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 bwp@ Spezial 4 | September 2008
Hochschultage Berufliche Bildung 2008
WS 17 Nachhaltigkeit

Sektorbezüge und Normativität – Fragen, Probleme und Antworten aus der empirischen Forschung zur Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung

 

Abstract

Im Beitrag werden Bedeutung und Möglichkeit sektorbezogener Forschung für die Nachhaltigkeitsforschung in der Berufsbildung erörtert und dabei besonders unter dem Gesichtspunkt normativer Entscheidungen beleuchtet. Wirtschaftswissenschaftliche Nachhaltigkeitsansätze werden dargestellt und der Bezug zu pädagogischen und inhaltlichen Dilemmata in der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung hergestellt. Dabei wird der Blick auf die Informations- und Wissensdefizite gelenkt und weniger auf die bekannte Lücke zwischen Wissen und Handeln. Es werden konkrete inhaltliche Schwierigkeiten aufgezeigt, die derzeit bei der Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung bestehen und am Beispiel der Kreislauf- und Abfallwirtschaft dargestellt.

In der Gestaltung von Nachhaltigkeit am Arbeitplatz wird von den Beschäftigten komplexes Denken in erheblichem Ausmaß gefordert. Rechtliche und inhaltliche Fragen, die auf der Makroebene von Politik, Gesetzgeber und Wissenschaft nicht geklärt sind, ebenso wie Unklarheiten auf der Exoebene (Branchenpolitische Ebene) und der Mesoebene der Unternehmen, wirken sich aus bis zur Ebene der Beschäftigten. Durch die inhaltlichen Spannungsverhältnisse bei der Einschätzung von Nachhaltigkeit werden auch Handlungsentscheidungen auf der Ebene der Beschäftigten erschwert. Aus diesen Spannungsverhältnissen werden Schlussfolgerungen für die Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung abgeleitet.

1.  Neue Forschungsansätze in der berufswissenschaftlichen bzw.
-pädagogischen Nachhaltigkeitsforschung

Im Hochschultage Workshop „Nachhaltigkeit“ wurde die Notwendigkeit einer Vertiefung Beruflicher Bildung für nachhaltige Entwicklung um die Gesichtspunkte von Globalität und Interkulturalität diskutiert. Im Besonderen stellte sich die Frage, wie so verstandene nachhaltige Entwicklung in der betrieblichen Facharbeit in den Arbeitsprozessen gestaltet werden und welchen Beitrag die Berufliche Bildung dazu leisten kann.

Die Umsetzung der dreidimensionalen Leitlinie der Nachhaltigkeit mit ihrer wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Perspektive erfordert ein komplexes Zusammenspiel aus normativen Entscheidungen und Wissen über globale, interkulturelle und zeitliche Zusammenhänge von Ereignissen. Dies wird umso deutlicher je mehr man sich mit den umweltethischen Aspekten der Leitidee beschäftigt, die auf dem Prinzip von intra- und intergenerationeller Gerechtigkeit beruht und Fragen zum Umgang mit Naturkapital aufwirft (OTT/ VOGET 2007).

Die deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft schlägt als Forschungsfelder für Bildung für nachhaltige Entwicklung folgende vor:

•  Survey-Forschung:
Die Survey-Forschung hat das Ziel den aktuellen Status der Umweltbildung zu analysieren und evaluieren.

•  Innovations-Forschung:
Die Innovationsforschung soll Bedingungen, Regelmäßigkeiten und Probleme von Innovationsprozessen für BNE untersuchen.

•  Qualitäts-Forschung:
Die Qualitätsforschung kann die Professionalisierungsprozesse in der Bildung für nachhaltige Entwicklung begleiten und Indikatoren, Standards und Zertifizierungen für außerschulische Umweltbildung/Bildung für nachhaltige Entwicklung klären.

•  Lehr-Lern-Forschung:
Die Lehr-Lern-Forschung ist angelegt dafür die Lehr- und Lernprozesse die auf Gestaltungskompetenz zielen, zu erfassen, theoriegeleitet zu beschreiben, zu erklären und zu optimieren (vgl. DGFE 2004).

Diese Felder sind grundsätzlich auch in der speziellen Berufsbildungsforschung für nachhaltige Entwicklung (BBNE) relevant, allerdings geht es hier um die Vertiefung der Forschungsarbeiten vor dem Hintergrund der berufswissenschaftlichen Fragestellungen, die sich dem klassischen Spannungsfeld Beruf, Arbeit und Technik zuwenden sowie den damit verbundenen kontinuierlichen Veränderungsprozessen auf allen Ebenen.

In den Arbeitsprozessen ist der Einzelne gefordert die Dreidimensionalität von Nachhaltigkeit in seinen Handlungsspielräumen durch persönliches Abwägen umzusetzen. Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, ist es für berufliche Fachkräfte unabdingbar, sich der Einflussmöglichkeiten ihres beruflichen Handelns auf eine nachhaltige Entwicklung bewusst zu werden. Folgende Fragen sind dabei relevant:

•  Was sind die sektorspezifischen Charakteristika von Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung?

