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 bwp@ Spezial 4 | September 2008
Hochschultage Berufliche Bildung 2008
FT 06 Hauswirtschaft

Qualität, Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung im beruflichen Schulwesen – Charakteristika und Reichweite aktueller Konzepte

 

1.  Einleitung

Der Qualitätsbegriff hat sich seit den 1990er Jahren zu dem Leitbegriff des gesamten Bildungsdiskurses entwickelt (vgl. TERHART 2000), und zwar nicht obwohl, sondern weil seine Bedeutung letztlich diffus bleibt. Die positiven Konnotationen, die mit dem Qualitätsbegriff verbunden sind, und seine semantische Offenheit gestatten es, eine Vielzahl von bildungspolitischen und alltagspraktischen pädagogischen Problemen unter seiner Überschrift zu bündeln.

Gleichzeitig bleibt auf einer allgemeinen Aussageebene unklar, was genau gemeint ist, wenn von Qualität beruflicher Bildung die Rede ist. Auch Einschätzungen der Qualität konkreter schulischer oder betrieblicher Bildungsangebote stellen keine wahrheitsfähigen Aussagen über die Beschaffenheit dieser Bildungsangebote „an sich“ dar (vgl. ebd., HEID 2000). Sie sind vielmehr stets auch das Ergebnis bewertender Zuschreibungen, die wiederum das Resultat mehr oder weniger bewusst gewählter und gewichteter Kriterien sind, wobei die Kriterien wiederum je nach Standpunkt des Evaluierenden variieren mögen. Konkret kann dies beispielsweise dazu führen, dass Schulleitungen und Kollegien von sich dynamisch entwickelnden beruflichen Schulen die Qualitätskriterien, die sie selbst im Schulentwicklungsprozess zu realisieren versuchen, in den Beurteilungskriterien von zentral veranlassten externen Evaluationen und Qualitätsanalysen nicht wiedererkennen.

Der Qualitätsbegriff ermöglicht also eine Vielzahl von Konkretisierungen und erweist sich gerade deshalb als außerordentlich produktiv, was die Stimulierung der Reformkommunikation im (Berufs)Bildungssystem betrifft. In der Konsequenz trifft man im Zusammenhang der Qualitätsdiskussion derzeit nahezu alle zentralen Themen der Berufsbildungsreform wieder an. Die Qualität, d. h. die Beschaffenheit und Güte der Prozesse und der so genannten Produkte des Berufsbildungssystems wird - wie im Falle des Schulsystems auch (vgl. FEND 2005, 2008, KUPER 2002) – gleichermaßen auf der

diskutiert. Das Spektrum der Einzelthemen reicht von der „Schneidung“ der Berufe (WEIß 2006, S. 4), über die Bedeutung von Bildungs- bzw. Leistungsstandards (vgl. u. a. AFF 2005, FUNSCH/ JUNGKUNZ 2007, NEUWEG 2005, SLOANE/ DILGER 2005) und Qualitätsmanagementstrategien in Schule und Betrieb bis hin zum Informations- und Gestaltungswert verschiedener Evaluationsformen (vgl. EULER 2005).

In der angedeuteten Vielfalt der unter dem Vorzeichen des Qualitätsbegriffs diskutierten Probleme spiegeln sich zum einen strukturell bedingte Problemlagen des Berufsbildungssystems. Zum anderen lassen sich die Spuren zweier teils konkurrierender, teils konvergierender Grundsatzstrategien im politischen und administrativen Umgang mit Bildungsorganisationen verfolgen, die die Schulpolitik im deutschsprachigen Raum seit etwa zwei Jahrzehnten bestimmen. Mit ALTRICHTER (2006) bzw. ALTRICHTER und PRIEBE (2006) können in der jüngeren Geschichte der Bildungsreform im deutschsprachigen Raum drei Phasen unterschieden werden, in denen sich die Bedeutung von Schulentwicklung gravierend verändert hat. In der ersten Phase der schulpolitischen Förderung der Schulentwicklung wurden der Einzelschule vorrangig Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet, ohne dass die Schulen selbst verpflichtet gewesen wären, die eröffneten Spielräume überhaupt oder auf bestimmte Weise zu nutzen. Seit Mitte der 1990er Jahre wird diese „Ermöglichungsstrategie“ sukzessive von einer „Anforderungsstrategie“ bzw. nach dem so genannten PISA-Schock von einer „schulübergreifenden externen Steuerung“ abgelöst (vgl. ALTRICHTER 2006, 6; ALTRICHTER/ PRIEBE 2006). Für die Qualitäts- und Schulentwicklung beruflicher Schulzentren bedeutet dies, dass Maßnahmen, die eher der Tradition der Organisationsentwicklung und des Total Quality Managements entstammen, verstärkt durch solche ergänzt und überlagert werden, die den Ideen des New Public Managements verpflichtet sind und zur Umsetzung einer neuen outputorientierten Bildungssteuerung dienen sollen. Der vorliegende Beitrag greift diese Entwicklung thematisch auf.

