An- und Ungelernte sind nach wie vor eine Problemgruppe des Arbeitsmarkts. Es ist zu erwarten, dass sich ihre Lage in den nächsten Jahren noch verschlechtern wird, da viele einfache Arbeitsplätze wegfallen und die Anforderungen auch im Bereich der Einfachen Arbeit steigen. Zudem konkurrieren An- und Ungelernte auch im Bereich einfacher Tätigkeiten in den letzten Jahren zunehmend mit formal Qualifizierten – einerseits aufgrund des Mangels an Arbeitsplätzen im mittleren Qualifikationssegment, andererseits aufgrund der von betrieblicher Seite mit einem Berufsabschluss verbundenen Signalwirkung (vgl. HIEMING et al. 2005 ).
Daher ist gerade für die Gruppe der An- und Ungelernten eine bedarfsgerechte Qualifizierung arbeitsmarktpolitisch von zentraler Bedeutung. Entsprechende Qualifizierungskonzepte müssen betriebsorientiert und passgenau sein. Mit dem Sonderprogramm „ We iterbildung Ge ringqualifizierter und b eschäftigter älterer A rbeitnehmer in U nternehmen“ (WeGebAU) der Bundesagentur für Arbeit (BA) existiert auch ein Förderinstrumentarium, das zum Ziel hat Arbeitslosigkeit zu verhindern und auf die besonders gefährdete Gruppe der geringqualifizierten und älteren Arbeitnehmer fokussiert.
Im vorliegenden Beitrag wird die aktuelle Entwicklung zum WeGebAU-Programm der BA als bundesweiter Ansatz den Ergebnissen einer explorativen Analyse zu aktuellen betrieblichen Bedarfen und zukünftigen Qualifikationsanforderungen an An- und Ungelernte in der Metropolregion Nürnberg gegenübergestellt. So können Hinweise gewonnen werden im Hinblick auf weiteren gesamtwirtschaftlichen als auch regionalen Handlungsbedarf, um zu einer wirksamen Prävention vor Arbeitslosigkeit beitragen zu können.
Im ersten Schritt soll analysiert werden, wie sich die gegenwärtige Situation für An- und Ungelernte auf dem Arbeitsmarkt darstellt und welchen Veränderungen sie sich gegenübersehen. Daraus kann abgeleitet werden, welcher Qualifikationsbedarf erforderlich ist, um diese Personengruppe langfristig gute Beschäftigungschancen zu gewährleisten. Abschließend soll überlegt werden, ob dieser qualifikatorische „Soll-Zustand“ angesichts der Voraussetzungen, die diese Personengruppe mitbringt, realisierbar erscheint.
Grundsätzlich ist bekannt, dass Menschen mit schlechten Bildungsvoraussetzungen große Probleme auf dem Ausbildungs- bzw. Arbeitsmarkt haben bzw. ein überdurchschnittlich hohes Arbeitslosigkeits- und Armutsrisiko tragen. Dies ist zum einen damit zu begründen, dass dieser Personengruppe attestiert wird, nur über wenige arbeitsmarktrelevante Qualifikationen zu verfügen. Zum anderen wird die Problematik durch die sich stetig und in immer geringeren Zeitabständen wandelnden und steigenden Anforderungen an Arbeitnehmer – auch im Bereich Einfach- und Anlernarbeitsplätze – verschärft.
Ablesen lässt sich das skizzierte Arbeitslosigkeitsrisiko z. B. an der seit Jahren ansteigenden Quote arbeitsloser Erwerbspersonen ohne berufliche Ausbildung: Waren 1991 noch 14,5 Prozent dieser so genannten Geringqualifizierten arbeitslos, lag diese Quote 2004 bei ca. 22 und im Jahr 2005 bei 26 Prozent und überstieg damit die Arbeitslosenquote von Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung (9,7 Prozent) fast um das Dreifache (vgl. REINBERG/ HUMMEL 2007 , 5).
Das besonders hohe Risiko von Langzeitarbeitslosigkeit, dem Geringqualifizierte unterliegen, verschärft diese Problematik weiter, da sich mit der Dauer der Arbeitslosigkeit die Integrationschancen immer weiter verringern: Zum einen geht Langzeitarbeitslosigkeit einher mit zunehmender Verunsicherung, Perspektivlosigkeit, Resignation, Inaktivität etc., wie Studien zu Ursachen, Ausmaß und sozialen Folgen unsicherer Beschäftigungsverhältnisse belegen (vgl. BRINKMANN/ DÖRRE/ RÖBENACK 2006 ). Mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit verschleißen jedoch außerdem auch formale Qualifikationen und individuelle Kompetenzen, darüber hinaus sinkt die Arbeitsmarktrelevanz vorhandener Wissens- und Kompetenzbestandteile aufgrund geringerer Halbwertzeit des Wissens und sich verändernder beruflicher Rahmenbedingungen. Zurückzuführen ist die beschriebene Entwicklung und die damit einhergehenden steigenden Anforderungen auf den derzeitigen gesellschaftlichen und technologischen Wandel von der Produktions- zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft. Dieser geht einher mit einer Zunahme der Komplexität, Abstraktheit und Veränderungsgeschwindigkeit von Arbeitsabläufen. Unter diesen Rahmenbedingungen steigt die Bedeutung prozeduralen und strategischen Wissens. Dieses bedarf jedoch einer dauerhaften Erneuerung und Weiterentwicklung im Arbeitskontext. Dagegen sinkt die Relevanz des in der Jugend bzw. der Ausbildungsphase vermittelten (Fakten- und Bestands-)Wissens, da es nur noch eine geringe Halbwertzeit aufweist und nicht mehr für eine gesamte Berufskarriere ausreicht.
Aber auch wenn die Personengruppe im Arbeitsmarkt integriert ist, hat sie aufgrund ihres erschwerten Zugangs zu betriebsinterner oder externen Weiterbildungen Nachteile. Hochschulabsolventen nehmen im Vergleich zu Beschäftigten ohne Berufsabschluss fast viermal häufiger an Kursen und Lehrgängen teil (vgl. KMK/ BMBF 2008 , 138). „Somit ist das in vielen Arbeitsfeldern geforderte permanente Upskilling nicht zu erfüllen. Das bedeutet auch, dass die Arbeitsverhältnisse der Betroffenen prekär sind und sie bei Umstrukturierungen gefährdeter sind als andere, den Arbeitsplatz zu verlieren.“ ( BERNDL/ RATH 2006 , 13).
Ein Blick auf die Beschäftigungssituation Geringqualifizierter verdeutlicht den Handlungsbedarf, der hinsichtlich einer verstärkten Qualifizierung dieser Zielgruppe besteht: So gingen im Jahr 2004 zwar ca. 3 Mio. Personen ohne Berufsabschluss einer beruflichen Tätigkeit nach, jedoch waren auch knapp 1,5 Mio. Geringqualifizierte bundesweit ohne Arbeit und stellten damit knapp 35 % aller Arbeitslosen. In Westdeutschland war jede fünfte, im Osten sogar jede zweite Erwerbsperson ohne Berufsabschluss arbeitslos. Dabei ist zusätzlich zu beachten, dass von den Erwerbstätigen ohne Berufsabschluss je nach Datenlage zwischen 20 und 40 Prozent nur geringfügig beschäftigt sind und diese geringfügige Beschäftigung für viele der einzige Job ist (vgl. REINBERG/ HUMMEL 2005 , alle Zahlen für 2004).
