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 bwp@ Profil 2 | 14. Januar 2009
Akzentsetzungen in der Berufs- und
Wirtschaftspädagogik

Holger Reinisch wird 60 und Wegbegleiter schreiben zu seinen Themen

Herausgeber: Andreas DIETTRICH, Dietmar FROMMBERGER & Jens KLUSMEYER

Bildungspersonal in Schule und Betrieb zwischen Polyvalenzanforderungen und Professionalisierung



1. Prolog

Seit einigen Jahren steht die Qualifikation und Kompetenz des Berufsbildungspersonals (wieder) verstärkt im Zentrum des berufs- und wirtschaftspädagogischen Diskurses – nicht zuletzt als Zuspitzung und Fazit aktueller Diskussionen um die Leistungsfähigkeit des deutschen (Berufs-)Bildungssystems. Angeregt wurde diese Auseinandersetzungen u.a. aufgrund der öffentlich-politischen und fachlichen Wahrnehmung der Ergebnisse internationaler Schulleistungsuntersuchungen wie z. B. PISA, aber auch durch die Aktivitäten der europäischen Berufsbildungspolitik, die zumindest indirekt zu einem Vergleich und Wettbewerb der unterschiedlichen Berufsbildungssysteme geführt hat – z. B. hinsichtlich der Bewertung und Einordnung nationaler Abschlüsse in einen europäischen Qualifikationsrahmen. Zudem wird der aktuelle Zustand des Dualen Systems als zentralem Element des deutschen Berufsbildungssystems immer wieder kontrovers und kritisch debattiert und entsprechende Reformen angemahnt (z. B. EULER/ SEVERING 2006). Letztendlich stellt sich hierbei die Frage, ob und wie es der Berufsbildung gelingt, einerseits die Integration von jungen Menschen in das Beschäftigungssystem vorzubereiten und ihnen somit eine Teilhabe an gesellschaftlichen respektive ökonomischen Prozessen sowie auch lebenslanges Lernen zu ermöglichen und andererseits das Beschäftigungssystem mit qualifizierten Fachkräften zu versorgen. Hinsichtlich der bekannten Austauschbeziehungen zwischen Berufsbildungs- und Beschäftigungssystem, die – funktionsanalytisch betrachtet – in eine Qualifikations-, Allokations-, Sozialisations- und Absorptionsfunktion differenziert werden (KUTSCHA 1999, 94 f.), besteht so durchaus die Frage, ob das Berufsbildungssystem diesen Funktionen in ausreichendem Maße gerecht werden kann.

Entscheidend für diese Analyse und Bewertung von Leistungen des Bildungssystems sind geeignete Indikatoren und Messverfahren. Ohne die umfassenden berufs- und wirtschaftspädagogischen Diskurse hier aufnehmen zu können, kann doch unzweifelhaft festgestellt werden, dass die Qualität beruflicher Bildung und die Leistungsfähigkeit eines Berufsbildungssystems nicht zuletzt auch von der Kompetenz und Qualifikation des Berufsbildungspersonals und der entsprechenden Handlungsspielräume der Akteure abhängig ist – ohne jedoch hier eine monokausale oder lineare Beziehung zwischen dem Bildungspersonal und dem Output an Lernleistungen im Berufsbildungssystem zu unterstellen. Dennoch wird vor diesem Hintergrund derzeit häufig die Notwendigkeit weiterer Professionalisierung des Bildungspersonals postuliert: Bildungspersonal an den unterschiedlichen Lernorten in der Berufsbildung soll einerseits bestehende Aufgaben, z. B. das Unterrichten oder Unterweisen, professioneller und unter Einsatz moderner didaktischer und methodischer Konzepte durchführen, andererseits soll es im Sinne der Polyvalenz weitere Aufgaben – ebenso professionell- übernehmen, wie z. B. die soziale Integration benachteiligter Gruppen unterstützen, die individuelle Employability fördern, die Berufsorientierung verbessern oder im Rahmen regionaler Berufsbildungsnetzwerke zur Strukturentwicklung beitragen. Es stellt sich die Frage, wie das Bildungspersonal diesen Ansprüchen gerecht werden kann und wie eine Professionalisierung und entsprechende Qualifizierung des Berufsbildungspersonals aussehen kann und soll. Die Aktualität dieser Frage zeigt sich im sowohl im wissenschaftlichen Diskurs ebenso wie in bildungspolitischen Überlegungen und in konkreten Konzepten der Berufsbildungspraxis. So dokumentieren z. B. die bwp@-Ausgabe 12/2007 („Qualifizierung von Berufs- und Wirtschaftspädagogen zwischen Professionalisierung und Polyvalenz“), die Ausgabe 6/2008 der BWP („Bildungspersonal qualifizieren“) oder der Workshop 25 der Hochschultage Berufliche Bildung 2008 („Qualifizierung und Professionalisierung des Bildungspersonals als Ansatz der Qualitätssicherung“) den aktuellen Diskussionsstand und die Bedeutung der Fragestellung. Zudem belegen auch politische Dokumente, wie die „10 Leitlinien zur Modernisierung und Strukturverbesserung der beruflichen Bildung“ des BMBF die Relevanz des Themas: So soll die „Qualität der Ausbilder und Prüfer“ weiter gestärkt werden und dementsprechend auf die fachliche und die pädagogische Qualifikation des Bildungspersonals verwiesen (BMBF 2007). Das Bildungspersonal steht letztendlich auch im Zentrum europäischer berufsbildungspolitischer Programmatik (BAHL 2008) und wird hier durch eine Reihe von Aktivitäten und Förderprogrammen unterstützt. Auf europäischer Ebene dagegen gehört im Brügge-Kopenhagen-Prozesses die Förderung der Qualifikation des Personals in der beruflichen Bildung zu den fünf Hauptaufgaben der europäischen Berufsbildungspolitik. So besteht z. B. mit der Focus Group eine Arbeitsgruppe der EU-Kommission („Teachers and Trainers in Vocational Education and Training“) mit dem Ziel der Verbesserung der allgemeinen und beruflichen Bildung von Lehrkräften und Ausbildern. Das europäische Netzwerk „TTnet - Training of Trainers Network“ und seine deutsche Sektion „TTnet Deutschland / TTnet DE“ versteht sich als Europäisches Gemeinschaftsnetzwerk für Qualifizierung und berufliche Entwicklung von Lehr- und Ausbildungspersonal in der Berufsbildung und versucht in Deutschland seit 2005 innovative Konzepte für die Qualifizierung des Lehr- und Ausbildungspersonals zu implementieren.

Umfassende Entwicklungsarbeiten, z. T. auch im Rahmen von Modellvorhaben, an den unterschiedlichen Lernorten haben zudem zu bedeutsamen Reformvorschlägen und Qualifizierungskonzepten, wie z. B. in der Lehrerbildung im Rahmen der Reform berufs- und wirtschaftspädagogischer Studiengänge oder in der außerschulischen Berufsbildung durch den Fortbildungsberuf Berufspädagoge/-pädagogin IHK oder hochschulische Qualifizierungsangebote für das Bildungspersonal geführt. Andererseits existieren derzeit kaum empirische Studien oder eine entsprechende Indikatorik zur Beschreibung und Erfassung der Gruppe des Bildungspersonals, seiner Funktionen und Qualifikationen. In den folgenden Ausführungen soll jedoch weder die terminologische und systematische Diskussion in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik über den Professionalisierungsbegriff im Sinne einer theoretischen Reflexion aufgegriffen werden (vgl. hierzu z. B. die Arbeiten von KUTSCHA 1989 bis zu REINISCH 2008), noch eine Übersicht über aktuelle Programmatiken, Umsetzungskonzepte und Pfade einer Professionalisierung des Bildungspersonals erstellt werden. Ziel der folgenden Ausführungen ist es, vor dem Hintergrund aktueller Innovationsstrategien im Berufsbildungssystem und etablierter Qualifizierungspfade des Bildungspersonals exemplarisch einzelne Anforderungsbereiche für das Bildungspersonal zu skizzieren und auf Konsequenzen für das Aufgabenfeld, aber insbesondere für Qualifikation und Kompetenz des Bildungspersonals hinzuweisen. Abschließend soll auf den – möglicherweise vom Bildungspersonal erwarteten – Spagat zwischen Professionalisierung einerseits und Polyvalenz eingegangen und mögliche Perspektiven angedeutet werden.