Ziel der Argumentation ist es, beide Traditionslinien am Beispiel ausgewählter Maßnahmen und Instrumente zu veranschaulichen und auf der Basis vorliegender empirischer Befunde in ihrer Reichweite für die Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung im beruflichen Bildungswesen einzuschätzen. Auf dieser Grundlage werden abschließend Schlussfolgerungen für die zukünftige Qualitätsentwicklung im beruflichen Schulwesen gezogen, die - so die durch die nachfolgende Argumentation zu stützende These - zukünftig

•  eher auf der Mikroebene des Unterrichts und Lehrerhandelns als auf der Mesoebene des Berufskollegs als Organisation ansetzen und

•  eher fokussiert und problembezogen als ganzheitlich und multiperspektivisch ausgerichtet sein sollte.

2.  Qualitätsentwicklung beruflicher Schulen in der Tradition des Total Quality Managements

In der ersten Phase der Schulentwicklung stand die Frage im Mittelpunkt der Konzeptentwicklung, wie die einzelne Schule ihren institutionellen Entwicklungsprozess organisieren und mit Hilfe welcher Instrumente sie von außen bei diesem Entwicklungsprozess unterstützt werden kann (vgl. DALIN/ ROLFF 1990). Schulentwicklung wurde als Einheit von Organisations-, Unterrichts- und Personalentwicklung propagiert und zielte auf ein ganzheitliches Qualitätsmanagement der Organisation, für das verschiedene Modelle und Erhebungsinstrumente erarbeitet wurden.

Inzwischen können die berufsbildenden Schulzentren zwischen einer Vielzahl solcher Konzepte wählen: dem Schulentwicklungskonzept des Dortmunder IFS, dem SEIS-Konzept der Bertelsmannstiftung, dem EFQM-Modell der European Foundation for Quality-Management, dem LQS-Konzept des ArtSets-Instituts usw. (vgl. EHSES/ STARK/ ZECH 2004, EFQM, ROLFF 2007, STERN et al. 2006). Im Marketing dieser Modelle wurden und werden naheliegenderweise stets die Besonderheiten des einzelnen Konzepts betont. Trotzdem sind die weit reichenden Gemeinsamkeiten zwischen den genannten Verfahren nicht zu übersehen, die sich knapp wie folgt zusammenfassen lassen:

Grundlegend ist eine allen Ansätzen gemeinsame implizite Vorstellung von guter Organisation bzw. guter Schule, in der zentrale Leitmotive des allgemeinen Managementdiskurses der 1980er Jahre miteinander verknüpft sind. Gute Schulen zeichnen sich demnach dadurch aus, dass sie ein gemeinsames Leitbild entwickeln, das dem Handeln der Organisationsmitglieder Kohärenz und eine gemeinsame Perspektive verleihen soll. Darüber hinaus wird die gute Schule auf das Credo der Organisationsentwicklung verpflichtet, dass alle vom Organisationswandel betroffenen so genannten „Stakeholder“ zu Beteiligten gemacht werden sollen. Dem präskriptiven Organisationsmodell des TQM gemäß wird den Berufskollegs deshalb nahe gelegt, ihre Qualität unter im Wesentlichen drei Gesichtspunkten zu beurteilen und zu steigern.

Erstens geht es darum, die Erwartungen aller Interessengruppen an die Organisation zu kennen und zu wissen, inwieweit sie diese Erwartungen als erfüllt betrachten. Als Interessengruppen firmieren dabei gleichermaßen die Organisationsmitglieder, d. h. die Schulleitungen und Lehrer wie auch die so genannten Kunden, d. h. die Schüler und Betriebe.

Zweitens soll deren Erwartungen und Beurteilungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Drittens sollen die internen Abläufe auf der Basis „reliabler Daten“ dokumentiert werden, so dass die Organisation quasi eine „vollständige Information“ über sich selbst generiert. Die TQM-Modelle stellen sich demnach allesamt als prononciert holistische Konzepte dar, die die Qualitätsevaluation und Qualitätsentwicklung unter den Anspruch stellen, die gesamte Organisation und die Erwartungen und Sichtweisen aller beteiligten Interessengruppen zu erfassen. Ein Berufskolleg ist demnach dann ein gutes Berufskolleg, wenn es bei sämtlichen Interessengruppen soziale Anerkennung findet, wobei der sozialen Anerkennung, die die Organisationsmitglieder und Kunden der Organisation zollen, hohe Bedeutung für die pädagogische Leistungsbilanz der Schule zugeschrieben wird.

Um die soziale Anerkennung des Berufskollegs und damit mittelbar ihre Leistungsbilanz zu verbessern, bieten die Modelle Heuristiken und Erhebungsinstrumente an, die im Zuge der Selbstbewertung von der Organisation abzuarbeiten sind, um auf diese Weise die Stärken und Schwächen der Schule zu identifizieren (vgl. u.a. BÜTTNER et. al. 2002, 38 ff.; STERN et al. 2006). Als Resultat einer solchen Bilanzierung hat die Schule dann Handlungsziele festzulegen und in eine Prioritätenabfolge zu bringen, die dann in Maßnahmen zur Qualitätssteigerung einmünden sollen, mit deren Evaluierung der Qualitätszyklus der Organisation schließlich ggf. von vorn beginnen kann.