Untersucht man die Beschäftigungssituation von Geringqualifizierten detailliert und versucht auf Basis der Daten der vergangenen Jahre und aktueller Entwicklungen eine Prognose abzugeben, müssen insbesondere zwei gesamtwirtschaftliche Trends in die Analyse einbezogen werden: Zum einen der absolute Verlust von Arbeitsplätzen in den letzten Jahren und zum anderen die Tertiärisierung der Beschäftigungsverhältnisse – also vom Landwirtschafts-, Produktions- und Industrie- hin zum Dienstleistungssektor.
Besonders deutlich werden die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf Geringqualifizierte beim Blick auf das produzierende Gewerbe: Vor ca. 20 Jahren arbeiteten noch über die Hälfte aller Geringqualifizierten in diesem Bereich und der Anteil Geringqualifizierter im produzierenden Gewerbe überstieg den Anteil der übrigen Beschäftigten – dieser Wirtschaftszweig war damit für Geringqualifizierte der mit Abstand wichtigste Arbeitgeber. Zwar sind auch heute noch mehr Geringqualifizierte im produzierenden Gewerbe tätig als in anderen Wirtschaftsgruppen (im Jahr 2002 37 Prozent, das entspricht gut 1,9 Mio. Personen), jedoch ist die Beschäftigung Geringqualifizierter in diesem Wirtschaftsbereich erheblich zurückgegangen: Allein von 1980 bis 1995 kam es zu einem Beschäftigungsrückgang von 46,1 Prozent, wobei diese Tendenz auch derzeit noch anhält. Der Anstieg der Qualifikationsanforderungen hat also mittlerweile dazu geführt, dass An- und Ungelernte nur noch 20 Prozent der Beschäftigten in diesem Sektor ausmachen, der damit als Arbeitgeber für Geringqualifizierte immer weiter an Bedeutung verliert.
Eine Zunahme der Beschäftigung Geringqualifizierter kann dagegen noch im Dienstleistungssektor festgestellt werden. Besonders hervorzuheben sind hier vor allem der Beschäftigungszuwachs in den Bereichen haushalts-/personenbezogene und unternehmensnahe Dienstleistungen, letzteres beispielsweise mit einem Anstieg um 43,7 Prozent von 1980 bis 1995 und 19,2 Prozent von 1999 bis 2002 (vgl. HIEMING et al. 2005 , 23ff). Eine Analyse der Beschäftigungsentwicklung Geringqualifizierter nach Wirtschaftszweigen (für Westdeutschland) verdeutlicht diese Verschiebungen zugunsten des Dienstleistungsbereichs. Im Zeitraum von 1999 bis 2002 sind vor allem in folgenden Wirtschaftszweigen positive Tendenzen erkennbar (vgl. ebd., 27ff):
Nachrichtenübermittlung (+31,2 Prozent)
Vermietung beweglicher Sachen ohne Bedienungspersonal (+21,9 Prozent)
Datenverarbeitung und Datenbanken (+29,5 Prozent)
Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen (+19,6 Prozent)
Kultur, Sport und Unterhaltung (+13,3 Prozent)
Betrachtet man die Top-10-Einsatzfelder für Geringqualifizierte (in Westdeutschland für das Jahr 2002), wird deutlich, dass ungeachtet der skizzierten Entwicklungen die „klassischen“ Tätigkeitsfelder für An- und Ungelernte weiterhin von großer Bedeutung sind:
Tabelle 1: Top-10-Einsatzfelder für Geringqualifizierte (vgl. ebd., 32ff)
1. Raum-/Hausratreiniger |
6. Verkäufer |
2. Lager-/Transportarbeiter |
7. Koch |
3. Bürofachkraft |
8. Metallarbeiter o. n. A. |
4. Hilfsarbeiter o. n. A. |
9. Warenaufmacher |
5. Kraftfahrzeugführer |
10. Kunststoffverarbeiter |
Zu den Berufen mit dem stärksten absoluten Beschäftigungswachstum in dieser Auflistung zählten Hilfsarbeiter, Raum-/Hausratsreiniger und Lager-/Transportarbeiter.
Unabhängig von sektoralen Verschiebungen und dem allgemeinen Rückgang von Beschäftigungsmöglichkeiten insbesondere im Bereich klassischer Hilfstätigkeiten haben sich auch bestehende Einfacharbeitsplätze verändert: Viele Unternehmen haben auf die Anforderungen der Globalisierung der Märkte und die damit einhergehende Konkurrenz reagiert und ihre Produktionsabläufe reorganisiert, um diese zu beschleunigen (geringere Wechselzeiten, just-in-time-Produktion etc.) und zu flexibilisieren (kleinere Losgrößen und höhere Variantenzahlen). Dabei erfolgte eine Abkehr von tayloristisch arbeitsteiligen Strukturen mit Einzelarbeitsplätzen hin zu komplexen prozessbezogenen Arbeitsumgebungen, die häufig mit der Arbeit in Gruppen bzw. (z. T. wechselnden) Teams einhergehen (vgl. DAUSER 2003 , 20).
„Durch den Strukturwandel der Erwerbsarbeit, neue Produktionskonzepte, veränderte Dienstleistungsansprüche, neue Formen der Arbeitsorganisation etc. sind auch einfache Tätigkeiten anspruchsvoller geworden“ ( ZELLER/ RICHTER/ DAUSER 2004 , 18).
Erledigten An- und Ungelernte – gerade im verarbeitenden und produzierenden Gewerbe – früher häufig manuelle Tätigkeiten, hat die fortschreitende Automatisierung und Computerisierung der Produktion zu komplexeren und vielfältigeren Arbeitsanforderungen auf allen Hierarchieebenen geführt, die auch den Bereich Einfache Arbeit betreffen. Zusätzlich bringen auch produktionsbegleitende Prozesse (Qualitätssicherungsprozesse, erhöhte Sicherheitsanforderungen etc.) erweiterte Handlungs- und Entscheidungsspielräume mit sich und erfordern zum einen das Verstehen und Anwenden von Grundlagenwissen und zum anderen verstärkte (häufig schriftliche und/oder elektronische) Kommunikation.
War einfache Arbeit also bislang durch unselbständige, eindimensionale und isolierte Ausführung sich stetig wiederholender Arbeitshandlungen gekennzeichnet, sind die Qualifikationsanforderungen an Beschäftigte in diesem Bereich mittlerweile deutlich gestiegen – Tätigkeiten von An- und Ungelernten zeichnen sich heute durch Mitverantwortung, wachsende Komplexität und arbeitsplatzübergreifende Kooperation aus. An- und ungelernte Mitarbeiter benötigen deshalb in den modernen Arbeitsumgebungen fachliche, prozessuale und persönliche Kompetenz, d. h. die Anforderungen an das Fachwissen steigen und die Mitarbeiter müssen in der Lage sein, angemessen mit ihrer Arbeitsumgebung zu interagieren und kommunizieren sowie ihre (Teil-) Prozesse aktiv und kompetent zu managen.
