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Humanzentrierte und wirtschaftliche Gestaltung des
fertigungstechnologischen Wandels als Ziel beruflicher Bildungsprozesse
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1. Einleitung und Überblick
Die letzten 10 Jahre sind durch eine zunehmende Dynamik des technologischen
und organisatorischen Wandels in den Fertigungen mit gravierenden
Veränderungen der Arbeitsbedingungen gezeichnet. Organisationsstrukturen
sind zunehmend flacher geworden, die Verantwortungsübernahme
wurde dezentralisiert. Die Vereinbarung von verbindlichen Qualitäts-
und Produktivitätszielen gehört heute schon teilweise
ebenso zum Arbeitsalltag wie die Beteiligung an kontinuierlichen
Verbesserungsprozessen. Die Entwicklung der Fertigungstechnologien
zeigt sich in beträchtlichen Fortschritten bezüglich der
datentechnischen Vernetzung der Prozessketten, der Erhöhung
der Produktqualitäten, der Verringerung der Bearbeitungszeiten
und der Reduktion der Fertigungskosten. Die Handhabung dieser Technologien
stellt aber auch neue Anforderungen an die Facharbeit. So ist auf
der einen Seite ein gewandeltes Arbeitsprozesswissen erforderlich,
auf der anderen Seite haben sich die Möglichkeiten der Prozesswahrnehmung
und der situativ erforderlichen Prozesseingriffe in die programmgesteuerten
Abläufe verändert, wodurch die Bedingungen für die
Aneignung dieses Arbeitsprozesswissens modifiziert wurden. Vernetzte
Steuerungs-, Informations- und Kommunikationstechnologien stellen
mittlerweile die wichtigsten Mensch-Maschine-Schnittstellen dar,
die zudem häufig die einzigen Zugänge sind für die
notwendige Prozessverfolgung und ?beeinflussung. Arbeitshandeln
bezieht sich demnach nicht mehr unmittelbar auf die technischen
Bearbeitungsvorgänge selbst, sondern auf die Interaktion mit
solchen Informationstechnologien. Derartige Veränderungen sind
bereits bei der Planung von technologischen Innovationen und organisatorischen
Umgestaltungen zu berücksichtigen, schließlich wirken
die Investitionsentscheidungen langfristig und sind nur mit Aufwand
zu korrigieren. Die Realisierung der angestrebten Produktivitätsverbesserungen
setzt allerdings voraus, dass bereits bei den Investitions? und
Beschaffungsplanungen nicht nur technologische Aspekte und Kostengesichtspunkte
eine zentrale Rolle spielen, sondern alle damit einhergehenden Veränderungen
möglichst umfassend berücksichtig werden. Erfolgreiche
Innovationen setzen voraus, dass alle im Unternehmen dafür
dienlichen Kompetenzen einbezogen werden - gerade auch diejenigen
der Betroffenen.
Die Beteiligung an betrieblichen Verbesserungsprozessen ist mit
der Einführung des Lernfeldkonzeptes auch Gegenstand der Berufausbildung
geworden. Für die industriellen Metallberufe, die sich aktuell
in einem Neuordnungsverfahren befinden, ist zu erwarten, dass gestaltungsrelevante
Inhalte und Kompetenzen einen erheblichen Stellenwert in den künftig
gültigen Lehrplänen haben werden. Eingebettet in zwei
Fallbeispiele der betrieblichen Beschaffung von modernen Fertigungsmaschinen
werden nachfolgend grundlegende Gesichtspunkte einer humanzentrierten
und wirtschaftlichen Gestaltung des fertigungstechnologischen Wandels
beleuchtet, um daran anknüpfend einen Blick auf die sich abzeichnende
Reform der industriellen Fertigungsberufe zu werfen und der Frage
nachzugehen, in welcher Weise die vorgenannten Aspekte in die künftige
Ausbildung einfließen können.
2. Fallbeispiel I: Korrektive Arbeitssystemgestaltung durch Intervention
In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre hat sich die Praxistauglichkeit
der Hochgeschwindigkeitsbearbeitung erwiesen. In zahlreichen Fertigungsbetrieben,
zunächst insbesondere im Werkzeug- und Formenbau, wurden entsprechende
Maschinen beschafft. Durch die Weiterentwicklung der herkömmlichen
CNC-Bearbeitung zum High Speed Cutting (HSC) konnten die Fertigungshauptzeiten
auf ein Zehntel verringert oder Qualitäten schon beim Schlichten
gefertigt werden, die bis dahin als nicht erreichbar galten. Im
Rahmen einer Betriebsfallstudie in einem mittelständischen
Unternehmen wurde von der Beschaffung einer modernen, auf einer
Messe präsentierten HSC-Maschine wie folgt berichtet:
Während eines Messebesuchs hatte der Unternehmensleiter eine
"Schnellfräse" zur Fertigung von Aluminium-Formwerkzeugen
für die Herstellung von Lebensmittelverpackungen geordert.
Die neue Maschine sollte eine vorhandene CNC-Maschine der gleichen
Größe ersetzen und dieser gegenüber erhebliche Produktivitätsgewinne
bringen. Der bis dahin nicht beteiligte, für die Fertigung
der Formwerkzeuge verantwortliche Facharbeiter musste dann bemängeln,
dass nicht gleich eine wesentliche größere HSC-Maschine
beschafft wurde, weil bisher aufgrund der Maschinengröße
die Formwerkzeuge geteilt, die Formhälften nacheinander bearbeitet
und anschließend wieder zusammengesetzt werden mussten. Infolge
der Intervention des Maschinenarbeiters wurde dann die Maschine
beim gleichen Hersteller eingewechselt gegen eine andere mit größerer
Arbeitsfläche. Immerhin wurde damit nun die Komplettbearbeitung
der Formen in einer Aufspannung möglich - in Kombination mit
den höheren Bearbeitungsgeschwindigkeiten ein deutlicher Produktivitätsfortschritt.
Problemlos war die neue Maschine in der gelieferten Ausführung
dennoch nicht.
Die Art der filigranen Kapselungskonstruktion hatte gravierende
Nachteile, wie die betriebliche Anwendungspraxis dann offenbarte.