•  Welche arbeits- und geschäftsprozessspezifischen Aspekte liegen in den einzelnen Sektoren für die erfolgreiche Ausgestaltung von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung unter Einbezug von Globalität und Interkulturalität vor? Welche Rolle spielt dies bei der Ausbildung?

•  Welche neuen didaktischen Anforderungen stellen sich in diesem Kontext?

•  Wie sind vorhandene Lehr- und Lernstrategien dementsprechend weiterzuentwickeln?

Die Herkunft der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung aus der Umweltbildung ist viel beschrieben (z.B. KUTT 2001, MICHELSEN 2006, HILGERS/ MERTINEIT 2007). Ebenso werden Verknüpfungen mit Diskussionen von globalem und interkulturellem Lernen hergestellt. Als veränderungs- und gestaltungsorientierter Ansatz ist die BBNE besonders auch mit den Strömungen der Gestaltungsorientierung und der Arbeitsprozessforschung zu verbinden. In einem Projekt der Universität Oldenburg in der Tourismuswirtschaft wurde festgestellt, dass nachhaltigkeitsorientierte Arbeitsprozesse sich durch wesentlich komplexere Zielstrukturen auszeichnen als andere Arbeitsprozesse (SCHLÖMER 2008). Viel zitiert sind die hohe Zahl von bereits laufenden und abgeschlossenen Modellversuchen, Pilot- und Forschungsprojekten zur Nachhaltigkeit (vgl. z.B. NICKOLAUS/ MERTINEIT und SCHNURPEL 2002, KUTT 2006, TIEMEYER/ WILBERS 2006). Bisher wurden mit Blick auf die berufliche Bildung jedoch Schwerpunkte auf Aspekte nachhaltigen Wirtschaftens (vgl. TIEMEYER/ WILBERS 2006) gelegt oder nur einzelne ausgewählte Sektoren, vor allem aus der Umweltwirtschaft betrachtet (z. B. der Sektor Erneuerbare Energien), andere Sektoren (z. B. Gastronomie/Tourismus, Verkehr/Logistik oder Gesundheit/Prävention) wurden bisher bei Nachhaltigkeitsuntersuchungen nicht beachtet. Es bestehen bisher viele Einzelvorhaben, die sich auf Teilaspekte des nachhaltigen Handelns beziehen.

1.1  Ein empirischer Forschungsansatz für BBNE

Die Beachtung der Mehrdimensionalität von Nachhaltigkeit ist die Hauptherausforderung für die Umsetzung der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Nachhaltigkeit ist heute zentraler Bestandteil aller "Sonntagsreden" von Berufsbildungspolitik und Berufspädagogik und -wissenschaft, aber im Alltag der Akteure sind die Veränderungen in diese Richtung noch gering. Die Verknüpfung von wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Interessen unter den Anforderungen von Zukunftsfähigkeit im globalen Zusammenhang überfordert nicht nur Praktiker der Berufsbildung. Zu wenig ist bisher bekannt über die sektorbezogenen Charakteristiken, die die Ausgestaltung von BNE ermöglichen können, als dass sich BNE umfassend in Ausbildungsordnungen, Curricula, Schul- und Betriebsausbildung umsetzen lassen könnte. Es ist insbesondere zu klären, welche arbeits- und geschäftsprozessspezifischen Aspekte in den einzelnen Sektoren für die erfolgreiche Ausgestaltung von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung vorliegen und in der Berufsbildung aufgegriffen werden können (vgl. KUTT 2004 und KUTT/ MEYER/ TOEPFER 2008).

Diese Ausgangssituation war auch der Grund für die Projektgruppe GInE (Vom BMBF für ein Jahr finanziertes Forschungsprojekt „Globalität und Interkulturalität als integrale Bestandteile beruflicher Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (GInE)“, in dem ein Team, bestehend aus Prof. Dr. Ulrike Greb, Prof. Dr. Werner Kuhlmeier, Prof. Dr. Heinrich Meyer, Prof. Dr. Thomas Vollmer, Dr. Stephan Stomporowski, Dr. Nadja Bleil (alle Universität Hamburg, IBW), Prof. Dr. Georg Spöttl, Dr. Jessica Blings (beide Universität Bremen, ITB), Prof. Dr. Andreas Fischer, Frank Skrzipietz (beide Universität Lüneburg, Berufs- und Wirtschaftspädagogik: Didaktik der Wirtschaftslehre) entsprechende Forschungs- und Entwicklungsfragen als Grundlage für ein Aktionsprogramm identifiziert hat (vgl. www.ibw.uni-hamburg.de/GInE ). Die Gesamtergebnisse dieser Arbeiten werden Ende 2008 veröffentlicht. ), sorgfältig ausgewählte Sektoren als Exempel genauer zu untersuchen und diese hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten und Differenzen mit Blick auf Nachhaltigkeit in Beziehung zu setzen. Die vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) finanzierte Studie hat sich erstmalig in sechs Sektoren (Bauhaupt-/ Baunebengewerbe, Gesundheit/Pflege, Lebensmitteleinzelhandel, Industrielle Produktion im Fahrzeug-/Maschinenbau, Kreislauf- und Abfallwirtschaft/Recycling und Tourismus: Hotellerie) folgenden zentralen Forschungsschwerpunkten zugewendet:

• Organisationale Definitionen: Welche Definition, welches Verständnis von Nachhaltigkeit besteht in den Firmen und bei den Beschäftigten?