Die beschriebenen quantitativen und qualitativen Veränderungen im Bereich Einfacher Arbeit verdeutlichen die Notwendigkeit, die Qualifizierung An- und Ungelernter in den Blick zu nehmen – und zwar nicht nur aufgrund der normativen bildungspolitischen Zielsetzung von gesellschaftlicher Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen, sondern vor allem auch wegen des betrieblichen Bedarfs an qualifizierten Fachkräften und den veränderten Rahmenbedingungen einfacher Arbeit.
Das Qualifizierungspotenzial Geringqualifizierter verdeutlicht ein Blick auf die Voraussetzungen dieser Zielgruppe: So besitzen lediglich 13 Prozent aller nicht formal qualifizierten Erwerbspersonen keinen allgemein bildenden Schulabschluss. Während der weitaus größte Teil (67 Prozent) über den Hauptschulabschluss verfügt, haben 13 Prozent die Mittlere Reife und sieben Prozent sogar das Abitur (vgl. REINBERG 2003 , 1653). Damit sind die Grundlagen für eine Weiter-/Höherqualifizierung durchaus gegeben. Zudem zeigt eine repräsentative Befragung im Auftrag der BA, dass 79 Prozent der Unternehmen die Weiterbildung von gering qualifizierten Mitarbeitern als wichtig erachten (vgl. BA 2008 ).
Trotzdem nehmen Geringqualifizierte deutlich weniger an beruflicher Weiterbildung teil als andere Beschäftigtengruppen: So nahmen 2003 nur elf Prozent der Personen ohne Berufsabschluss (bzw. 13 Prozent der Erwerbstätigen ohne Berufsabschluss) an beruflicher Weiterbildung teil, bei den Hochschulabsolventen lag diese Quote dagegen bei 44 Prozent (vgl. BMBF 2006 , 110). In der aktuellen Untersuchung für den Zeitraum 1997-2007 kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass sich die Beteiligungsmuster mit erheblichen sozialen Disparitäten verfestigt haben, egal ob man die Teilnehmer nach Schulabschluss, beruflicher Bildung oder beruflichem Status gruppiert (vgl. KMK/ BMBF 2008 , 138). Hier stellt sich die Frage nach den Gründen für diese deutlichen Unterschiede – neben fehlendem Interesse an Weiterbildung kommen hier insbesondere ein im Vergleich zu anderen Gruppen schlechterer Zugang zu Weiterbildung und/oder ein Mangel an passenden Angebote als Ursache in Betracht.
Die beschriebenen Rahmenbedingungen und Entwicklungen machen deutlich, dass An- und Ungelernte am Arbeitsmarkt benachteiligt sind. Sie arbeiten oft unter prekären Beschäftigungsverhältnissen, sind überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen und stellen mehr als die Hälfte aller Langzeitarbeitslosen. Verstärkt wird diese Entwicklung durch den Abbau von Hilfs-/Einfacharbeitsplätzen und dem Trend zu steigenden Anforderungen auch im Bereich Einfacher Arbeit.
Ein Blick auf Bildungsvoraussetzungen und Weiterbildungsbeteiligung dieser Personengruppe zeigt aber auch, dass hier durchaus Qualifizierungspotenziale vorliegen, die es zu entwickeln gilt. Die Unternehmen haben dies bereits erkannt, allerdings liegt eine deutliche Lücke zwischen der Erkenntnis, dass stärker An- und Ungelernte gefördert werden müssten und den tatsächlichen Investitionen gemessen an den Beteiligungsraten (vgl. BA 2008 ). Vor diesem Hintergrund scheint eine stärkere Unterstützung sowohl von Unternehmen mit an- und ungelernten Mitarbeitern als auch der Betroffenen selbst bei der beruflichen Qualifizierung notwendig und sinnvoll. Dazu bedarf es jedoch passgenauer Lösungen, die praxisnah und bedarfsorientiert ausgestaltet sind. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, soll zunächst ein exemplarischer Blick auf die betrieblichen Anforderungen an diese Zielgruppe in einer konkreten Region geworfen werden.
Im Rahmen des seit 2006 am Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) laufenden und vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie geförderten Projekts „Best Practice in der Qualifizierung An- und Ungelernter“ wurden im Rahmen einer explorativen Studie in der Metropolregion Nürnberg aktuelle betriebliche Bedarfe und zukünftige Qualifikationsanforderungen an An- und Ungelernte erhoben. Ziel war es, Qualifizierungsfelder bzw. -konzepte für An- und Ungelernte zu identifizieren, die den Bedarfslagen der Betriebe entsprechen, um darauf aufbauend entsprechende Best-Practice-Beispiele zu identifizieren und systematisch aufzubereiten (vgl. dazu und im Folgenden KOHL 2007 , 7ff). Dazu wurden im zweiten Halbjahr 2006 Stellenanzeigen und Interviews mit Personalverantwortlichen von Unternehmen der Metropolregion Nürnberg ausgewertet.
Für die im ersten Schritt der Bedarfsanalyse vorgesehene Auswertung von Stellenangeboten wurden Daten aus zwei Quellen genutzt: Zum einen wurden 474 zwischen Juni und August 2006 in Nürnberger Zeitungen erschienene Stellen analysiert, die sich auf 13 Berufsfelder im Bereich der Geringqualifizierten verteilen. Die Auswahl dieser Stellenangebote erfolgte dabei nicht anhand spezifischer Berufsgruppen, sondern einziges Kriterium war, dass sie sich an Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung richten. So wurde eine branchenübergreifende Sammlung an Stellenangeboten für An-/Ungelernte gewährleistet.
Zum anderen wurden Ende August 117 Stellenangebote für ausgewählte Berufe in drei Berufsfeldern aus dem Online-Angebot der BA gefiltert, um diese einer detaillierteren Analyse zu unterziehen. Hierzu wurden aus den Berufsfeldern
Ernährungsberufe,
Verkehrs- und Lagerberufe sowie
Friseure, Gästebetreuer, Hauswirtschafter, Reiniger
die für die Zielgruppe der An- und Ungelernten interessanten Stellenangebote als Speisenbereiter, Lager-, Transportarbeiter, Kommissionierer, Staplerfahrer sowie Reinigungs- oder Servicekraft herausgefiltert und auf spezifische fachliche bzw. überfachliche Anforderungen, die sie an potentielle Bewerber stellen, quantitativ ausgewertet.
Bei der Untersuchung wurden aus den Stellenangeboten fachliche und überfachliche Anforderungen an Geringqualifizierte herausgefiltert, um so Aufschlüsse darüber zu erhalten, welche Bedarfe die annoncierenden Unternehmen im Hinblick auf diese Zielgruppe ausweisen.
