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 bwp@ Spezial 4 | September 2008
Hochschultage Berufliche Bildung 2008
FT 11 Berufliche Förderpädagogik

Maßnahmeabbrüche in der beruflichen Integrationsförderung als Qualitätskriterium?



Um Jugendliche am Übergang in eine Berufsausbildung zu unterstützen, werden durch die Agentur für Arbeit verschiedene Maßnahmen vorgehalten. Im Zuge der Arbeitsmarktreformen der vergangenen Jahre, haben diese Maßnahmen der beruflichen Integrationsförderung erhebliche Veränderungen erfahren. Das meint insbesondere ihre konsequente Ausrichtung an den Kriterien der Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Eine schnelle, nachhaltige Integration in Ausbildung oder Arbeit gelten dabei als zentrale Erfolgskriterien. Die Abbruchquoten haben in Folge dessen als formales Qualitätskriterium der Maßnahmen erheblich an Bedeutung gewonnen. Sozialpädagogen, Ausbilder und Stützlehrer bezweifeln jedoch, dass die Abbruchquoten Aussagen über die Qualität der Maßnahmen treffen können. Aus ihrer Sicht resultieren Abbrüche in erster Linie aus den Defiziten und Problemen der Jugendlichen. Häufig haben sie als Pädagogen keinen Einfluss auf das Abbruchgeschehen. Ein Zusammenhang zwischen Abbruchquoten und Maßnahmequalität wird von ihnen deshalb verneint. In diesem Beitrag wird dies genauer untersucht. Im Mittelpunkt stehen die Fragen, was sind die zentralen Ursachen eines Abbruchs und können diese Abbruchursachen Auskunft über die Maßnahmequalität geben?

1.  Die Reformen der Agentur für Arbeit: Abbruchquoten als formales Qualitätskriterium

Um junge Menschen auf ihrem Weg in eine Ausbildung bzw. in eine Erwerbstätigkeit zu unterstützen, sind in den vergangenen fast 30 Jahren verschiedene Maßnahmeformen der beruflichen Integrationsförderung entstanden. Politisches Ziel dieser Maßnahmen ist es, allen Jugendlichen eine qualifizierte Ausbildung und den Übergang in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Maßnahmeabbrüche gilt es zu vermeiden. Im Zuge der Arbeitsmarktreformen hat auch dieses pädagogische Handlungsfeld in den vergangenen Jahren erhebliche Veränderungen erfahren. Diese Reformen zielten auf die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die Schaffung von Anreizsystemen sowie die Neuausrichtung der aktiven Arbeitsmarktpolitik an den Grundsätzen der Effektivität und Wirtschaftlichkeit. Nicht zuletzt deshalb werden die Maßnahmen der beruflichen Integrationsförderung nicht mehr im Rahmen einer freihändigen Vergabe der regionalen Agenturen, sondern seit dem Jahr 2002 im Rahmen eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens vergeben. Das hat zu einer erheblichen Einschränkung finanzieller und personeller Ressourcen bei den Bildungsträgern der beruflichen Integrationsförderung geführt. Es wird kritisiert, dass damit ein erheblicher Qualitätsverlust der Maßnahmen einherging. Grund dafür ist, dass die Qualität der Maßnahmen mit dem Ziel der Wirtschaftlichkeit nur schwer zu vereinbaren sei.

Für die eingeführten Verfahren zur Neuvergabe von Maßnahmen wurden durch die Agentur für Arbeit Richtlinien zur Qualitätsbeurteilung erlassen (z. B. RdErl 12/2002 der BA: Leitfaden zur Qualitätsbeurteilung von BvB-Maßnahmen). Darin stellen der weitere Verbleib der Teilnehmer sowie der Erfolg früherer Maßnahmen eines Trägers zentrale Beurteilungskriterien dar. Auch die Abbruchquoten gelten darin als wichtige Qualitätskriterien dieser Maßnahmeformen. In den aktuellen Verdingungsunterlagen für Maßnahmen nach § 241a SGB III (Ausbildungsmanagement und sozialpädagogische Begleitung) wird bspw. eine Darstellung der Strategien zur Vermeidung von Abbrüchen gefordert und stellt ein zentrales Beurteilungskriterium mit hohem Relevanzfaktor bei der Vergabe dieser Maßnahmen dar. Insgesamt wurde im Zuge der in den vergangenen Jahren durchgeführten Arbeitsmarkreformen den Vermittlungsquoten der Träger, aber auch den maßnahmebezogenen Abbruchquoten eine deutlich größere Bedeutung bei der Erfolgs- und Qualitätsbeurteilung einer Maßnahme beigemessen als dies früher der Fall war.

2.  Die Sichtweise der Sozialpädagogen, Ausbilder und Stützlehrer auf Abbrüche

Im Rahmen der didaktisch-strategischen Projektbegleitung der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft QUINTA Werl/Soest wurde eine Untersuchung zum Abbruchproblem in der beruflichen Integrationsförderung durchgeführt (Projektlaufzeit war 01.07.2005 bis 31.12.2007). Im Rahmen dieser Begleituntersuchung wurden die Abbruchursachen in den Maßnahmen der beruflichen Integrationsförderung untersucht. Der vorliegende Beitrag fasst einige der zentralen Ergebnisse dieser Untersuchung zusammen. Insgesamt liegen den folgenden Darstellungen 33 Interviews mit Maßnahmeabbrechern, 88 Fragebögen von Jugendlichen sowie 11 Interviews und 35 Fragebögen von Sozialpädagogen, Ausbildern und Stützlehrer zugrunde.