Auf diese Weise wird den Berufskollegs eine Handlungsgrammatik beim Umgang mit sich selbst und den eigenen Leistungen nahe gelegt, die offenkundig der Logik des Regelkreises folgt. Im Unterschied zu einem analytisch ausgerichteten, organisationstheoretischen Blickwinkel fasst das TQM dabei die Phänomene der Zieldiversifikation und Zielpluralität in Berufskollegs nicht analytisch, sondern normativ als qua „Führung“ zu überwindende Probleme auf. Per saldo ist für das Qualitätsmanagement im Sinne des TQM die Vorstellung von der Herstellbarkeit einer kollektiven Rationalität der Organisation charakteristisch, die das gleichsam als kollektiver Akteur gedachte Berufskolleg mit Hilfe zyklisch wiederkehrender „Inventuren“ erzeugen soll.

Die so skizzierte Grundkonzeption eines an den Prinzipien des TQM orientierten Ansatzes kann auf den ersten Blick sowohl aus der Perspektive der Bildungsadministration als auch aus dem Blickwinkel der Kollegien und Schulleitungen vor Ort durchaus attraktiv erscheinen.

So wird z. B. in Aussicht gestellt, dass die im Berufsbildungssystem aus strukturellen Gründen neuralgische Schnittstelle zwischen der Berufsschule und dem Betrieb, d. h. die Problematik der Lernortkooperation durch das Qualitätsmanagement gelöst werden kann. Gleichzeitig sind die Konzepte so offen formuliert, dass die Schulen Projekte und Maßnahmen, die ihnen selbst wichtig sind, im Kontext des Qualitätsmanagementprozesses als Verbesserungsmaßnahmen „unterbringen“ können. Gleichwohl wird die Erwartung geweckt, dass das „Kerngeschäft“ von Lehrerinnen und Lehrern, der Unterricht, im Mittelpunkt des Qualitätsmanagements steht. Auch scheint das Qualitätsmanagement mit den empirischen Befunden der Schuleffektivitätsforschung gut kompatibel zu sein, wenn es mit

    • dem Konsens und Zusammenhalt im Kollegium,
    • der Evaluationsorientierung ,
    • den aktiven Beziehungen der Schule zu ihrem Umfeld etc.

bekannte Merkmale „guter Schulen“ zu fördern verspricht (vgl. SCHEERENS/ BOSKER 1997, EULER 2005).

Inwiefern wird dieses Versprechen in der Praxis des Qualitätsmanagements nun aber eingelöst? Zur Beantwortung dieser Frage kann auf empirische Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung verschiedener Modellversuche zurückgegriffen werden, und zwar vor allem des Modellversuchs „Quabs“ in Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein (vgl. TENBERG, 2003) und des nordrhein-westfälischen Modellversuchs „Benchmarking in Berufskollegs“ (BÜTTNER et al. 2002, HARNEY/ KOCH 2003).

Nach den Resultaten dieser Modellversuche zu urteilen, ist davon auszugehen, dass das Qualitätsmanagement zur Qualitätsentwicklung der Berufskollegs beiträgt. An den Versuchsschulen wurde eine Vielzahl von Projekten initiiert, die von der Förderung der Öffentlichkeitsarbeit und der Lernortkooperation über die Schulprogrammarbeit und interne Evaluation bis hin zur Senkung von Schülerfehlzeiten reichen und die die Qualität der Arbeit der betreffenden Berufskollegs durchaus verbessert haben mögen (vgl. BÜTTNER et al. 2002, TENBERG 2003).

Allerdings handelt es sich bei der durch das Qualitätsmanagement angestoßenen Qualitätsentwicklung um idiosynkratische Prozesse, deren Verlauf und Ergebnis im Einzelfall letztlich unkalkulierbar bleibt. Ob eine Schule z. B. im Rahmen des Qualitätsmanagements die Fehlzeiten ihrer Schüler zu senken versucht oder nicht, hängt im Kontext des TQM nicht so sehr davon ab, wie gravierend sich das Problem des Schulabsentismus im beruflichen Schulwesen im Allgemeinen und in der betreffenden Schule im Besonderen faktisch stellt. Ausschlaggebend ist vielmehr, wie die Akteure vor Ort dieses Problem wahrnehmen und ob sie einen Konsens darüber herstellen können, dass dieses Problem mit Priorität bearbeitet werden soll. Bei den durch das Qualitätsmanagement angestoßenen Entwicklungsprozessen handelt es sich deshalb letztlich um „hochindividualistische“ Abläufe (vgl. TENBERG 2003), die sich dem interschulischen Vergleich entziehen. Hinzu kommt, dass die ganzheitlichen Qualitätsmanagementkonzepte den Schulen einen enormen Aufwand abverlangen, der in den vorliegenden Erfahrungsberichten immer wieder kritisiert wird (vgl. ebd., BÜTTNER et al. 2002). Unter anderem deshalb kann das Qualitätsmanagement den Anspruch, alle betroffenen Lehrkräfte am Qualitätsentwicklungsprozess zu beteiligen, angesichts des bedeutsamen Anteils solcher Organisationsmitglieder, die dem Qualitätsmanagementprozess indifferent gegenüberstehen, offensichtlich nicht einlösen (vgl. ebd.). Dass das in der Tradition des TQM realisierte Qualitätsmanagement, das die Effektivität und Effizienz der Berufskollegs steigern soll, selbst hinreichend effektiv und effizient ist, erscheint damit zumindest fraglich.