Ein Blick auf die überfachlichen Anforderungen zeigt sich, dass die in 74 Print-Anzeigen angeführte Schichtbereitschaft (15,6 Prozent) die mit Abstand dominierend ist. An zweiter Stelle folgt mit insgesamt 62 Nennungen (13,1 Prozent) eine zu „Arbeitstugenden“ aggregierte Kategorie, die sich aus den Charaktereigenschaften Zuverlässigkeit (dominierend mit 33 Nennungen, 7 Prozent), Flexibilität (16 Nennungen, 3,4 Prozent), Belastbarkeit (11 Nennungen, 2,3 Prozent) und Ehrlichkeit (zwei Nennungen, 0,4 Prozent) zusammensetzt. Mit 47 Nennungen (9,9 Prozent) dritthäufigste Anforderungen ist das Kriterium Mobilität, welches die in den Anzeigen aufgeführten Kriterien „Mobilität, „geeignet für wechselnde Einsatzorte“, „eigener PKW“ und „Führerschein“ zusammenfasst, gefolgt von der Beherrschung der deutschen Sprache mit insgesamt 39 Nennungen (8,2 Prozent), wobei nur in sieben Fällen (1,5 Prozent) explizit „Deutsch in Wort und Schrift“ gefordert wird. Weiterhin von Bedeutung sind von Arbeitgeberseite getroffene Einschränkungen, die sich auf die Personenmerkmale Geschlecht bzw. Alter beziehen: In 27 Fällen (5,7 Prozent) wird „weiblich“ als einschränkendes Kriterium verwendet, in 17 Anzeigen (3,6 Prozent) werden Altersgrenzen vorgegeben. Eine deutlich untergeordnete Rolle spielt dagegen die Forderung von PC-Kenntnissen, die nur neun Nennungen (1,9 Prozent) verzeichnen kann. Die vielfach als Grundvoraussetzung geltende Kulturtechnik Computer- bzw. Medienkompetenz scheint für Geringqualifizierte aus Sicht der Stellen ausschreibenden Unternehmen nicht unbedingt erforderlich.
Eine Untersuchung der fachlichen Qualifikationsanforderungen nach den einzelnen Berufen macht deutlich, dass die überwiegende Anzahl von Unternehmen auf die Angabe von fachlichen Qualifikationsanforderungen jenseits der Berufsbezeichnung verzichtet und stattdessen nur die genauere Stellenbeschreibung bzw. den Einsatzbereich angibt. Lediglich die Fahr- und Lagerberufe bildeten hier eine Ausnahme: In diesen war häufig der Führerschein Klasse B/C/E bzw. ein Gabelstaplerschein Voraussetzung.
Tabelle 2: Beispiele für fachliche Qualifikationsanforderungen in Fahr-/Lagerberufen (vgl. KOHL 2007 , 9f)
Beruf |
Fachliche Qualifikationsanforderungen |
LKW-Fahrer |
Die Führerscheinklasse CE wird von 42 Unternehmen (79,2%) vorausgesetzt. Des Weiteren werden als Anforderungen genannt: Erfahrung mit Sattelzügen 21-mal (39,6%), im Fernverkehr 11-mal (20,8%) und mit Wechselbrücken 8-mal (15,1%). Der ADR-Schein wird 5-mal (9,4%) verlangt, 4-mal (7,5%) wird Erfahrung im internationalen Fernverkehr und 3-mal (5,7%) Erfahrung mit WAB gefordert. |
Lagerarbeiter allgemein |
In 14 Anzeigen (41,2%), wird ein Staplerschein als fachliche Qualifikation vorausgesetzt. Eine untergeordnete Rolle spielen Berufserfahrung und PC-Kenntnisse mit zwei (5,9%) bzw. einer (2,9%) Nennung. |
PKW-Fahrer |
Ein Führerschein Klasse B wird von acht (33,3%), Klasse C von zwei Unternehmen (8,3%) vorausgesetzt. Außerdem werden noch der Personenbeförderungsschein zweimal (8,3%) und Erfahrung im Obstgroßhandel und Frischdienst einmal (4,2%) gefordert. |
Auch bei den 117 untersuchten Online-Stellenangeboten für An- und Ungelernte in den Berufsfeldern Ernährungs-, Verkehrs- und Lagerberufe sowie Friseure, Gästebetreuer, Hauswirtschafter, Reiniger dominieren im überfachlichen Bereich die gleichen vier Anforderungsfelder wie bei den Print-Ausschreibungen, wobei die wieder aggregierte Kategorie „Arbeitstugenden“ hier mit 77 Nennungen (65,8 Prozent) hier auf Platz 1 liegt, gefolgt von „Mobilität“ (34 Nennungen, 29,1 Prozent), „Deutschkenntnissen“ (25 Nennungen, 21,4 Prozent) und lediglich auf dem vierten Rang „Schichtbereitschaft“ mit 10 Nennungen (8,5 Prozent).
Eine Untersuchung der fachlichen Qualifikationsanforderungen in den sechs untersuchten Berufen zeigt, dass auch bei diesen so genannten Einfachberufen ein sehr deutlicher Fokus auf berufsspezifischen Kenntnissen und Erfahrungen liegt:
Tabelle 3: Fachliche Qualifikationsanforderungen der Online-Stellenangebote in sechs Berufen (vgl. KOHL 2007 , 12f)
Beruf |
Fachliche Qualifikationsanforderungen |
Reinigungskraft |
In 13 Anzeigen (59,1%) werden Kenntnisse in der Gebäude(innen)reinigung gewünscht, in zehn (45,4%) Kenntnisse in der Sanitärreinigung. Des Weiteren werden gefordert Kenntnisse im Hygienebereich (8-mal, 36,4%), und der Desinfektion (4-mal, 18,2%) sowie in den Feldern Bodenbelägereinigung (7-mal, 318%), Glasreinigung (5-mal, 22,7%). In fünf Stellenanzeigen (22,7%) wird zudem explizit Berufserfahrung vorausgesetzt, jeweils einmal (4,5%) genannt werden außerdem Erfahrungen im Umgang mit Reinigungsmaschinen und in der Teppichreinigung. |
Servicekraft |
Kenntnisse im Kassieren werden von elf Unternehmen (78,6%) vorausgesetzt, jeweils acht (57,1%) fordern Kenntnisse in der Gästebetreuung und dem Restaurant-/A-la-carte-Service ein, die Hälfte von ihnen erwartet zudem Berufserfahrung. Weiterhin werden Kenntnisse in der Getränkezubereitung (5-mal, 35,7%), der Abrechnung (4-mal, 28,6%) und der Speisezubereitung (3-mal, 21,4%) gewünscht. |
Speisenbereiter |
In den meisten Anzeigen werden Fähigkeiten im Putzen und Zubereiten von Gemüse/Salat (17 Nennungen, 81%), im Reinigen und Spülen (je 16 Nennungen, 76,2%) sowie im Anrichten von Lebensmitteln (14 Nennungen, 66,7%) verlangt. Häufig werden zudem Kenntnisse in der Zubereitung von Beilagen (11 Nennungen, 52,4%) und der Lebensmittelhygiene (10 Nennungen, 47,6%) erwartet. Weniger bedeutsam sind dagegen Berufserfahrung mit sechs (28,6%) und spezifische Kenntnisse internationaler Küchen mit drei (14,3%) Nennungen. |
Lagerarbeiter allgemein |
Kenntnisse in der Lagerarbeit (10-mal, 55,6%), im Verpacken (8-mal, 44,4%), Kommissionieren (7-mal, 38,9%) und Sortieren (5-mal, 27,8%) dominieren die Anforderungen an Lagerarbeiter. Des Weiteren werden je 4-mal (22,2%) Kenntnisse in Warenannahme und Transport/Versand gewünscht, genauso oft wie ein Staplerschein und Berufserfahrung. Auch Kenntnisse im Be-/Entladen, werden 3-mal (16,7%) erwartet. |
Kommissionierer |
Neben Kenntnissen im Kommissionieren (15 Nennungen, 78,9%) werden von den Unternehmen häufig Berufserfahrung (7 Nennungen, 36,8%), Staplerschein (6 Nennungen, 31,6%) sowie Kenntnisse der Lagerwirtschaft und von Transport-/Lagertechnik (je 5 Nennungen, 26,3%) erwartet. Des Weiteren wurde in vier Fällen (21,1%) Erfahrung im Be-/Entladen, sowie jeweils 2-mal im Versand/Transport, Verpacken und der Warenzusammenstellung/-prüfung gewünscht. In drei Fällen (15,8%) waren PC-Kenntnisse Bestandteil der Stellenausschreibung. |
Staplerfahrer |
Die Online-Stellenausschreibungen für Staplerfahrer setzen in 18 Fällen (78,3%) ein Staplerschein und in 15 Fällen (65,2%) Berufserfahrung voraus. Häufig eingefordert werden zudem Kenntnisse im Be-/Entladen (13 Nennungen, 56,5%) und von Gabelstaplern (10 Nennungen, 43,5%). Weiterhin werden Kenntnisse von Transportgeräte-/Lagertechnik (6-mal, 26,1%), in der Lagerwirtschaft (5-mal, 21,7%) bzw. im Kommissionieren (4-mal, 17,4%) genannt. Mit drei Nennungen (13%) sind zudem Kenntnisse von Produktion/ Fertigung sowie Warenzusammenstellung vertreten, in zwei Fällen (8,7%) wird speziell Hochregal-/Seitenstaplererfahrung vorausgesetzt. |
Insgesamt macht die Analyse der Stellenangebote deutlich, dass auch Stellen für An- und Ungelernte spezifischen berufsfachlichen und überfachlichen Anforderungen der Arbeitgeber unterliegen. Auf überfachlicher Ebene lassen sich über alle untersuchten Berufe und Berufsgruppen hinweg Mobilität, Deutschkenntnisse und Schichtbereitschaft herausheben, die in ihrer Bedeutung für die Arbeitgeber nur noch von der Sammelkategorie „Arbeitstugenden“ übertroffen wird, unter der u. a. Zuverlässigkeit, Sorgfältigkeit, selbständige Arbeitsweise, Belastbarkeit sowie Flexibilität und Teamfähigkeit subsumiert sind.
