Seit der Aussetzung der AEVO im Jahr 2002 ist die Diskussion über die Standards der Ausbildung des Ausbildungspersonals in einer großen inhaltlichen Breite geführt worden. Alternativ zur AEVO haben sich neue Konzepte wie etwa die Fortbildungsordnung „Berufspädagoge/IHK“ entwickelt. Ebenso wurden jedoch auch in der Industrie Überlegungen angestellt, wie zukünftige Standards des betrieblichen Ausbildungspersonals aussehen könnten – und welchen Anforderungen der Ausbilder „von morgen“ genügen sollte. Das Ergebnis dieser Überlegungen ist in ein Kooperationsmodell der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und der Siemens AG – Siemens Professional Education eingeflossen. Das dem Ausbildungsmodell zugrunde liegende Studiengangskonzept „Bachelor of Science für Berufsbildung“ wurde von der Otto-von-Guericke-Universität im Rahmen der Studiengangsreform nach dem Bologna-Prozess entwickelt und schließt an die Tradition der Ingenieurpädagogenausbildung an. Über dieses Modell, mit dem Ausbildungscoaches für Berufsbildungstätigkeiten innerhalb der Standorte des Siemens-Konzerns sowohl im Rahmen eines Hochschulstudiums als auch in der betrieblichen Praxis ausgebildet werden, berichtet der vorliegende Beitrag. Einige aktuelle Überlegungen zur Weiterentwicklung des Modells und zur gegenseitigen Anerkennung von in Ausbildung und Studium erworbenen Credits werden abschließend aufgezeigt.
Die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ist bereits 2003 in die Studienreform der Lehramtsstudiengänge für berufliche Fachrichtungen eingetreten (s. BADER/ JENEWEIN 2004, 2006). Nach dem Bologna-Modell wurde zunächst ein Bachelorstudiengang „Berufsbildung“ eingeführt, der Berufsbildungsfachkräfte mit technischer Ausrichtung sowohl für schulische als auch für betriebliche Handlungsfelder ausbildet. Erst auf der Grundlage des späteren Masterstudiengangs wird die laufbahnrechtliche Befähigung für das Lehramt an berufsbildenden Schulen erworben. Parallel jedoch haben die Absolventen des Bachelorstudiengangs Berufsbildung auch die Möglichkeit, sich für Führungstätigkeiten in der betrieblichen Berufsbildung und im Berufsbildungsmanagement sowie in der internationalen Berufsbildung weiter zu qualifizieren (vgl. Abb. 1).
Im Bereich der Lehrerausbildung ist diesem Grundmodell, das seinerzeit im Rahmen eines Modellversuchs aus dem Hochschul- und Wissenschaftsprogramm des Bundes und der Länder entwickelt worden ist, prinzipiell auch die KMK gefolgt, die inzwischen Handreichungen für die Umsetzung von Bachelor- und Masterstudiengängen für das Lehramt im Allgemeinen und für die Weiterentwicklung der Lehramtsstudiengänge für berufliche Schulen im Besonderen vorgelegt hat (vgl. KMK 2005, 2008). Dabei ist besonderes Kennzeichen des Magdeburger Modells, dass der Bachelorstudiengang sich an einer Berufsfähigkeit für den außerschulischen beruflichen Bildungsbereich orientiert; eine Festlegung, die für die Entwicklung der Zusammenarbeit mit ausbildenden Unternehmen der Wirtschaft genutzt worden ist.
Frühzeitig wurden mit der Siemens Professional Education Mitteldeutschland Überlegungen diskutiert, wie auf der Basis eines so konstituierten Studiengangs Fachkräfte für den betrieblichen Berufsbildungsbereich so ausgebildet werden können, dass dem Unternehmensbedarf nachhaltig Rechnung getragen werden kann. Hier kommt zunächst einmal zu Gute, dass in den ostdeutschen Hochschulen über die Tradition der Ingenieurpädagogenausbildung die Verbindung von fachwissenschaftlichen, berufspädagogischen und fachdidaktischen Ausbildungsinhalten zu beruflichen Kompetenzprofilen für betriebliche Berufsbildungsfachkräfte sowohl auf der Hochschulseite als auch auf Seiten der Unternehmen ein gemeinsames Grundverständnis vorliegt. Auf zwei Besonderheiten konnte bei der neu entwickelten Kooperation aufgebaut werden.