• Gestaltungsprinzipien, Indikatoren: Welche Gestaltungsprinzipien und Indikatoren für nachhaltiges Handeln können in Unternehmen, bei Führungskräften, Personalverantwortlichen, Abteilungsleiter/-innen, Facharbeiter/-innen, gering Qualifizierten identifiziert werden?

• Kontexte, Inhalte, Methoden: In welchen Kontexten, Inhalten, mit welchen Methoden wird in Unternehmen nachhaltig gehandelt?

• Handlungsspielräume: Welche Handlungsspielräume für die partizipative Gestaltung nachhaltigkeitsbezogener Arbeits- und Geschäftsprozesse in Unternehmen und deren Einflussfaktoren gibt es in den Unternehmen, d.h. welche Handlungsspielräume bestehen (vgl. Blings/ Spöttl/ Köth 2008)?

Die ausgewählten Kernsektoren wurden mittels qualitativer Methoden der berufswissenschaftlichen Forschung in den Blick genommen (vgl. BLINGS 2008b; SPÖTTL 2005). Im Besonderen stellte sich in den Sektoren die Frage, wie so verstandene nachhaltige Entwicklungen in der betrieblichen Facharbeit in den Arbeitsprozessen gestaltet werden und welchen Beitrag die Berufliche Bildung dazu leisten kann. In allen Sektoren wurden Realanalysen durchgeführt, die aus Sektoranalysen und Fallstudien bestanden. Die Sektoranalysen dienten dazu den Sektor genau abzugrenzen und zu definieren. Dabei wurden die Entwicklung des Sektors mit seinen Beschäftigungsstrukturen betrachtet und nachhaltige Strukturen des Sektors (z.B. Nachhaltigkeitsberichte, EFQM oder andere Excellence-Modelle) analysiert. Die Fallstudien haben die Aktivitäten und das nachhaltige Handeln der Unternehmen sowie der Beschäftigen im Sektor ermittelt. Ein Fall konzentrierte sich auf ein Unternehmen mit dem dazugehörigen Aus- und Weiterbildungsbereich (vgl. BLINGS/ SPÖTTL/ KÖTH 2008).

2.  Von der Normativität des (nachhaltigen) Wirtschaftens

Das Potential des nachhaltigen Wirtschaftens wird von Betriebwirtschaftslehre und auch der Berufs- und Wirtschaftspädagogik durch verschiedene Ansätze und Theorien untermauert. International sind Corporate Social Responsibility (CSR), Stakeholder Management oder auch Corporate Sustainability Möglichkeiten für Unternehmen transparent aktiv zu werden. Die europäische Kommission appelliert an Mitgliedstaaten, Unternehmen und alle beteiligten Stakeholder in Europa auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung führend zu werden und strebt eine Initiative „Wachstum und Beschäftigung“ an, die die verschiedenen Interessengruppen, mit dem gemeinsamen Ziel CSR in Europa zu stärken, verbinden will (KOM 2006).

In einer aktuellen CSR-Studie wird aufgezeigt, dass die meisten der DAX-30-Unternehmen in ihrer Berichterstattung die drei Dimensionen von Nachhaltigkeit darstellen. Andererseits wurde auch deutlich, dass es den Unternehmen Probleme bereitet das Thema „gesellschaftliche Verantwortung“ abzubilden und hierzu meist nur Sponsoring, Kooperationen und personalorientierte Inhalte darstellen (vgl. LOEW/ ANKELE/ BRAUN/ CLAUSEN 2004, 75ff). In der Öffentlichkeit werden die Diskussion und das Engagement für Corporate Social Responsibility (CSR) und nachhaltiges Wirtschaften besonders von Großunternehmen und multinationalen Konzernen dominiert (LÜBCKE/ RUTH/ YIM 2007).

