bwp@ Spezial 2 | April 2005

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Innovationen in schulischen Kontexten: Ansatzpunkte für berufsbegleitende Lernprozesse bei Lehrkräften

Management von Innovationsprozessen in Schulen

von Hermann G. Ebner (Universität Mannheim)

Abstract

Das Personal in den Bildungseinrichtungen in Deutschland hat in letzter Zeit keinen Grund, über einen Mangel an schlechten Nachrichten zu klagen. Die Ergebnisse international angelegter Vergleiche von Schulleistungen und vergleichende Auflistungen der dem Bildungssystem zur Verfügung gestellten bzw. stehenden Ressourcen lassen kaum Freude aufkommen. Als wenig befriedigend erscheinen nicht nur Bedingungen und Ergebnisse schulischer Arbeit, Aufbau und Organisation des Bildungswesens sowie bildungspolitische Leitideen und Vorgaben: In der Kritik steht auch die Lehrerbildung. Als Probe zu empfehlen ist die Lektüre des Artikels „Stiefkind Lehrerbildung“ in der FAZ vom 13. Februar 2004 oder als ‚höfliche' Variante die OECD-Schrift „New Challenges for Educational Research“, die in 2003 erschienen ist und der Aufsatz von Weiler (2003).

Schiebt man den in der interessenpolitisch durchwirkten Debatte angehäuften ideologischen Ballast beiseite und nimmt man jene publizierten Äußerungen, die als Demonstrationen unzureichender Kenntnisse einzuordnen sind, nicht zum Anlass, die Analysen und Debattenbeiträge insgesamt zu ignorieren, dann bleiben Hinweise auf Verbesserungspotential, deren Berücksichtigung dringend geboten scheint. So sollte m.E. die in der o.g. OECD-Publikation gegebene Empfehlung beachtet werden, wonach sich die europäische Forschung, die sich mit Lehren und Lernen befasst, verstärkt darauf konzentrieren müsse, theoretisch fundierte und empirisch bewährte Aussagen über die Voraussetzungen effektiver Lernumgebungen anbieten zu können. Dies gilt - so meine ich - für alle Bildungs- oder Qualifizierungsprogramme, sei es die Grundlagenbildung, die berufliche Erstausbildung oder die Qualifizierung von Lehrpersonen. Insbesondere mit Blick auf die Schwerpunktsetzungen der erziehungswissenschaftlichen Arbeiten im deutschen Sprachraum und nicht zuletzt innerhalb der Wirtschaftspädagogik erscheint die OECD-Anregung als beachtenswert.

Während im Bereich der Instruktionsforschung in den letzten Jahren die Forschungsintensität erkennbar erhöht wurde, liegen die Dinge wesentlich ungünstiger, wenn es um Aussagen zum Management von Innovationsprozessen in Schulen geht, denn wir wissen

• wenig über Wirksamkeit und Wirkungen der jeweiligen Maßnahmen, die implementiert werden sollen oder der Handlungsoptionen und

• kaum etwas über die relevanten Bedingungen erfolgreicher Implementierung im Kontext der Organisation Schule.

Aufgrund der weitgehend fehlenden Information ist in Bezug auf beide Punkte zu prüfen, inwieweit andernorts ein entsprechendes Wissen vorliegt, das genutzt werden kann (Ist dies nicht der Fall, dann geht es darum, dieses Wissen im Zusammenhang mit der Implementierung zu generieren. Instrumente hierfür sind ein sorgfältiges Monitoring und eine methodisch angemessene Evaluation. Als geeignete Plattform hierfür bietet sich das Instrument der Modellversuche an (vgl. z.B. Ploghaus (2001), Prenzel / Achtenhagen (2000)).).

Hinsichtlich der Bedingungen erfolgreicher Implementierung - und das ist der Aspekt, der hier im Mittelpunkt stehen soll – lassen sich die Ergebnisse der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre und vor allem die Befunde der – allerdings weit überwiegend in Kontexten außerhalb Deutschlands realisierten – Forschungsarbeiten zur Implementierung von Innovationen in Schulen nutzen.