Aufgrund von etwa fünf Millimeter breiten Fugen zwischen den
Scheiben und den sie umgebenden Stahlrahmen werden wegfliegende
Späne und verspritzte Kühlschmierstoffe nur unzureichend
zurückgehalten und gelangten stattdessen in die Maschinenumgebung.
Der an den Sichtscheiben niedergeschlagene Kühlschmierstoff
tropfte ungehindert auf den Hallenboden, da die Maschine über
keinerlei keine Auffangeinrichtungen verfügt. Um die Arbeitsplatzverschmutzung
zumindest etwas einzudämmen, wurden vom Maschinenarbeiter dann
Bleche und U-Profile zur Ableitung bzw. zum Auffangen der Kühlschmierstoffe
an die Kapselung montiert. Mit dieser Maßnahme konnte zwar
die Bodenverschmutzung reduziert, aber nicht vollständig vermieden
werden, zumal weiterhin Späne und Kühlschmierstoff durch
die Schlitze der Kapselung in die Maschinenumgebung gelangten. Gravierend
an diesem Beispiel ist, dass mit den vorgenommenen Maßnahmen
die Arbeitssicherheit beeinträchtigt wurde. Die Bohrungen in
den Scheiben für die Verschraubung der Bleche und die dadurch
verursachten Risse bilden Sollbruchstellen und haben die Rückhaltefähigkeit
der Kapselung erheblich herabgesetzt (vgl. VOLLMER u.a. 1998, S.
167 ff).
Abb. 1: Die filigrane Gestaltung der Kapslung dieser HSC-Maschine
(u. r.) vermag nicht die Späne und Kühlschmierstoffe zurückzuhalten,
so dass zusätzliche Ableitbleche (u. l.), Auffangrinnen (o.
r) und ?schalen (o. l) erforderlich wurden, um die Verschmutzung
des Arbeitsbereichs zu begrenzen (VOLLMER u.a. 1998, S. 168 ff)
3. Sozio-technische Systemgestaltung
Das vorgenannte, vielleicht etwas drastische Beispiel erinnert
an Fälle, die bereits vor Jahren im Zusammenhang mit der Einführung
von CNC-Maschinen kritisiert wurden. Ein Betroffener beschreibt
solche Erfahrungen mit folgendem Bild: "Die Einführung
der neuen Technologien ist zu vergleichen mit einem Panzer, der
durch ein Gelände fährt und dort vieles zerstört.
Erst dann kommt ein Sanitätszug hinzu, um den entstandenen
Schaden zu beheben" (WUPPERTALER KREIS 1990, S. 48). Auch in
dem Fallsbeispiel musste nachträglich Schadensbegrenzung betrieben
werden. Sicherlich sind solche Situationen nicht der Regelfall,
eine einzelne Ausnahme aber wohl auch nicht. "Tatsächlich
werden die mit den Investitionen in moderne Technik intendierten
Verbesserungen häufig nicht einmal näherungsweise erreicht",
ist das Fazit des renommierten Arbeitspsychologen Eberhard ULICH
(1997, S. 13), das er aus den Ergebnissen einer Studie in der Investitionsgüterindustrie
zieht. Demnach ist keines der als "sehr wichtig" eingestuften
Ziele (Als sehr wichtige Ziele wurden in den Unternehmen genannt:
Steigerung der Termintreue, Verringerung der Durchlaufzeiten, Erhöhung
der Flexibilität am Markt, Reduzierung der Lagerbestände,
Erhöhung der Produktqualität, verbesserte Kapazitätsauslastung,
verbesserte Kalkulationsgrundlagen und Erhöhung der innerbetrieblichen
Flexibilität.) beim Einsatz rechnerunterstützter integrierter
Produktionssysteme von den Befragten als erreicht angegeben worden.
Ursache für solch eine unzureichende Zielereichung ist offensichtlich,
dass auch bei weitreichenden Investitionsentscheidungen die Nutzung
des Potentials qualifizierter Arbeitskräfte viel zu wenig berücksichtigt
wird, sondern der Schwerpunkt viel zu sehr auf Technik, z. T. auf
hochkomplexer Automatisierung liegt.
3.1 Beziehungen zwischen Menschen, Technik und Organisation
Solch problematischen technikzentrierten Ansätzen werden schon
seit längerem arbeitsorientierte Gestaltungskonzepte gegenübergestellt,
in denen die arbeitenden Menschen im Mittelpunkt der Fabrikgestaltung
stehen. "Anstatt nahezu alles Wissen und die Arbeitsabläufe
so weit wie möglich zu objektivieren und im Rechnersystem zu
verkörpern, dient hier das lokal verteilte Rechnersystem als
allgemeines, aktuelles und konsistentes Informationssystem, mit
dem vor Ort auch Routineoperationen durchgeführt werden können,
das aber Planung und Entscheidung der qualifizierten Arbeit überlässt"
(BRÖDNER 1986, S. 151). Erfahrungen und Qualifikationen menschlicher
Arbeit und Automatisierung werden hier als einander ergänzende
Produktivkräfte gesehen. Indem Mensch, Technik und Organisation
(MTO) in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und in ihrem optimalen
Zusammenwirken verstanden und berücksichtigt werden, wird überhaupt
erst die Voraussetzung geschaffen für eine optimale Nutzung
der Technik sowie für eine Erreichung der angestrebten Investitionsziele.
Bei Planungsmodellen, die MTO-Beziehungen in ihrer Gesamtheit erfassen,
steht die Arbeitsaufgabe im Mittelpunkt, die das soziale mit dem
technischen Teilsystem verknüpft und den einzelnen Menschen
mit den Organisationsstrukturen verbindet. Hinsichtlich des Beschreiten
des technik- oder des arbeitsorientierten Rationalisierungspfades
kommt der Mensch-Maschinen-Funktionsteilung eine entscheidende Rolle
für die Gestaltung von Produktionssystemen zu, weil damit bestimmt
wird, ob die Menschen Restfunktionen einer Automatisierungslücke
übernehmen oder die rechnergesteuerte Anlage die menschlichen
Fähigkeiten und Kompetenzen unterstützt. Insofern ist
die Buchstabenfolge MTO hier keineswegs zufällig.