2.  Hintergründe

Die Entwicklung neuer Anforderungen an das Bildungspersonal und die damit verbundene Diskussion über Formen der Professionalisierung verläuft einerseits vor dem Hintergrund gesellschaftlich-ökonomischer Veränderungen und korrespondierender Innovationsstrategien und -prozesse im Bildungssystem. Andererseits müssen aber auch die Biographien des Ausbildungspersonals, d. h. Selbstverständnis, Lern- und Qualifizierungswege, die schulische oder betriebliche Sozialisation oder auch das individuelle Handlungsumfeld als Hintergrund für etwaige Professionalisierungs- und Polyvalenzüberlegungen herangezogen werden. Beide Aspekte sollen hier kurz skizziert werden – ohne auf die Zusammenhänge beider Perspektiven intensiv einzugehen: Denn der Gestalter und aktiver „Träger“ des Wandels im Bildungssystems, häufig aber auch nur lediglich Objekt in diesen Veränderungsprozessen ist das Berufsbildungspersonal, d. h. Lehrerinnen und Lehrer an den vielfältigen berufsbildenden Schulformen, Ausbilder und Ausbilderinnen in Betrieben, überbetrieblichen Bildungsstätten oder bei Bildungsdienstleistern, ausbildende Fachkräfte, Weiterbilder, Betriebs- und Sozialpädagogen, Trainer und Coaches usw.

2.1  Innovationsstrategien im Bildungssystem

Entwicklungstrends auf gesellschaftlicher und ökonomischer Ebene wirken sich letztendlich direkt oder indirekt auch auf Strukturen, Prozesse und Gestaltungsprinzipien des Berufsbildungssystems aus (vgl. im Folgenden auch DIETTRICH 2008a). Neben den häufig beschriebenen Trends zur Höherqualifizierung, zur Tertiärisierung und Dienstleistungsorientierung, zur Lern- und Wissensgesellschaft oder zu demographiebedingten längeren Lebensarbeits- und damit auch Lernzeiten, sind insbesondere auch aus soziologischer Perspektive im Kontext der Modernisierungsdebatte kritische Situationsbeschreibungen formuliert, die sich z. B. in einer Internationalisierung, Individualisierung, Informatisierung und Intensivierung des individuellen und kollektiven Lebens zeigen .

Somit unterliegt Berufsbildung einem stetigen Wandel, der derzeit nicht zuletzt durch bildungspolitische Rahmenvorgaben der Europäischen Berufsbildungspolitik eine neue Dynamik erhält. Die Berufsbildung bzw. das Berufsbildungssystem und seine Akteure haben auf die Änderung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen jedoch nicht nur zu reagieren, sondern müssen gestaltend im Sinne der Subjekte bzw. der Akteure (z. B. Schüler, Auszubildende, Bildungspersonal), der Berufsbildungsinstitutionen und der Adressaten der Berufsbildung, z. B. der Unternehmen, agieren. Veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen induzieren entsprechende Innovationen; zudem sind Veränderungsprozesse für die beteiligten Akteure immer verbunden mit der prinzipiellen Möglichkeit und Notwendigkeit zur eigenen Kompetenzentwicklung und Verbesserung der Reflexionsfähigkeit (DIETTRICH 2008 b).

Somit ist für die Berufsbildung im Sinne der Entwicklung von Beruflichkeit und Employability (Beschäftigungsfähigkeit) immer wieder die gesellschaftliche Situation zentraler Orientierungspunkt und führt zu mehr oder weniger innovativen Entwicklungen auf der Makro- (Ebene der Systemarchitektur), der Meso- (Ebene der Institutionen, Lernorte, Kooperationen und Netzwerke) und der Mikroebene (Ebene der Lehr-/Lernsituationen) der Berufsbildung.

Ohne hier im Detail auf die angedeuteten Zusammenhänge gesellschaftlicher Megatrends und die entsprechenden Konsequenzen im und für das Berufsbildungssystem einzugehen, wird doch immer wieder konstatiert, dass im deutschen System der Berufsausbildung Reform- und Modernisierungsbedarf besteht. Diesbezüglich werden unterschiedliche Begründungen formuliert: Zum einen führt das Konzept der Marktsteuerung dazu, dass insbesondere zu Zeiten schwacher wirtschaftlicher Entwicklung das Angebot von Ausbildungsplätzen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht nicht ausreichend ist – dies gilt insbesondere für die Situation in den neuen Bundesländern. Häufig wird in diesem Kontext von einer „schleichenden Erosion des dualen Systems“ gesprochen, die sich z. B. an der deutlichen Senkung der Einmündungsquote der Schulabgänger ins Duale System (von 77% Anfang der neunziger Jahre auf derzeit 58%) zeigt (EULER/ SEVERING 2006, 23 ff.). Entsprechende Entgrenzungsstrategien (vgl. hierzu auch REINISCH 2004) zeigen sich sowohl am „unteren Randbereich“ des Dualen Systems der beruflichen Ausbildung (Etablierung des Übergangssystems, Problematik der 1. Schwelle insbesondere für Hauptschüler, mangelnde Ausbildungsreife etc.), als auch am oberen Randbereich. In vielen Fällen gelingt es nicht, leistungsstarke Jugendliche für eine Duale Ausbildung zu gewinnen und entsprechende Anreize in Form von Fort- und Weiterbildungsansätzen und betrieblichen Karrierepfaden außerhalb des Hochschulsystems zu etablieren. Hinzu kommt häufig eine, den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen angepasste, Personalpolitik von Betrieben, d. h. Variationen in der Rekrutierungsstrategie (z. B. vermehrte Einstellung von Mitarbeitern mit Bachelor-Abschluss anstatt von Absolventen des Dualen Systems in einzelnen Branchen), eine (wieder) zunehmende Segmentierung von Belegschaften in gut qualifizierte und betrieblich geförderte Kernbelegschaften und Randbelegschaften aus Zeit- und Leiharbeitspersonal sowie eine Verkürzung der betriebliche Planungszyklen, die eine betriebliche Investition in eine mindestens dreijährige Berufsausbildung (zuzüglich entsprechender Vorbereitungsphasen) zunehmend unwirtschaftlich erscheinen lässt. Hinzu kommen Externalisierungs- und Outsourcingstrategien im Bereich der betrieblichen Aus- und Weiterbildung und der entsprechenden personalpolitischen Instrumente (z. B. Personalakquise und –auswahl). Vor diesem Hintergrund wird immer wieder eine Reform und Weiterentwicklung des Berufsbildungssystems gefordert, beispielsweise im Sinne einer stärken Flexibilisierung mit dem Ziel der Integration von Lernleistungen, die Jugendliche im Übergangssystem erbracht haben, in das reguläre Ausbildungssystem.

