grundlage noch einiges zu sagen ist – vornehmlich und fast standardmäßig gerade auch von Wissenschaft und Politik als Vorwurf an die Adresse der jungen Frauen formuliert.

Die Angebote der institutionalisierten Berufsorientierung hingegen stehen eher selten in einer so harschen und globalen Kritik. Das mag auch im Zusammenhang mit der starken Professionalisierung und Modernisierung dieser Angebote generell zu verstehen sein, insbesondere aber mit der dadurch mit ermöglichten Entwicklung und Etablierung einer modernen Angebotsdiversität bei der institutionalisierten Berufsorientierung für junge Frauen. Einen starken Schub haben die Entwicklungen durch die ‚neuen Medien' bekommen und durch die große Unterstützung aus der aufstrebenden jungen IT-Branche. Zu nennen sind hier die von der Bundesregierung, der Initiative D21 und vielen anderen geförderten oder unterstützten Projekte: Girls'Day, idee-it, Taste for Girls, Joblab, LizzyNetLeaNet (Schulen ans Netz), Initiative Internet für alle etc.

War die Branche bereit und fähig, das Potenzial der jungen Frauengenerationen mit ihren hervorragenden Bildungs- und Ausbildungsleistungen zu erkennen und für sich zu erschließen, boten die ‚neuen Medien' die Mittel und Wege, innerhalb kurzer Zeit bunte, attraktive, schnelle und spielerisch nutzbare und mitgestaltbare Angebote zur Berufsorientierung junger Frauen zu erschaffen, zu verbreiten und immer wieder zu erweitern und zu verändern.

Während durchaus traditionell geschlechtstypisierende Charakterisierungen von Berufen, Tätigkeiten und Fähigkeiten mit einer Minderbewertung des Weiblichen tragende Elemente der institutionellen Berufsorientierung geblieben sind, mit denen – sei es als zu- oder abratende Richtungsweisung – traditionelle Bilder von Frauen- und Männerwelten transportiert werden, malen die neuen Angebote Bilder moderner Weiblichkeit und Möglichkeit. Diese sind, selbst wenn sie sich eher als Erweiterung verstehen, doch auch Gegenentwürfe und beziehen damit in gewisser Weise auch zwangsläufig negativ Stellung zum traditionell Weiblichen und einer traditionellen Berufsorientierung von und für junge Frauen, die sich auf Frauenberufe richtet und/oder sich auf diese beschränkt.

Inwieweit diese negative Stellungnahme in den modernen Angeboten zur weiteren Abwertung ‚typischer' Frauenberufe und –tätigkeiten beiträgt oder möglicher Weise gerade zu einer Verstärkung der Orientierung junger Frauen auf diese Berufe ist ebenso eine offene Frage, wie umgekehrt, inwieweit die Beharrlichkeit traditioneller Angebote, beeinflusst durch die modernen Angebote, zur Aufwertung von Frauenberufen beiträgt und zugleich Orientierungswege hin etwa zu IT- und Medienberufen öffnet. Diese Fragen sollten dringend auch von der Berufsbildungsforschung aufgegriffen werden sollten. Denn schließlich muss man auf diese Fragen Antworten haben, wenn es darum geht, Kriterien für gute Qualität in der Berufsorientierung als Konzept und Produkt zu bestimmen und als Standards etwa auch für die Bildungsberatung im Rahmen des lebensbegleitenden Lernens zu formulieren (vgl. BMBF 2007a und 2007b; FAMULLA 2004).

Diese Aufgabe ist umso schwieriger, aber auch umso bedeutsamer, als die gesellschaftliche Situation von Frauen heute durch neue Widersprüche gekennzeichnet ist: Frauen haben mit ihren Bildungsleistungen Bildungsniveaus erreicht, mit denen sich Aspirationen auf und Möglichkeiten zu höher- und hochwertigen Berufskarrieren und langfristigen beruflichen Entwicklungswegen verbinden. Für Frauen jedoch lösen sich diese nicht in angemessenem Umfang ein und so hat es den Anschein, als sei die männliche Dominanz in der Berufswelt von all den Veränderungen beim Bildungsniveau der Frauen und bei den politischen Zielsetzungen zur Gleichstellung der Geschlechter unberührt geblieben. So hat die Bundesregierung mit Kabinettbeschluss vom 23. Juni 1999 auf der Grundlage des in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG festgelegten Staatsziels die Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Leitprinzip ihres Handelns anerkannt und beschlossen, diese Aufgabe mittels der Strategie des Gender Mainstreaming zu fördern. Und dennoch: Höhere Einkommen, höhere (Führungs-) Positionen mit größeren Entscheidungsbefugnissen – das scheinen unverändert die Insignien der materiellen und ideellen Höherbewertung des Männlichen im Berufsleben (s. auch BMGSFJ 2005; BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT 2007; STIEGLER 1993).