Diesem Konzept liegt ein sozio-technischer Ansatz zugrunde, wie
er in den verschiedenen Disziplinen, die sich mit Arbeits- und Geschäftsprozessen
auseinandersetzen, etabliert ist, wenngleich in jeweils spezifischen
Akzentuierungen. Im Arbeits- und Gesundheitsschutz beispielsweise
ist das TOP-Modell verbreitet, mit dem die technischen, organisatorischen
und personellen Voraussetzungen aufeinander bezogen werden. Hier
steht die Technik in der Buchstabenfolge vorn, da Gefährdungen
und Erschwernisse möglichst an der Quelle mit einer gefahrlosen,
an den Menschen angepassten Technik höchster Zuverlässigkeit
und Wirksamkeit auszuschalten, ohne aber organisatorische und personelle
Unfallursachen auszuschließen (vgl. SKIBA 1997, S. 28f). In
der beruflichen Bildung werden Arbeitsorganisation, Technik und
Bildung (ATB) als konstituierende Elemente berufsförmig organisierter
Facharbeit zueinander in Beziehung gesetzt. Dieses Modell fokussiert
auf Bildung und Qualifizierung für und durch die Arbeit und
bezieht dabei auch individuelle, betriebliche und gesellschaftliche
Wechselwirkungen mit ein (vgl. MARTIN/PANGALOS 1993, S. 78 ff).
Gemeinsam ist diesen Ansätzen, dass sie die arbeitenden Menschen,
die technischen Gegenstände und die Organisation der Abläufe
und Prozesse zu einander in Beziehung setzen - unter jeweils besonderen
Blickwinkeln.
Für die Gestaltung von rechnergestützten Produktionssystemen
sind Planungsmodelle wie das MTO-Konzept insofern sehr weitreichend,
als sie arbeitenden Menschen im ganzheitlichen Sinne in die Innovationsplanung
einbeziehen. Im Zentrum stehen dabei zunächst die Arbeitsaufgaben,
die Arbeitsorganisation und die Mensch-Maschinen-Funktionsteilung.
Im Hinblick auf die Kompetenzanwendung und ?entwicklung spielt in
diesem Zusammenhang das Prinzip der vollständigen Aufgabe eine
zentrale Rolle:
· selbständiges Setzen von Zielen, die in übergeordnete
Ziele eingebettet werden können,
· selbständige Handlungsvorbereitung im Sinne der Wahrnehmung
von Planungsfunktionen,
· Auswahl der Mittel einschließlich der erforderlichen
Interaktionen zur angemessenen Zielerreichung,
· Ausführung der Aufgaben mit Rückmeldungen zur
ggf. notwendigen Handlungskorrektur und schließlich
· Kontrolle der Arbeitsergebnisse und Überprüfung
der Übereinstimmung der Handlungen mit den gesetzten Zielen
(vgl. ULICH 1992, S. 163).
Darüber hinaus können mit einem solchen, die Menschen
ganzheitlich erfassenden Planungsmodell aber auch die Qualität
die sozialen Beziehungen und der gegenständlichen Arbeitsumwelt
(Arbeitsgegenstände, Arbeitsmittel und der Arbeitsumgebung)
im Hinblick auf die Arbeitszufriedenheit und die Belastungen der
Beschäftigten auf der einen Seite sowie die Optimierung der
Prozessabläufe bezüglich der Produktqualität und
der Wirtschaftlichkeit der Produktionssysteme auf der anderen Seite
erfasst werden.
Eine optimale Beziehungen zwischen Menschen, Arbeitsorganisation
und Technik ist eine wesentliche Voraussetzung für die Realisierung
der erwarteten Wertschöpfung, weil dann die Produktionsmittel
die Aufgabenausführung weitgehend unterstützen, die Menschen
ihre Fähigkeiten und Kompetenzen - insbesondere in unvorhersehbaren
Situationen - entfalten können und die Arbeit Erfahrungen und
Lernchancen eröffnet, die wiederum in die Verbesserung der
Prozesse einfließen können. Beeinträchtigungen der
MTO-Beziehungen haben hingegen sowohl negative Folgen für die
Arbeitsbedingungen der hier tätigen Menschen als für auch
für die Erreichung der mit den Investitionen angestrebten Rentabilitätsziele.
Humanzentrierte und wirtschaftliche Fertigungsgestaltung sind kein
Widerspruch, sondern sie bedingen einander.
Abb. 2: Unterschiedliche Qualitäten der Beziehungen zwischen
Menschen (M), Technik (T) und Arbeitsorganisation (O) in Arbeitssystemen
(in Anlehnung an ROPOHL 1999; SKIBA 1997; ULICH 1997)
3.2 Erweiterte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung in Beteiligungsprozessen
Angesichts der Dynamik technologischer Entwicklungen lässt
sich eine optimale MTO-Beziehung ohne die Beteiligung der von den
Innovationsmaßnahmen unmittelbar Betroffenen kaum mehr realisieren.
Im Unterschied zur früheren Arbeit mit manuell gesteuerten
Maschinen können selbst maschinennahe Führungskräfte
wie die Meister, die ursprünglich durch ihre fachliche Überlegenheit
in diese Position gekommen waren, den sich zunehmend beschleunigenden
Innovationen der Fertigungs? und Steuerungstechnologien nicht immer
schnell genug folgen. Eine Tendenz, die sich bereits mit der Anwendung
der CNC-Maschinen in den 1980er Jahren anbahnte, wie die Aussage
eines Meisters verdeutlicht: "Wir kennen die CNC-Steuerung
nicht im Detail, wir können in Störfällen nicht mehr
helfen, oftmals sind wir überfragt.
Im Unterschied zu
früher kann der Vorgesetzte es jetzt nicht selbst in die Hand
nehmen und seinem Mitarbeiter etwas vormachen. Der Meister ist im
Grunde auf Gedeih und Verderb auf seine Leute angewiesen. Der Meister
muss sich deshalb voll auf den Programmierer verlassen, in welchem
Ausmaß er die CNC-Steuerung ausnutzt. Die Meister wurden in
den letzten Jahren durch die neue Technik regelrecht überfahren.