Die befragten Sozialpädagogen, Ausbilder und Stützlehrer beschreiben die Abbruchquoten als ein mögliches Qualitätskriterium der Maßnahmen. Sie wissen, dass die Zahl der Abbrüche bei der Neuvergabe einer Maßnahme entscheidend sein kann. Allerdings stehen sie der These, dass Abbrüche Auskunft über die Maßnahmequalität geben können, eher skeptisch gegenüber. Sie gehen davon aus, dass nicht jeder Abbruch Auskunft über den Erfolg oder die Qualität einer Maßnahme geben kann. Das hat zwei Gründe: Zum einen können Abbrüche nicht losgelöst von ihren Ursachen und Gründen betrachtet werden. Bei der alleinigen Betrachtung der Abbruchquoten geraten die Abbruchursachen und die Interventionsversuche der Pädagogen aus dem Blick. Anders formuliert: die quantitative Ausprägung des Abbruchproblems sowie die qualitativ beschreibbaren Abbruchgründe und Präventionsmaßnahmen werden voneinander entkoppelt. Sie können so kaum Auskunft über den Erfolg oder über die Qualität einer Ausbildung bzw. einer Berufsvorbereitung geben. Die Frage, welche konkrete qualitative Aussage aufgrund der Abbruchquoten über die Maßnahmen tatsächlich möglich ist, hat sich bislang nicht klären lassen.

Zum anderen formulieren die Pädagogen, dass sie häufig gar keinen Einfluss auf das Abbruchgeschehen haben. Meistens entziehen sich die betroffenen Jugendlichen den Interventionsversuchen der Sozialpädagogen. Die so entstehenden Fehlzeiten stellen einen zentralen Hinweis auf einen bevorstehenden Abbruch und einen wichtigen Abbruchgrund dar. Einige Sozialpädagogen nehmen an, dass es dann, wenn Fehlzeiten auftreten, meistens bereits zu spät ist, um einen Abbruch zu vermeiden.

Abbrüche gelten als negative biografische Erfahrung der betroffenen Jugendlichen sowie als problematische und kritische Ereignisse. Sie stellen einen erneuten Misserfolg der Jugendlichen auf dem Weg in den Beruf dar. Darin liegt die Gefahr, dass sich diese jungen Menschen dauerhaft aus dem beruflichen Bildungssystem zurückziehen. Die Folgen sind Beschäftigungsrisiken und die dauerhafte Abhängigkeit von sozialen Hilfsangeboten. Die individuellen Probleme und Defizite der Jugendlichen werden meist als die zentralen Abbruchgründe benannt.

Sozialpädagogen, aber auch Ausbilder und Stützlehrer vermuten die Gründe für einen Abbruch in erster Linie bei den Jugendlichen selbst. Abbrüche sind aus ihrer Sicht häufig die Folge von fehlender individueller Reife, von fehlender Motivation und von Desinteresse. Häufig werden sie mit der sozialen Herkunft der Jugendlichen begründet. Berufsweltbezogene „Tugenden“ besäßen dort nur einen geringen Stellenwert. Häufige Misserfolge auf dem Weg in eine Berufsausbildung führen dazu, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt für benachteiligte Jugendliche ihre Bedeutung als biografische Zielgröße verliert. Es kommt zu Verhaltensformen der Jugendlichen, die zu einem Abbruch führen können. Fehlzeiten, Verhaltensprobleme, Unzuverlässigkeit, Motivationsprobleme, die nicht angemessene Bewältigung von Konflikten oder das nicht Befolgen von Weisungen der Ausbilder stellen solche Verhaltensformen dar. In dieser Sicht werden Abbrüche als eine Form sozialer Devianz beschrieben (STAMM 2007b, 345). Dies wird mit Begriffskonstruktionen wie „fehlende Ausbildungsreife“ oder „Lehrgangsreife“ zusammengefasst. Damit ist gemeint, dass die Jugendlichen nicht reif dafür sind, die Anforderungen der Berufswelt zu erfüllen. Dies stellt jedoch eine einseitig reflektierte Sicht auf das Abbruchgeschehen dar. Damit geraten verschiedene Dinge aus dem Blick: 1.) Abbrüche können der Anlass oder auch die Folge einer berufliche Umorientierung sein. 2.) Abbrüche können dem Wechsel in einen anderen Betrieb oder zu einem anderen Maßnahmeträger dienen. 3.) Einem Abbruch bzw. dem Verhalten, dass zu einem Abbruch führen kann, kann der konkrete Abbruchwunsch des Jugendlichen zu Grunde liegen. Diese Facetten werden in einer Sichtweise, bei der die Abbruchgründe in erster Linie den Defiziten und Problemen der Jugendlichen zugeschrieben werden, für die Sozialpädagogen nicht sichtbar. Stattdessen werden sie meistens als ein Scheitern des Jugendlichen interpretiert, der den Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt nicht gerecht werden konnte. Das wird mit seiner fehlenden „Ausbildungsreife“ und dem damit begründeten unangepassten Verhalten begründet. Mit dieser defizitorientierten Sicht auf die Jugendlichen wird ihnen u. a. die Fähigkeit, eine eigene Abbruchentscheidung zu treffen, die auf ihren eigenen Wünschen und Interessen beruht, oder die Fähigkeit zur beruflichen Umorientierung abgesprochen. Darin kommt auch eine individuumsbezogene Sichtweise auf die Entstehung sozialer Benachteiligung zum Ausdruck. Damit gerät aus dem Blick, dass die Gründe für einen Abbruch auch bei den Pädagogen selbst, in der konzeptionellen Gestaltung des Maßnahmeangebotes oder in den Rahmenbedingungen der Maßnahmen liegen können. Diese einseitig reflektierte Sichtweise schlägt sich im aktuellen Forschungsstand zum Abbrecherproblem nieder und kann als Grundkonsens der aktuellen Abbrecherforschung beschrieben werden (BOHLINGER 2002a, 2002b, 2004; BOHLINGER u.a. 2003; SCHLÄGER et al. 2005; SCHOLTES 2001; FAßMANN/ FUNK 1998; BLASCHKE/ PLATH/ NAGEL 1997).