Und zugleich scheint es so, als habe sich auch an traditionellen Verhaltensweisen von Frauen wenig verändert, wählen sie weiterhin doch eher all die Berufe und Bereiche, in denen sie die Mehrheit stellen – und begrenzen sich so selbst und ihre Partizipation an gesellschaftlicher Macht.

Wenn nun sowieso alles so bleibt wie es ist – welche Bedeutung kann Berufsorientierung dann haben? Wenn nun doch nicht alles so geblieben ist wie es war – welche Veränderungen finden sich in der Berufsorientierung wieder? Wenn Berufsorientierung tatsächlich einen Beitrag zu Stagnation oder Veränderung bei der Beteiligung von Frauen und Männern am Berufsleben leistet, dann sollte dieser Beitrag näher betrachtet werden. Welche Konstruktionen, Maßstäbe und Zielsetzungen finden sich in Angeboten und Konzepten zur Berufsorientierung für junge Frauen? Welche Konstrukte, Maßstäbe und Zielsetzungen finden sich in der Berufsorientierung von jungen Frauen selbst? Weisen sie Bezüge zueinander auf und wie lässt sich ihre Wirksamkeit beschreiben und erfassen? Welche Wissensbestände über die Berufswelt werden vermittelt und welche werden von den jungen Frauen in ihre Berufsorientierung aufgenommen? Es geht also um eine neue Betrachtung der individuellen und der institutionellen Berufsorientierung gerade in ihrer Bezogenheit aufeinander.

2.  Berufsorientierung in Widersprüchen

Berufsorientierung soll zur Steuerung des ökonomischen und sozialen Bedarfs an beruflichen Qualifikationen und Motivationen beitragen. Angesichts der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen scheint eine ‚Doppelgleisigkeit' weiblicher Berufsorientierung in diesem Sinne geradezu ideal: Der Raum, den die Berufsorientierung junger Frauen für ihre soziale Qualifizierung und ihre soziale Arbeit in der Öffentlichkeit und in der Familie lässt, stellt dabei benötigte Potenziale zur Deckung dieses Bedarfs auf Seiten der Gesellschaft zur Verfügung. Dieses Element der Berufsorientierung junger Frauen bleibt funktional, so lange die Lücken in der sozialen Inneneinrichtung der Gesellschaft – speziell bei der Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern und bei der Fürsorge und Unterstützung Älterer, Kranker, Behinderter – groß sind und es vornehmlich den Frauen überlassen bleibt, sie – vor allem als Familien- und Privatarbeit – zu füllen.

Ausbildung, Beruf und Berufstätigkeit sind für Frauen heute zur Selbstverständlichkeit geworden – ihre Haupt-Zuständigkeit und Haupt-Verantwortung für Kinder, Familie, Fürsorge und Betreuung ist eine Selbstverständlichkeit geblieben (vgl. auch KELLER/ PFAHL 2008). Und damit ist eine widersprüchliche Realität gegeben, die Frauen zwischen Beruf und Familie platziert. Junge Frauen gehen deshalb meist in zwei Richtungen – das kann, zumal auf Stöckelschuhen und im Businessdress – elegant aussehen, bleibt aber nicht ohne Risiko, denn unterbrochene Erwerbstätigkeit und Teilzeitarbeit führen Frauen nur allzu häufig in materielle Abhängigkeit und Altersarmut. Berufsorientierung bereitet auf das Entweder-Oder und das Halb-und-Halb von Vereinbarkeitsmodellen vor und gestaltet diese widersprüchliche Realität, indem sie die Präferenz frauendominierter Berufe, Tätigkeiten und nicht zuletzt Beschäftigungsformen bestehen lässt, ohne deren Minderbewertung (vgl. auch WINTER 1994) zu thematisieren und zu deren Aufwertung beizutragen. Die unvollendete Emanzipation der Gesellschaft spiegelt sich auch darin: dass es ihr bislang nicht gelungen ist, Frauen und ihre Arbeit angemessen zu werten und materiell und ideell angemessen zu entlohnen; und dass sie es noch immer nicht geschafft hat, sich aus den Hierarchien des Modells ‚der Mann als Ernährer' zu befreien (vgl. PINL 2003; JURZYK 1990, Born 1990).