Zum einen wurden durch die Grundkonstruktion des Bachelorstudiengangs Berufsbildung bereits bei dessen Entwicklung die Bedürfnisse der betrieblichen Berufsbildung ins Auge gefasst. An Stelle der für die Lehrerausbildung üblichen Einführung in Unterrichtsfächer werden alternative Vertiefungsrichtungen als spezielle berufliche Fachrichtungen angeboten, die sich an inhaltlichen Schwerpunkten der Berufsbilder eingeführter Ausbildungsberufe orientieren und hiermit eine fachliche Profilbildung mit Bezug auf eingeführte Berufsfelder und Ausbildungsberufe zulassen. Abb. 2 gibt einen Überblick über eine solche Struktur, in der neben der beruflichen Fachrichtung (hier: Elektrotechnik) an Stelle eines Unterrichtsfaches eine spezielle berufliche Fachrichtung (hier: Automatisierungstechnik/Mechatronik) gewählt werden kann.
Einen zweiten wichtigen Eckpunkt bildet die gegenüber den bisher üblichen Diplomstudiengängen erheblich kürzere Ausbildungszeit des Bachelorstudiengangs bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss. Auf dieser Grundlage wurde ein Ausbildungs- und Studienmodell mit einem zeitlichen Umfang von 4 Jahren entwickelt, mit dem hoch qualifizierte Auszubildende/Studenten in einem integrierten Ausbildungsgang sowohl an einen Ausbildungsabschluss gem. BBiG als auch an einen Hochschulabschluss zum Bachelor of Science für Berufsbildung herangeführt werden können (Abb. 3).
Mit diesem Modell wird eine ganze Reihe inhaltlicher Synergien erhofft:
Die betriebliche Berufsausbildung wird gleichzeitig als berufliche Praxisphase im Studium anerkannt;
die Ausbildungszeit verkürzt sich gegenüber einem additiven Verlauf von Ausbildung und Studium um mindestens 2 Jahre;
die Studenten erwerben mit der Kammerprüfung einen frühzeitigen ersten berufsqualifizierenden Ausbildungsabschluss;
die Beschäftigungsperspektiven nach Abschluss beider Ausbildungen werden gegenüber einem einfachen Studium erheblich erweitert gesehen;
eine international verwendbare Studienqualifizierung durch ECTS-zertifizierte Modulprüfungen bildet die Grundlage der Hochschulzertifikate;
weitere inhaltliche Synergien ergeben sich durch die gegenseitige Ergänzung von Ausbildung und Studium.
Die betriebliche Fachkräfteausbildung findet in der Siemens AG in den „Competence Centren“ der Siemens Professional Education statt. Die Arbeit der Competence Center orientiert sich an dem Fachkräftebedarf des Unternehmens und der sich hier entwickelnden Personalstruktur.
Die Siemens AG hat schon sehr frühzeitig mit der Umstrukturierung ihres Personalbestands begonnen (s. Abb. 4). Seit 1970 hat sich das Verhältnis von Angestellten (von 37 auf 71%) und gewerblichen Mitarbeitern (von 63 auf 29%) dramatisch verändert. Die Qualifikationsstruktur der Mitarbeiterschaft – hier bilden Hochschulabsolventen mit 32% bereits die mit Abstand größte Beschäftigtengruppe – zeigt deutlich die Auswirkungen eines Wegs von der Industriegesellschaft in eine globalisierte Informations- und Wissensgesellschaft, wie ihn Prognosen in den 80er Jahren bereits vorhersagten.