Meine Ausführungen sind in die folgenden Abschnitte gegliedert:

• Innovationsmanagement: Kennzeichnung der Aufgabe

• Management von Innovationsprozessen: Die Kompetenz der Akteure

• Desiderata

1. Innovationsmanagement: Kennzeichnung der Aufgabe

Gerpott versteht unter Innovationsmanagement die „Planung, Organisation, Führung und Kontrolle derjenigen arbeitsteilig bewältigten Aktivitäten in Unternehmen, mit denen man die Bereitstellung von Technologie- und Sozialinnovationen sowie deren Einsatz in Produkten / Prozessen des Unternehmens vorantreiben will“ ( Gerpott 2001, S. 241). In dieser Formulierung liegt der Schwerpunkt auf der Vorbereitung und der Realisierung des Implementierungsprozesses, nicht auf der Entwicklung oder Identifizierung der Innovation selbst – es geht also um die Umsetzung. Dass die Implementierung einer Neuerung der sorgfältigen Steuerung bedarf, ist plausibel, handelt es sich doch um eine Intervention in über die Zeit herausgebildeter Formen individuellen und kollektiven Handelns. Die Vertrautheit des Überkommenen und das kompetente Handeln werden ersetzt durch Unbekanntes und das Proben des Neuen ( Kriegesmann / Kerka 2001). Dabei zeigt sich aber, was mit Rait folgendermaßen umschrieben werden kann:

The prospect of assessing and repairing organizational action, greater organizational flexibility, innovation , and improvement conjure up images of an organizational fountain of youth and vitality. However, organizational learning may not occur so easily ( Rait 1995, S.88).

Den Befunden der wenigen und fast ausschließlich deskriptiven Studien ( Bohnsack 1995, Creemers 1986, Söll 2002) lässt sich entnehmen, dass im Falle von Schulen eher mit Zurückhaltung, Skepsis oder Resistenz als mit hoher Veränderungsbereitschaft zu rechnen ist. Bei einer Befragung im Kontext der Erprobung eines Konzepts des Qualifikationsmanagements ( Ebner / Hagmann 2003) geben ca. drei Viertel der Lehrpersonen, die den Assessoren-Teams oder den Schulleitungen angehören, an, dass weitere Personen aus dem Kollegium nur mühsam dafür gewonnen werden konnten, sich am Aufbau bzw. der Implementierung des Qualitätsmanagements aktiv zu engagieren. Und während die Kollegien mehrheitlich der Auffassung sind, dass im Zusammenhang mit dem Implementierungsprozess vorteilhafte Veränderungen in den Bereichen

• innerschulisches Klima,

• Effektivität der Arbeitsprozesse,

• Optimierung der Arbeitsabläufe,

• aufgabenbezogene Kooperation und

• persönlicher Umgang

feststellbar seien, bezweifeln sie zugleich die Umsetzbarkeit des Konzepts und die Nachhaltigkeit der implementierten Komponenten.

Söll (2002) fasst die zentralen Ergebnisse seiner Studie, in der Lehrpersonen zu ihrer Meinung zu Schulentwicklungsprogrammen befragt wurden, u.a. in folgenden Aussagen zusammen: Für Schulentwicklung stehen die Zeichen ungünstig, da aus Sicht der Befragten

• ihre Belastung hoch sei,

• Schulentwicklung ihnen aufgezwungen werde,

• Schulentwicklung als Entwertung ihrer beruflichen Praxis erfahren werde,

• die vorhandenen Rahmenbedingungen und Strukturen Schulentwicklung behinderten.

Aus der Perspektive des Konzepts des organisationalen Lernens nimmt Rait (1995, S. 89) eine Typisierung der Blockaden vor, die diesem Lernen in Schulen entgegenstehen, wobei er für jede Ebene Phänomene und Auswirkungen unterscheidet (vgl. Abb. 1).

a) Rait sieht Schulen als Objekt einer Vielzahl von Interessengruppen. Dabei überrascht es nicht, dass unterschiedliche Erwartungen an Schulen herangetragen werden und Schulen nicht in der Lage sind, allen Anforderungen in gleicher Weise zu entsprechen. Diese Konstellation kann dazu führen, dass sich die Mitglieder der Organisation gegenüber dieser von ihnen mit Druck und Bedrohung assoziierten Situation dadurch zur Wehr setzen und sich abschotten, indem sie die (Bereitschaft zur) Informationsaufnahme reduzieren und versuchen, die Kontrolle über den eigenen Bereich zu verstärken (threat-rigidity-effect).