Die fachlichen Qualifikationsanforderungen innerhalb der einzelnen Berufe und Berufsfelder weisen dagegen bereits auf dieser Tätigkeitsebene ein sehr breites Spektrum auf. Hier stechen je nach Beruf einzelne Anforderungen besonders hervor, z. B. Kassieren bei den Servicekräften und Kommissionieren in den Lagerberufen. Generalisierende Aussagen bzw. die Festlegung übergreifende Themenfelder sind hier erwartungsgemäß jedoch nicht möglich.
Die Befragung der Personalverantwortlichen zielte darauf ab, aktuelle sowie künftige betriebliche Bedarfe in Bezug auf die Qualifizierung an- und ungelernter Mitarbeiter in Erfahrung zu bringen. Dazu wurden 15 qualitative, halbstandardisierte Interviews mit Personalverantwortlichen von Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Betriebsgrößen mit an- und ungelernten Mitarbeitern in der Metropolregion Nürnberg durchgeführt und mittels der Software MaxQDA codiert und ausgewertet.
Generell können die seitens der Personalverantwortlichen dargestellten Anforderungen an An- und Ungelernte in fachliche, überfachliche und personelle Qualifikationen bzw. Voraussetzungen unterschieden werden, wobei hier jeweils deutliche Unterschiede zwischen dem gewerblich-technischen Zweig und der Dienstleistungsbranche auszumachen sind. Dies ist vor allem damit zu begründen, dass die an- und ungelernten Mitarbeiter im industriellen Bereich hauptsächlich in der Produktion bzw. im Lager eingesetzt, wogegen sie in der Dienstleistungswirtschaft Servicefunktionen ausüben, die größtenteils mit Kundenkontakt verbunden sind. Während im industriellen Umfeld fachliche Qualifikationen wie eine Grundausbildung im fertigungstechnischen Bereich und Berufserfahrung hohe Wertschätzung erfahren, rücken die Befragten im Dienstleistungsbereich insbesondere das Kriterium „Persönlichkeit“ stärker in den Vordergrund, wogegen fachliche Voraussetzungen hier eine eher untergeordnete Rolle spielen bzw. nicht explizit gefordert werden. Eine Ausbildung wird zwar auch hier gern gesehen, jedoch dient sie vor allem dem Nachweis von Arbeitserfahrung und -bereitschaft, die Art der Ausbildung bzw. eine Affinität zum Tätigkeitsfeld sind dagegen von nachrangiger Bedeutung. In beiden Branchen werden jedoch vermehrt ein höheres technisches Verständnis sowie grundlegende Kenntnisse im Umgang mit PC bzw. computergesteuerten Anlagen eingefordert bzw. vorausgesetzt.
Bei den überfachlichen Qualifikationen werden das Beherrschen der Grundrechenarten sowie der deutschen Sprache (möglichst in Wort und Schrift) als unabdingbar gekennzeichnet. Für den Dienstleistungsbereich ist die Sprachkompetenz im Hinblick auf den Umgang mit Kunden selbstverständlich, aber auch im gewerblich-technischen Umfeld hat die Relevanz (fach-)sprachlicher Fähigkeiten über die Jahre stark zugenommen (z. B. für das Verständnis von Sicherheits-, Fertigungs- oder Qualitätsprüfungsanweisungen, aber auch für die Integration in das Produktionsteam). Da Sprachkompetenz zudem Grundlage für weiterführende Qualifizierungen ist, kommt ihr somit entscheidende Bedeutung zu.
Hinsichtlich der personellen Voraussetzungen wird aus industrieller Perspektive körperliche Belastbarkeit und Eignung für den Schichtbetrieb hervorgehoben. Generell spielen für alle befragten Personalverantwortlichen die so genannten „Sekundärtugenden“ (Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit usw.) eine entscheidende Rolle, diese werden ergänzt durch weitere Persönlichkeitsmerkmale wie Einsatzwille/Motivation, Lernbereitschaft und insbesondere auch Flexibilität (sowohl zeitlich als auch hinsichtlich der Einsatzfelder). Zusätzlich werden soziale Kompetenzen (Teamfähigkeit, Höflichkeit im Umgang mit Kunden und Kollegen etc.) von den An- und Ungelernten gefordert.
Als ein zentrales Ergebnis der Interviews lässt sich festhalten, dass in den Betrieben z. T. durchaus auch Bedarf zur der Qualifizierung von an- und ungelernten Mitarbeitern herrscht, dieser aber bisher dort kaum systematisch erfasst wird. Auslöser für Qualifizierungen sind in der Regel Neueinstellungen oder ein verändertes Aufgabengebiet. Dementsprechend lassen sich auch kaum allgemeingültige Aussagen über die Qualifizierungsbedarfe treffen, da zumeist sehr unternehmensspezifisch argumentiert wird. Ausnahmen bilden die Forderung nach einer vermehrten Vermittlung sprachlicher Grundfertigkeiten und die Ablehnung fachlicher Qualifikationen (wegen zu betriebsspezifischer Anlagen und Prozesse), über die weitgehende Einigkeit herrscht. (Dies ist evtl. auch damit zu begründen, dass im gewerblich-technischen Bereich auch zukünftig der Verlust weiterer Arbeitsplätze zu erwarten ist (dies wird vor allem von den Verantwortlichen aus den größeren Unternehmen bestätigt und mit Rationalisierungs- und Spezialisierungsmaßnahmen bei gleichzeitig steigenden Anforderungen an das Personal und der vermehrten Einstellung von Leiharbeitern begründet), die dienstleistenden Unternehmen dagegen bis auf einen Befragten alle einen weiteren Anstieg an Arbeitsplätzen auch für An- und Ungelernte sehen und dort fachliche Qualifikationen aus Sicht der Befragten nur eine untergeordnete Rolle spielen. )
Die größten Bedarfe für die Zukunft sehen die befragten Personalverantwortlichen bei der Weiterentwicklung sozialer und personaler Kompetenzen (genannt werden z. B. Umgang mit Kunden, Kommunikationsverhalten und Konfliktmanagement, aber auch die Entwicklung von Lernkompetenz) sowie im Telefon- und PC-Training.