Um dem ständig steigenden Bedarf an Hochschulabsolventen gerecht zu werden, setzt Siemens Professional Education bereits seit Mitte der 90er Jahre auf duale Studiengänge, bei denen Studierende kooperierender Hochschulen studienbegleitend praktisch ausgebildet werden. Die Ausbildung von Studierenden im Rahmen dualer Studiengänge macht heute einen beträchtlichen Teil der bei Siemens Professional Education geleisteten Ausbildungsarbeit aus – und dies bedingt neue Anforderungen an das betriebliche Ausbildungspersonal. Dabei zeigen die vorliegenden Erfahrungen, dass das bisherige Kompetenzniveau der betrieblichen Ausbilder für solche Anforderungen nicht mehr ausreicht – und dass, obwohl die Ausbildenden nicht nur über mehrjährige Berufserfahrungen in ihrem Ausbildungsberuf verfügen und die Ausbildereignungsprüfung (AEVO) vorweisen können, sondern ihre Mehrzahl über eine Meisterausbildung und einschlägige Berufserfahrungen in der Meistertätigkeit verfügt.
Mit dem dualen Bachelorstudiengang Berufsbildung werden die Partner dual ausgebildete Hochschulabsolventen auf dem Gebiet der betrieblichen Berufsbildung zur Verfügung stellen. Die Grundidee besteht darin, das Studienprogramm „Bachelor für Berufsbildung“ mit einer einschlägigen betrieblichen Berufsausbildung, betrieblichen Berufserfahrungen im späteren Praxisfeld und zusätzlichen Qualifizierungsprogrammen für eine betriebspädagogische Tätigkeit zu verbinden. Dies geschieht parallel zum Studienprogramm durch die konsequente Nutzung der vorlesungsfreien Zeit sowie in zwei Praxissemestern; hier sind die Studierenden vom Hochschulstudium beurlaubt, so dass diese Zeiten vollständig der betrieblichen Ausbildung vorbehalten sind.
Kern der ersten Praxisphase, die sich über zweieinhalb Jahre erstreckt und während der vorlesungsfreien Zeit sowie in den beiden Praxissemestern ausgestaltet wird, sind Ausbildung und Prüfung in einem nach BBiG anerkannten Ausbildungsberuf, die im Competence Center der Siemens Professional Education sowie im zukünftigen Arbeitsfeld, d. h. bundesweit verteilt in Siemens Produktionsbetrieben, durchgeführt wird. In der zweiten Praxisphase, die die vorlesungsfreien Zeiten der letzten drei Studiensemester umfasst, werden die Studenten mit einem umfassenden Programm von Workshops, Trainings und E-Learning-Materialien in unterschiedlichen Handlungsfeldern der betrieblichen Aus- und Weiterbildung ausgebildet. Die Kombination aus Bachelorstudium, einschlägiger Berufsausbildung gem. BBiG und auf unterschiedliche Ausbildungskompetenzen bezogene Module (Workshops, Traings, E-Learning-Modul) ergeben in Summe ein Kompetenzprofil, das ein neues Berufsbild für die in der SPE zukünftig tätigen Ausbildungscoaches bildet.
Abb. 6: Duales Ausbildungsmodell zum Ausbildungscoach in der Siemens Professional Education (SPE)
(Für eine bessere Auflösung Linksklick auf die Abbildung)
Einen Überblick über die zeitliche Ausbildungs- und Studienorganisation gibt Abb. 6. Während mit Ausnahme des 3. Studiensemesters (hier werden die Lehrveranstaltungen auf zwei 7-wöchige Studienphasen aufgeteilt) das normale Studienprogramm des Bachelorstudiengangs Berufsbildung absolviert wird, teilen sich die betrieblichen Phasen in Ausbildungs- und Praxisanteile im SPE-Trainingszentrum und in den Siemens-Werken auf. Die beiden Teile der gestreckten Kammerprüfung werden hier nach ca. 1,5 und ca. 2,5 Jahren dualer Ausbildungs- und Studienzeit absolviert. Die nach der Kammerprüfung folgenden betrieblichen Praxiszeiten dienen der weiteren betriebspädagogischen Qualifizierung und dem Erwerb von Erfahrungen im späteren Praxisfeld der betrieblichen Berufsbildung.