Unabhängig von diesen Vorschlägen sind in den letzten Jahren eine Vielzahl von innovativen Ansätzen in die Berufsbildung integriert worden und haben durchaus zu einer Weiterentwicklung des Berufsbildungssystems beigetragen bzw. befinden sich in der Entwicklungs- und Erprobungsphase. Aktuelle Innovations- und Modernisierungsstrategien zeigen sich auf der Makro-, Meso- und Mikroebene z. B. hinsichtlich

•  der systematischen Verbindung der Bildungsbereiche, sowohl in Bezug auf das Verhältnis von Allgemein- und Berufsbildung (z. B. Kompetenzorientierung als Leitprinzip des Bildungssystems, Berufsorientierung und berufsbezogene Kompetenzanalysen in allgemeinbildenden Schulen, Verbesserung von Ausbildungsreife und Studierfähigkeit, Erleichterung von Übergängen und Durchlässigkeit über Leistungspunktysteme) als auch innerhalb des Berufsbildungssystems (EQR und NQR als Transparenzinstrumente bzw. Ordnungsrahmen, Leistungspunktsysteme als Anrechenmodelle, sektorspezifische Aus- und Weiterbildungssysteme, z. B. im IT-Bereich)

•  der Flexibilisierung und Entwicklung modularisierter Lerneinheiten (z. B. Flexibilisierung über gestaltungsoffene Ausbildungsordnungen seit 1997, Erprobung und Zertifizierung von Qualifizierungsbausteinen und Ausbildungsbausteinen, Erwerb von Zusatzqualifikationen im Rahmen der Dualen Ausbildung)

•  neuer Berufe und Berufsbilder (derzeit existieren knapp 350 duale Ausbildungsberufe, von denen im Zeitraum von 1996-2008 insgesamt 79 neue geschaffen und 215 modernisiert wurden) mit z. T. neuen Strukturmerkmalen und Prüfungsformen (z.B. Kompetenzorientierte Formulierung, Überschreitung traditioneller Berufsgrenzen zwischen kaufmännischen und technisch-gewerblichen Inhalten, gestreckte Abschlussprüfungen)

•  einer Intensivierung der Vernetzung von Berufsbildungsinstitutionen und Akteuren (z. B. im Rahmen regionaler Lern- und Bildungsnetzwerke) und verstärkter Lernortkooperation (z. B. hinsichtlich der Qualifizierung des Berufsbildungspersonals oder der gemeinsamen Förderung leistungsschwacher Jugendlicher durch Fallmanagement) sowie neuer Aufgaben und Verantwortlichkeiten für Institutionen der Berufsbildung (z. B. Aufwertung der Rolle von Bildungsdienstleistern im Sinne eines externen Ausbildungsmanagements für Betriebe oder Ausbildungsverbünde, berufsbildende Schulen oder überbetriebliche Bildungsstätten als regionale Kompetenzzentren)

•  der Kompetenz- und Outputorientierung beruflicher Bildung (z. B. Kompetenz als Leitprinzip – Pluralität von Lernformen, Entwicklung von Bildungsstandards, Formulierung kompetenzorientierter Ausbildungsordnungen, Durchführung von Kompetenzanalysen in allen Bildungsbereichen, Anerkennung des Outputs informeller Lernprozesse im Rahmen von Zertifizierungs- und Anrechenverfahren)

•  neuer didaktischer Prinzipien und Gestaltungsmerkmale der Aus- und Weiterbildung an den Lernorten (z. B. Lernfelder an den berufsbildenden Schulen und Geschäftsprozessorientierung in der betrieblichen Bildung, handlungs- und kompetenzorientierte Prüfungsverfahren, Etablierung von Lernberatung und Lernprozessbegleitung, verstärkte Selbststeuerung von Lernprozessen, auch unter Einsatz neuer Medien und Lernkonzepte).

Allein diese unvollständige und pointierte Aufzählung macht deutlich, dass sich die Berufsbildung in Deutschland in den letzten Jahren in vielerlei Hinsicht weiterentwickelt hat und auf wesentliche Veränderungen der gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen reagiert. Ob es mit diesen Innovations- und Modernisierungsstrategien letztendlich gelingen wird, den aktuellen Herausforderungen für die Berufsausbildung so zu entsprechen, dass auf Dauer die gesellschaftlichen Funktionen beruflicher Bildung sichergestellt wird, kann sicherlich erst rückwirkend entschieden werden – allerdings stellt sich diesbezüglich natürlich auch die Frage nach den zukünftigen Anforderungen an das Bildungspersonal und korrespondierenden Qualifizierungswegen.

2.2  Qualifizierungswege des Berufsbildungspersonals

Im deutschen Berufsbildungssystems sind – wie bereits angedeutet – sehr unterschiedliche Personengruppen mittelbar oder unmittelbar an der Berufsbildung beteiligt – dies führt zu verschiedenen Funktionsbildern (CRAMER 2000), aber auch zu unterschiedlichen Qualifizierungswegen und Professionalisierungen.

Traditionell akademisiert und institutionalisiert ist die Aus- und Weiterbildung des Personals an berufsbildenden Schulen (vgl. im Folgenden auch DIETTRICH/ JAHN 2008). Diese erfolgt - abgesehen von den Seiten- und Quereinsteigern - in den drei Phasen Hochschulstudium, Referendariat und Lehrerfortbildung. Als erste Phase legt die aktuell in der Reform befindliche universitäre Ausbildung das Fundament zum Aufbau professioneller Kompetenz und wirkt nachhaltig auf die weitere Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie auf die spätere Berufsausübung. Die zentralen Aufgaben der Lehrkräfte erfordern, dass neben fachwissenschaftlichen Inhalten erziehungswissenschaftliche Aspekte breiten Raum einnehmen. Dieses grundständige Lehrerstudium endete bisher mit dem ersten Staatsexamen bzw. dem Diplom, zukünftig in der Regel mit einem entsprechenden Master-Abschluss. Daran schließt sich der staatliche Vorbereitungsdienst in den einzelnen Bundesländern an, wobei hier die Verknüpfung von theoretischer und praktischer Ausbildung im Vordergrund steht. Zukünftig wird in die universitären Masterstudiengänge ein Praxissemester integriert werden (vgl. z. B. die Beiträge in bwp@ Ausgabe 12/2007). Somit umfassen die ersten zwei Phasen eine Zeitspanne von sechs bis sieben Jahren.

Bemängelt wird häufig, dass weder eine ausreichende Koordination des Lernens im Studienseminar mit den Ausbildungsschulen noch eine angemessene Qualifizierung des Ausbildungspersonals in den Schulen erfolgt. An die Ausbildungsphasen schließt sich das Lernen im Beruf an, wobei Fortbildungen dominieren, die auf die Bewältigung neuer beruflicher Herausforderungen vorbereiten sollen. Die Fortbildung ist zumeist angebotsorientiert und wird z.T. durch entsprechende Landesinstitute organisiert, wobei die Möglichkeit besteht, auf regionaler und schulinterner Ebene Einfluss zu nehmen. Es hat sich aber bislang nur teilweise eine hinreichende Kultur des Lernens im Beruf entwickelt. Zwar wird die Bedeutung von Fort- und Weiterbildung stets betont, allerdings spiegelt sich diese weder im Weiterbildungsverhalten der Lehrkräfte noch in ausreichenden Angeboten durch die Schuladministration wider. Die Beteiligung von Lehrern an Fort- und Weiterbildung ist gering (vgl. WISSENSCHAFTSRAT 2001, 67). Daher dürfte die weitgehende Freiwilligkeit bezüglich der Weiterbildungsteilnahme weiter diskutiert wird. Zudem ist fraglich, ob die Angebote die Zielgruppe tatsächlich erreichen, wenn lediglich ein Drittel der Lehrkräfte daran teilnimmt. Formelle Angebote sind aber nur ein Teil des allgemeinen durchgängigen Prinzips des Lernens in der Arbeit. Daher sollten Qualifizierungsmaßnahmen Impulse für informelles, individuelles und kollegiales, aber auch lernortübergreifendes Lernen geben.