“Threat-rigidity is a dynamic that proponents of organizational learning must contend with, for it is both common and antithetical to the notion of learning based on inquiry and exploration.” ( Rait 1995, S. 90)

b) Von Organisationen wird erwartet, dass sie rationale Gebilde mit einer klaren Zwecksetzung sind. Im Falle eher unbestimmter Technologien und Ergebnisse versuchen Organisationen diese Unsicherheit zu reduzieren, indem sie ihre Ergebnisse als einfache und scheinbar klar kommunizierbare Sachverhalte konzipieren. Um in ihrem wenig bestimmten Aufgabenfeld solche Fixierungen vornehmen zu können, neigen Schulen dazu, ihre strukturellen Momente und ihre Aktivitäten von einander loszulösen – Normen der Institution entwickeln ihr ‚Eigenleben', sie sind nicht mehr Mittel zum Zweck, sondern stehen für sich. Als Beleg für diese Entkoppelung führen Rait und andere Autoren den Umstand an, dass die Gemeinsamkeiten von Schulen hinsichtlich ihrer methodischen Praktiken schwächer ausgeprägt sind als dies für ihre kulturellen und strukturellen Merkmale gilt (isomorphism of school structure).

„In sum, the risk-taking, inquiry, and search behaviors of organizational learning are inconsistent with the attributes of highly institutionalized settings and thus comprise a second layer of inherent resistance to learning.” ( Rait 1995, S. 92)

c) In zahlreichen Publikationen wird auf die besonderen Merkmale der Lehrertätigkeit hingewiesen. Als spezielle Kennzeichen gelten die Kombination differenter und zunehmender Anforderungen (fachliche, instruktionale, emotionale), die hohe Entscheidungsdichte im Unterrichtsprozess und die geringe Chance, diese Entscheidungen zu prüfen, die schwer bestimmbare Beziehung von Lehren und Lernen und die wenig ausgeprägte aufgabenbezogene Kooperation zwischen den Lehrpersonen. Diese Merkmale machen nach Rait (1995, S. 94) nicht den Stoff, aus dem „organizational learning can be easily forged“.

d) Einen weiteren Blockadefaktor sieht Rait in der Eigenart menschlicher Informationsverarbeitung: Wahrnehmung und Interpretation von Ereignissen erfolgen auf der Basis der in der Vergangenheit aufgebauten kognitiven Schemata. Daraus – so der Autor – resultiere eine Tendenz zur selektiven Wahrnehmung und Interpretation, d.h., es werden vor allem ‚passende', bestätigende Daten verarbeitet. In der Konsequenz bedeute dies, dass – ohne hinreichend starke Anreize – nicht zu erwarten sei, dass Menschen bereit sind, sich mit Innovationen auseinander zu setzen und ihre Handlungsweisen zu ändern.

Die Übereinstimmung in den Aussagen und Einschätzungen, wie sie in Studien und Analysen zur Implementierung von Innovationen in Schulen zu finden sind, ist groß. Es spricht vieles dafür, dass in diesen Beiträgen relevante Kontextbedingungen schulischer Innovationsprozesse identifiziert wurden. Ebenso ist davon auszugehen, dass diese Ergebnisse helfen können, den intendierten Wandel als herausfordernde Aufgabe des Schulmanagements zu begreifen und zu einer nüchternen Einschätzung der Gestaltungsoptionen zu gelangen.