Trotz vieler guter Beispiele zögern die Mehrzahl der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) weiter, sich Initiativen nachhaltigen Wirtschaftens oder zur Umsetzung von CSR anzuschließen, wofür vor allem ein Mangel an zeitlichen und finanziellen Ressourcen sowie ein Mangel an Informationen verantwortlich zu machen ist (z.B. MÜLLER-CHRIST/ ARNDT/ EHNERT 2007). Auch der deutsche Rat für nachhaltige Entwicklung konstatiert eine Überforderung der KMU in diesen Fragen und spricht die Empfehlung aus, diese differenzierter anzusprechen, informierende und beratende Initiativen zur Implementierung von Nachhaltigkeit in die Geschäftsprozesse hineinzutragen und Entwicklungen der Global Reporting Initiative und aus dem Umweltmanagement stärker zu kommunizieren (vgl. RAT FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG 2006, 15). Zugleich legen empirisch gewonnene Ergebnisse des Projekts GINE nahe, dass die kleinen und mittleren Unternehmen in vielen Bereichen bereits ökologisch und sozial verantwortlicher agieren als sie sich bewusst sind. Das Institut für Mittelstandsforschung hat in Untersuchungen klare Wettbewerbsvorteile für KMU festgestellt, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur pflegen (MAAß 2007). Gerade mittelständische Untenehmen zeigen häufig eine hohe soziale Verantwortung ohne in der Lage zu sein, dies als Wettbewerbsvorteil öffentlichkeitswirksam zu kommunizieren.

Im nationalen Kontext sind bereits Instrumente der Selbstbewertung nachhaltigen Wirtschaftens wie SAFE, INC, Sustainable Value entwickelt worden (z.B. FIGGE /HAHN 2006; BAEDEKER/ HEUER et al. 2002). Zudem wurden Anknüpfungspunkte an vorhandene Instrumente wie EFQM erarbeitet. Diese haben aber bisher nur eine geringe Verbreitung erfahren. Sie zeigten sich am wirkungsvollsten, wenn sie mit Coaching und Organisationsentwicklungsmaßnahmen verknüpft wurden (vgl. BAEDEKER/ ROHN 2006), was bedeutet, dass es zur Implementierung kontinuierlicher Strategien bedarf, die diese mit anderen notwendigen Prozessen verknüpfen. Es ist zu vermuten, dass ein Manko der Ansätze ist, dass sie nicht oder wenig sektorspezifisch angelegt und damit für viele Unternehmen nicht passfähig genug sind. In der Berufs- und Wirtschaftpädagogik hat sich eine Vielzahl von Projekten bereits dem nachhaltigen Wirtschaften von Unternehmen in Einzelprojekten zugewandt (vgl. auch TIEMEYER/ WILBERS 2006). Dies geschah auch vor dem Hintergrund Interessenlagen in den Unternehmen zu klären und Synergien und Erfolgskonzepte für nachhaltiges Wirtschaften herauszuarbeiten.

Jegliches Wirtschaften erfordert immer auch normative Entscheidungen, wenn z.B. Materialgüte versus Kosten abgewogen wird, ist dies letztendlich auch eine normative Entscheidung darüber, welche Materialgüte gewünscht wird. Oder auch Entscheidungen zum Personalabbau sind normativ, da etwas anderes wie Gewinnmaximierung oder Unternehmenserhalt gegen den Stellenerhalt abgewogen wird (SPITZECK/ ULRICH 2006). Beim nachhaltigen Wirtschaften geht es umso stärker um normative Entscheidungen, da eine zukunftsgerichtete und mehrdimensionale Perspektive eingenommen wird. Eines der Grundprinzipien nachhaltigen Wirtschaftens, welches verlangt, auch beim Naturkapital von den Zinsen zu leben und dieses nicht aufzubrauchen, ist höchst normativ. Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet „Jetzt-für-dann“ Entscheidungen zu treffen. Diese treten in Widerspruch zu „Jetzt-für-Jetzt“ Entscheidungen, welche im Moment kostengünstiger sind (vgl. MÜLLER-CHRIST/ GANDENBERGER 2006).

In der integrativen Wirtschaftsethik wird grundsätzlich das Prinzip der Gewinnmaximierung in Frage gestellt. Vielmehr werden Erfolgsziele definiert, die auch die Auswirkungen auf spätere Generationen reflektieren und normativ-ethische Entscheidungen transparent machen (SPITZECK/ ULRICH 2006). Pfriem beurteilt die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit als eng verwoben mit der sozialen. Am Beispiel China macht er deutlich, dass das Fehlen ökologischer Zielperspektiven mit dem Auftreten von sozialen Störungen eng verbunden ist (PFRIEM 2006, 107ff.). Auch in Deutschland ist längst bekannt, dass soziale Benachteiligung eng mit Beeinträchtigung durch Umweltauswirkungen (Verkehrslärm, Emissionen, Lebensmittel) zusammenhängt (BUNGE 2008).

Pfriem folgert generell, dass die Nachhaltigkeitsdiskussion eine kulturelle Herausforderung darstellt, was bedeutet, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung kulturelle Bildungsprozesse erfordert:

"Dauerhaft wird es freilich nur Erfolg geben können, wenn Schritt für Schritt gelernt wird, die Herausforderung Nachhaltigkeit vor allem als eine kulturelle zu begreifen, insofern auch die kulturelle Aufgeladenheit des vermeintlichen Sachzwängereichs der Ökonomie." (PFRIEM 2006, 111)

Begründet wird dies mit der " kulturellen Aufgeladenheit " von betrieblichen Organisationen und den Beziehungen zwischen Unternehmen und Konsument, der " kulturellen Einbettung von Unternehmen" und den "Produkten anhaftenden Bedeutungen". Pfriem stellt fest, dass die Unternehmen in hohem Maße Vorschläge unterbreiten wie sich Geschäftsfelder und
-politiken weiterentwickeln sollten. Er sieht die kulturellen Aspekte bei der Entstehung von Gestaltungsvorschlägen als Schlüssel zur Umsetzung von Nachhaltigkeit. Bildungsprozesse sollen hier ansetzen.