3.  Qualitätskriterien in der beruflichen Integrationsförderung

Nun stellt sich die Frage, was Qualitätskriterien in der beruflichen Integrationsförderung sind. Dafür wird hier kein neues System von Kategorien und Kriterien zur Qualitätsbeurteilung entwickelt, vielmehr soll hier auf bereits bestehende Kriterien verwiesen werden.

Es existieren verschiedene professionelle pädagogische Grundsätze, die als Qualitätskriterien der Maßnahmen betrachtet werden können. Dazu gehört die Orientierung an den individuellen Voraussetzungen und Zielen der Jugendlichen (Ganzheitlichkeit und Lebensweltbezug), die Orientierung an ihren individuellen Stärken (Kompetenzansatz), die Handlungsorientierung der Lern- und Förderarrangements, die Individualisierung der Förderangebote sowie die Partizipation der Jugendlichen am Förderprozess. D. h. die Jugendlichen sind aktiv in den Förderprozess einzubeziehen. Dabei sollten ihre vorhandenen Stärken, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie ihre individuellen Wünsche und Interessen gleichermaßen berücksichtigt werden. Dabei geht es – dem Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ entsprechend – darum, den Jugendlichen soviel Hilfe wie nötig, aber so wenig wie möglich anzubieten. Die verschiedenen pädagogischen Fördergrundsätze sind in den Handreichungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur beruflichen Integrationsförderung zusammengefasst (BMBF 2005).

Die formulierten pädagogischen Grundsätze lassen sich in die Denktradition der Reformpädagogik einordnen. In anbetracht der oben referierten defizitorientierten Sichtweise auf die Abbruchursachen ist jedoch fraglich, inwieweit diese Grundsätze und die dahinterliegenden reformpädagogischen Grundgedanken umgesetzt werden. Das Problem der Qualität von Maßnahmen wird so fokussiert auf die Frage, inwieweit das pädagogische Angebot der Maßnahmen in der Lage ist, die Bedürfnisse und Wünsche Jugendlicher – als mündige Akteure ihrer eigenen Biografie – aufzugreifen und in geeignete pädagogische Handlungsansätze zu übersetzen.

In den Runderlassen, Geschäftsbriefen, Handlungsempfehlungen, Qualitätsleitfäden und auch Verdingungsunterlagen der Agentur für Arbeit lassen sich formale Qualitätskriterien finden. Auch die konkreten Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung und den Einsatz verschiedener Förderinstrumentarien lassen die oben benannten pädagogischen Fördergrundsätze durchaus erkennen. Förderziele und Fördergrundsätze sowie die zu fördernde Zielgruppe werden darin ebenfalls benannt. Demnach stellen u. a. die Erreichbarkeit des Trägers, die Qualifizierung des für die Maßnahme vorgesehenen Personals, der Einsatz von Förder- oder Qualifizierungsplanung, die Gestaltung besonderer Förderangebote für spezifische Zielgruppen, der Grad der Binnendifferenzierung oder die Umsetzung sozialpädagogischer Angebote und besonderer Maßnahmen zur Lernförderung zentrale Qualitätsmerkmale der Maßnahmen dar. Der weitere Verbleib der Teilnehmer sowie die Ausbildungs- und Qualifizierungserfolge zählen ebenfalls zu diesen Kriterien.

4. Abbrüche und Maßnahmequalität

Über welche der oben benannten Qualitätskriterien geben Abbrüche nun Auskunft? Zur Beantwortung dieser Frage wurden Maßnahmeabbrüche und ihre Ursachen aus Sicht der Sozialpädagogen, Ausbilder und Stützlehrer und aus Sicht der Jugendlichen untersucht. Aus Sicht der Pädagogen in den Maßnahmen sind es insbesondere die Defizite und Probleme der Jugendlichen, ihre fehlende Ausbildungsreife, die zu Verhaltensformen führt, die einen Abbruch zur Folge haben können (s. o.). Damit werden die Abbruchursachen in erster Linie in ein individuelles Problem übersetzt. Allerdings wird z. B. in den Interviews mit den Jugendlichen und auch in den untersuchten Förderplänen eine andere Sichtweise auf das Abbruchgeschehen eröffnet. Dadurch wird die problematisierende Sichtweise der Sozialpädagogen relativiert.