Vor allem aber kann man feststellen, dass sich die Segmentierung zwischen den beteiligten Gruppen, d. h. zwischen Schulleitung, Schülern, Lehrern und Betrieben, die das Qualitätsmanagement ja gerade überwinden soll, in seiner Praxis selbst wieder einstellt (vgl. HARNEY/ KOCH 2003). Die Auswertung der im nordrhein-westfälischen Benchmarkingprojekt durchgeführten Befragungen zeigt, dass sich die Relevanzen, unter denen die drei Beteiligtengruppen die Qualität des Berufskollegs beurteilen, gravierend unterscheiden. Im Antwortverhalten der Lehrer stand nicht etwa die Unterrichtsqualität, sondern die Faktoren „Qualität der Schulleitung“ und „Arbeitszufriedenheit“ im Mittelpunkt. Die so geweckte Vermutung, dass das Total Quality Management den Kernprozess der Berufskollegs, den Unterricht, faktisch häufig verfehlt, wird durch die Ergebnisse des Modellversuchs QUABS erhärtet. Während das Verbesserungspotential des Qualitätsmanagements für die organisatorische Schulentwicklung der berufsbildenden Schulen von den Moderatoren des Schulentwicklungsprozesses noch relativ ausgeglichen in gleichem Maße positiv wie negativ einschätzt wurde, überwog im Falle der pädagogischen Auswirkungen deutlich die pessimistische Sichtweise (vgl. TENBERG 2003). Nimmt man Tenbergs Befund hinzu, dass die Unterrichtsentwicklung und die Evaluation des Unterrichts von den Kollegien als Ziele des Qualitätsmanagements nicht akzeptiert wurden, dann belegen beide Modellversuche auf je spezifische Weise, dass das TQM, auch wenn es einzelne unterrichtsbezogene Projekte anregen mag, seine Ansprüche an ein die gesamte Organisation umspannendes Management der Unterrichtsprozesse verfehlt. Aller Erfahrung nach findet das Qualitätsmanagement also da seine Grenze, wo die Individualisierung der Lehrerarbeit beginnt (vgl. TENBERG 2003, 4).

Schließlich scheint auch die soziale Anerkennung, die die Schüler ihrer Schule zollen oder auch gerade nicht zollen, nicht in erster Linie Ausdruck der Qualität dieses Berufskollegs bzw. das Ergebnis von Qualitätsunterschieden zwischen verschiedenen Schulen zu sein. Ordnet man nämlich die in NRW erhobenen Schülerurteile nach Berufskollegs, bleibt der Beitrag der Einzelschule zur Qualitätseinschätzung mit einer Varianzaufklärung von höchstens 11% gering. Interessanterweise ist die Varianzaufklärung, d. h. also der Organisationseffekt umso größer, je unpädagogischer und von Interpretationen unabhängiger der eingeschätzte Objektbereich ist. Mit 11,3% fällt er in der nordrhein-westfälischen Erhebung für den Faktor „schulische Ausstattung“ am höchsten aus (Vgl. HARNEY/ KOCH 2003, 7).

Per saldo münden die empirischen Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung der Modellversuche mit Blick auf die soziale Anerkennung der pädagogischen Leistungen von berufsbildenden Schulen letztlich in das gleiche Ergebnis, das ARNOLD und DITTON anhand der mehrebenenanalytischen Auswertung von Schülerleistungen erzielt haben. Offenbar setzt ein an der Organisation, d. h. am Berufskolleg als Handlungseinheit orientiertes Qualitätsmanagement in der Tradition des TQM, der Programmatik der Schulentwicklung zum Trotz, empirisch gesehen nicht an der aussichtsreichsten Varianzquelle pädagogischer Qualität an (vgl. ARNOLD 2002; DITTON 2000).

3.  Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung in der Tradition des New Public Managements

Wenn die Schulentwicklungskonzepte der ersten Phase in idiosynkratische Prozesse münden, deren Ergebnis letztlich unkalkulierbar bleibt und die die Ebene des Unterrichts weitgehend verfehlen, müssen die Konzepte aus der Perspektive der Bildungspolitik und -administration unzureichend und zumindest ergänzungsbedürftig erscheinen. Die Instrumente der Schulentwicklung der ersten Phase (Schulprogrammarbeit, interne Evaluation etc.) werden deshalb seit Mitte der 1990er Jahre verstärkt durch Maßnahmen erweitert bzw. ersetzt, die der Tradition des New Public Managements entstammen bzw. mit dieser gut vereinbart werden können. Insbesondere