Abb. 7 bietet einen Überblick, welche zeitlichen Anteile sich im Ausbildungs- und Studienkonzept ergeben. Hiernach absolvieren die dual Studierenden
insgesamt 84 Wochen Vorlesungszeit,
bis zum Abschluss der Kammerprüfung 45 Wochen Ausbildungszeit im Trainingszentrum und 26 Wochen Ausbildungszeit im betrieblichen Praxiseinsatz,
nach Abschluss der Kammerprüfung und bis zum Abschluss des Bachelorstudiums weitere 37 Wochen im Praxiseinsatz in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung der unterschiedlichen Siemens-Werke.
Da auch die Bachelorarbeit sich thematisch mit Fragen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung im jeweiligen Berufsfeld verbinden lässt, ergibt sich ein Kompetenzprofil, das recht umfangreiche wissenschaftliche und praktische Kenntnisse und Erfahrungen der Betriebspädagogik mit einem ingenieurwissenschaftlichen Qualifikationsprofil verbindet und aus Sicht des Unternehmens im Sinne eines breiten betrieblichen Einsatzprofils hoch attraktiv ist. Dies wird insbesondere auch dadurch unterstützt, dass SPE in den Zeiten des Praxiseinsatzes nach Abschluss der Kammerprüfung das Hochschulstudium durch eine Reihe von weiteren Ausbildungsprogrammen unterstützt.
Abb. 8 gibt einen Überblick über die für die zweite Phase seitens des Unternehmens zur Verfügung stehenden Workshops, Trainings und E-Learning-Einheiten.
Die Partner haben zum Herbst 2006 mit dem ersten dualen Studienprogramm begonnen und hierfür 10 duale Ausbildungsplätze für die berufliche Fachrichtung Elektrotechnik geschaffen; diese Studierenden erhalten ihre Ausbildung parallel zum Studium in Magdeburg im SPE-Trainingscenter Leipzig. Zum Herbst 2007 wurden die dualen Ausbildungsplätze bereits verdoppelt und – neben weiteren 10 Plätzen für die berufliche Fachrichtung Elektrotechnik – wurde das Modell auch auf 10 duale Studierende der beruflichen Fachrichtung Metalltechnik ausgeweitet, die in Kooperation mit dem SPE-Trainingscenter Chemnitz ausgebildet werden. Zum Herbst 2008 steht der dritte Durchgang an.
Die dual Studierenden haben mit dem Konzept die Möglichkeit, umfangreiche Erfahrungen in ihrem späteren Tätigkeitsfeld zu erwerben und erhalten so die Möglichkeit, unterschiedliche Perspektiven von Auszubildenden, Trainern und Dozenten ebenso kennen zu lernen wie die Perspektive der betrieblichen Facharbeit. Die Studierenden bereiten in dieser Zeit selbst Ausbildungseinheiten für Übungen und Unterweisungen vor und führen unter Anleitung Ausbildungs- und Unterrichtsabschnitte selbständig durch. Ein solches Erfahrungsumfeld ergänzt auch aus Sicht der Universität das Studienprogramm in einer einmaligen und idealen Weise.
Aus Sicht der Siemens AG (vgl. KUHN/ WEISENBACH 2008) wiederum ideal ist der Aspekt, dass die späteren Ausbildungscoaches bereits die Bildungslandschaft des Konzerns kennen und in die Unternehmenskultur eingeführt sind. Ebenso ist eine Vorbereitung auf Führungs- und Leitungsfunktionen sowohl im Bereich der Berufsbildung als auch in anderen Unternehmenssequenzen während des Studiums möglich. Hervorzuheben ist insbesondere, dass neben der Vermittlung von beruflichem und wissenschaftlichem Fachwissen ein besonderer Wert auf die Persönlichkeitsförderung der dual Studierenden gelegt wird. Letztlich ist aus Unternehmenssicht unter der Perspektive einer nachhaltigen Personalentwicklung auch von besonderer Bedeutung, dass die Studierenden mit ihrem erworbenen Bachelorabschluss anschlussfähig zu Masterstudiengängen sowohl im Bereich der Berufswissenschaft als auch der Ingenieurwissenschaften sind.