4.1  Rahmenbedingungen der Maßnahmen

Eine Untersuchungsfrage war, ob und wie die aktuellen Rahmenbedingungen der Maßnahmen das Abbruchgeschehen beeinflussen. Insbesondere die Einführung des (Neuen) Fachkonzeptes der Berufsvorbereitung und die damit einhergehende Verkürzung der Ressourcen, speziell der Förderzeit, haben das Abbruchgeschehen in BvB beeinflusst. Zunächst kam es dadurch zu einer Beschleunigung des Abbruchprozesses, der von den Pädagogen als „Abbruchspirale“ bezeichnet wird. Dadurch haben sich Abbrüche außerdem verstärkt in die Anfangsphase einer BvB verlagert. Jugendliche, bei denen in dieser Zeit bereits erkennbar ist, dass sie bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllen oder das sie die Maßnahmeziele – Ausbildungsreife, eine abgeschlossene Berufswahl und die Integration in Ausbildung oder Arbeit – nicht erreichen, werden frühzeitig gekündigt. Die Gründe dafür werden meist als fehlende „Lehrgangsreife“ umschrieben, d. h. die Sozialpädagogen erwarten von den Jugendlichen eine gewisse „Eingangsreife“, die sie mindestens erfüllen sollten. Ziel ist es, durch eine Unterbrechung, also durch einen Abbruch der Maßnahme, für den Jugendlichen einen Restförderanspruch zu erhalten (vgl. HEGA 06/2006) oder sie in eine Maßnahmeform zu übergeben, die ihrem Entwicklungsstand angemessener erscheint. Bei einigen Sozialpädagogen geht damit die Hoffnung einher, dass sie den Jugendlichen dadurch zusätzliche Entwicklungszeit und Entwicklungsräume eröffnen. Diese Strategie des gezielten Abbruches ist jedoch kritisch zu beurteilen. Diese Prozesse lassen sich als Creaming-Effekte beschreiben, in denen Kritiker die Ursachen von Maßnahme- oder Sozialhilfekarrieren sehen (BÖHNISCH 2006; WITTE/ SANDER 2006). Nach Auffassung der Sozialpädagogen sind insbesondere psychisch behinderte und lernbeeinträchtigte junge Menschen betroffen, ebenso wie Jugendliche, die noch sehr jung sind. Die Sozialpädagogen meinten damit Jugendliche, die zur Gruppe der Schulverweigerer und Schulabbrecher gehören, die meistens das 16. Lebensjahr noch nicht überschritten hatten. Es ist jedoch unklar, ob den betroffenen Jugendlichen durch eine Unterbrechung der Maßnahme geholfen wird. Ihr weiterer Verbleib ist unbekannt. Es kann nur vermutet werden, dass den Jugendlichen in ihrem Herkunftsmilieu, in das sie nach einem Abbruch zurückkehren, aufgrund der dort vorherrschenden schlechten sozio-ökonomischen und sozio-ökologischen Situation nur wenige Ressourcen zur Erlangung individueller Reife zur Verfügung stehen. Hier ist ein Widerspruch erkennbar. Einerseits beabsichtigen die Sozialpädagogen durch einen gezielten Abbruch den Jugendlichen zusätzliche Entwicklungszeit und Entwicklungsräume zu eröffnen, andererseits beschreiben sie jedoch meistens Bedingungen im Herkunftsmilieu dieser Jugendlichen, die alles andere als förderlich sind für eine reflektierte Berufswahl(-entscheidung) oder die Erlangung von Ausbildungsreife.

Zudem gibt es Hinweise auf den hohen Einfluss der Gesetzgebung im SGB II auf das Abbruchgeschehen. Die Einführung des SGB II und der dort verankerten Grundsätze der aktiven bzw. aktivierenden Arbeitsmarktförderung haben zu einer starken Reglementierung der Maßnahmeangebote geführt. So sind mit den Jugendlichen bspw. Eingliederungsvereinbarungen abzuschließen, wodurch eine Maßnahmeteilnahme, die vom Fallmanager für notwendig erachtet wird, für den Jugendlichen verbindlich werden kann. Verweigert der Jugendliche die Teilnahme an der Maßnahme oder bricht er diese ab, kann dies weitere verwaltungsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Einige Sozialpädagogen sind der Auffassung, dass dies dazu geführt hat, dass Jugendliche aufgrund von Verweigerungen, Fehlzeiten und Fehlverhalten leichter und schneller gekündigt werden können, als es früher der Fall war. Dies sei aber im Einzelfall auch vom Berufsberater abhängig. Bei den befragten Jugendlichen hatte dies zur Folge, dass sie Anlässe erzeugten, um eine Maßnahme verlassen zu können, ohne weitere Sanktionen fürchten zu müssen. Solche Anlässe waren ein Umzug oder der Eintritt in den Grundwehrdienst. Das konnte aber auch das bewusste Erzeugen von Kündigungsgründen, wie z. B. Fehlzeiten sein. Sanktionen wurden von diesen Jugendlichen teilweise in Kauf genommen. In diesen Fällen konnten die jungen Menschen auf andere soziale Unterstützungssysteme und Netzwerke, wie z.B. ein stabiles Elternhaus, Großeltern oder Lebensgefährten, zurückgreifen.