Zum Thema Nachqualifizierung zum Berufsabschluss äußern sich die Befragten differenziert: Der Wunsch wird zwar häufig genannt, vor allem bei größeren Unternehmen wird jedoch die Realisierbarkeit angezweifelt. Dies wird mit Schwierigkeiten bei der zeitlichen Planung (insbesondere im Schichteinsatz), der Sensibilität des Themas (vor dem Hintergrund betrieblicher Mitbestimmung und individueller Ängste und Befürchtungen) und der z. T. mangelnden Bereitschaft der Mitarbeiter begründet. Jedoch lassen sich gerade bei kleineren gewerblichen Unternehmen auch Positivbeispiele konstatieren, bei denen motivierten und fähigen Mitarbeitern erfolgreich Nachqualifizierungen angeboten wurden.
Im Ergebnis der Analyse aktueller betrieblicher Bedarfe und zukünftiger Qualifikationsanforderungen an An- und Ungelernte lassen sich folgende zentralen Punkte festhalten:
Eine zentrale Anforderung an An- und Ungelernte aus der Analyse der Stellenangebote sowie der Interviews mit Personalverantwortlichen bezieht sich auf grundlegende Kulturtechniken: Rechnen, Lesen und Schreiben sowie der Umgang mit dem PC sind auch im Bereich Einfacharbeit mittlerweile von immer größerer Bedeutung und werden von Arbeitgeberseite vorausgesetzt. Besondere Relevanz genießt dabei der Umgang mit der deutschen Sprache – dieses Kriterium wird in einer Vielzahl der Stellenangebote explizit herausgestellt und auch seitens der Personalverantwortlichen für unabdingbar befunden. Vor dem Hintergrund, dass das Beherrschen der deutschen Sprache außerdem Voraussetzung für die Teilnahme an weiterführenden Qualifizierungen ist, sollte insbesondere hier angesetzt werden.
Des Weiteren spielen gerade bei Ausschreibungen für An- und Ungelernte überfachliche Anforderungen eine besonders große Rolle. Dies könnte auch auf den Mangel an fachlichen Auswahlkriterien bei An-/Ungelernten zurückzuführen sein. Hier dominieren insbesondere die so genannten „Sekundär- bzw. Arbeitstugenden“ (Zuverlässigkeit, Flexibilität, Belastbarkeit etc.), in bestimmten Berufsfeldern v. a. im Dienstleistungssektor sind außerdem sozial-kommunikative Kompetenzen relevant. Gerade für den Bereich sozialer und personaler Kompetenzen wird auch zukünftig ein verstärkter Qualifizierungsbedarf seitens der Personalverantwortlichen diagnostiziert.
Mobilität – eher ein vom Arbeitsmarkt für Akademiker bekanntes Merkmal – gewinnt auch für An- und Ungelernte immer mehr an Bedeutung.
Auf fachlicher Ebene sind die Anforderungen erwartungsgemäß stark berufsfeldbezogen. Berufsfeldübergreifend sind daher eigentlich nur zwei Kriterien anführbar – Schichtbereitschaft und Berufserfahrung.
Darüber hinaus machten die Interviews mit Personalverantwortlichen deutlich, dass Unternehmen durchaus ein hohes Interesse an der Qualifizierung ihrer an- und ungelernten Mitarbeiter haben. Gerade kleine und mittlere Unternehmen benötigen dafür aber häufig Hilfe bei der Planung und Ausgestaltung von Qualifizierungskonzepten. Für die inhaltliche Beratung und Begleitung bietet es sich vor allem für KMU ohne eigene Personalentwicklungsabteilung an, auf das Know-how und die Expertise von Bildungsdienstleistern zurückzugreifen. (Das Portal wurde im Rahmen der aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie geförderten Projekte „Best Practice in der Qualifizierung An- und Ungelernter“ und „Personalentwicklung für An- und Ungelernte“ weiterentwickelt. ) Eine weitere Alternative stellt beispielsweise auch das Onlineportal www.qualifizieren-im-Betrieb.de dar, welches Informationen, Instrumente und Praxisbeispiele zur Qualifizierung An- und Ungelernter zur Verfügung stellt, um Unternehmen und Bildungsorganisationen mit systematisch strukturierten und praxisnah gestalteten Hilfen den Einstieg in dieses Feld zu erleichtern.
Des Weiteren spielt für immer mehr Unternehmen die finanzielle Unterstützung eine Rolle bei ihrer Entscheidung über Weiterbildung. So hat der zunehmende Konkurrenzdruck dazu geführt, dass die Investitionen in betriebliche Weiterbildung seit Ende der 90er Jahre in den Unternehmen um 16 Prozent zurückgefahren wurden (vgl. KMK/ BMBF 2008 , 12). Eine Entwicklung durch die Deutschland im internationalen Vergleich immer stärker ins Hintertreffen gerät und die im Widerspruch steht zum gestiegenen Bedarf an Weiterbildung, um insbesondere An- und Ungelernte auch zukünftig in die Lage zu versetzen den Anforderungen am Arbeitsmarkt gerecht zu werden. Anhand des Förderprogramms WeGebAU der Bundeagentur für Arbeit soll im Folgenden aufgezeigt werden, wie eine entsprechende f inanzielle Unterstützung durch Dritte hier gegensteuern kann.
Die aktuelle Qualifizierungsoffensive der Bundesregierung „Aufstieg durch Bildung“ zeigt, dass sowohl schulische Bildung als auch berufliche Aus- und Weiterbildung wesentliche Faktoren für eine gelingende gesellschaftliche Integration und individuellen Erfolg im beruflichen Leben sind. Bezogen auf den Auftrag der BA, Arbeitslosigkeit zu verhindern oder – wenn diese doch eintritt – zu verkürzen, stellt sich die Frage, wie dieses arbeitsmarktpolitische Ziel angesichts der beschriebenen Risiken für An- und Ungelernte in der Dienstleistungsgesellschaft erreicht werden kann. Mit den Arbeitsmarktreformen im Zuge der Agenda 2010 fand ein massiver Rückzug aus der Förderung beruflicher Weiterbildung durch die BA statt, wodurch die Ausgaben in diesem Bereich von 1999 bis 2005 um 70 Prozent sanken (vgl. KMK/ BMBF 2008 , 12). Ziel war es die Ressourcen dort zu bündeln, wo nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit signifikante Effekte zur Verbesserung der Eingliederungschancen der Betroffenen erzielt werden können (§ 7 SGB III). Ausgangspunkte der aktiven Arbeitsmarktförderung sind somit die individuellen Fähigkeiten der Person sowie die Qualifikationserfordernisse am Arbeitsmarkt. Zudem wurde das gesamte Verfahren durch die Zertifizierung der Maßnahmen von Bildungsträgern und die Ausgabe von Bildungsgutscheinen umgestaltet. Die Kunden können so den Anbieter im Rahmen des festgelegten Bildungsziels frei wählen.