Man kommt mit den Füßen gar nicht mehr auf die Erde,
ein so rasantes Tempo herrscht in der Entwicklung der neuen Technik"
(WUPPERTALER KREIS 1990, S. 43). Durch diese Veränderungen
verfügen Maschinenarbeiter mittlerweile in vielen Betrieben
über ein einzigartiges Erfahrungspotential, das sich für
die Gestaltung der Innovationsprozesse nutzen lässt und genutzt
werden sollte.
Die Entwicklung einer guten MTO-Beziehung beginnt bereits in den
frühen Planungsphasen, indem die Erfahrungen der Betroffenen
in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Solche Gedanken
sind nicht neu. Bereits zu Beginn der 1990er Jahre hat die "Deutsche
Vereinigung zur Förderung der Weiterbildung von Führungskräften"
hervorgehoben, das "Traditionsmodell" der zentralen Innovationsentscheidungen
zu überdenken und für eine frühzeitige Beteiligung
gerade beim Einsatz neuer Techniken plädiert: "Innovative
Prozesse lassen sich nicht nur auf Grundlage rationaler Strategien
entwickeln. Bedürfnisse und mögliche Ängste der Mitarbeiter
müssen mitbedacht werden. Dazu gehört auch, Betroffene
in allen Phasen der Innovationsprozesses zu beteiligen und nicht
erst bei der Inbetriebnahme einer Anlage. Die beabsichtigten Änderungen
müssen mit allen erkennbaren Konsequenzen und Perspektiven
transparent sein" (a. a. O., S. 54f). Wenn solche Überlegungen
auch nicht neu sind, so sind sie allerdings längst nicht in
allen Betrieben Selbstverständlichkeit, wie das o. g. Fallbeispiel
zeigt. "Gerade das Fachwissen der Basis darf bei Neu? und Umplanungen
nicht unterschätzt werden. Wer kennt denn am besten die Tücken
seiner Maschine und die täglichen Hindernisse im Arbeitsablauf
besser als derjenige, der die Arbeit ausführt? Wer hat denn
nicht längst schon Verbesserungen im kleinen vorgenommen, um
sich das Leben zu erleichtern, wenn nicht der Werkstattmeister,
der Einrichter oder Facharbeiter?" ist eine grundlegende Erkenntnis,
die GROB (1990, S. 9, Hervorh. i. Orig.) dem Konzept einer "Erweiterten
Wirtschaftlichkeits- und Nutzenrechnung" zugrundelegt.
Verfahren erweiterter Wirtschaftlichkeits- und Nutzenrechnung zur
Arbeitssystembewertung (vgl. ZANGEMEISTER 2000; HOFFMEISTER 2000)
sind geeignet für Investitionsentscheidungen, denen ein MTO-Ansatz
zugrunde liegt, da hier in einer ganzheitlichen Betrachtung monetär
bewertbare und nicht bewertbare Kriterien unter Beteiligung der
Betroffenen systematisch erfasst und beurteilt werden. Da es immer
mehrere theoretisch mögliche und praktisch sinnvolle Varianten
für jedes Planungsvorhaben gibt, ist es das Ziel
1. alle entscheidungsrelevanten Gesichtpunkte zu definieren, die
sich zum Zeitpunkt der Planungen noch nicht monetär ausdrücken
lassen, aber künftig kostenrelevant sind,
2. diese Gesichtspunkte als sogenannte Systemkriterien in eine
gewichtete Rangreihe zu bringen,
3. bei der Auswahl und Definition dieser Systemkriterien eine weitgehende
Übereinstimmung der verschiedenen Planungsbeteiligten zu erzielen,
die die Systemgestaltung und die damit verbundenen Investitionen
aus ihrer jeweiligen Fachperspektive bewerten und
4. zu prüfen, inwieweit die ermittelten Lösungsvarianten
die eingangs festgelegten Systemkriterien insgesamt erfüllen.
Der so ermittelte Arbeitssystemwert bildet ein Maß für
den Vergleich nicht monetär quantifizierbarer Kriterien der
jeweiligen Planungsvarianten. Im Unterschied zu zentralen Entscheidungen
liegt ein wesentlicher Vorteil solch partzipativer Planungs? und
Entscheidungsprozesse darin, dass die erforderlichen Diskussionen
schon sehr früh kriteriengeleitet in Gang kommen, die im Unternehmen
vorhandenen Kompetenzen zielorientiert zur Entscheidungsabsicherung
genutzt werden und nicht zuletzt "alle Mitarbeiter im Betrieb
die Gewissheit haben können, dass auch ihre Belange in ausreichendem
Maße Berücksichtigung gefunden haben" (GROB 1993,
S. 9, Hervorh. i. Orig.). Dies gilt insbesondere, wenn die Betroffenen
in der Werkstatt Gelegenheit bekommen, ihre Arbeitsplätze zu
analysieren und Vorschläge zur Verbesserung zu machen. Um die
Mitwirkung schon sehr früh auf eine breite Basis zu stellen
ist es zweckmäßig, der Zieldefinition eine Situationsanalyse
voranzustellen, bei der all diejenigen zu Wort kommen, die einen
sachlichen Beitrag leisten können. Somit können unter
den nicht-monetären Zielen auch Aspekte der Technikgestaltung
zum Tragen kommen, die für das spätere Arbeitshandeln
und für die Wertschöpfung eine große Bedeutung haben,
die aber von werkstattfernen Planern häufig nicht in Erwägung
gezogen werden (können).