4.2  Berufswahl und Maßnahmezuweisung

Einige Abbrüche galten der beruflichen Umorientierung und können als ein Problem der Berufswahl und Maßnahmezuweisung beschrieben werden. Diese Jugendlichen schilderten oft, dass sie in die Maßnahmen „geschickt“ wurden. Ihre individuellen Interessen, insbesondere ihre Berufswünsche und Entwicklungsziele, wurden dabei nicht berücksichtigt. In einem Fall berichtete ein junger Mann, dass er bereits zum dritten Mal in einer Berufsvorbereitung sei, die nicht seinem Berufswunsch gerecht werde.

Einige Jugendliche wurden bei ihrer Berufswahl von ihren Berufsberatern und auch von ihren Eltern erheblich beeinflusst. Durch die Berufsberater wurden vorhandene Berufswünsche und getroffene Berufswahlentscheidungen der Jugendlichen verworfen, ohne angemessene Alternativen bzw. Hilfestellungen für eine neue Berufswahl zu geben. Auch bei einer Maßnahmezuweisung wurden die getroffenen Berufswahlentscheidungen der Jugendlichen teilweise missachtet. Dies ist nicht zuletzt auch eine Folge des begrenzten Maßnahmeangebotes der Agentur für Arbeit. Infolge dessen orientiert sich eine Maßnahmezuweisung stärker an vorhandenen Maßnahmeplätzen als an den Interessen und der Eignung der betroffenen Jugendlichen. Auch hier steht die Effektivität und Wirtschaftlichkeit der Hilfsangebote im Vordergrund. In der Folge nahmen einige Jugendliche auftretende Probleme, z. B. Konflikte mit Sozialpädagogen oder Ausbildern zum Anlass, eine Maßnahme abzubrechen. Das geschah auch, wenn die Jugendlichen ihre persönlichen Ziele gefährdet sahen.

Die Ausbilder beschreiben, dass Jugendliche einer Ausbildung zugewiesen werden, obwohl sie dafür nicht geeignet sind. Sie kritisieren, dass die berufliche Eignung der Jugendlichen bei der Maßnahmezuweisung zu wenig berücksichtigt wird. Die Ausbilder unterstellen der Agentur für Arbeit außerdem, benachteiligt geltende Jugendliche gezielt in Berufe mit vermeintlich niedrigen Anforderungen zuzuweisen. Sie kritisieren, dass es dadurch zu einer Etikettierung und Entwertung von Berufen kommt. Diese werden so zu Benachteiligtenberufen oder Behindertenberufen. Hier kann es zu eignungsbedingten Abbrüchen kommen, die von den Ausbildern veranlasst werden. Kritisch ist, dass auch diese Abbrüche nicht pädagogisch begleitet werden. Der weitere Verbleib dieser Jugendlichen ist den Ausbildern weitestgehend unbekannt.

4.3  Lebensweltbezug und Passgenauigkeit

Ein pädagogischer Grundsatz der Maßnahmen, und damit Qualitätsmerkmal, ist ihr Lebensweltbezug und ihre Passgenauigkeit zu den individuellen Voraussetzungen und Lebenslagen der Jugendlichen. Damit rückt die Frage in den Vordergrund, ob das jeweilige Maßnahmeangebot, BvB oder BaE, aber auch Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen den Interessen, Wünschen und der Lebenssituation der Jugendlichen entsprechen. In den Untersuchungsergebnissen wird deutlich, dass dies nicht immer der Fall ist. Insbesondere das Alter der Jugendlichen und ihre konkrete Lebenssituation werden bei der Maßnahmezuweisung möglicherweise zu wenig berücksichtigt. Insbesondere ältere Jugendliche formulierten ihre Bedenken darüber, ob eine Ausbildung noch das richtige für sie sei. Viele von ihnen führten bereits einen eigenen Haushalt und lebten seit einiger Zeit wirtschaftlich selbstständig. Für sie war es problematisch, in eine Ausbildung oder Maßnahme einzumünden, bei der die Gefahr der erneuten Abhängigkeit von den Eltern besteht. Entwicklungspsychologisch und jugendsoziologisch betrachtet liegt darin die Gefahr, dass bereits abgeschlossene Entwicklungsprozesse, wie die Individuation und die Loslösung vom elterlichen Haushalt, verworfen werden. Die Jugendlichen sind gezwungen, sich in eine erneute Abhängigkeit von ihren Eltern zu begeben. Auch die Zuweisung zu einer Berufsvorbereitung birgt diese entwicklungspsychologisch bedenklichen Aspekte. Für die Teilnehmer, die das 20. Lebensjahr bereits überschritten hatten, waren die Ziele und Inhalte dieser Maßnahmen uninteressant. Eine BvB stellt für diese jungen Menschen kaum noch relevante Entwicklungsaufgaben bereit. Ihnen geht es längst nicht mehr um die Bewältigung der Berufswahl, sondern um die Einmündung in eine konkrete oder irgendeine Ausbildung. Der konkrete Wert, den BvB-Maßnahmen für diese Jugendlichen haben, resultiert aus den Ressourcen, den ihnen diese Maßnahmen zur Stellensuche und Bewerbung bereitstellen, sowie aus der Verwertbarkeit der dort erworbenen Qualifikationen am Arbeitsmarkt.