    • die Erhebung und der Vergleich von Schülerleistungen,
    • die systematische Verfolgung der Leistungsentwicklung ganzer Schülerkohorten (LAU und ULME in Hamburg),
    • die Implementierung von Bildungsstandards,
    • die Durchführung zentraler Prüfungen sowie
    • die z B. in Hessen zu beobachtende Ausrichtung der Bildungspolitik an strategischen Zielen

sind Maßnahmen, die den Gedanken einer neuen - am so genannten „Output“ und ggf. auch „Outcome“ des Bildungssystems ausgerichteten Bildungssteuerung Realität verleihen. Diese Art der Bildungspolitik und Bildungssteuerung wird selbst als Teil der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung im Bildungssystem begriffen, und zwar sowohl von der Bildungspolitik als auch von der Bildungsforschung (vgl. FEND 2008; KLIEME 2005). Es wird der Versuch unternommen, das Bildungswesen nicht allein über die Zuweisung des Inputs an personellen und finanziellen Ressourcen sowie über rechtliche Vorgaben zu steuern und sich ansonsten auf die Kontrolle im Sinne der Legalitätsprüfung zu beschränken (vgl. FEND 2005, 2008). Stattdessen soll die Qualitätssicherung direkt an der Förderung des Outputs der Schulen, d. h. an der Vergabe von Abschlüssen und der Vermittlung von Schülerkompetenzen ausgerichtet werden. Dabei wird häufig unterstellt, dass Maßnahmen zur externen Evaluation und Qualitätssicherung der schulischen Leistungserbringung auch zur internen Qualitätsentwicklung verwendet werden können bzw. sich auch auf dieser Ebene positiv auswirken.

Als Fundament und zur Umsetzung dieser Qualitätssicherungs- und Steuerungsstrategie werden umfangreiche empirischen Daten gewonnen, die auch zur Einschätzung der Reichweite dieser Strategie interessant sind, und zwar in zweifacher Hinsicht. Sie lassen erstens Problemlagen sichtbar werden, deren Existenz man ggf. hätte ahnen können, die in dieser Form aber bislang empirisch nicht belegt werden konnten. Zugleich weisen die Daten zweitens aber auch auf die Grenzen hin, die einer am Output der Schulen orientierten Bildungssteuerung im beruflichen Schulwesen insgesamt gesetzt sind. Die Diskussion ausgewählter Befunde der Hamburger ULME-Studien, deren Datensatz in Deutschland derzeit einzigartig ist, und zentrale Befunde der TOSCA-Studie in Baden-Württemberg können diese Sichtweise verdeutlichen:

Bekanntlich war für die Entwicklung des beruflichen Schulwesens in der Bundesrepublik die Zielsetzung prägend, dass das Bildungssystem insgesamt durchlässig sein soll. Ganze Schulformen und Bildungsgänge im beruflichen Schulwesen verdanken ihre Existenz vorrangig der Absicht, Sackgassen im Schulsystem zu vermeiden und den Absolventen beruflicher Schulen den Anschluss an die Laufbahn- und Berechtigungslogik des Schulsystems zu ermöglichen (vgl. DREWEK/ HARNEY). Die Erteilung allgemein bildender Abschlüsse an beruflichen Schulen trägt maßgeblich dazu bei, dass im deutschen Bildungssystem Schulformen und Bildungsabschlüsse inzwischen zumindest als teilweise entkoppelt zu denken sind (vgl. KÖLLER et al. 2004, 16 ff.). Nicht zuletzt deshalb rangiert das deutsche Bildungssystems im internationalen Vergleich der OECD beim Indikator „Erteilung von Bildungsabschlüssen im Sekundarbereich II“ auf einem erfreulichen zweiten Platz (vgl. OECD 2007, 45).

Bis vor wenigen Jahren hätte dies nun bildungspolitisch ungetrübt als Erfolg gelten können. Es galt die Maxime, dass das berufliche Schulwesen seinen Absolventen zwar eine andersartige, aber mit den Angeboten allgemein bildender Schulen gleichwertige Bildung vermittelt. Zudem mag ungeprüft unterstellt worden sein, dass den Bildungsabschlüssen, unabhängig von der Schulform , an der sie erteilt wurden, vergleichbare Basiskompetenzen der Schüler im sprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Kompetenzbereich korrespondieren.

Im Kontext der neuen Bildungssteuerung hat sich dies nun gravierend verändert. Spätestens seit der Formulierung der Bildungsstandards der KMK steht die Frage zur Diskussion, ob bzw. inwieweit diese - oder modifizierte - Leistungsstandards, die auf die Qualitätssicherung von schulischen Abschlüssen verschiedener Niveaus zielen, auch im beruflichen Schulwesen gültig sein können und sollen, um die Qualität der dort erteilten Schulabschlüsse zu sichern. Die Erhebung und der systematische Vergleich von Schülerleistungen wurde bzw. wird also unter anderem damit begründet, dass empirisch zu prüfen ist, ob hinter „identischen" Zertifikaten, die an unterschiedlichen Schulformen erworben werden, vergleichbare Leistungsniveaus (stehen) und (ob) gleiche Abschlussnoten auch vergleichbare Kompetenzniveaus“ bedeuten (KÖLLER et al. 2004, 20).