Berufsorientierung beinhaltet Aufklärung und Information über die Berufswelt der unvollendet emanzipierten Gesellschaft. Daher enthält sie als Botschaft immer ein gewisses „Ja-Aber“, wenn es um die Beteiligung von Frauen in der Berufswelt geht: Die Rede ist noch immer von Frauen- und Männerberufen mit einer quasi natürlichen Trennlinie zwischen jeweils zulässigen Terrains und davon, dass Frauen sich im dualen Berufsbildungssystem nur auf 10 der insgesamt derzeit 344 anerkannten Ausbildungsberufe konzentrieren. Es geht um die attraktiven Verdienst- und Karrierechancen in Technik und Informationstechnologie und darum, dass junge Frauen überwiegend in den Berufen der Kaufleute, in medizinischen Assistenzberufen und im Dienstleistungssektor präsent sind. Gesprochen wird vom Fachkräftemangel durch den Geburtenrückgang und über die schlechteren Berufseinstiegschancen gerade von hochqualifizierten Frauen, und ihren Problemen, Kind und Karriere unter einen Hut zu kriegen. Dass die Talente gerade auch der jungen Frauen in Naturwissenschaft und Technik für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands wichtig sind und gebraucht werden, ist einerseits eine Anerkennung, andererseits schwingt etwas von einer Zusatzbegründung mit: Wo es nicht genug – oder nicht die richtigen – Männer gibt oder wenn es um höhere Ziele geht, können Frauen ins Spiel kommen. Auch in diesen Kontexten scheint eine gewisse Minderbewertung des Weiblichen und der von Frauen dominierten Bereiche unterlegt zu sein.

3.  Berufsorientierung im (Berufs-) Lebensplan

All diese Widersprüchlichkeiten und manch Gegensätzliches findet dann auch Zugang zur (Berufs-) Lebensplanung und -gestaltung. Denn Berufsorientierung soll ja zur Entwicklung von Kompetenzen für eine Berufs-Lebensplanung und von Bewältigungsstrategien für ein erfolgreiches Berufsleben beitragen. Anders als die Berufsberatung und die Berufswahl, die zu punktuellen Entscheidungen führen sollen, ist Berufsorientierung Teil der Persönlichkeitsentwicklung und damit eines Prozesses: Wer man ist und wer man sein will, welche Berufe man ergreifen kann und will – auf diese lebenswichtigen Fragen werden mit der Berufsorientierung Antworten gesucht und dabei berufsbiographische Steuerungs- und Gestaltungskompetenz herausgebildet. Diese Kompetenzen sind gerade im Kontext des Lebenslangen Lernens und der dauernden Veränderungen von Arbeit und Leben unerlässlich, sollen die Einzelnen größtmögliche Autonomie bei der Gestaltung ihrer Berufswege und –Berufsumwege, ihrer steilen, normalen oder unterbrochenen Berufskarrieren erlangen und erhalten können.

4.  Berufsorientierung: weiblich

Wie gelangen junge Frauen nun zu dieser größtmöglichen Autonomie? Was trägt die Berufsorientierung dazu bei und was verhindert sie? Bei der Behandlung dieser Fragen gerät man zwangsläufig zwischen Mythen und Tatsachen, die jeweils selbst wieder zwei Gesichter haben.

Frauen sind anders und lernen anders (vgl. VENTH 2007), sie haben einen anderen Zugang zu Technik und Technologie (WEBER/ CUSTER 2005) und haben einen anderen Führungsstil. Wie anders? Das mag man sich heute fragen und vielleicht lieber auch davon abrücken. Heute will man – und auch junge Frauen – gleich und eben nicht anders sein.

Dabei hat die Auseinandersetzung mit dem Anderssein und dessen Ausformulierung – von Simone de Beauvoirs „Das andere Geschlecht“ (BEAUVOIR 1951) bis hin zum Girls' Day – gerade zur Selbstvergewisserung von Frauen, zur Erarbeitung und Aneignung einer eigenen Identität als Frauen und zu eigenen Vorstellungen von Leben, Beruf und Gleichstellung geführt. Vieles davon ist durchgesetzt worden.