4.4  Individuelle Förderplanung

Der individuelle Förderplan stellt ein zentrales Instrument der beruflichen Integrationsförderung dar. Darin werden die diagnostizierten individuellen Förder- und Qualifizierungsbedarfe Jugendlicher dokumentiert und im Maßnahmeverlauf fortgeschrieben. Der individuelle Förderplan bzw. die Qualifizierungsplanung stellt auch ein formales Qualitätsmerkmal der Maßnahmen dar. Aus Sicht der Sozialpädagogen bedeuten diese Pläne meist nur zusätzliche „Schreibarbeit“. Im Rahmen der durchgeführten Untersuchung wurden die Förderpläne von insgesamt 35 Maßnahmeabbrechern genauer betrachtet.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Förderplan nur bedingt als Grundlage sozialpädagogischer Arbeit genutzt wird. Für die meisten Sozialpädagogen stellt er ein Dokumentationsinstrument dar. Die Darstellungen und Beschreibungen der Sozialpädagogen in den Förderplänen sind kritisch zu beschreiben. An vielen Stellen wirken sie wertend, mutmaßend, schlussfolgernd, zuschreibend und nur wenig analytisch. Dies kann die Folge begrenzter diagnostischer Fähigkeiten und fehlender Qualifikationen oder Erfahrungen der Pädagogen sein.

Teilleistungsschwächen und Behinderungen der Jugendlichen werden nicht erkannt und bearbeitet. Einschätzungen wie, „der oder die Jugendliche hat Probleme Texte zu verstehen“, „er oder sie habe Probleme dabei sich Inhalte zu merken“, „er oder sie schreibe zu langsam“, „er oder sie habe Konzentrationsprobleme“, können Anzeichen für Lernbeeinträchtigungen und Behinderungen sein und geben Hinweise auf konkrete sozialpädagogische Handlungsansätze, die jedoch kaum aufgegriffen werden. Das gilt in gleichem Maße für andere Probleme der Jugendlichen, die in den Förderplänen beschrieben werden. Dazu zählt z. B. die eingeschränkte Mobilität der Teilnehmer, was – vor allem bei Jugendlichen unter 18 Jahren – zu einer Einschränkung der Berufswahl führt. Ein weiteres Problem sind Passungsprobleme zwischen Praktikumsbetrieb und Jugendlichen. Auch bestehende Konflikte, Versetzungswünsche, Leistungsabfälle, schulische Probleme, Sprachdefizite, häufige Krankschreibungen, fehlendes Interesse, Tod eines Verwandten, Schulden usw. stellen solche konkreten pädagogischen Handlungsaufforderungen dar, die aber als solche von den Sozialpädagogen nicht aufgegriffen wurden. In den Förderplänen wird dies zumindest nicht deutlich. Stattdessen wird häufig die verstärkte Eigenaktivität der Jugendlichen eingefordert. Von ihnen wird verlangt, dass sie sich an Regeln zu halten haben.

4.5  Übergangshilfen und Nachbetreuung

In den meisten Fällen gelten Abbrüche als ein kritisches, problematisches Ereignis. Die Sozialpädagogen nehmen an, dass aus Sicht der Jugendlichen ein Abbruch einen erneuten Misserfolg und ein weiteres Versagenserlebnis auf dem Weg in den Beruf darstellt (VOCK 2000). Eine angemessene Nachbetreuung und Aufarbeitung des Abbrucherlebnisses oder das Angebot von Hilfestellungen bei der beruflichen Neuorientierung stellen deshalb notwendige Unterstützungsmaßnahmen dar. Jugendlichen soll so bei der Verarbeitung dieser biografischen Erfahrung geholfen und die zunächst negative Abbrucherfahrung konstruktiv in eine positive gewendet werden. Einen bevorstehenden Abbruch konstruktiv zu wenden meint, dass bereits im Abbruchverlauf berufliche Übergangs- und Einmündungschancen zu eröffnen sind. Die Suche des Jugendlichen nach beruflichen Alternativen ist zu unterstützen. Mit dem Jugendlichen sind Verfahrenswege zu erörtern, bei dem sich nach einem Abbruch Anschlussoptionen eröffnen. Das beinhaltet auch, die konkreten Problemlagen, Wünsche und Interessen des Jugendlichen im Abbruchverlauf aufzugreifen. Dafür bedarf es der intensiven Arbeit mit dem Jugendlichen und seinen konkreten Unterstützungsbedürfnissen.

Die Untersuchung zeigt, dass Abbrecher in den meisten Fällen nach ihrem Abbruch auf sich allein gestellt sind. Den meisten Sozialpädagogen war der weitere Verbleib der betroffenen Jugendlichen unbekannt, was darauf hindeutet, dass Abbrecher in den meisten Fällen nicht weiter betreut werden. Für einige Jugendliche schloss sich dem Abbruch eine längere Zeit der Arbeitslosigkeit oder der unqualifizierten Beschäftigung an. Junge Frauen sind davon offenbar besonders betroffen. Gelingt die Rückkehr in eine Ausbildung über einen längeren Zeitraum nicht, besteht das Risiko, dass sich diese Jugendlichen auf Dauer von der Berufsausbildung verabschieden. Die aktuell diskutierten Formen der abschlussbezogenen Nachqualifizierung bieten diesen jungen Menschen die Chance auf einen beruflichen Abschluss und auf die Verbesserung ihrer Arbeitsmarktchancen.