Noch nicht gelöst ist damit aber die Frage, wie bereits vor Eintritt der Arbeitslosigkeit eine entsprechende Qualifizierung sichergestellt werden kann, sofern diese erforderlich ist. Wie skizziert wurde löst der Markt dieses Problem gerade bei an- und ungelernten Kräften nicht aus sich heraus, sondern es bedarf der Unterstützung durch Dritte, um arbeitsmarktpolitisch benachteiligten Gruppen eine echte Chance auf Qualifizierung im Erwerbsverlauf zu sichern. Damit einher geht ein Richtungswechsel der BA hin zu einer präventiven Arbeitsmarktpolitik zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit bevor diese tatsächlich eintritt. Wie im Folgenden gezeigt wird, soll das Programm WeGebAU genau diese Prävention vor Arbeitslosigkeit leisten, indem Beschäftigte in Unternehmen Anreize erhalten Weiterbildungsangebote in Anspruch zu nehmen.
Das Sonderprogramm „ We iterbildung Ge ringqualifizierter und b eschäftigter älterer A rbeitnehmer in U nternehmen“ (WeGebAU) der BA wurde im Jahr 2006 aufgelegt mit dem Ziel, Beschäftigte ohne Berufsabschluss oder mit abgeschlossener Ausbildung, wenn diese seit mindestens vier Jahren eine ungelernte Tätigkeit ausüben sowie Personen über 45 Jahre in einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis zu qualifizieren (vgl. § 417 SGB III). Die Förderung soll dabei nicht das Unternehmen von gesetzlichen Qualifizierungspflichten oder einfacher Anpassungsqualifizierung entlasten, sondern das Nachholen von Berufsabschlüssen oder Teilqualifizierungen ermöglichen, die eine entsprechende Anerkennung auf dem Arbeitsmarkt besitzen. Die finanzielle Förderung umfasst dabei:
Ausfallende Lohnkosten durch die Freistellung zur Weiterbildung (§ 235 c SGB III)
Erforderliche Weiterbildungskosten (§ 79 SGB III)
Die Förderung der Weiterbildung bei älteren Beschäftigten ist dabei grundsätzlich beschränkt auf kleine und mittelständische Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigte, für die eine solche Freistellung und Finanzierung der Qualifizierung in der Regel nicht leistbar wäre. Für An- und Ungelernte gelten diese beiden Einschränkungen nicht. Auch die Qualifizierung eines neu eingestellten Mitarbeiters kann in gleicher Weise gefördert werden.
Es liegt damit ein zielgerichtetes, subsidiäres Instrumentarium vor, dass es dem beschriebenen Personenkreis ermöglicht berufliche Qualifikationen zu erwerben, die sie für weitere Tätigkeiten im Unternehmen befähigen und damit ihre Chancen auf Teilhabe am Arbeitsleben nachhaltig erhöhen. Für das Unternehmen ist die Qualifizierung im günstigsten Fall komplett kostenneutral, wenn außerhalb des Unternehmens geschult wird. Zudem profitiert es langfristig, da qualifizierte Fachkräfte die Basis für die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft des Unternehmens sind. Es entsteht also für alle Beteiligten, auch für den Fördergeber, eine Win-Win-Situation die einen Ausgleich schaffen kann für die bisher geringen Beteiligungsraten An- und Ungelernter in der beruflichen Weiterbildung.
Grundsätzlich ist nur ein Viertel der Betriebe von der Förderung seit Beginn des Programms ausgeschlossen, da sie weder Geringqualifizierte noch Ältere über 50 Jahre beschäftigen (vgl. LOTT/ SPITZNAGEL 2007 , 8) . Im bisherigen Verlauf zeigte WeGebAU noch nicht den erhofften quantitativen Zuspruch seitens der Unternehmen. Obwohl die grundsätzliche Regelung zur Förderung von Beschäftigten bereits seit 2002 durch das Job-AQTIV-Gesetz in Kraft gesetzt wurde, stellte das IAB in seiner im Herbst 2006 durchgeführten Untersuchung fest, dass diese „neue“ Regelung bei 41 Prozent der Betriebe gänzlich unbekannt ist ( vgl. ebd., 4). Auffällig ist dabei, dass insbesondere kleine Betriebe mit weniger als 100 Beschäftigten – für die das Programm insbesondere gedacht ist – am schlechtesten informiert sind. Hier geben mehr als die Hälfte der Befragten an, keine der Regelungen zu kennen (vgl. ebd., 5). Trotz entsprechender Werbemaßnahmen ist das Programm in den Unternehmen nicht angekommen. Dies kann zudem als Hinweis gewertet werden, dass in kleinen Unternehmen Personalentwicklung und Qualifizierungsstrategien nur wenig Beachtung finden.
Von den Unternehmen, die die Fördermöglichkeiten kannten, nahmen nur knapp 24 Prozent einen entsprechenden Zuschuss in Anspruch (vgl. ebd., 4). Die zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von 200 Mio. Euro pro Jahr wurden im Jahr 2006 daher nur in Höhe von 70 Mio. Euro abgerufen (vgl. MVREGIO NEWS 2008 ). Es kann somit nicht verwundern, dass die Zahl der Förderfälle von Beschäftigten im Vergleich zu denen Arbeitsloser im Jahre 2006 nur knapp zwei Prozent ausmachte (vgl. LOTT/ SPITZNAGEL 2007 , 4). Auch im Folgejahr wurde dieser Trend trotz erweiterter Förderbedingungen nicht grundsätzlich umgekehrt. Einem durchschnittlichen Bestand von 123.714 Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitslose im Jahr 2007 standen 2.928 Fällen von Arbeitsentgeltzuschüssen für Beschäftigte gegenüber (vgl. BA-Statistikservice). Die Befragung zeigte aber auch, dass fast 60 Prozent der Unternehmen die WeGebAU nutzen zufrieden mit der Weiterbildung sind. Es handelt sich damit nicht um ein generelles Akzeptanzproblem, das die Verbreitung verhindert, sondern primär um fehlende Informationen und Erfahrungen im Umgang mit solchen Förderprogrammen bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen selbst.