Betriebliche Ausbilder und Ausbilderinnen sind unter formalen Gesichtspunkten in Bezug auf ihre berufspädagogische Kompetenz vergleichsweise gering professionalisiert. Ihnen ist nach BBiG die fachliche und persönliche Eignung zu bescheinigen, wobei die notwendigen berufspädagogischen Kompetenzen in der Regel in einem 120 Unterrichtsstunden umfassenden Vorbereitungslehrgang erworben werden sollen. Die vom BIBB durchgeführte Evaluation der Aussetzung der Ausbilder-Eignungsverordnung von 2003-2008 hat deutlich gemacht, dass die Aufhebung dieses Mindeststandards bereits zum Absinken der Qualität der betrieblichen Ausbildung geführt hat. Aus Sicht der in dieser Untersuchung befragten Betriebe sind folgende Themen für die zukünftige Qualifizierung des Ausbildungspersonals besonders bedeutsam ( ULMER/ JABLONKA 2007, 7):

•  Orientierung der Ausbildung an betrieblichen Arbeits- und Geschäftsprozessen (75%)

•  Kooperation mit der Berufsschule (70%)

•  Motivation zu lebenslangem Lernen (69%)

•  Verknüpfung von Aus- und Weiterbildung (67%)

•  Auswahl von geeigneten Bewerbern/Bewerberinnen (67%)

•  Konfliktbewältigung (64%).

Diese Themen machen einerseits die unterschiedlichen Aufgaben und Rollenerwartungen an das betriebliche Ausbildungspersonal deutlich, andererseits zeigt sich, dass Ausbilder und Ausbilderinnen auch aus Sicht der Unternehmen zukünftig insbesondere auch methodische und sozial-kommunikative Kompetenzen für eine erfolgreiche Bewältigung der Ausbildungssituation benötigen. Letztendlich geht es also darum, dass in einer komplexer werdenden Umwelt Aufgaben wie der Aufbau von Kooperationsbeziehungen, die Motivierung von Lernenden oder die Bewältigung von Konflikten von zentraler Bedeutung für das Bildungspersonal werden.

Offen ist, ob und wie zukünftige Standards der Ausbilder-Aus- und Weiterbildung wie z. B. im Rahmen der Novellierung der AEVO diese Aspekte aufnehmen. Die aktuelle Implementation des Fortbildungsberufs „Berufspädagoge/Berufspädagogin IHK“ kann bei entsprechender Akzeptanz allerdings einen wichtigen Professionalisierungsschub insbesondere bei hauptamtlichem betrieblichem Bildungspersonal bewirken und einen Standard insbesondere für die formale Weiterbildung dieser Personengruppe setzen.

Auch für andere Teilgruppen des Berufsbildungspersonals, z. B. die bedeutsame Gruppe der ausbildenden Fachkräfte (nebenamtliche Ausbilder) existieren keine bundesweit gültigen Qualifikationsstandards, allerdings existiert hier eine Vielzahl von Handlungskonzepten aus der Modellversuchsarbeit des BIBB. Zudem hat sich auch die Ausbildungspraxis in den Betrieben verändert: Ausbildung ist wieder näher an die betrieblichen Prozesse, d. h. an die Arbeitssituation „herangerückt“, arbeitsplatznahe Lern- und Arbeitsformen gewinnen (wieder) zunehmend an Bedeutung. Somit obliegt dem Bildungspersonal die didaktische Gestaltung von Arbeitsplätzen und –prozessen i. S. einer Lernumgebung, die ganz andere methodische und didaktische Konzepte verlangt als beispielsweise die Ausbildung in einer Lehrwerkstatt und somit das Bildungspersonal vor neue Herausforderungen stellt (vgl. DÖRING/ SEVERING 2000).

Grundsätzlich ist jedoch zu konstatieren, dass sowohl über quantitative als auch qualitative Merkmale des betrieblichen Bildungspersonals, wie z. B. die Qualifikationsstruktur, nur wenige empirische Forschungsergebnisse existieren.

Der besondere Qualifizierungsansatz der Benachteiligtenförderung insbesondere im Rahmen der außerbetrieblichen Ausbildung (BaE) bzw. ausbildungsbegleitender Hilfen (abH) stellt hohe Anforderungen an das pädagogische Personal, die sich von denen innerhalb einer betrieblichen Ausbildung erheblich unterscheiden. Ausbilder, Stützlehrer und sozialpädagogische Fachkräfte agieren kooperativ als gleichberechtigte Partner, jedoch aufgrund der unterschiedlichen fachlichen Hintergründe mit verschiedenen pädagogischen Schwerpunkten. Die Ausbilder verfügen entweder über einen Meisterabschluss oder andere Qualifikationen in Verbindung mit der AEVO. Stützlehrer besitzen i.d.R.das zweite Staatsexamen in einem Lehramt. Für sozialpädagogische Aufgaben können neben staatlich anerkannten Fachkräften der Sozialarbeit und Sozialpädagogik auch staatlich anerkannte Erzieher eingesetzt werden (vgl. BMBF 2005, 25). Das BMBF stellt allerdings fest: Diese „[…] Formalqualifikationen allein reichen aber … nicht aus. Unverzichtbar sind ein hohes persönliches Engagement der Beteiligten, die Identifikation mit der Aufgabe, die Bereitschaft zur eigenen Fort- und Weiterbildung und die Fähigkeit, die jungen Menschen ganzheitlich wahrzunehmen. Hinzu kommt die notwendige Bereitschaft, mit den abgebenden Schulen, der Berufsschule, den Praktikums- und Ausbildungsbetrieben, der Arbeitsagentur, den Kammern, dem Wohn- und Lebensumfeld der Jugendlichen und ggf. der Jugend- und Sozialhilfe zu kooperieren“ (BMBF 2005, 25).

Es zeigt sich, dass die unterschiedlichen Gruppen des Bildungspersonals jeweils auf sehr unterschiedlichen Wegen qualifiziert werden, sich somit unterschiedliche Professionalitäten und Selbstverständnisse entwickeln. Diese sind eng an die Lernorte und entsprechende Rollenfestlegungen gebunden. Kooperative und lernortübergreifende Qualifizierungsmodelle sind in der Regel im Rahmen berufspädagogischer Qualifizierung nicht explizit vorgesehen (vgl. DIETTRICH/ JAHN 2008) – trotz der Forderung von Lernortkooperation und lernortübergreifenden Ausbildungsmodellen und -phasen.