Die Entscheidungen, die konkret für nachhaltiges Wirtschaften getroffen werden, sind das Ergebnis von Aushandlungsprozessen und Regelungen (in Politik, Branche und Unternehmen) oder persönlichen Entscheidungen auf der Mikroebene. Eine Tatsache, der die Berufsbildung bei der Umsetzung von BNE gerecht werden muss und die umfassende sektorale, betriebliche und bildungspolitische Diskussionsprozesse erfordert. Fischer stellt fest, dass hier besonders dass Spannungsverhältnis zwischen Qualifikation und Bildung zu beachten ist:

" Dem pädagogisch begründeten Bedürfnis, dem Einzelnen Gelegenheit zu geben, sich selbst zu organisieren und sich zugleich mit nachhaltigen, epochaltypischen Fragen und Problemen zu beschäftigen, steht das beschäftigungspolitisch begründete Interesse gegenüber, ihn mit Blick auf die Produktionsbedingungen zu qualifizieren." (FISCHER 2007, 13ff.)

3.  Normativität in der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung: inhaltliche Dilemmata

Die Berufsaus- und -weiterbildung der Beschäftigten, die individuellen Handlungskompetenzen und das berufliche Agieren der Einzelnen sind zentrale Faktoren an der Schnittstelle des Handelns der Einzelnen und der Praxis von Unternehmen. Der Endbericht des Europäischen Multistakeholder Forums stellt fest:

„Lack of skills and resources can result in „add-on“ rather than integrated CSR-Strategies which are unlikely to succeed. CSR means managing complex stakeholder relations and sometimes making difficult trade-offs. Companies need the right skills to cope with such complex challenges.“ (EUROPEAN MULTIKSTAKEHOLER FORUM, 40)

Die bekanntesten Nachhaltigkeitsstrategien sind Effizienz, Suffizienz und Konsistenz (FISCHER, 1998). Die Effizienzstrategie ist sicher die geläufigste, die sich dadurch auszeichnet, dass definierte Ziele mit möglichst geringem Energie- und Ressourceneinsatz erreicht werden. Die Suffizienzstrategie ist hiermit verbunden, fordert aber neue Konsum- und Verhaltensmuster, die sich am besten durch das Schlagwort "Weniger ist Mehr!" charakterisieren lassen. Suffizienz meint Lebensqualität anders herzustellen und nicht materiell zu bewerten. Fischer stellt fest, dass in der deutschen und auch europäischen Nachhaltigkeitsdiskussion häufig generell eine Veränderung des Lebensstils gefordert wird (FISCHER 1998, 12). Eine Wertewandel führt dazu, dass Ressourcen weniger eingesetzt werden, da andere Ziele verfolgt werden, wie z.B. bei autofreien Wohnvierteln. Hier werden nicht nur Lärm, Abgase und Unfallgefahren vermindert, sondern auch der Ressourcenverbrauch reduziert. Ersetzt wird das Familienauto durch öffentliche Verkehrsmittel oder Gemeinschaftsautos. Dieser Ansatz wirft aber eine Reihe von Problemen auf, da er „…schnell in eine Verzichtsdebatte ab (rutscht, J.B.)“ (FISCHER 1998, 9), die für die Lösung auf politischen Ebenen ungeeignet scheint, sich vielmehr eher nur für moralische Entscheidungen bestimmter Zielgruppen eignet. Die Konsistenzstrategie wiederum geht davon aus, dass sich anthropogene und geogene Stroffströme nicht unbedingt stören, sondern sich sinnvoll ergänzen können (FISCHER ebd.). Dies bedeutet in der Praxis dass sich z.B. neue Rohstoffkonzepte an Abbau- und Substitutionsraten in der Umwelt orientieren. Die normative Problematik dieses Ansatzes ist die Einschätzung der Umweltwirkung, die aus einer Perspektive als Naturzerstörung oder aus anderer Perspektive als unerheblicher Eingriff eingestuft werden kann. Die Bewertung der Umweltwirkung erfordert also eine kritische Auseinandersetzung mit Wertmaßstäben.