Sowohl die Befunde der ULME-Erhebungen in Hamburg als auch die Daten der TOSCA-Studie in Baden-Württemberg verdeutlichen, dass dies nicht der Fall ist. Die ULME II-Studie belegt z. B., dass die Absolventen zweijähriger Hamburger Berufsfachschulen, die eine berufliche Teilqualifikation und allgemein bildende Abschlüsse vermitteln, mehrheitlich nicht das durchschnittliche Leistungsniveau der Realschulabsolventen erreichen. Nur jeweils rund 32 % der Absolventen von Hamburger Berufsfachschulen erreichen in Mathematik und in Englisch ein Kompetenzniveau, das mindestens jenem des durchschnittlichen Realschülers entspricht. Insofern scheinen die Daten der Hamburger ULME-II-Studie zu bestätigen, was die TOSCA-Studie für den Leistungsvergleich von Schülern mit Hochschulzugangsberechtigung gezeigt hat. In Baden-Württemberg sind die Allgemeinen Hochschulzugangsberechtigungen, d. h. die Abschlüsse der Absolventen allgemein bildender und beruflicher Schulen zwar formal, nicht aber material, d. h. hinsichtlich der getesteten durchschnittlichen Lernstände der Schüler gleichwertig. Die Leistungsstände der Schüler der beruflichen Schulen fallen z. B. im Fach Mathematik im Durchschnitt erkennbar niedriger aus als jene der Absolventen allgemein bildender Gymnasien (vgl. KÖLLER 2007, 23 f.). Über die Unterschiede in den erreichten Kompetenz niveaus hinaus, zeigt die Hamburger ULME-II-Studie zudem, dass auch die Effektivität des Schulbesuchs, d. h. der während eines zweijährigen Schulbesuchs von den Schülern erreichte Kompetenz zuwachs an den teil qualifizierenden Berufsfachschulen Hamburgs in verschiedenen Kompetenzbereichen geringer ausgefallen ist, als dies für den allgemein bildenden Schulunterricht in der Sekundarstufe I aus der LAU-Studie bekannt ist. Dabei unterscheiden sich die von den Berufsfachschulen der verschiedenen Berufsfelder erreichten Effektstärken z. T. erheblich (vgl. LEHMANN et al. 2005). Schließlich muss man sehen, dass sich hinter den Mittelwerten der Schülerleistungen in allen drei getesteten allgemeinen Kompetenzbereichen differentielle Effekte des Schulbesuchs für verschieden leistungsfähige Schülergruppen verbergen. Schwache Schüler mit ungünstigen Lernausgangslagen profitieren vergleichsweise stark von den Bildungsangeboten der Schulen. Starke Schüler mit günstigen Lernausgangslagen haben demgegenüber allenfalls einen geringen Lernzuwachs bzw. büßen nach zwei Jahren Schulzeit statistisch sogar an Leistungsfähigkeit ein (vgl. ebd.)

Sowohl für die Lesefähigkeit als auch für die mathematischen Kompetenzen der Schüler gilt, dass der Leistungsstand der Absolventen der teilqualifizierenden zweijährigen Berufsfachschulen nach Einschätzung der Autoren der ULME II-Studie nicht zu befriedigen vermag. Im Bereich der Lesefähigkeit sind nach zweijährigem Berufsfachschulbesuch nur ein Viertel aller getesteten Schüler in der Lage, sicher Sachverhalte aus Texten zu rekonstruieren, wenn der Wortlaut im Text und der Frage nicht genau übereinstimmt (vgl. SCHULMINISTERIUM NRW). Den mathematischen Leistungsstand der Schüler bezeichnen die Autoren als besorgniserregend, weil selbst die im mittleren Leistungsbereich angesiedelten Absolventen „nicht sicher mit einfachen Rechenroutinen“ umgehen können (vgl. ebd.).

Welche Schlussfolgerungen sind nun aus solchen Ergebnissen der empirischen Bildungsforschung, die explizit zum Zweck der Fundierung bildungspolitischer Entscheidungen und zur Unterstützung der Schulentwicklung der beruflichen Schulen vor Ort gewonnen wurden, für die Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung beruflicher Schulen im Kontext neuer Bildungssteuerung zu ziehen?

Einerseits leisten die Daten das, was von Ihnen erwartet wird: Sie decken Schwachpunkte und Problemlagen im Schulwesen auf, die zum Gegenstand von Qualitätssicherungs- und Qualitätsentwicklungsmaßnahmen gemacht werden sollten. Wenn die Ergebnisse der ULME II-Studie zeigen, dass schwache Schüler vom Unterrichtsangebot der teil qualifizierenden BFS stark profitieren, die zweifelsohne sinnvolle kompensatorische Ausrichtung der Bildungsgänge aber zu Lasten der Schüler mit günstigen Lernausgangslagen geht, dann sollte die „individuelle Förderung“ der Schüler tatsächlich ein Ansatzpunkt für die Qualitätsentwicklung beruflicher Schulen sein und steht zu Recht auf der schulpolitischen Agenda. Dass „individuelle Förderung“ ein Merkmal schulischer Qualitätsentwicklung sein sollte, lässt sich aus den empirischen Forschungsbefunden also plausibel ableiten. Wie es den beruflichen Schulzentren als Organisation und dem einzelnen Lehrer aber gelingen kann, diese individuelle Förderung der Schüler organisatorisch zu erleichtern und in der Unterrichtspraxis umzusetzen, zeigen die Daten jedoch nicht. Der Wert von ULME und Co. für die Identifizierung von Schwachstellen im Schulsystem dürfte also höher sein, als ihr Wert für die Konzeption von Verbesserungsmaßnahmen und die Beratung der Schulen vor Ort. Diese Überlegung entwertet die Studien keineswegs. Es wird nur darauf hingewiesen, dass die externe Evaluation mit Hilfe der Messung und des systematischen Vergleichs von Schülerleistungen zwar wichtiges diagnostisches Wissen für die Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung liefert, das Problem der Qualitätsverbesserung aber nicht löst. Umgekehrt können schulinterne formative Evaluationen nichts zur Identifikation von allgemeinen Schwachstellen im beruflichen Schulwesen beitragen. Zukünftig sollte folglich darauf verzichtet werden, verschiedene Evaluationsverfahren, die ihre jeweiligen Stärken und Schwächen haben, gegeneinander auszuspielen und ein Evaluationsverfahren mit zu vielen Zwecken zu belasten.