Somit wird vor dem Hintergrund der skizzierten Innovationen im Bildungssystem und insbesondere der Qualifizierungswege des Bildungspersonals deutlich, dass Fragen nach der zukünftigen Professionalisierung und Polyvalenz systematisch eigentlich nur im Rahmen einer Fallunterscheidung diskutiert werden können, wobei u.a. nach Lernorten und tradierten Aus- und Weiterbildungskonzepten differenziert werden muss. Dennoch sollen im Folgenden resümierend und konkretisierend einige Anforderungsbereiche genannt werden, die gleichsam für weitgehend alle Gruppen des Bildungspersonals relevant sind. Demzufolge können bezogen auf diese Felder durchaus übergreifende, gemeinsame Ansprüche an alle Lernorte und das dort tätige Bildungspersonal formuliert werden.

3.  Anforderungsbereiche für das Bildungspersonal

Wie bereits angedeutet, verändern sich Erwartungen und Anforderungen an das Bildungspersonal – sie werden komplexer, differenzierter, anspruchsvoller und aktuell zudem in der öffentlichen Wahrnehmung kritisch beäugt. Für alle Gruppen des Bildungspersonals gilt, dass die klassische Hauptaufgabe, das Unterrichten, Vermitteln, Unterweisen usw., d. h. das pädagogische und didaktische Handeln, auf das die traditionellen Qualifizierungswege orientieren und die derzeit im Zentrum der aktuellen Professionalisierungsdebatte stehen, zunehmend durch weitere Aufgabenbereiche ergänzt und erweitert wird: Innovieren, Managen, Internationalisieren, Fördern, Beraten und Begleiten werden zum elementaren Bestandteil der Arbeit des Bildungspersonals und begründen die Forderung nach zunehmender Polyvalenz.

3.1  Bildungspersonal als Innovatoren

Mit dem Begriff der Innovation kann etwas grundsätzlich Neues oder aber die Anwendung von etwas Bekanntem in einem anderen Kontext gemeint sein – die Innovation steht immer im Zusammenhang zu den Ausgangsbedingungen einer bestehenden Situation. So sind z. B. Leistungspunktsysteme im Rahmen des Bologna-Prozesses inzwischen ein weitgehend bekanntes und etabliertes Instrument im Bereich der Hochschulen, für den Bereich der Berufsbildung in Deutschland jedoch etwas grundlegend Neues und Strukturveränderndes. Zudem ist jede Innovation immer ein „Ergebnis kreativer Akte, die in einem sozio-technischen System die Durchführung von Veränderungsprozessen ausgelöst haben“ (HAUSER 1990), wobei als Ergebnis des Innovationsprozesses Produktinnovationen (z. B. neue Bildungsgänge und –abschlüsse), Prozess- oder Verfahrensinnovationen (z. B. Verfahren der Anrechnung), Strukturinnovationen (Durchlässigkeit zwischen Bildungsbereichen) oder soziale Innovationen (Aufwertung informellen Lernens) vorliegen können.

Die Idee, Bildungspersonal als Innovatoren wahrzunehmen, ist keineswegs neu. So stellte bereits der Deutsche Bildungsrat 1970 neben Lehren, Erziehen, Beraten und Beurteilen das Innovieren als zentrale Aufgabe von Lehrerinnen und Lehrern heraus – auch die KMK hat diesen Kompetenzbereich 2004 wiederum formuliert. Gleiche Anforderungen werden gelegentlich auch im betrieblichen oder auch überbetrieblichen Kontext benannt, wobei die in vielen Betrieben häufig vorfindbare aufbauorganisatorische Trennung zwischen Ausbildungsabteilung und Personal- respektive Organisationsentwicklung (noch) zu Barrieren der Innovationstätigkeit führt. Letztendlich wird es aber bei der weiteren Umsetzung von Konzepten aus dem Kontext der „Lernenden Organisation“ (z. B. SCHREYÖGG/ NOSS 1995) und infolge eines Bedeutungsgewinns betrieblichen Lernens notwendig sein, auch das Bildungspersonal und auch Auszubildende stärker in Innovationsprozesse einzubinden.

Festzuhalten bleibt jedoch, dass das Bildungspersonal in allen Phasen des Innovationsprozesses eingebunden wird, d. h. in die Ideengenerierung, die Implementierung und letztendlich in die Routinisierung. Beispielsweise wirken Lehrkräfte als Innovatoren in der Schulentwicklung oder bei der Konzeption von Schulprofilen oder bei der Generierung neuer Bildungsangebote, aber auch im Kontext curricularer und didaktischer Arbeit im Rahmen der Implementierung neuer Reformmodelle (z. B. Lernfelder) oder Bildungsgangsarbeit (vgl. aktuell z. B. SLOANE/ DILGER/ KRAKAU 2008).

3.2  Bildungspersonal als Bildungsmanager und Netzwerker

Bildungsmanagement hat die Aufgabe, Lernprozesse auf individueller, organisationaler und interorganisationaler Ebene zu initiieren, zu begleiten und zu evaluieren bzw. entsprechende Instrumente zu implementieren und so die Effizienz und Effektivität von Aus- und Weiterbildung zu verbessern. Managementfunktionen wie Planung, Zielsetzung, Leitung, Lenkung, Steuerung, Gestaltung, und Organisation werden auf den Bereich der Berufsbildung angewendet, um somit zu einer gewissen Standardisierung und Qualitätssicherung zu kommen. Hierzu existieren eine Vielzahl von konzeptionellen Überlegungen, aber auch von konkrete Instrumenten und Verfahren (z. B. MERK 1992). Bildungsmanagement umfasst dabei Prozesse von der Bildungsbedarfsermittlung bis zur prozessbegleitenden und abschließenden Kontrolle.

Somit hat z.B. das Bildungsmanagement lernender Organisationen wie z. B. in Berufsbildenden Schulen, Ausbildungsbetrieben oder überbetrieblichen Bildungsstätten „die Aufgabe, innovationsfördernde Verhaltensdispositionen über subjektive (Mitarbeiter) und intersubjektive (Team-)Lernprozesse aufzubauen und als Ressource für die Organisation bereitzustellen“ (JAGENLAUF 1994, 111). Das bedeutet einerseits eine „Weiterbildung der Aus- und Weiterbildner zu Bildungsmanagern, die Organisationslernen diagnostizieren, planen, organisieren und umsetzen können“ (GEISSLER 1995, 57), andererseits aber auch eine Didaktisierung von Vorgesetztenfunktionen. Neben das Bildungsmanagement im engeren Sinne treten zunehmend Fragen der Qualitätssicherung und Evaluation (DÖRING/ SEVERING 2000).

Neben dieser Funktion wirkt das Bildungspersonal häufig in regionalen Netzwerken mit und wirkt somit z. B. auf die regionale Ausbildungsstruktur ein (vgl. z. B. DIETTRICH 2004). In Bezug auf die Bedeutung für die Berufsbildung und das lebenslange Lernen kann zwischen Netzwerken mit dem vorrangigen Zweck der Kompetenzentwicklung und Qualifizierung bzw. Netzwerken mit überwiegend sozialer und ökonomischer Zielsetzung unterschieden werden. Erstere werden „durch ihre Lern-, Qualifizierungs- und Bildungsausrichtung geprägt. Die Qualität des Lernens wird wesentlich durch neue Lernarrangements und Lernkulturen gestützt“ (DEHNBOSTEL/ MOLZBERGER/ OVERWIEN 2003, 49) – das Lernen für die beteiligten Akteure ist das explizite Ziel dieser Netzwerke, während in Netzwerken mit eher sozialer oder ökonomischer Zielsetzung die Lernprozesse der Akteure im Rahmen ihrer Netzwerkarbeit eher zufällig zustande kommen und in der Regel nicht intendiert sind.