Abb. 3: Planungsprinzip erweiterter Wirtschaflichkeits? und Nutzenrechnung
(n. GROB 1990, S. 12 u. 22 ff)
3.3 Erfahrungsgeleitetes Handeln in der rechnergesteuerten Fertigung
Wenn der Mensch-Maschinen-Funktionsteilung eine entscheidende Rolle
für die Gestaltung von Produktionssystemen zukommt und "die
Maschine als verlängerter Arm des Menschen
Werkzeugfunktion
zur Unterstützung die menschlichen Fähigkeiten und Kompetenzen"
(ULICH 1997, S. 16) haben soll, so ist zunächst zu klären,
welcher Art diese Fähigkeiten und Kompetenzen in der Interaktion
zwischen Mensch und Maschine sind und welche Anforderungen sich
daraus für die Maschinengestaltung ergeben. Zur Beantwortung
solcher Fragen ist das Expertenwissen aus der Fertigung von großer
Bedeutung.
Gerade wegen der Komplexität hochtechnisierter Prozesse und
der Fülle von Einflussfaktoren, die in ihrer Gesamtheit kaum
vollständig berechenbar und allein durch Steuerungsprogramme
beherrschbar sind, haben in der rechnergesteuerten Fertigung neben
fundiertem theoretischen Fachwissen und planmäßig systematischen
Handlungen der Beschäftigten auch subjektive Empfindungen und
emotionale Beziehungen zu den Maschinen und Anlagen eine große
Bedeutung. Der besondere Wert menschlicher Arbeit liegt vor allen
Dingen in der Fähigkeit, zweckrationales (objektivierendes)
und erfahrungsgeleitetes (subjektivierendes) Handeln kombiniert
in Arbeitssituationen zur Entfaltung zu bringen; beides bedingt
sich gegenseitig, um Unwägbarkeiten zu beherrschen (vgl. BÖHLE
2001; BÖHLE u.a. 2001). Erfahrungsgeleitetes Arbeitshandeln
ist nicht als zielloses Ausprobieren zu verstehen, sondern rückgebunden
an Gedachtes, in Beziehung gesetzt zu theoretischem Fachwissen.
Die Einheit von objektivierendem und subjektivierendem Handeln ist
eine wesentliche Grundlage für den Erfolg arbeitsorientierter
Rationalisierung in dezentralisierten Organisationsstrukturen. Dies
setzt allerdings voraus, dass die Maschinengestaltung den handelnden
Menschen im Rahmen ihrer Arbeitshandlungen ermöglicht, Erfahrungen
zu sammeln und anzuwenden.
Mit dem Übergang von manuell zu programmgesteuerten CNC-Werkzeugmaschinen
und vor allen Dingen mit deren Weiterentwicklung zu High-Speed-Maschinen
haben sich gerade die Bedingungen bezüglich der für erfahrungsgeleitetes
Arbeitshandeln wichtigen Möglichkeiten der sinnlichen Prozesswahrnehmung
und der situativen Prozesseingriffe grundlegend verändert.
Konventionelle Werkzeugmaschinen ließen noch nahezu uneingeschränkt
die akustische, optische und taktile Wahrnehmung von Prozessindikatoren
zu. Das Hören der Zerspanungsgeräusche, das Sehen der
Späneform und ?farbe sowie das Spüren der Zerspanugskräfte
in den Handrädern, dass erfahrenen Facharbeiter/-innen die
Beurteilung der Fertigungsqualität bereits während der
laufenden Bearbeitung gestattete, sind heute ohne technische Hilfsmittel
kaum mehr gegeben (vgl. BÖHLE/MILKAU 1988, S. 104ff; MARTIN
1995).
Die aus Sicherheitsgründen notwendige Verkapselung der Maschinen
und die Loslösung der Bearbeitung von der direkten manuellen
Steuerung führt zu einer Einschränkung der Prozesstransparenz
und der Eingriffsmöglichkeiten; dies gilt für moderne
HSC-Maschinen mehr noch als für die bisherigen CNC-Maschinen.
Zur Gewährleitung der Sicherheit darf eine HSC-Maschine nur
bei geschlossenem Arbeitsraum laufen. In bestimmten Bearbeitungssituationen,
etwa beim Anfahren an die Werkstückkontur, beim Eintauchen
des Fräsers in das Werkstück, beim Zerspanen radialer
Werkstückprofile oder bei der Bearbeitung von Abschnitten mit
besonderen Anforderungen an die Oberflächenqualität ist
die Beobachtung des Fertigungsprozesses und die mögliche manuelle
Veränderung z.B. des im Programm festgelegten Vorschubs mittels
der Overridefunktion unabdingbar für qualitativ und wirtschaftlich
optimale Arbeitsergebnisse. Ein Problem besteht nach Aussage von
befragten Facharbeitern in der HSC-Fertigung darin, dass durch die
Sicherheitstechnik die Prozesskontrolle erheblich eingeschränkt
wird, weshalb diese im unter Umständen sogar - entgegen den
Vorschriften - außer Funktion gesetzt wird. Auf diese Problematik
angesprochen, schildert ein Interviewpartner die Situation folgendermaßen
(VOLLMER u. a. 1998, S. 174 f):
"Das ist ein großes Problem, für die Maschinenleute
ist das eigentlich praktisch nicht zu realisieren. Es ist sehr schlecht
bei geschlossener Tür zu fahren, wenn sie ihre Bearbeitungsaufgabe
richtig erfüllen wollen. Wenn das Programm einmal sicher läuft,
dann machen die auch die Tür zu. Aber sobald es Schwierigkeiten
gibt oder beim Anfahren an die Kontur, das sind eben immer die Situationen,
da bleibt die Tür offen. Und wenn man aus irgendwelchen Gründen
vielleicht auch in den Arbeitsraum 'reingeht, dann wird das auch
bei laufender Maschinenbearbeitung gemacht. Also, ist eher selten,
das kommt nicht oft vor, aber es ist einfach so."
Nach den Gründen befragt, fährt er fort:
"Das ist wirklich die Wahrnehmbarkeit des Prozesses. Also
insbesondere, wenn neue, unbekannte technologische Situationen auftreten;
vielleicht ein neuer Werkstoff, bei dem man die günstigen Schnittwerte
noch nicht kennt. Oder auch ein neues Werkzeug oder Problembereiche,
wenn man in Bereichen großer Umschlingungswinkel arbeiten
muss. Situationen, in denen also unter Umständen auch während
des Prozesses der Vorschub reduziert wird am Override. Das sind
so die Sachen, da sagen die Maschinenleute: Ich kann das einfach
nicht sehen. Ich muss es aber sehen, wann der Fräser da 'reinfährt,
damit ich den Override vorher runterdrehen kann ? zumindest eben
in der Testphase, in der Anlaufphase. Und das ist so, wegen der
verringerten sinnlichen Wahrnehmbarkeit des technologischen Prozesses,
das ist es eigentlich, was die Leute verführt, die Tür
offen zu lassen und 'reinzugehen."