3.1  Über die Schwierigkeiten in den Sektoren Zielrichtungen zu diskutieren und Wege zu gestalten

In der Gestaltung von Nachhaltigkeit am Arbeitplatz wird von den Beschäftigten komplexes Denken in erheblichem Ausmaß gefordert. Rechtliche und inhaltliche Fragen, die auf der Makroebene von Politik, Gesetzgeber und Wissenschaft nicht geklärt sind, ebenso wie Unklarheiten auf der Exoebene (Branchenpolitische Ebene) und der Mesoebene der Unternehmen wirken sich aus bis zur Ebene der Beschäftigten. Durch die inhaltlichen Spannungsverhältnisse bei der Einschätzung von Nachhaltigkeit werden auch Handlungsentscheidungen auf der Ebene der Beschäftigten erschwert. Diese werden auf den folgenden Seiten für alle vier Ebenen am Beispiel des Sektors der Kreislauf- und Abfallwirtschaft erläutert (Abbildung 1). Auch wenn Wissen und Handeln keine logische Konsequenz darstellen, sondern oftmals gerade hier eine Lücke festzustellen ist, ist sicher, dass es ohne Wissen erst recht kein Handeln geben kann. In der Berufsbildung ist es wichtig, Unsicherheiten und Dilemmata bei der Einschätzung von Nachhaltigkeit zu kennen, um dies in Aus- und Weiterbildung zu thematisieren.

Das Steuerungsdilemma auf der Makroebene (Politik- und Rechtssystem)

Die Geschäftsbereiche werden durch die Einführung von neuen Umweltgesetzgebungen immer wieder stark verändert. Fallstudien im Projekt zeigten, dass eine zunehmende Kunden- und Dienstleistungsorientierung, verstärkter Handel im internationalen Raum sowie der starke Einfluss der Gesetzgebung auf die Geschäftsfeldentwicklung die Arbeit der Betriebe charakterisiert. Aber die Umweltgesetzgebung wirkt nicht immer nachhaltig, sondern erreicht manchmal das Gegenteil dessen, was bezweckt wird. Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass einzelne Abfallgesetze noch zum Anstieg des Abfallaufkommens geführt haben, da z.B. durch die mögliche Verwertung der Materialien, deren Entstehung nicht vermieden wurde. Trotz des Anstiegs des gesammelten Altpapiers ist z.B. der primäre Materialeinsatz für die Papierherstellung noch gestiegen (KOPITZYIOK 2000, 101). Für die Abfallpolitik bedeutet dies hier Lösungen finden zu müssen, die vor der Ermöglichung der Abfallverwertung danach fragen, ob die Materialien überhaupt entstehen müssen. Für die Makroebene wird es demnach in der Zukunft darum gehen, eine echte Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen, das bedeutet den Wandel der Abfallwirtschaft zur Stoffstromwirtschaft zu erreichen. Hierbei sind die wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten der spezifischen Stoffe zu klären, u.a. durch die Nutzung von Ökobilanzen für einzelne Prozesse, die Begünstigung der Ressourcen schonendsten Prozesse und das Anstreben regionaler Lösungen. Der Widerspruch zwischen Anspruch der Umweltgesetze und Realität der Umsetzung wurde in den Fallstudien von den Beschäftigten viel thematisiert.

Schwierig zu bewerten sind auch die Umweltauswirkungen der einzelnen Verwertungsverfahren. Welche vermeiden die meisten Gefahren und welche sind am Ressourcen schonendsten? In den Unternehmen wird hier heutzutage im Rahmen der Gesetzgebung pragmatisch wirtschaftlich entschieden, dennoch besteht auf allen Beschäftigungsebenen ein Bedürfnis der Einschätzung von Umweltrelevanz der Verfahren. Das dies nicht immer möglich ist - sogar die Experten streiten darüber - und auch zu einer negativen Einschätzung der Umweltauswirkung von Umweltgesetzen oder Verwertungsverfahren führen kann, ist ein Dilemma in der praktischen Arbeit der Betriebe, dem alle Beschäftigten im Sektor ausgesetzt sind. Interessant ist für die Berufsbildung, was hieraus von den Personen für Konsequenzen gezogen werden, vor allem im Bereich der Motivation: Führt es zu einer Totalablehnung der Umweltgesetzgebung? Führt es zu einem verstärkten Interesse über die Zusammenhänge in der Kreislauf- und Abfallwirtschaft? Denn sicher ist, die Widersprüche zwischen Ziel und Erfolg eines Gesetzes treten in den Recyclingbetrieben schnell ans Licht. Die Totalablehnung der Umweltgesetzgebung kann manchmal die Folge der Widersprüche zwischen gesetzlicher Zielrichtung und Wirkung sein, deshalb muss in inhaltlichen und methodisch-didaktischen Ausgestaltung von Aus- und Weiterbildung auf folgendes eingegangen werden:

• Das Aushalten von Widersprüchen,

• Werteinstellungen zur Umwelt,

• Entwicklung der Umweltgesetzgebung und

• gesellschaftliche Relevanz der Umweltgesetzgebung.