Betrachtet man erstere Gruppe von Netzwerken etwas genauer, so können diese Netzwerke zum einen dazu dienen, verbesserte Bildungsangebote zu generieren. Netzwerke werden dabei als Organisationsform aufgefasst, die durch gemeinsame Kooperation und Koordination unterschiedlicher Netzwerkpartner z. B. zur Senkung von Transaktionskosten beiträgt, so dass auf regionaler Ebene ein verbessertes und stärker nachfrageorientiertes Bildungsangebot entwickelt werden kann (Organisationsdimension). Zum anderen können diese Netzwerke (Lerndimension) als Lernumgebung bzw. Lernform wahrgenommen werden, in der unterschiedliche Lernmethoden und Lernarten an unterschiedlichen Lernorten verbunden werden können: Somit stehen die Netzwerkakteure und ihre persönlichen bzw. beruflichen Interessen im Zentrum der Netzwerkarbeit. Das Bildungspersonal befasst sich somit mit der Bereitstellung von Bildungsangeboten in der Region, z. B. im Bereich der Berufsorientierung, andererseits wirkt es an Netzwerken mit dem Ziel der eigenen Qualifizierung bzw. der didaktischen Gestaltung und Steuerung, z. B. in der Rolle eines Netzwerkmoderators mit. Für beide Aufgaben sind wiederum Kompetenzen erforderlich, die in traditionellen Qualifizierungswegen häufig nicht explizit vermittelt werden.

3.3  Bildungspersonal als Wegbereiter der Internationalisierung

Im Rahmen von Globalisierung und Internationalisierung wird die Lebens- und Arbeitswelt geprägt durch internationalisierte Arbeitsprozesse und –bezüge, die Zunahme von Migrationsprozessen im Weltmaßstab, die zunehmende europäische Integration und die Möglichkeiten weltweiter Kommunikation und Kooperation. Diese Prozesse haben in erster Linie zur Folge, dass sich die Erwerbsbevölkerung, vor allem aber die heranwachsende Generation mit neuen, d. h. sich ständig verändernden Anforderungen konfrontiert sieht, die nur durch entsprechend konzipierte neue Bildungsangebote und die Ermöglichung entsprechender Lern- und Bildungsprozesse bewältigt werden können.

Lernende in der Aus- und Weiterbildung müssen die Möglichkeit erhalten, eine „internationale berufliche Handlungskompetenz“ zu erwerben, die sich auf der Grundlage von in der Allgemeinbildung erworbenen Basiselementen durch folgende Teilaspekte konstituiert: Berufsbezogene (und somit berufs- und fachspezifische) Fremdsprachenkenntnisse, berufsspezifische interkulturelle Kompetenz, internationale Fachkompetenz und berufsspezifische Medien- und Netzkompetenz (WORDELMANN 2000). Unabhängig davon, dass dieses Lernzielkonstrukt eher normativen Charakter hat und nur in Einzelfällen im Bildungssystem curricular in Form von Rahmenlehrplänen oder Ausbildungsordnungen verankert ist, belegen doch immer wieder Insellösungen, Branchenkonzepte oder öffentlich geförderte Pilotprojekte die Notwendigkeit und Attraktivität dieses Ansatzes, der über Konzepte des Interkulturellen Lernens weit hinausgeht (BORCH u.a.2003). In der Etablierung und Umsetzung entsprechender Lehr-Lernkonzepte zur internationalen beruflichen Handlungskompetenz kommt – auf der Mikroebene - wiederum dem Berufsbildungspersonal eine zentrale Bedeutung zu, d. h. das Bildungspersonal entwickelt die Lernkontexte für den Aufbau der internationalen beruflichen Handlungskompetenz. Dennoch hat das internationale Element in der Qualifizierung von Ausbildern und Ausbilderinnen oder Berufsschullehrern und –lehrerinnen nur eine sehr geringe Bedeutung.

Im Kontext der institutionalisierten Berufsbildung wirken sich Selbstkonzepte, Erfahrungen und Einstellungen von Ausbildern und Ausbilderinnen, z. B. zu Fragen der Internationalisierung oder Migration, direkt auf die Ausbildungssituation i. S. des konkreten Lernangebotes, der Qualität des Ausbildungshandelns oder auf die Werteentwicklung aus. Das Berufsbildungspersonal wirkt somit an der Schnittstelle zwischen gesellschaftlichen und betrieblichen Prozessen und den individuellen Entwicklungen der Lernenden in der Berufsbildung. Diese Schlüsselrolle wird zumindest im deutschen Berufsbildungssystem jedoch häufig nicht angemessen thematisiert bzw. unterstützt. Somit wirkt das Bildungspersonal einerseits hinsichtlich der Förderung von internationalen und interkulturellen Kompetenzen an den einzelnen Lernorten (z. B. DIETTRICH/ REINISCH 2005), andererseits aber auch an der Internationalisierung des Bildungssystems in Pilot- oder Entwicklungsprojekten mit, wie z. B. bei der Erprobung eines Leistungspunktesystems für die berufliche Bildung (MILOLAZA u.a. 2008). D. h. die Internationalisierung verändert Aufgaben und Funktionen des Bildungspersonals (FROMMBERGER/ REINISCH 2003).

3.4  Bildungspersonal als Förderer von Berufsorientierung und Integration

Die Zielgruppe der Lernenden in der Berufsbildung hat sich erheblich gewandelt und differenziert. Neben neuen Zielgruppen, wie z.B. perspektivisch zunehmend älteren Teilnehmern in der beruflichen Weiterbildung, ist einerseits zu beobachten, dass Jugendliche bei Beginn der Berufsausbildung heute im Durchschnitt deutlich älter sind als vor einigen Jahren und in der Regel einen höheren Schulabschluss besitzen. Andererseits existiert eine große Gruppe von Jugendlichen, denen es aufgrund ihrer Vermittelbarkeit (marktbenachteiligte Jugendliche), ihrer Eignung für bestimmte Berufe oder aufgrund ihnen attestierter mangelnder Ausbildungsreife nicht gelingt, nach Verlassen des Allgemeinbildungssystems eine berufliche Ausbildung zu beginnen. Hier sind erhebliche Anstrengungen – insbesondere auch des Bildungspersonals - notwendig, um diese Jugendlichen in das Bildungs- und Beschäftigungssystem zu integrieren und ihnen somit auch gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Nach Einschätzung von Experten dokumentiert sich mangelnde Ausbildungsreife, gemessen an der Qualifikation von Bewerbern auf einen Ausbildungsplatz, in Defiziten bezüglich Rechtschreibung (87%), Kopfrechnen (84%), Konzentrationsfähigkeit (80%), Prozentrechnung (77%), Grundrechenarten (72%), Durchhaltevermögen (72%), Sorgfalt (67%) und Höflichkeit (67%); andererseits verfügen Jugendliche heutzutage über Stärken bezüglich Grundkenntnissen IT (87%), Selbstsicherheit (61%), Grundkenntnissen in Englisch (57%), Kommunikationsfähigkeit (44%) und Teamfähigkeit (40%). Als Gründe für eine sinkende Bewerberqualifikation werden vor allem die Verschlechterung der familiären Situation und eine geringere Ausbildungsmotivation der Jugendlichen, aber auch geringere Kenntnisse über Berufs- und Arbeitswelt, eine defizitäre schulische Werte- und Wissensvermittlung und wachsende Anforderungen in der Berufs- und Arbeitswelt angeführt (GERICKE/ EBERHARD/ ULRICH 2006) Auffällig ist, dass den Jugendlichen jeweils fachliche und methodische bzw. soziale Kompetenzen als Defizit und Stärke zugewiesen werden – d. h. die Jugendlichen bringen im Durchschnitt nicht unbedingt weniger, sondern vor allem andere Kompetenzen in die Berufsausbildung mit ein.