Die freimütige Schilderung verdeutlicht den Widerspruch zwischen
Prozessbeherrschung und Arbeitssicherheit, zwischen der Notwendigkeit
des Arbeitsraumzuganges und dem damit verbundenen Verstoß
gegen bestehende Vorschriften. Die Umgehung von Sicherheitsvorschriften
erfolgte allerdings nicht aus Leichtfertigkeit, sondern den Gesprächspartnern
waren die damit verbundenen Gefahren durchaus bewusst. Sie sahen
sich aber außerstande, in bestimmten Situationen auf die sinnliche
Prozesswahrnehmung gänzlich zu verzichten. Fragen einer auf
die Unterstützung der menschlichen Fähigkeiten und Kompetenzen
abgestimmten Maschinengestaltung können von werkstattfernen
Planern kaum zufriedenstellend beantwortet werden, hier können
nur die Experten vor Ort weiterhelfen.
4. Fallbeispiel II: Innovative Arbeitssystemgestaltung durch Partizipation
In einem Großwerkzeugbau der Kfz-Industrie wurde der Widerspruch
zwischen Arbeitssicherheit und Prozesstransparenz bei der Beschaffung
zweier HSC-Bearbeitungszentren durch gemeinsame Planungsbeteiligung
des Werkstattpersonals und des leitenden Sicherheitsingenieurs gelöst,
die zu einer Weiterentwicklung durch den Maschinenhersteller führte.
Diese Fertigungsanlagen wurden mit einem Körperschallsensor
am Werkstückträger und einer Elektronik zur Signalaufbereitung
ausgerüstet, die es ermöglichen, dass die Zerspanungsgeräusche
trotz Maschinenkapselung und umgebendem Werkstattlärm mit einem
Kopfhörer deutlich wahrgenommen werden können. Außerdem
ist im Arbeitsraum eine von außen verstellbare Videoanlage
installiert worden, mit der sich sonst nicht einsehbare Werkstückabschnitte
auf einen zusätzlichen Bildschirm übertragen lassen. Für
solche Fertigungssituationen, in denen diese Einrichtungen für
die Prozessbeobachtung nicht ausreichen, ist die Anlage mit einer
zusätzlichen Sonderbetriebsart ausgestattet, die einen Zugang
des Arbeitsraumes bei reduzierten Spindeldrehzahlen und Vorschüben
gestattet, ohne dass gegen bestehende Sicherheitsvorschriften verstoßen
wird, da die Anlage dann einer herkömmlichen CNC-Maschine entspricht
(vgl. NOTZON 1998, S. 59 ff). Die zusätzlichen Investitionen
in die technische Sonderausstattung unterstützen die Beschäftigten
darin, Kollisionen, die zu kostspieligen Werkstück- oder Maschinenschäden
führen können, zu vermieden.
Abb. 4: HSC-Bearbeitungszentrum im Großwerkzeugbau (o. l.)
mit integrierter Videokamera im Arbeitsraum (o. r.) zur Wiedergabe
des Bearbeitungsvorganges auf einem separaten Bildschirm (u. l.);
Maschinenarbeiter mit Kopfhörer zur akustischen Kontrolle der
Zerspanungsvorgänge während der Prozessbeobachtung am
Bildschirm (u. r.) (VOLLMER u. a. 1998, S. 177 ff)
Über die Zusammenarbeit mit dem Maschinenhersteller und der
Berufsgenossenschaft bei der Realisierung der Konzeption berichtet
der leitende Sicherheitsingenieur des Unternehmens in einem Interview
(VOLLMER u. a. 1998, S. 180):
"Der Maschinenhersteller wollte uns in der Phase der Planung
die Anlage nicht öffnen. Das heißt, er wollte uns da
(in den Arbeitsraum bei laufender Maschine) nicht 'reingehen lassen
und hat sich mit Händen und Füßen gewehrt, hat also
den Hausjuristen geholt und gesagt: "Wir dürfen das nicht;
nach den gültigen Rechtsvorschriften des Arbeitsschutzes darf
da niemand 'rein". Da haben wir gesagt: "Tut uns leid,
aber wir müssen 'rein", und sie haben sich gewundert,
dass ein Arbeitsschützer gesagt hat: "Und das geht, Leute.
Und das muss gehen. Und wir werden 'ne Lösung finden."
Und wir haben dann zusammen mit der Metall?BG gemeinsam eine Lösung
gesucht. ... Das war natürlich 'nen Kampf, und ich muss Ihnen
ehrlich sagen, wenn wir damals nicht hart geblieben wären gegenüber
dem Hersteller, gäbe es das nicht. Also, wir hätten nicht
arbeiten können mit den Anlagen, wenn wir keinen Zugang zum
Arbeitsraum bekommen hätten. Wir haben trotzdem alle technischen
Möglichkeiten ausgenutzt, das heißt, wir haben dort eine
Videokamera zur Beobachtung des Schnittes und wir haben eine akustische
Einrichtung, also einen Kopfhörer, womit man das Ankratzen
verfolgen kann. Das wird benutzt, und zwar gut benutzt, vor allen
Dingen die akustische Sache."
Die mit diesen Bearbeitungszentren gefertigten Presswerkzeuge für
den Karosseriebau haben Ausmaße von etwa 2.000 x 5.000 mm
und eine Masse von max. 20 t. Sie werden in der Regel in Einzelfertigung
(Losgröße 1) hergestellt; die Bearbeitung eines Werkzeugs
kann länger als eine oder sogar zwei Arbeitsschichten dauern.