Und doch sind die gesellschaftlichen Räume, in denen Frauen heute fraglos ihren Platz einnehmen können, noch immer begrenzt und möglicher Weise schrumpfen sie sogar wieder: Während das Ansehen der angestammten Frauenberufe (vgl. auch KETTSCHAU 2002) und Tätigkeitsfelder – nicht zuletzt durch ihre Teilzeit“kultur“ und ihre generell niedrige Entlohnung – an Wert und Ansehen weiter verlieren, haben Frauen in den Männerdomänen keine gesellschaftlich verallgemeinerte Identität finden – und womöglich auch deshalb dort nicht wirklich an Terrain gewinnen können. Mädchen in Männerberufen, Frauen in Chefsesseln – solche Begriffe bringen das zum Ausdruck und legen nahe, dass Frauen, die so beschrieben werden, Heroinnen der Moderne sind, die sich auf fremdem Gebiet und getarnt durchschlagen müssen. Alle die jungen Frauen, die einen solchen Weg nicht wählen möchten oder können, brauchen andere Zugänge zu Männerdomänen und dort Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen und Karrierechancen, die sie ansprechen und die ihnen angemessen sind. Die dabei auftretenden Probleme werden häufig als das Aufeinanderprallen von unterschiedlichen Kulturen der Geschlechter beschrieben und bekämpft. Möglicher Weise führt hier der pädagogische Blick weiter: Man kann Kompetenzlücken beim Erkennen und bei der Anerkennung von z.B. technischen und Führungskompetenzen von Frauen gerade auch bei Personal- und Aus-Bildungsverantwortlichen identifizieren, und einen gezielten ‚Kultur'wandel vorantreiben. Gerade im IT-Bereich stehen Veränderungen der männlich dominierten Betriebskulturen (Vgl. BIBB 2001) und die auf männliche Interessen und Lernpräferenzen ausgerichtete Ausbildung (siehe auch SCHMITTMANN-EHNERT 1994; BEDNARZ/ LIPPE-HEINRICH/ SCHMIDT 2004, SCHWARZE 2006) zur Diskussion und zur Disposition, sollen Ausbildung und Berufsarbeit in diesen Feldern für Frauen attraktiv werden und soll zugleich die Kompetenz entwickelt werden, in gemischten Teams von Frauen und Männern zu lernen und zu arbeiten.

Diversity, Total E-Quality und Gender Mainstreaming - sowie aktuell Familienfreundlichkeit – finden heute mehr Anklang, bieten sie doch meist weniger konfliktreiche Zugänge zu solchem Kulturwandel und den dafür notwendigen Standortbestimmungen als die Konzepte Frauenförderung und Gleichstellung.

Eine Vielzahl von Aktivitäten zur Gleichstellung von Frauen und zur Verbesserung der Berufschancen von Frauen ist erfolgreich. Und doch haben die mit Frauen assoziierten Themen – Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Verzicht auf Karriere oder Kinder, geschlechtsspezifische Berufsinteressen und -neigungen – ihren Stellenwert bei der Analyse und Beschreibung der Berufswelt und der Berufs- und Karrierechancen von Frauen behalten. Eine offene Frage ist, wie sich das in der Berufsorientierung für und von junge(n) Frauen niederschlägt und welche Bedeutung ‚alte' und ‚neue' Bilder, Wertungen, Wegweiser und Informationen in der Vermittlung und Aneignung von Informationen und Wissen zur Orientierung in der Berufswelt haben. Eine parallele Analyse der Konzepte und Materialien von Angeboten zur Berufsorientierung und des Wissens junger Frauen über die Berufswelt könnten Passungen und Diskrepanzen zwischen der institutionellen und der individuellen Berufsorientierung erkunden und deren Ursprung und Bedeutung nachgehen. Sie könnte einen Beitrag zur notwendigen bilanzierenden Reflexion und Diskussion der Repräsentanz und Wirksamkeit von ‚Traditionellem' und ‚Modernem' in der Berufsorientierung leisten. Wichtig wäre das auch im Hinblick auf die Entwicklung von Qualität und Standards von Berufsorientierungsangeboten als Teil der Bildungsberatung.

Dabei soll der individuellen Seite, der Berufsorientierung junger Frauen, besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. Zahlreiche Studien thematisieren und untersuchen Berufswünsche und Wünsche für das Berufsleben, Lebensentwürfe und Lebensprobleme junger Frauen und legen unter ihren jeweiligen Perspektiven wichtige und aufschlussreiche Erkenntnisse auch zur Berufsorientierung vor (vgl. auch BRIGITTE-Studie 2008, 76-82). Es fehlt jedoch bislang ein ganzheitliches Konzept zur Beschreibung und Katalogisierung all jener Wissensbestände junger Frauen, die im Zusammenspiel eine bestmögliche Berufsorientierung bedeuten.