Das Berufsbildungspersonal hat somit die (nicht neue) Aufgabe, die Jugendlichen auf Grundlage ihrer individuellen Kompetenzen so zu qualifizieren, dass sie den Anforderungen eines Ausbildungsberufs bzw. des ausbildenden Unternehmens entsprechen. Diesbezüglich wird häufig konstatiert, dass aufgrund der angedeuteten gesellschaftlichen Wandlungsprozesse die Individualität der Jugendlichen in zunehmend heterogenen Lerngruppen deutlich wird. Heterogenität zeigt sich bezüglich der schulischen und beruflichen Vorqualifikation, der zukünftig demographiebedingt notwendigen gemeinsamen Ausbildung in unterschiedlichen Ausbildungsberufen und Branchen, des kognitiven, physischen und psychischen Leistungsvermögens oder aufgrund von Internationalisierung und Migration (Sprache, kulturelle Herkunft). Die Heterogenität i. S. von Diversity verlangt vom Bildungspersonal das Angebot flexibler und individualisierter Lernformen und die Binnendifferenzierung der Lerngruppen. Somit steigen auch in dieser Hinsicht die Anforderungen an das Bildungspersonal, insbesondere wenn man bedenkt, dass wesentliche Ausbildungsleistungen in Betrieben von nebenamtlichen Ausbildern erbracht werden, die i. d. R. über keine formale berufspädagogische Qualifikation verfügen.

Zur Förderung, Differenzierung und Integration gehört zunehmend auch die Unterstützung bei der Berufsorientierung. Dieser Bereich hat sowohl im allgemeinbildenden Schulwesen als auch im berufsbildenden Bereich einen erheblichen Bedeutungsgewinn erfahren, nicht zuletzt aufgrund der individuellen und volkswirtschaftlichen Folgen abgebrochener oder misslingender Aus- und Weiterbildungen. Inzwischen wird Berufsorientierung sogar als ein „europäisches Megathema“ (HARTEL 2008) wahrgenommen und wird zunehmende Bedeutung bei der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern erfahren, bisher vor allem jedoch im Bereich der Sekundarstufe I. Berufsorientierung wird inzwischen durch umfassende Programme der Bundesagentur für Arbeit, der Länder oder auch des BIBB bzw. BMBF gefördert – so werden derzeit überbetriebliche Bildungsstätten darin unterstützt, berufsorientierende Angebote für Schüler in verschiedenen Berufsfeldern zu entwickeln und durchzuführen. Der Bedeutungsgewinn der Berufsorientierung impliziert für das Bildungspersonal neue Inhalte und Gegenstandsbereiche, z. B. im Rahmen des Berufswahlunterrichts (z.B. KLIPPERT 2007), neue Zielgruppen, aber auch neue eigene Arbeitsformen und Kooperationspartner, z. B. im Kontext regionaler Berufsbildungsnetzwerke.

3.5  Bildungspersonal als Kompetenzentwickler, Berater und Begleiter

Berufliche Lehr-Lernprozesse sollen zunehmend output- und kompetenzorientiert gestaltet werden. Unter Kompetenz kann in Anlehnung an den deutschen Bildungsrat die Befähigung des Einzelnen zu eigenverantwortlichem Handeln in privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Situationen gefasst werden. Sie ist somit an das einzelne Subjekt und die gesamte Lebenszeit eines Menschen gebunden (DEHNBOSTEL 2001) und dokumentiert sich z.B. im Rahmen beruflicher Handlungskompetenz in den Teilkompetenzen Fach-, Sozial-, Personalkompetenz sowie ‚querliegend‘ Methoden- und Lernkompetenz. Der Kompetenzbegriff impliziert eine Individualisierung beruflichen Lernens, die Verknüpfung von Lern- und Arbeitsprozessen, Subjektorientierung und berücksichtigt zudem informelles Lernen.

Kompetenzentwicklung ist ein Ergebnis von erfahrungsgeleiteten Handlungsprozessen des Subjekts und wird als Resultat der Wechselbeziehung zwischen Individuum und Umwelt begriffen. Sie führt zum Auf- und Ausbau der beruflichen Handlungskompetenz in der Auseinandersetzung mit Arbeit und Lern- und Arbeitsaufgaben, d.h. unter spezifischen Situations- bzw. Interaktionsbedingungen. Dagegen legt die Analyse und Erfassung von Kompetenzen den Fokus auf die Fragen der Kategorisierung und Ermittlung, wobei die sehr unterschiedlichen in diesem Kontext verwendeten Begriffe (Analyse, Bilanzierung, Diagnose, Erfassung, Messung, Nachweis, Profilierung von Kompetenzen u.a.) die begriffliche und auch methodisch-instrumentelle Vielfalt andeuten. Somit muss das Bildungspersonal einerseits in der Lage sein, Lernsituationen so zu gestalten, dass der Erwerb von Handlungskompetenz möglich ist, andererseits sind analytische und diagnostische Fähigkeiten auch im Sinne von Prognostik (Verbesserung von Berufsorientierung und Employability) zu stärken.

Vor dem Hintergrund konstruktivistischer Überlegungen zum Lernen und Lehren und der Akzentuierung selbstgesteuerter Lernprozesse wird in diesem Kontext häufig ein neues Rollenbild des Bildungspersonals gefordert, dass sich mit dem Slogan „vom Unterweiser zum Lernberater“ charakterisieren lässt. Zu den Aufgaben eines Lernberaters gehört die Beratung der Lernenden bezüglich selbstgesteuerter Lernwege, die Förderung der Reflexion von Erfahrungen, das Coaching des Lernenden, die Gestaltung von Lernumgebungen und die Gestaltung von Wissensarbeit und Kompetenzinventarisierung – somit scheint es sich um einen Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung der Ausbilderrolle und im Selbstverständnis von Ausbildern und Ausbilderinnen zu handeln (BAUER u.a. 2006). Allerdings greift die Zuspitzung auf eine neue Rolle des Bildungspersonals deutlich zu kurz – die Übernahme von Aufgaben der Lernprozessberatung und –begleitung, aber auch von weiteren Beratungsaufgaben, z. B. in der Berufsorientierung, erfordert vielmehr eine stärke Ausdifferenzierung der Tätigkeit des Bildungspersonals und entsprechende Rollenpluralität (BAHL/ DIETTRICH 2008). Dennoch haben sich in einzelnen Branchen und Bildungsbereichten elaborierte Konzepte der Lernberatung und –begleitung weitgehend durchgesetzt (wie z.B. im IT-Bereich) und zu einer neuen Schwerpunktsetzung in der Tätigkeit des (Weiter-)Bildungspersonals geführt.

4.  Perspektiven zwischen Polyvalenz und Professionalisierung

Was bedeuten die hier angedeuteten, z.T. neuen, z.T. neu akzentuierten Anforderungsbereiche für das Bildungspersonal an den unterschiedlichen Lernorten? Es wird deutlich, dass die Komplexität bezüglich der Aufgaben des Bildungspersonals tatsächlich einen Spagat impliziert: Eine Professionalisierung in einem Aufgabenbereich muss zu einer Vernachlässigung anderer führen, eine breite Qualifikation und Aufgabenschneidung des Bildungspersonals unter entsprechenden Polyvalenzforderungen führt dazu, dass professionelles Handeln nicht in allen Bereichen möglich sein wird. Somit geht es um den Zusammenhang zwischen Spezialisierung und Generalisierung in der Ausbildung und Weiterbildung des Bildungspersonals und damit letztendlich auch von polyvalent auszubildenden Berufs- und Wirtschaftspädagogen.