Aufschlussreich sind zudem die Gründe die Unternehmen dafür angeben, WeGebAU bis dato noch nicht in Anspruch genommen zu haben. Von mehr als Dreiviertel der Unternehmen wird der fehlende betriebliche Bedarf für Weiterbildungen als Gegenargument angeführt. Erst danach folgen Probleme bei der Freistellung von Mitarbeitern (17,4 Prozent), fehlendes Interesse der Mitarbeiter und andere organisatorische Gründe mit deutlichem Abstand (vgl. LOTT/ SPITZNAGEL 2007 , 4). Dies steht klar im Widerspruch zum allgemein beklagten Fachkräftemangel in der Wirtschaft oder deutet darauf hin, dass die Unternehmen durch andere betriebliche Maßnahmen wie bspw. informelles Lernen am Arbeitsplatz diesen Bedarf decken können. Es wird ersichtlich, dass nicht organisatorische oder kostenbezogene Überlegungen bei der Entscheidung für oder gegen WeGebAU den Ausschlag geben, sondern die kurzfristige betriebliche Bedarfsabwägungen. Unternehmen gehen in der Regel vom derzeitigen Status Quo des Unternehmens aus und berücksichtigen anscheinend kaum strategische Überlegungen aufgrund der zu erwartenden demografischen Entwicklung. Nur expandierende Unternehmen bilden hier eine Ausnahme, da sie zu gut einem Drittel die Förderung in Anspruch nehmen und zu fast Zweidrittel auch positiv bewerten (vgl. ebd., 7).
Als wesentliche Konsequenz wurden im Verlaufe des Jahres 2007 Weiterbildungsberater bei den Agenturen für Arbeit angesiedelt, die aktiv auf die Unternehmen zugehen sollen und hierbei über die Voraussetzungen und Möglichkeiten des WeGebAU-Programms beraten. So sollte insbesondere bei kleinen Unternehmen, die An- und Ungelernte beschäftigen das Bewusstsein für die Notwendigkeit beruflicher Weiterbildung gestärkt werden und konkrete Hilfe angeboten werden, um entsprechende passende Bildungsangebote zu identifizieren und umzusetzen. Des Weiteren wurden auch die Förderbedingungen im Bezug auf die Altersgrenze und Betriebsgröße erhöht, um einen breiteren Personenkreis erreichen zu können . Die organisatorischen Veränderungen haben eine spürbare Verbesserung der Inanspruchnahme des Instruments erreicht, was an der steigenden Zahl von entsprechenden Zuschüssen an Unternehmen ablesbar ist (vgl. Abb. 1). Für das Jahr 2008 kann man bereits zum Ende des III. Quartals eine deutliche Steigerung von 170 Prozent bei der Zahl neuer Anträge auf Arbeitsentgeltzuschüsse für Beschäftigte im Vergleich zum Vorjahr erkennen (vgl. BA-Statistikservice). Damit wurden mit 98 Mio. Euro bereits knapp die Hälfte der aktuell bereitgestellten Mittel von den Unternehmen abgerufen (vgl. MVREGIO NEWS 2008 ).
Das Instrument kann damit trotz der langen Anlaufphase mittlerweile als etabliert eingeschätzt werden und so einen Beitrag dazu leisten, An- und Ungelernte zukünftig besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dabei hat sich allerdings auch gezeigt, dass es deutlich aufwändiger ist den Gedanken der Prävention im Bewusstsein von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu verankern. Angesichts des für 2009 erwarteten wirtschaftlichen Abschwungs stellt sich die Frage, ob nicht gerade in solchen Zeiten das WeGebAU-Programm antizyklisch seine Wirkung entfalten und zur Verbesserung der Qualifikationen von An- und Ungelernten und der Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen beitragen kann.
Im vorliegenden Beitrag konnte gezeigt werden, dass die negativen Auswirkungen der Dienstleistungsgesellschaft auf den Arbeitsmarkt für An- und Ungelernte bereits relativ genau beschrieben werden können. Die Notwendigkeit einer weiteren Verbesserung der formalen Qualifikation der Beschäftigten ist zudem auch aufgrund der demografischen Entwicklung und des bereits in einigen Branchen bestehenden Fachkräftemangels unbestritten. In der Analyse der konkreten betrieblichen Anforderungen von Unternehmen in der Region Nürnberg wurde deutlich, dass die Unternehmen auch bei einfachen Tätigkeiten zunehmend soziale, methodische und EDV-technische Basiskompetenzen bei ihren Mitarbeitern voraussetzen. Denn gerade aus diesen weichen Faktoren erwächst für viele Unternehmen das Potenzial sich am Markt von anderen Wettbewerbern zu differenzieren. An- und Ungelernte müssen daher verstärkt an ihrem Arbeitsplatz flexibel auf die Wünsche des Kunden eingehen und alternative Problemlösungen erarbeiten können, die weit über das in der Vergangenheit geforderte Maß an tayloristisch vorbestimmter Tätigkeitsroutinen hinausgeht.
Die Weiterbildungsstatistik spricht jedoch für Deutschland noch eine andere Sprache. So konnte in den letzten Jahren keine Ausweitung der Beteiligung von An- und Ungelernten bei der Weiterbildung erreicht werden, vielmehr sind diese auch weiterhin im Vergleich zu Hochqualifizierten deutlich unterrepräsentiert. Es wird häufig angeführt, dass solche Investitionen von kleinen Betrieben nicht zu schultern seien oder aufgrund des gestiegenen Kostendrucks einer kurzfristigen Behauptung am Markt zum Opfer fallen. Doch wie am Beispiel des WeGebAU-Programms gezeigt werden konnte, scheitert die Beteiligung an Weiterbildung nicht ausschließlich an der Verfügbarkeit entsprechender Mittel. Vielmehr führen die Betriebe ins Feld, dass kein entsprechender Bedarf für langfristig angelegte Weiterbildung bestehe, die zu Berufsabschlüssen oder Teilqualifikationen führt. Dies ist umso erstaunlicher, da immer noch über 40 Prozent aller Betriebe Geringqualifizierte in ihrem Unternehmen beschäftigen (vgl. LOTT/ SPITZNAGEL 2007 , 8). In der Befragung des IAB zeigte sich, dass insbesondere Unternehmen mit einem Anteil von über 30 Prozent an An- und Ungelernten das WeGebAU-Programm seltner nutzen und es auch weniger positiv beurteilen (vgl. ebd., 6). Dies deutet darauf hin, dass in solchen Betrieben bei der Analyse des Weiterbildungsbedarfs primär auf die aktuell eingesetzte Produktionstechnik fokussiert wird und keine entsprechende Vorausschau auf die Anforderungen in den kommenden Jahren betrieben wird.
Um die Beteiligung von An- und Ungelernten an Weiterbildung in den kommenden Jahren deutlich zu steigern kommt es daher vor allem darauf an, verstärkt Beratung direkt in den Unternehmen anzubieten, um ein entsprechendes Bewusstsein auf Seiten der Beschäftigten und der Arbeitgeber zu schaffen. Denn wie eine aktuelle Befragung im Auftrag der BA gezeigt hat, sind 90 Prozent der Unternehmen den Weiterbildungswünschen ihrer Mitarbeiter gegenüber aufgeschlossen (vgl. BA 2008). Auch im Rahmen des WeGebAU-Programms zeigt sich, dass die eingesetzten Weiterbildungsberater der richtige Ansatz sind, um gemeinsam gerade kleine Unternehmen aufzuzeigen welche Möglichkeiten zur Qualifizierung bestehen und wie diese mit Hilfe Dritter und entsprechender Förderung zum Nutzen aller Beteiligter realisiert werden können. Denn der positive Trend am Arbeitsmarkt in den letzten Jahren darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Beschäftigungschancen von An- und Ungelernten durch die Verlagerung von Produktionsstätten und weiteren Rationalisierungsdruck auch in Zukunft kritisch einzuschätzen sind, wenn nicht präventiv in deren Qualifizierung investiert wird.
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