Auch in einem weiteren Punkt weisen die empirischen Forschungsergebnisse auf die Grenzen hin, die einer am Output der Schulen orientierten neuen Steuerung der beruflichen Schulen gesetzt sind.

Die Lernstände der Absolventen der beruflichen Schulen mögen zwar in Deutsch, Englisch, Mathematik schlechter sein als jene der Absolventen allgemein bildender Schulen mit vergleichbaren Abschlüssen, dies bedeutet aber nicht, dass dies den Schulen und Lehrkräften als Minderleistung vorzuwerfen wäre. Auch die Frage nach der Übertragbarkeit der Bildungsstandards der KMK auf das berufliche Schulwesen wird durch die schiere Rezeption der Daten eher gestellt als beantwortet, weil die Studien auch zeigen, dass sich bereits die „Inputsituation“ in den Bildungsgängen ungünstig darstellt. Es wäre aber abwegig, von einer Schule mit einer systematisch negativ selektierten Schülerschaft ohne weiteres den gleichen Output erwarten zu wollen, der von einer Schule mit einer positiv selektierten Schülerschaft zu erwarten wäre. Auf die Notwendigkeit eines „fairen Vergleichs“ in der Bildungspolitik und Bildungsforschung hat Arnold bereits hinlänglich hingewiesen (vgl. ARNOLD 2002) und es liegt auf der Hand, dass das Kriterium der Fairness beim Vergleich des durchschnittlichen Outputs allgemein und beruflicher Schulen nicht erfüllt ist.

Hinzu kommt, dass das durchschnittliche Kompetenzniveau der Absolventen der Bildungsgänge beruflicher Schulen zwar hinter jenem der Absolventen allgemein bildender Schulen mit vergleichbaren Abschlüssen zurückbleiben mag. Die Schüler beruflicher Schulen erwerben aber zugleich auch berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten, die in den Curricula der allgemein bildenden Schulen nicht vorgesehen sind. Da es jedoch nicht möglich ist, die Testergebnisse in den beruflichen und allgemeinen Kompetenzbereichen miteinander zu verrechnen, stellt die Gleichwertigkeit ungleichartiger Bildungskarrieren und –profile kein Problem dar, das rein empirisch entschieden werden könnte. Es bleibt vielmehr als Frage der gesellschaftlichen Anerkennung und Bewertung unterschiedlicher Qualifikationsprofile bestehen. Dies kann allerdings nicht bedeuten, dass die Frage der Qualitätssicherung der in beruflichen Schulen vergebenen Schulabschlüsse und Berechtigungen, die die empirischen Bildungsforschung zu Recht aufwirft und auf die die KMK Standards zu antworten versuchen, mit dem bloßen Postulat der Gleichwertigkeit ungleichartiger Bildungsangebote bereits hinreichend beantwortet wäre. In Zeiten knapper Ausbildungskapazitäten der Betriebe und ebenso knapper Studienplätze bleibt die Frage nach den Leistungsstandards, die die Absolventen beruflicher Schulen erreichen müssen, zentral (vgl. KÖLLER 2007). Auf Standardsetzung ist also nicht zu verzichten. Allerdings ist mit Blick auf die Situation im beruflichen Schulwesen die Forderung zu wiederholen, dass Leistungsstandards realistische Mindeststandards sein müssen (vgl. KLIEME et al. 2003). Einerseits sind also die legitimen Erwartungen der „Abnehmer“ der Leistungen des Schulsystems klar zum Ausdruck zu bringen und andererseits muss gewährleistet sein, dass die Schulen diese Standards tatsächlich erreichen können. Erreichbar können aber nur solche Standards sein, bei deren Entwicklung die Existenz „schulischer Entwicklungsmilieus“, die sich z. B. nach der sozialen Zusammensetzung der Schüler unterscheiden, den Ausgangspunkt des Entwicklungsprozesses bilden, statt ignoriert zu werden. Im Kontext einer Bildungssteuerung, die sich gänzlich dem New Public Management verschriebe, wäre eine solche Vorgehensweise nicht denkbar, weil der Vorhersagewert, den Inputunterschiede für die Prognose des Outputs von Bildungsorganisation nachweislich haben, im New Public Management nachgerade programmatisch ausgeblendet bleibt.

4. Schlussbetrachtung: Konsequenzen für die Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung im beruflichen Schulwesen

Es sollte deutlich geworden sein, dass in dem vorliegenden Beitrag gleichermaßen für die konsequente Fortsetzung eingeleiteter Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung wie auch für eine programmatische und praktische Umorientierung votiert wird. Pointiert zusammengefasst , mündet die vorstehende Argumentation in fünf Schlussfolgerungen.