Dieses Dilemma lässt m. E. nur drei mögliche Professionalisierungsstrategien zu. Diese Strategien, die ihrerseits jedoch nicht isoliert voneinander betrachtet werden dürfen, lassen sich als

•  „Professionalisierung durch neue Rollenwahrnehmung und -differenzierung“, als

•  „Professionalisierung durch Fortbildung und Qualifizierung“ und als

•  „Professionalisierung durch verbesserte Lernortkooperation und -vernetzung“

kennzeichnen (vgl. DIETTRICH 2008a). Allerdings soll der Begriff der Professionalisierungsstrategie soll nicht implizieren, dass das berufliche Bildungspersonal derzeit wenig professionell arbeitet, sondern andeuten, dass aufgrund der oben skizzierten Anforderungen und Trends, veränderter gesellschaftlicher und betrieblicher Rahmenbedingungen und entsprechend erweiterter Arbeitsanforderungen, das Tätigkeitsfeld des Bildungspersonals aufgewertet und mit diesen Entwicklungen Schritt halten muss.

Die Professionalisierung durch neue Rollenwahrnehmung und –differenzierung impliziert nicht den Wechsel von einer Rolle in eine andere: Das Bildungspersonal übernimmt unterschiedlichste Rollen als Fachexperte, Berater, Erzieher, Lernprozessbegleiter, Mentor, Coach, Prüfer, Partner der Auszubildenden usw., wobei diese unterschiedlichen Rollenerwartungen zu Überforderungen und (Rollen-)Konflikten führen können. Versteht man berufliche Ausbildung als Beginn des beruflichen lebenslangen Lernens, müssen Lehrende vor allem auch Experten für Lernprozesse bzw. Lernbegleitung und die Unterstützung der Auszubildenden bei der Entwicklung ihrer eigenen Lernkompetenz sein. In diesem Kontext kommt es auch zu einer Neubewertung curricularer und didaktischer Arbeit. Dem Spagat zwischen fachbezogener Ausbildertätigkeit und entsprechenden Betreuungs- und Beratungsaufgaben könnte einerseits durch eine umfassende diesbezügliche Qualifizierung des Ausbildungspersonals Rechnung getragen werden, andererseits durch eine Aufgabentrennung und unterschiedliche „Typen“ von Ausbildern, z. B. durch die Unterscheidung in „Fachausbilder“ und „Betreuungsausbilder“ (RÖBEN 2005). Vor diesem Hintergrund erfolgt eine Professionalisierung des Berufsbildungspersonals durch das Explizieren der individuellen, differenzierten Rollenerwartungen und das Reflektieren entsprechender Konfliktpotentiale und die individuelle Entwicklung von Rollenidentitäten, -differenzierungen durch Qualifizierung und Unterstützung des Bildungspersonals.

Vor dem Hintergrund dieser Rollenpluralität besteht die Notwendigkeit zur Professionalisierung durch Fortbildung und Qualifizierung, sowohl im Bereich der berufsbildenden Schulen – hier insbesondere in der Lehrerweiterbildung – als auch in der betrieblichen Bildung. Die rudimentäre Basisqualifizierung gemäß AEVO ist zu ergänzen durch Fort- und Weiterbildungsangebote. So steigt einerseits das Interesse des Berufsbildungspersonals an hochschulischen Qualifizierungsangeboten, andererseits existiert mit dem neuen Fortbildungsberuf „Berufspädagoge (IHK)“ ein interessantes Weiterbildungskonzept, das wesentliche neue Anforderungen an das Bildungspersonal in seinem didaktischen Konzept berücksichtigt und zu einem anerkannten IHK-Abschluss führt.

Neben dieser formalen Fortbildung sind jedoch auch regelmäßige informelle Weiterbildungsformen notwendig und sinnvoll, z. B. ein organisierter Erfahrungsaustausch und eine entsprechende Reflexion des eigenen Handelns. Es hat sich gezeigt, dass diese informellen Lerngruppen besonders erfolgreich sind, wenn sie zwischenbetrieblich und lernortübergreifend organisiert und professionell begleitet werden (DIETTRICH/ JAHN 2008). Insbesondere in diesen Gruppen bietet es sich auch an, Fragen der Allgemeinbildung mit Fragen der Berufsbildung zu verknüpfen bzw. berufspädagogisches Handeln mit der notwendigen Entwicklung von Konzepten zur sozialpädagogischen Betreuung oder der Werteerziehung zu verknüpfen.

Hier setzt auch die Strategie zur Professionalisierung durch verbesserte Lernortkooperation und -vernetzung an: Den Herausforderungen in der beruflichen Bildung kann nur durch ein Zusammenwirken der beteiligten Akteure und durch eine Vernetzung der Institutionen wirkungsvoll begegnet werden. Notwendig ist eine Institutionalisierung der Lernortkooperation und die Entwicklung lernortübergreifender Lehr-Lernarrangements, beispielsweise auch zur Integration politischer Fragen in die Berufsbildung oder zur lernortübergreifenden Entwicklung internationaler beruflicher Handlungskompetenz. Wichtig ist zudem die Nutzung von Flexibilisierungseffekten durch neue Aufgabenverteilung zwischen den Lernorten auch aufgrund des demographischen Faktors (DÖRING/ SEVERING 2000). Hierzu gehört insbesondere auch die Förderung von Jugendlichen, die bisher nicht den Sprung in die Berufsausbildung schaffen oder die kollektive oder regionale Entwicklung von Strategien zum Umgang mit der zunehmenden Heterogenität der Lernenden. Da das Berufsbildungspersonal bzw. der einzelne Ausbilder viele der hier nur angedeuteten Herausforderungen nicht mehr allein bewältigen kann, sind inner- oder zwischenbetriebliche, lernortübergreifende oder regionale Netzwerke weiterzuentwickeln, die eine weitere Professionalisierung des Bildungspersonals durch die Möglichkeit kooperativer und arbeitsteiliger Zusammenarbeit unterstützen.

Die drei hier angedeuteten Professionalisierungsstrategien werden bisher keineswegs in der Berufsbildung in der Breite umgesetzt und entsprechend unterstützt und gefördert. Wenn aber – wie so häufig konstatiert – in der Wissensgesellschaft Kompetenzen und Qualifikationen des Bildungspersonals für die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung von entscheidender Bedeutung sind und gleichzeitig Defizite und Problembereiche bekannt sind, besteht sowohl weiterer gesellschaftlicher und politischer Handlungsbedarf als auch Forschungsbedarf. Somit ist zu hoffen, dass sowohl die Vielzahl der emprischen Forschungsarbeiten, z.B. im Kontext der Lehrerbildungsforschung, aber auch die Ergebnisse eher qualitativ ausgerichteter Forschungs- und Entwicklungsprojekte nicht nur zur weiteren Erkenntnis der Problematik bezüglich Professionalität und Polyvalenzansprüchen des Bildungspersonals führt, sondern auch zu einer (weiteren) Umsetzung dieser Erkenntnis in der Praxis der Förderung und Qualifizierung des Bildungspersonals.

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zuletzt gespeichert am: 13.01.2009 7:01 PM

 

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