Nach der HSC-Bearbeitung haben sie einen Wert von bis zu 250.000
€ (Preisstand 1997). Bei diesen Summen sind die mit der Beschaffung
der Bearbeitungszentren erzielten Kosteneinsparungen von ca. 50
% ökonomisch von großer Bedeutung (vgl. NOTZON 1998,
S. 60).
5. Befähigung zur Mitgestaltung in der Ausbildung von Fertigungsberufen
Die beiden gegensätzlichen Fallbeispiele verdeutlichen den
Stellenwert der Beteiligung der Betroffenen für die Absicherung
von Investitionsentscheidungen und die Optimierung der Produktionssysteme,
sie weisen aber auch auf diesbezügliche Defizite in der betrieblichen
Praxis hin und auf die daraus resultierenden Folgen. Mit der Ausrichtung
der Produktionssystemgestaltung auf kontinuierliche Verbesserung
der Arbeitsprozesse und auf verbindliche Erreichung vereinbarter
Qualitäts? und Kostenziele mit weitgehender Verantwortungsübernahme
durch Arbeitsgruppen haben sich die Anforderungen an die Beschäftigten
im Hinblick auf fachlichen und überfachlichen Qualifikationen
in den letzten Jahren deutlich ausdifferenziert (vgl. LACHER 2002).
Mit der Neuformulierung des Bildungsauftrages der Berufsschule in
der "Rahmenvereinbarung über die Berufsschule" (1991)
und deren Übernahme in die "Handreichungen für die
Erarbeitung von Rahmenlehrplänen" (1996) durch die KMK
wird mit den neuen Ausbildungsplänen systematisch auf Förderung
der Gestaltungskompetenz künftiger Facharbeiter/-innen hingewirkt.
In den Vorbemerkungen der auf dieser Grundlage verabschiedeten Rahmenlehrpläne
heißt es, die Berufsschule "erweitert die vorher erworbene
allgemeine Bildung" und soll "zur Erfüllung der Aufgaben
im Beruf sowie zur Mitgestaltung der Arbeitswelt und Gesellschaft
in sozialer und ökologischer Verantwortung befähigen"
(HANDREICHUNGEN 2000, S. 8; VERORDNUNG 1997, S. 17).
Da für die industriellen Metallberufe aktuell gerade ein Neuordnungsverfahren
eröffnet wurde, kann an dieser Stelle noch nicht auf Vorgaben
aus Rahmenlehrplänen bspw. für die Ausbildung der Berufe
Industriemechaniker/-in, Werkzeugmechaniker/-in oder Zerspanungsmechaniker/-in
zurückgegriffen ( Im Vorgriff auf die Neuordnung wurden im
Modellversuch "GAB - Geschäfts- und arbeitsprozessorientierte,
dual-kooperative Ausbildung in ausgewählten Industrieberufen
mit optionaler Fachhochschulreife" für die Berufe Industriemechaniker/-in
und Werkzeugmechaniker/-in Berufsbildungspläne entwickelt,
in denen unter Bezugnahme auf berufliche Arbeitsaufgaben komplementäre
lernortspezifische Qualifizierungs- und Bildungsziele für Ausbildungsbetriebe
und Berufsschule formuliert wurden, die jeweils gestaltungsorientierte
Inhalte beinhalten (vgl. RAUNER/HAASLER 2001; RAUNER u.a. 2001).
) werden. Als offizielle Rahmenlehrpläne und Ausbildungsrahmenpläne,
die Anhaltspunkte geben können für die Umsetzung des gestaltungsorientierten
Bildungsziels in den konkreten Lernfeldzielen und ?inhalten auch
der übrigen industriellen Fertigungsberufe, liegen die des
1997 im Vorfeld der Neuordnung eingeführten Berufs Fertigungsmechaniker/-in
vor.
Abb. 5: Überblick über die Lernfelder des 1997 eingeführten
industriellen Ausbildungsberufs Fertigungsmechaniker/in (VERORDNUNG
1997, S. 20)
Dort heißt es beispielsweise in der Zielformulierung des
Lernfeldes 10 "In verschiedenen Arbeitsorganisationsformen
arbeiten und prozessoptimierend mitwirken" (2. Ausbildungsjahr)
u. a.: "Die Schülerinnen und Schüler analysieren
Organisationsstrukturen der Betriebe und vergleichen unterschiedliche
Formen der Betriebs? und Arbeitsorganisation. Sie untersuchen Arbeitsorganisationsformen
und Arbeitsplätze und bewerten diese hinsichtlich sozialer,
ergonomischer, ökonomischer und ökologischer Anforderungen.
Die Arbeitsergebnisse werden in Gruppengesprächen moderiert
und präsentiert. Die Schülerinnen und Schüler gestalten
anhand betrieblicher Fertigungsaufgaben unter Berücksichtigung
von Arbeitsorganisationsprinzipien und der Leistungs- und Bewertungssysteme
Arbeitsplätze mit" (VERORDNUNG 1997, S. 26). Und die Zielformulierung
im Lernfeld 16 "Automatisierte Anlagen bedienen, ihre Betriebsbereitschaft
sicherstellen und bei der Prozessoptimierung mitwirken" (3.
Ausbildungsjahr) gibt u. a. vor: "Die Schülerinnen und
Schüler entwickeln an einfachen berufsbezogenen Aufgabenstellungen
aus dem Bereich der Automatisierungstechnik Verständnis für
die Notwendigkeit von flexiblen Fertigungssystemen und die Fähigkeiten
für einen eigenverantwortlichen Umgang mit im Betrieb befindlichen
Anlagen in der Fertigung. Die Analyse des Zweckes, der Funktion
und des Aufbaus von bestehenden automatisierten technischen Systemen
führt zu einer allgemeinen Auseinadersetzung mit der gegenwärtigen
Technik vor dem Hintergrund ökologischer, ökonomischer,
sicherheitstechnischer und sozialkritischer Aspekte" (a. a.
O., S. 29). In den übrigen Lernfeldern befinden sich ebenfalls
gestaltungsorientierte Ziele und Inhalte. Desgleichen ist die betriebliche
Ausbildung auf die aktive Mitwirkung bei der kontinuierlichen Verbesserung
der Arbeitsprozesse ausgerichtet (vgl. a. a. O., S. 14 f) .