Das Abstimmungs- und Konzentrationsdilemma der Exoebene (branchenpolitische Ebene)

Im Sektor der Kreislauf- und Abfallwirtschaft gibt es derzeit keine abgestimmten Leitlinien, Kriterien oder Indikatoren für Nachhaltigkeit. Auch wenn Nachhaltigkeit von den Experten und Sozialpartnern als wichtig eingeschätzt wird, hat der Sektor keine Kriterien aufgestellt was Nachhaltigkeit konkret bedeutet. Dies stellt eine erhebliche Schwierigkeit für die Beschäftigten dar, überhaupt Entscheidungen treffen zu können, wie Nachhaltigkeit umzusetzen wäre. In der beginnenden Nachhaltigkeitsdiskussion im Sektor zeigt sich, dass in der Branche ein effizienzorientiertes, wenig-dimensionales Nachhaltigkeitsverständnis dominiert, welches Nachhaltigkeit vorwiegend an der Umweltdimension festmacht (Blings 2008). Die oben genannten Teilstrategien der Nachhaltigkeit: Effizienz, Konsistenz und Suffizienz werden von Lucas (2007) folgendermaßen mit Handlungsoptionen in der Abfallwirtschaft verbunden:

Die Strategien zur Umsetzung von Nachhaltigkeit sind hier in Innovations- und Schutzstrategien unterteilt. Schutzstrategien sind solche, die den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlage zum Ziel haben, demnach aus einer Schutzperspektive heraus erfolgen (LUCAS 2007).

In der beginnenden Nachhaltigkeitsdiskussion in der Branche besteht aber durchaus ein Bewusstsein für die Notwendigkeit für ein branchenspezifisches Leitbild für Nachhaltigkeit (SCHUG/ KRÜCK/ PLOETZ/ ZWECK 2007). SCHUG ermittelt aus vorhandenen Nachhaltigkeitsberichten folgende branchenübergreifende Kenngrößen, die er für die Kreislauf- und Abfallwirtschaft vorschlägt:

Auffällig ist das Fehlen der sozialen Dimension bei den branchenspezifischen Indikatoren. Hier muss die Branchendiskussion wesentlich erweitert werden, um allen drei Dimensionen von Nachhaltigkeit gerecht zu werden.

Die kleinen und mittleren Unternehmen prägen die handwerkliche und industrielle Vielfalt der Geschäftsaktivitäten. Der Wettbewerbsdruck auf die KMU im Sektor ist allerdings besonders hart, da zunehmend Großkonzerne, vor allem Energiekonzerne, ihre Marktposition im Sektor ausbauen und eine zunehmende Konzentrierung und Verdrängung durch diese stattfindet (BVSE 2005; DEUTSCHER BUNDESTAG 2005). Der Sektor der Kreislauf- und Abfallwirtschaft (oder auch kürzer: „Recyclingsektor“) steht von seiner Hauptaufgabe her, der umweltschonenden Rückführung wertvoller Materialien in den Stoffkreislauf, in direkter Verbindung mit der ökologischen Dimension einer nachhaltigen Entwicklung. Hier steckt aber auch das Hauptdilemma der Branche auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung: denn noch nachhaltiger wäre sie, wenn so wenig Abfälle wie möglich erst entstehen würden. Zweifelsohne haben die Betriebe hierauf keinen Einfluss und haben im Spannungsfeld von Umweltgesetzgebung und Wirtschaftlichkeit ständig wechselnde Vorgaben und Zielrichtungen zu erfüllen.

Das Qualitätsdilemma auf der Mesoebene (Unternehmen)

Insgesamt ist eine systematisch familiengerechte Gestaltung (wie z.B. flexible Arbeitszeiten, Kinderbetreuung) der Arbeitsbedingungen im Sektor nicht zu identifizieren. In den Fallstudien wurde festgestellt, dass die Unternehmenskultur als mitarbeiterfreundlich eingeschätzt wird: Es werden auch persönliche, familiäre Probleme beachtet, hierfür werden zeitliche Freiräume eingeräumt oder es wird Unterstützung angeboten. Soziale Aspekte der Nachhaltigkeit, wie Mitarbeiterorientierung, persönliche Förderung, Pflege des Betriebsklimas, Partizipation und Kommunikation sind in der Branche durchaus zu finden, allerdings nicht unter dem Stichwort „Nachhaltigkeit“, vielmehr sind sie hier immanenter Teil einer mittelständischen Unternehmenskultur. In diesem Sinne hat die Unternehmenskultur in KMU der Kreislauf- und Abfallwirtschaft viele Aspekte von sozialer Nachhaltigkeit. Diese wären herauszuarbeiten und in Curricula und Lehr- und Lernmaterial zu integrieren (BLINGS 2008a).