Das Modell der Magdeburger dualen Studiengänge selbst hat wegen der angelegten inhaltlichen Breite eine recht große überregionale Beachtung gefunden, wie z. B. die durch das BIBB im Rahmen seines Internetportals „Ausbildung plus“ vergebene Auszeichnung als „Ausbildungsangebot des Monats“ unter Beweis stellt (BIBB 2007).
An der Otto-von-Guericke-Universität bewirken neue Entwicklungen im Hochschulsystem auch Aktivitäten zur Weiterentwicklung der Studiengangsstruktur und der Studieninhalte des Bachelor- und Masterkonzepts für Berufsbildung. Diese führen aktuell dazu, dass auch die Konzeption und Zielsetzung des dualen Studienmodells neu diskutiert werden. Ausgangspunkte sind zunächst zwei Entscheidungen auf Landes- und Bundesebene, die sich auf die Studienstruktur des Standorts auswirken. Zum einen hat das Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt 2007 nach vorheriger Studiengangsevaluation entschieden, dass die Berufsschullehrerausbildung im Land in Zukunft grundsätzlich nach dem konsekutiven Bachelor- und Mastermodell durchgeführt und der bisherige Staatsexamensstudiengang zu Gunsten dieses Modells eingestellt wird; eine Entscheidung, die sich stabilisierend auf die gesamte Angebotsstruktur der berufsbildenden Studiengänge auswirkt. Zum zweiten hat die KMK inzwischen über die neueste Rahmenvereinbarung zur Berufsschullehrerausbildung Vorgaben entwickelt, auf deren Grundlage eine deutliche Ausweitung der betriebs- und berufspädagogischen sowie fachdidaktischen Studienanteile erforderlich ist.
Gleichzeitig wird im Berufsbildungssystem über die Neugestaltung der Ausbildung der betrieblichen Ausbilder diskutiert. Es ist offensichtlich, dass die mit der Aussetzung der AEVO verbundenen Erwartungen sich nur zu einem geringen Teil erfüllt haben (vgl. JABLONKA/ ULMER 2008). Dennoch entwickeln sich in der Wirtschaft neue Standards wie die IHK-Fortbildungsordnung „Berufspädagoge“ (vgl. ERNST 2008), der sich gegenüber dem bisherigen AEVO-Standard durch deutlich höhere Anforderungen an die Kompetenz des betrieblichen Bildungspersonals auszeichnet. Die Otto-von-Guericke-Universität und die Siemens Professional Education arbeiten derzeit an einer Konzeption, mit der
das vorliegende duale Ausbildungsmodell durch den Ausbau der betriebspädagogischen Ausbildungsanteile im Bachelorstudiengang stärker für das Praxisfeld betriebliche Berufsbildung professionalisiert wird und gleichzeitig
durch eine gegenseitige Anerkennung der betriebspädagogischen Kompetenzen die Grundlage für einen Credit-Transfer zwischen dem Fortbildungsstandard Betriebspädagoge/IHK und dem dualen Studienabschluss „Bachelor of Science für Berufsbildung“ einschließlich der im betrieblichen Bereich erworbenen Kompetenzen geebnet wird.