Im Abbruchverlauf zielen die Aktivitäten der Pädagogen fast ausschließlich auf eine Vermeidung des Abbruches und nicht auf die konstruktive Wendung und Unterstützung dieses bevorstehenden Abbruchs. In einigen Fällen hatte dies zur Folge, dass eine Kündigung sogar erst kurz vor Maßnahmeende erfolgte, was als besonders kritisch zu beurteilen ist. Dies wirft die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für eine Kündigung auf. Insbesondere in den Fällen, bei denen feststeht, dass sich ein Abbruch nicht vermeiden lässt, erscheint es sinnvoller, einen Abbruch zu unterstützen und die Kündigung rechtzeitig auszusprechen. Stattdessen beinhalten die Interventionsbemühungen häufig Sanktionen, Ermahnungen und Belehrungen. Die Untersuchung der Förderpläne zeigt diesbezüglich sehr eindrucksvoll, dass die Versuche, einen Abbruch zu vermeiden, zu Konflikten, Arbeitsverweigerungen, Verhaltensproblemen oder zu Fehlzeiten führten. Einige Jugendliche berichteten davon, dies gezielt getan zu haben, da sie keine andere Möglichkeit sahen, aus der Maßnahme herauszukommen.

4.6  Scheitern in Zwischen- und Abschlussprüfungen

Die Untersuchung hat die Zeitpunkte, zu denen Abbrüche im Ausbildungsverlauf häufiger stattfinden, genauer betrachtet. Hier wird deutlich, dass eine Zahl von Jugendlichen zum Ende der Ausbildung ohne Abschluss abbricht bzw. gekündigt wird. Dabei handelt es sich um Jugendliche, die in den Zwischen- oder Abschlussprüfungen gescheitert sind und darauf hin die Maßnahme abgebrochen haben. Einige von ihnen haben sogar noch vor den Prüfungen abgebrochen. Die Vorbereitung der Jugendlichen auf die Prüfungen, als Zielstellung des Förder- und Stützunterrichtes, stellt ein formales Qualitätskriterium der Maßnahmen dar. Bei Jugendlichen mit Lernbeeinträchtigungen und psychischen Behinderungen ist es möglich, durch Maßnahmen zum Nachteilsausgleich (§ 48c BBiG; § 42 HwO) die Prüfungssituation so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen der Jugendlichen entsprechen, z. B. durch die Einbindung von vertrauten Personen in die Prüfung, durch Vorlesen der Prüfungsaufgaben, durch Zeitverlängerung, durch die Verwendung größerer Schriftbilder oder durch die Modifizierung der Frageformulierung. In keinem der untersuchten Fälle ist dies erfolgt.

Im Rahmen der qualitativen Untersuchung wurde deutlich, dass einigen Jugendlichen die Möglichkeit, eine einmal nicht bestandene Prüfung zu wiederholen unbekannt war. In zwei Fällen haben die Jugendlichen nach ihrer ersten nicht bestandenen Prüfung ihre Ausbildung abgebrochen. In einem dieser beiden Fälle ist der Jugendliche nach dem Abbruch seiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann durch die Berufsberatung in eine Berufsvorbereitung vermittelt worden, im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung, und wurde anschließend in eine Ausbildung zum Verkäufer vermittelt. Die brach er im zweiten Lehrjahr ab, da er keine Lust mehr dazu hatte.

5. Fazit und Konsequenzen für die pädagogische Arbeit in den Maßnahmen

Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die Frage, ob Maßnahmeabbrüche Auskunft über die Qualität von Maßnahmen der beruflichen Integrationsförderung geben? Es wurde gezeigt, dass die Abbruchursachen in erster Linie bei den Jugendlichen gesucht werden. Die Entwicklungsdefizite und sozialen Probleme der Jugendlichen gelten in dieser Sichtweise als die zentralen Abbruchursachen. Sie führen zu Verhaltensformen, die einen Abbruch zur Folge haben können. Damit sind sie in erster Linie problematische und kritische Ereignisse. In dieser Sichtweise auf Abbrüche und ihre Ursachen, sagen sie zunächst nichts über die Qualität von Maßnahmen aus. Mit dieser Sichtweise, die der Perspektive der Sozialpädagogen, Ausbildern und Stützlehrern entspricht und die auch im aktuellen Forschungsstand zum Abbruchproblem in der beruflichen Integrationsförderung zu finden ist, geraten verschiedene Aspekte des Abbruchgeschehens aus dem Blick. Vorzeitige Maßnahmeaustritte können bspw. der beruflichen Umorientierung oder der Wahrnehmung individueller Entwicklungsinteressen eines Jugendlichen gelten. In der hier skizzierten defizitorientierten, problematisierenden Sichtweise wird den Jugendlichen die Fähigkeit, eigene Interessen wahrzunehmen und eine berufswahlbedingte, eigenständige Abbruchentscheidung zu treffen, abgesprochen. Stattdessen werden die Abbruchursachen als fehlende Berufswahlreife, fehlende Ausbildungsreife, fehlende Motivation, Desinteresse usw. verallgemeinert. In dieser Verallgemeinerung gerät ebenfalls aus dem Blick, dass einem Abbruch der konkrete Abbruchwunsch des Jugendlichen zugrunde liegen kann, oder seine konkreten Probleme und Bedürfnisse zu einem Abbruch führen. Dabei gerät auch aus dem Blick, und das haben die Ausführungen gezeigt, dass Abbrüche im Einzelfall Auskunft geben können über