Der internationale Handel mit Abfallmaterialien und Sekundärrohstoffen hat in den letzten beiden Jahrzehnten stark zugenommen. Eine bedeutende Rolle für die deutschen Firmen spielen Geschäftskontakte in Europa, mit Russland und China. In den Fallstudienunternehmen wird bei der Beschaffung von Materialien nicht auf Nachhaltigkeit geachtet (BLINGS 2008a). In der stark mittelständisch geprägten Branche fühlen sich die Betriebe mit dem Aspekt der Überprüfung der ausländischen Lieferanten überfordert. In den Fallstudien wurde deutlich, dass lediglich der Preis und die Qualität der Ware die Entscheidungen beim Wareneinkauf bestimmen. Die nachhaltige Beschaffung wird als zu aufwändig eingestuft. Es wurde zudem bezweifelt, dass nachhaltiges Handeln bei den Lieferanten überhaupt mit vertretbarem Aufwand kontrollierbar ist.

Die betriebsinterne Diskussion zur Nachhaltigkeit der Arbeit sowie die spezifische Umsetzung der Verwertungsprozesse als Arbeitsprozesse werden in jedem Betrieb nach den dort gängigen Vorstellungen ausgestellt. Die hier vorhandenen Erkenntnisse und Erfahrungen zu Wirtschaftlichkeit, Praktikabilität und Gesetzeskonformität prägen die Arbeitspraxis. Damit andere normative Aspekte in Entscheidungen genutzt werden könnten, müssten diese im Betrieb transparent sein und hier diskutiert werden. Eine Schwierigkeit nachhaltige Entscheidung im Betrieb zu fällen, ist damit verbunden in Einzelfällen entscheiden zu können, was im Betrieb nachhaltig ist; denn dafür müssten z.B. die Energie- und Ökobilanzen der KMU bekannt sein oder soziale und globale Auswirkungen transparent werden. Typische Dilemmata sind: der Zeitpunkt des Austauschs von genutzten Materialien (frühzeitiger Materialersatz um teure Reparaturen zu vermeiden), Kundenfreundlichkeit versus Kosten, Arbeitssicherheit versus Schnelligkeit). Den meisten Betrieben fehlt es hier an abgesicherten Daten, was die Ökobilanzen von Arbeits- und Geschäftsprozessen sowie komplexe soziale und globale Auswirkungen betrifft. Die Betriebe müssten ihren Mitarbeitern hier Informationen zur Verfügen stellen können, um mehr komplexe Entscheidungen im Sinne nachhaltiger Entwicklung ermöglichen zu können.

Das Wissensdilemma auf der Mikroebene (Beschäftigte)

Fallstudien im Projekt GInE zeigen, dass die Facharbeiter- und ArbeiterInnen im Sektor kaum Bezüge ihrer Arbeit zu Produktions- und Umweltbedingungen in anderen Ländern sehen. Es besteht jedoch ein Bewusstsein dafür, dass in Deutschland eine umweltschonendere Verwertung stattfindet, als in vielen anderen Ländern. Globale Auswirkungen von Umweltverschmutzung werden nicht thematisiert, ebenso wenig die unterschiedlichen Sozialstandards der Länder. Auch das Potential der Abfallwirtschaft zur Einsparung von CO 2 und damit günstigen Wirkung zur Verhinderung des fortschreitenden Klimawandels wird nicht thematisiert (BLINGS 2008a).

Facharbeiter haben ein Bedürfnis mehr Zusammenhangswissen über ihre Arbeit zu erlangen. Im Rahmen einer qualitativen Studie in der Kreislauf- und Abfallwirtschaft haben die meisten der Befragten hier einen Mangel gesehen (vgl. Blings 2008b). Dafür muss die Möglichkeit gegeben werden, die Etappen der Stoffkreisläufe auch in anderen Verwertungsbetrieben sowie in herstellenden Betrieben kennen zu lernen und somit ein Gesamtverständnis für die Materialkreisläufe entwickeln zu können. Dies könnte auch durch die Erstellung geeigneter Medien unterstützt werden.

3.2  Schlussfolgerungen

Die aufgezeigten Dilemmata richten die Aufmerksamkeit auf inhaltliche Unsicherheiten in der Beurteilung von Nachhaltigkeit der Arbeit. Das Nachhaltigkeitswissen der Beschäftigten ist neben der Handlungsmotivation und -kompetenz wesentlich für die Performanz von nachhaltiger Arbeit. In der inhaltlichen und methodisch-didaktischen Gestaltung von Aus- und Weiterbildung ist das Nachhaltigkeitswissen deshalb unbedingt zu fördern, Unsicherheiten und Dilemmata müssen Gegenstand der inhaltlichen Auseinandersetzung werden. Die Ausführungen zeigen Beispiele für inhaltliche Anknüpfungspunkte zur Förderung von vernetztem Denken, Überblick über Arbeits- und Geschäftsprozesse, Einsicht in lokale und globale Zusammenhänge, Verständnis von sozialen Auswirkungen der Unternehmenspraxis, Bewertung von wirtschaftlichen Zusammenhängen und ökologischen Auswirkungen der Arbeit.

 

Literatur

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BAEDEKER, C./ ROHN, H. (2006): Instrumente für nachhaltiges Wirtschaften. In: Berufliche Bildung für nachhaltiges Wirtschaften. Bielefeld, 223-230.

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