Hierzu ist zunächst geplant, mit der Ausweitung der betriebspädagogischen Studienanteile im Bachelorstudiengang Berufsbildung ein noch stärkeres Gewicht auf den Reformprozess der Berufsbildung und den hier im betrieblichen Umfeld diskutierten Reformkonzepten zu legen. Während bereits bisher Fragen der Organisation beruflicher Bildungsprozesse, der Konzepte für eine handlungsorientierte Didaktik oder Grundprinzipien der beruflichen Curricula fester Bestandteil des betriebspädagogischen Lehrangebots sind, wird die Weiterentwicklung mit einer Neuaufnahme bzw. einer intensiveren Behandlung von Inhalten einhergehen, die sich insbesondere konzentrieren auf die Theorie und Praxis in den Bereichen
Prozessorientierung (Allgemeiner Geschäftsprozess, Berufsbildung als Teil eines „lernenden Unternehmens“, Berufsbildungsprozesse und Prozessschritte)
Berufliche Handlungskompetenz als Zieldimension der betrieblichen Aus- und Weiterbildung (Kompetenzbegriff, Schlüsselqualifikationen, Lehr-/Lernmethoden einer kompetenzfördernden Aus- und Weiterbildung, selbstorganisiertes Lernen)
Planung und Durchführung der betrieblichen Ausbildung (Von der Ausbildungsordnung zum betrieblichen Ausbildungsplan – Projektaufgaben am Beispiel der neu geordneten Elektro- und Metallberufe, Wissen versus Können – Problemorientierung als Ausbildungsansatz, Selbststeuerung und Informationsbeschaffung im Lernprozess, simulierte, prozessorientierte Aufgaben, Prozessintegrierte Ausbildungsteams)
Qualitätssicherung der Ausbildung (Kompetenzentwicklung des Ausbildungspersonals, Selbstevaluation des Lehrprozesses, Beurteilung von Auszubildenden, ausbildende Fachkräfte in Fachabteilungen, Lernorte: Abstimmung der Ausbildungsanteile)
Qualitätsmanagement in der betrieblichen Ausbildung (Anwendung verschiedener Qualitätssysteme und deren Bezug zur beruflichen Bildung, ISO 9000, EFQM, EFQM)
Hinzu kommt die systematische Aufnahme von Prinzipien wie das Lernen an und mit Situationsaufgaben und das systematische Training in Präsentations- und Visualisierungstechniken. Da sich auf diesem Wege der Bachelorstudiengang Berufsbildung insgesamt weiterentwickelt (und – zumindest was die im Hochschulstudium vermittelten betriebspädagogischen Kenntnisse angeht – nicht nur in Bezug auf die dual Studierenden modernisiert wird), hat dies den Vorteil, dass auch die Magdeburger Studierenden, die nach dem Bachelor- den Lehramtsmasterabschluss anstreben, sich intensiver mit Fragen der betrieblichen Berufsbildung auseinandersetzen. Die Otto-von-Guericke-Universität sieht in einer solchen Entwicklung erheblich positive Auswirkungen auf die in den unterschiedlichen Lernorten der dualen Berufsausbildung insgesamt beschäftigten Fachkräfte und neue Potentiale für eine Verbesserung der Lernortkooperation.
Auf dieser Grundlage werden derzeit Gespräche mit Berufsbildungspartnern der Wirtschaft geführt und die Überlegung erörtert, ob ggf. durch die gegenseitige Anerkennung von Kompetenzen und Credits, die in den unterschiedlichen Bildungswegen zum Berufspädagogen oder zum betrieblichen Ausbildungscoach führen, ein Schlüssel zur Entwicklung eines professionellen Standards des betrieblichen Ausbildungspersonals liegen kann. Dies würde nicht nur den europäischen Entwicklungen entgegen kommen, die ja mit der Einführung des ECTS- und des ECVET-Systems solche Grundüberlegungen in die nationale Bildungsreformdiskussion eingebracht haben (vgl. JENEWEIN/ WEISENBACH 2006, JENEWEIN 2008). Es wäre auch ein nachhaltiger Beitrag zur Attraktivitätssteigerung unserer Ausbildungs- und Studiengänge im Bereich der Berufsbildungswissenschaften insgesamt.
BADER, R./ JENEWEIN, K. (2004): Professionalisierung für Berufsbildung sichern und erweitern – Konzeption eines konsekutiven Bachelor-Master-Modells für Berufsbildung und exemplarische Konkretisierung für technische Fachrichtungen. In: Die Berufsbildende Schule 56 (2004), 9-16.
BADER, R./ JENEWEIN, K. (2006): Professionalisierung für Berufsbildung - Berufsschullehrerausbildung im Kontext des Bologna-Prozesses. In: Lehrerbildung für gewerblich-technische Berufe im europäischen Vergleich: Vorschläge für eine Umstrukturierung der Studiengänge samt Konsequenzen für das nationale Berufsbildungssystem. Karlsruhe, 185-193.
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