•  die Auswirkungen der aktuellen Rahmenbedingungen auf die Förderpraxis,

•  den Einfluss der Auswahl und Zuweisungsmechanismen der Agentur für Arbeit,

•  die Grenzen der pädagogischen Fähigkeiten und der Professionalität des Maßnahmepersonals,

•  den fehlenden Bezug der Maßnahme zur konkreten Lebenssituation des Jugendlichen oder

•  die Vernachlässigung pädagogischer Handlungsgrundsätze.

Damit können Abbrüche bei genauerer Betrachtung und Analyse durchaus Auskunft über die Qualität und den Erfolg der Maßnahmen geben.

Welche Konsequenzen hat diese Erkenntnis für die pädagogische Arbeit in den Maßnahmen? Die Untersuchung hat gezeigt, dass Abbrüche meist als eine Form sozialer Devianz wahrgenommen und mit den Problemen und Defiziten der Jugendlichen begründet werden. Abbrüche gelten so meist als die Folge einer fehlenden Akzeptanz gesellschaftlich akzeptierter, beruflicher Werte, Normen und Tugenden durch die Jugendlichen. Diese sollen die Jugendlichen in den Maßnahmen lernen und in ihr eigenes Wertesystem integrieren. Dies wird als unabweisbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in eine Ausbildung erachtet. Abbrüche werden meist als Folge einer fehlenden Akzeptanz und fehlenden Fähigkeit, diese beruflichen Werte und Normen zu befolgen, beschrieben. Dies wird als fehlende Ausbildungsreife und damit als Entwicklungsdefizit dargestellt. Bei arbeitsweltbezogenen Werten, deren Einhaltung bzw. Wertschätzung auf eine vorliegende Ausbildungsreife hindeuten, handelt es sich jedoch um „abstrakte Konstruktionen“, die vom Individuum im Hinblick auf ihre Relevanz und Erwünschtheit beurteilt werden (vgl. HELMKEN/ MIENERT 2007, 394). In den Maßnahmen, insbesondere in BvB, wird dies zu einem Problem: BvB zielt auf das Erreichen von Ausbildungsreife. Ausbildungsreife, verstanden als Zieldimension der Maßnahmen und als ein Wert, stellt, solange sie sich nicht auf einen konkreten Beruf bezieht, für den Jugendlichen keine relevante Größe dar. D.h. im Hinblick auf den einzelnen Jugendlichen verschwimmen hier die Dimensionen zwischen dem abstrakten Ziel der Maßnahmen – nämlich der Ausbildungsreife – und den konkreten pädagogischen Handlungsaufforderungen, die in den Abbruchursachen begründet liegen. Anders formuliert: ist für den Jugendlichen kein konkretes Integrationsziel, z.B. in eine konkrete Ausbildung in einem konkreten Beruf oder in einem konkreten Betrieb erkennbar, stellt Ausbildungsreife eine abstrakte Zielkategorie dar, die als ein gesellschaftlich akzeptierter Wert für den Jugendlichen aktuell keine Bedeutung hat. Für die pädagogische Arbeit in den Maßnahmen ist es demzufolge sinnvoller sich an den konkreten Entwicklungsinteressen der Jugendlichen zu orientieren und nicht an einem abstrakten Ziel und einer abstrakt formulierten Integrationsfähigkeit.

Literatur:

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BLASCHKE, D./ PLATH, H.-E./ NAGEL, E. (1997): Abbruch der Erstausbildung in der beruflichen Rehabilitation. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt und Berufsforschung, 2, 319-344.

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BOHLINGER, S. (2002a): Ausbildungsabbruch. Einblick in eine vermeintliche Randerscheinung des deutschen Bildungssystems. Aachen.

BOHLINGER, S. (2002b): Ausbildungsabbruch - Forschungsstand eines bildungspolitischen Problemfeldes. In: BOHLINGER, S./ JENEWEIN, K. (Hrsg.): Ausbildungsabbrecher - Verlierer der Wissensgesellschaft. Bielefeld, 27-37.

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BÖHNISCH, L. (2006): Abweichendes Verhalten. Eine soziologisch-pädagogische Einführung. Weinheim und München.

BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (2005): Berufliche Qualifizierung Jugendlicher mit besonderem Förderbedarf. Bonn und Berlin.

DELLORI, C./ SCHÜNEMANN, G. (2005): Bildungsbegleitung im Kontext der "Entwicklungsinitiative: Neue Förderstrukturfür Jugendliche mit besonderem Förderbedarf." In: ENGGRUBER, R./ BURGHARDT, H. (Hrsg.): Soziale Dienstleistung am Arbeitsmarkt. Weinheim und München, 47-63.

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