Erstens sollten die einleitend erwähnten Entwicklungslinien der Schul- und Qualitätsentwicklung nicht gegeneinander in Stellung gebracht werden. Überzeugender ist es, die Maßnahmen zur Schul- und Unterrichtsentwicklung, die eher der ersten Phase der Schulentwicklung entstammen (interne Evaluation, Unterrichtsentwicklung etc.), und die quantitative empirische Bildungsforschung, die systematische Leistungsvergleiche ermöglicht, in ihren je spezifischen Leistungen zu würdigen und als notwenige Ergänzungen in einem Gesamtkonzept der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung im Bildungssystem zu betrachten. Dies würde allerdings voraussetzen, dass alle Beteiligten, d.h. die Auftraggeber, die Akteure und die Adressaten solcher Maßnahmen in ihren Leistungsversprechen und Leistungserwartungen bescheidener würden. Von einer Evaluationsstudie zu erwarten, dass sie für die Bildungspolitik und -administration neue Problemlagen identifiziert und den Lehrkräften praktisches Gestaltungswissen liefert, wäre demnach zu viel erwartet und nicht der Studie, sondern dem Erwartenden anzulasten.

Zweitens empfiehlt es sich, dem gemeinsamen Fokus der Schulentwicklung, allen drei einleitend erwähnten Phasen zum Trotz, in der Qualitätspolitik zukünftig weniger die Ebene der Organisation und mehr jene der Interaktion zu betonen. Wenn die holistischen Qualitätsmanagement- und Schulentwicklungskonzepte den Unterricht letztlich zu verfehlen drohen, empirisch aber die Unterschiede zwischen den Klassen statistisch mehr Unterschiede zwischen den Schülerleistungen aufklären als die Unterschiede zwischen Schulen, dann sollte die Qualitätsentwicklung stärker als bisher direkt am Unterricht ansetzen. Insofern ist DITTON zuzustimmen, der schon vor einigen Jahren die Bedeutung der proximalen Faktoren, d.h. der Unterrichtsmerkmale gegenüber den distalen Faktoren, d h. den Schulmerkmalen, für die Qualitätsentwicklung im Bildungssystem wieder stärker betont wissen wollte (vgl. DITTON 2000).

Drittens liegt es nahe, die Qualitätsentwicklung nicht ganzheitlich und allgemein, sondern eher an konkreten und spezifischen Problemen auszurichten. Wenn man auf der Basis empirischer Forschungsergebnisse weiß, dass und in welchen Bereichen die Kompetenzentwicklung der Schüler hinter den Erwartungen zurückbleibt und wenn bekannt ist, welche differentiellen Effekte die Bildungsangebote je nach Lernausgangslage der Schüler erzielen, dann erscheint es prinzipiell richtig, die Schüler vor allem individuell in den Kompetenzbereichen fördern zu wollen, in denen ihre Lernstände und Lernzuwächse zu gering sind.

Allerdings ist dabei viertens zu bedenken und zu gewährleisten, dass die in Form von Standards und Zielvereinbarungen präzisierten Leistungserwartungen die Schulen nicht systematisch überfordern dürfen, indem Unterschiede in den Inputbedingungen ignoriert werden. Eine Bildungssteuerung, die sich ausschließlich am Output orientierte, liefe Gefahr, sich zu einer Tyrannei der Zweckprogrammierung zu entwickeln – einer Gefahr der durch die Formulierung „starker Bildungsstandards“ (vgl. BÖTTCHER 2006) zu begegnen ist.

Fünftens schließlich könnte eine Qualitätspolitik, die starke Mindeststandards für den Output beruflicher Schulen vorgibt, d. h. sich sensibel für die spezifischen Bedingungen, unter denen die beruflichen Schulen arbeiten zeigt, den Schulen klare Leistungserwartungen kommunizieren und die Schulen zugleich zielgenauer als bisher bei der Erfüllung dieser Erwartungen unterstützen.

Literatur

AFF, J. (2005): Bildungsstandards versus Leistungsstandards in der beruflichen Bildung. Plädoyer für eigenständige Wege der berufsbildenden Vollzeitschulen bei der Entwicklung und Implementierung von Standards. Online: http://www.wissenistmanz.at/wissenplus/archiv/heft-5-2005-06/ (03.06.2008).

ALTRICHTER, H. (2006): Schulentwicklung: Widersprüche unter neuen Bedingungen. Bilanz und Perspektiven nach 15 Jahren Entwicklung von Einzelschulen. In: Pädagogik, 58, H. 3, 6-10.

ALTRICHTER, H./ PRIEBE, B. (2006): Evaluieren statt entwickeln? Stand und Perspektiven der Schulentwicklung in PISA-Zeiten. In: Lernende Schule, 9, H. 34, 4-9.

ARNOLD, K.-H. (2002): Schulentwicklung durch Rückmeldung der Lernwirksamkeit an die Einzelschule: Möglichkeiten und Grenzen der Schuleffizienzforschung. In: Zeitschrift für Pädagogik, 48, H. 5, 741-764.

BÖTTCHER, W. (2006): Bildungsstandards und Evaluation im Paradigma der Outputsteuerung. In: BÖTTCHER, W./ HOLTAPPELS, H. G./ BROHM, M. (Hrsg.): Evaluation im Bildungswesen. Eine Einführung in Grundlagen und Praxisbeispiele. Weinheim und München, 39-50.

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