Um den Auszubildenden die Zusammenhänge der für die Gestaltung
der Arbeitwelt bedeutsamen komplexen Beziehungen zwischen Menschen,
Technik und Organisation nachvollziehbar zu machen, ist es konsequent
der Ausbildung einen entsprechenden sozio-technischen Ansatz zugrunde
zu legen, der es künftigen Facherbeiter/-innen ermöglicht
erkenntnisförderliche Modellvorstellungen der Systemzusammenhänge
zu entwickeln. Für die theoretische Konzeptualisierung der
Konstruktion von Lernfeldern etwa für Elektro- und Metallberufe
erachtet BADER ein sozio-technisches Handlungssystem als geeignet,
das in seiner Ablaufstruktur "das Ergebnis einer systematischen
Rekonstruktion des Denkens und Handelns des Menschen in Bezug auf
Technik, verstanden als zielorientierte Gestaltung der Umwelt mit
materiellen Mitteln", darstellt (2000, S. 37). Ein solches
Modell, das auf den Konzepten der Allgemeinen Technologie und der
Konstruktionswissenschaft basiert, ist geeignet, die Veränderung
der Umwelt durch Technik, von der Gestaltungsidee über die
Konstruktion, die Herstellung und den Gebrauch von Apparaten, Maschinen
und Geräten bis hin zu ihrer Entsorgung, nachzuvollziehen.
Es ist hilfreich, um die Wechselwirkungen zwischen Technik, Umwelt
und Gesellschaft zu erkennen und - mit Blick auf das eigene Arbeitshandeln
- als gestaltbar zu begreifen. Dies gilt auch insofern, als in dieser
Modellvorstellung angenommen wird, "dass berufliche Handlungskompetenz
sich im denkenden und handelnden Umgang mit Technik in den Phasen
Planen, Entwickeln, Fertigen ... Beseitigen entfaltet und dass diese
Handlungskompetenz sich insbesondere im Prozess theoretischer Aufklärung
und Anleitung von Praxis entwickelt" (ebd.).
Damit werden jedoch die inneren Zusammenhänge der Beziehungen
zwischen Menschen, Technik und Organisation hinsichtlich der Gestaltbarkeit
der Arbeitswelt nicht deutlich genug hervorgehoben (vgl. SCHWERES
1988). Arbeitsprozesse bringen nicht nur Produkte und Dienstleitungen
hervor, die mit der Umwelt in einer Wechselbeziehung stehen, sondern
sie sind immer auch "ein Mittel zur Erzeugung von Persönlichkeitseigenschaften",
denn "neben dem erzeugten Produkt als Arbeitsergebnis und in
Wechselbeziehung mit ihm entstehen als gleichwertige Arbeitsergebnisse
zahlreiche Veränderungen beim arbeitenden Menschen" (HACKER
1986, S. 40; Hervorh. d. d. Verf.). Das Resultat menschlicher Arbeit
beschränkt sich demnach nicht auf die entstandenen Produkte
und Dienstleitungen, sondern damit verbunden sind immer persönlichkeitsverändernde
Rückwirkungen unterschiedlicher Qualität auf den arbeitenden
Menschen, je nach dem wie die Beziehung zwischen Mensch, Technik
und Organisation gestaltet ist. Deshalb erscheint es im Hinblick
auf das Berufsbildungsziel "Befähigung zur Mitgestaltung
der Arbeitswelt und Gesellschaft" notwendig, die beiden Modelle
- die Ablaufstruktur eines sozio-technischen Handlungssystems und
das MTO-Modell - mit einander zu verknüpfen, da beide Ansätze
komplementäre Momente enthalten, die nach außen und die
nach innen gerichteten Wechselwirkungen von Arbeits- und Geschäftsprozessen.
6. Schlussbemerkung
Eine zeitgemäße Ausbildung in industriellen Fertigungsberufen
muss das Begreifen der komplexen MTO-Beziehungen und Einsicht in
ihre Gestaltbarkeit ermöglichen, wenn die Betroffenen zu Mitwirkenden
in den sich zunehmend dynamisierenden Innovationsprozessen werden
sollen. Neben der Fähigkeit, moderne fertigungstechnologische
Prozesse zu beherrschen, benötigen künftige Facharbeiter
auch vermehrt arbeitswissenschaftliche und ökonomische Kenntnisse
- und zwar anwendungsbezogen und nicht als träges "Lehrbuchwissen".
Die Anwendung der erweiterten Wirtschaftlichkeits? und Nutzenrechnung
in der metalltechnischen Berufsausbildung kann das Verständnis
für die Bedeutung der einzelnen MTO-Elemente sowie deren Wechselbeziehungen
im Kontext betrieblicher Geschäftsprozesse fördern. Die
kriteriengeleitete und systematische Bewertung monetärer und
nicht-monetärer Ziele kann dazu beitragen, die Komplexität
betrieblicher Leistungsprozesse zu begreifen, in denen das produzierende
und mitgestaltende Handeln des Einzelnen bzw. der Arbeitsgruppen
in Beziehung gesetzt wird zu übergeordneten betrieblichen Abläufen
und zum Marktgeschehen einerseits wie auch zur bewussten Gestaltung
der eigenen Arbeits- und Lebenssituation andererseits. Lernsituationen,
die den Auszubildenden das Erkennen der Mitverantwortung für
eine humanzentrierte und wirtschaftliche Gestaltung der Arbeitswelt
ermöglichen, fördern ihre Fähigkeiten zur Selbstbestimmung,
zur Mitbestimmung und zur Solidarität mit anderen im Sinne
allgemeiner Bildung (vgl. KLAFKI 1996, S. 52). Insofern ist mit
dem formulierten Anspruch des Lernfeldkonzeptes, Gestaltungskompetenz
gezielt anzubahnen und berufliches Handeln mit gesellschaftlichen
und individuellen Problemstellungen in Lernprozessen zu verknüpfen,
Allgemeinbildung ein stärker akzentuierter Bestandteil beruflicher
Bildung geworden.
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