Als ein solches Konzept soll das des „Berufsweltwissen junger Frauen“ entwickelt und auf seine Aussage- und Tragfähigkeit im Hinblick auf das Verstehen und die Analyse von Entscheidungs- und Handlungsgrundlagen junger Frauen bei Berufswahl und Gestaltung des Berufslebensweg überprüft werden. Die Frage, ob wir junge Frauen mit dem Wissen und den Kompetenzen ausstatten, die sie als Mitgift für ihr erfolgreiches Berufs-Leben brauchen, oder ob sie anderes brauchen oder wollen, steht dabei im Hinblick auf Konzeption und Gestaltung von Angeboten zur Berufsorientierung kritisch zur Diskussion.

Literatur

BEAUVOIR, Simone de (1951): Das andere Geschlecht. Frankfurt a. M.

BEDNARZ Sigrid/ LIPPE-HEINRICH, Angelika/ SCHMIDT, Evelyn (2004): IT-Kompetenz und Gender-Mainstreaming in der Aus- und Weiterbildung – ein Modellversuch. In: BWP 5/2004, 41-42.

BIBB (Hrsg.) 2001: Ausbildung junger Frauen in IT-Berufen. Referenz-Betriebs- System, Information Nr. 19.

BMBF (2007a): Pressemitteilung vom 7. Dezember 2007: „Schavan fordert Qualitätsstandards in der Bildungsberatung“.

BMBF (Hrsg.) (2007b): Bestandsaufnahme in der Bildungs-, Berufs- und Beschäftigungsberatung und Entwicklung grundlegender Qualitätsstandards. Bonn.

BMFSFJ (Hrsg.) (2005): Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland. München.

BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT (2007): Situation von Frauen und Männern am Arbeits- und Ausbildungsmarkt 2000-2007. Nürnberg.

BRIGITTE-Studie (2008): Frauen auf dem Sprung, 76-82.

ELSCHENBROICH, Donata (2002): Weltwissen der Siebenjährigen. München.

FACHHOCHSCHULE OSNABRÜCK (2005): Masterplan Gender und Diversity. Gleichstellungsplan.

FAMULLA, Gerd-E. (2004): Bildungsstandards in der Berufsorientierung. Vortrag anlässlich der Verleihung des Qualitätssiegels „Schulen mit vorbildlicher Berufsorientierung“ am 22.6.2004; Projekt Zentrum Schule&Wirtschaft, Hamburg.

KETTSCHAU, Irmhild (2002): Berufswahl und Berufschancen von Frauen in Frauenberufen. In: KAMPSHOFF, Marita/ LUMER, Beatrix (Hrsg.): Chancengleichheit im Bildungswesen. Opladen, 183-196.

KLENNER, Christina/ PFAHL, Svenja (2008): Jenseits von Zeitnot und Karriereverzicht – Wege aus dem Arbeitszeitdilemma. Analysen der Arbeitszeiten von Müttern, Vätern und Pflegenden und Umrisse eines Konzeptes. WSI – Diskussionspapier Nr. 158.

SCHMITTMANN-EHNERT, Angelika/ BARTEL, Christel, SCHEMME, Dorothea ( 1994) : Technikberufe in Zukunft mit Frauen. Ein praktischer Leitfaden für den Ausbildungsalltag. Bielefeld.

SCHWARZE, Barbara (2006): Kreative und innovative Konzepte erforderlich – Gender- und Diversity in der Lehre technischer Fachbereiche. Vortrag am 8.12.2006.

STIEGLER, Barbara (1993): Die Doppelverdienerin: zur geschlechtshierarchischen Verdienstdifferenz. Bonn.

VENTH, Angela (2007): Gender Kontraste: Das Lernen von Frauen und Männern. Bonn.

WEBER, Catherine/ CUSTER, Rodney (2005): Gender-based Preferences toward Technology Education Content, Activities, and Instructional Methods. In: Journal of Technology Education, Vol. 16, Number 2.

WINTER, Regine (Hrsg.) (1994): Frauen verdienen mehr. Zur Neubewertung von Frauenarbeit im Tarifsystem. Berlin.

 

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