Allerdings spiegeln die Ergebnisse der Studien und der Bedingungsanalysen zugleich auch Teile einer eher unproduktiv geführten öffentlichen Diskussion wider, in der – je nach Standort – entweder die Strukturen (was auch immer damit im Einzelnen gemeint ist), die Adressaten oder die beabsichtigte Innovation als ‚unpassend' dargestellt werden. Insgesamt entsteht ein Bild, in dem vor allem die einem Innovationsprozess entgegenstehenden Hindernisse dargestellt werden – im Vergleich dazu nehmen sich die Hinweise auf Erfolgsfaktoren des Innovationsmanagements bescheiden aus ( Hopkins 1996; Hopkins / Lagerweij 1996).

Im Zusammenhang mit der Implementierung unterrichtlicher Innovationen betrachten Reinmann-Rothmeier / Mandl (1998, S. 11) folgende Strategien als hilfreich:

• Alle Beteiligten müssen von einer innovativen Idee überzeugt und über diese ausreichend informiert sein.

• Sie müssen die Notwendigkeit einer Veränderung erkennen, an dieser aktiv mitarbeiten und dabei auch Rückmeldung über Erfolge und Misserfolge erhalten.

• Maßnahmen müssen langfristig angelegt und typische Hindernisse von vornherein berücksichtigt werden.

• Und nur wenn letztlich auch eine neue Lern-, Kommunikations- und Kooperationskultur angestrebt wird, können aus einzelnen Aktivitäten von heute innovative Entwicklungen von morgen werden.

Wenn diese normativen Vorgaben erfüllt sind, dann ist zu erwarten, dass der Implementierungsprozess tatsächlich unter günstigen Bedingungen vonstatten geht. Doch diese Liste gerät bei den an den ersten beiden Stellen genannten Strategien in die Nähe eines argumentativen Zirkels, denn ein wesentliches Merkmal einer erfolgreichen Implementierungsstrategie besteht gerade darin, dass sie das in diesen Punkten Geforderte erzeugt. Letztlich stellt sich die Frage, welche Bedingungen die Möglichkeit eröffnen, dass die von Reinmann-Rothmeier / Mandl in den Punkten (a) und (b) geforderten kognitiven Dispositionen in Bezug zur Innovation aufgebaut werden können. Grundsätzlich jedoch ist den Ausführungen der beiden Autoren zu entnehmen, dass den individuellen Voraussetzungen der die Innovation realisierenden Akteure besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Dieser Hinweis ist auch den Befunden von Redemer / Nourie (1999) und ebenso dem Beitrag von Creemers zu entnehmen, der im Zusammenhang mit den in den niederländischen Schulen in Gang gesetzten Innovationen feststellt:

There was to be a reorganization of both school curricula and school structures. Those reorganization meant changes in what was expected from teachers. Thus they were expected to develop curricula and new styles of teaching, to spend more time on individualized instruction of pupils, and to interact as a team in a new way. In retrospect, we can ask whether, in these innovation processes, sufficient attention was given to the role and function of teachers and what teachers require in order to carry out these innovations ( Creemers 1986, S.105).

Im nächsten Abschnitt werden Überlegungen skizziert, die die Kompetenz der Akteure zum Gegenstand haben.

2. Management von Innovationsprozessen: Die Kompetenz der Akteure

In ihrer Studie über die Beziehung von Berufserfahrung von Lehrpersonen, ihrer Einschätzung der Wirksamkeit ihres unterrichtlichen Handelns und ihrer Einstellung gegenüber der Implementierung instruktionaler Innovationen gehen Ghaith / Yaghi (1997) mit Guskey (1988) davon aus, dass die wahrgenommene Höhe der Wirksamkeit des eigenen beruflichen Handelns ein starker Prädikator ist für die Bereitschaft, instruktionale Innovationen zu realisieren. Die beiden Autoren (vgl. Ghaith / Yaghi 1997, S. 455) präsentieren folgenden Befund (vgl. Tab. 1):

a) Mit zunehmender Berufserfahrung betrachten die untersuchten Lehrpersonen die instruktionale Innovation als schwieriger zu implementieren und als weniger wichtig. Für Ghaith / Yaghi (1997, S. 456) lassen sich die Daten in der Weise interpretieren, “that accumulated teaching experience corrodes teachers' enthusiasm for adapting new instructional innovations”.

b) Lehrpersonen, die ihre persönliche Wirksamkeit hoch einschätzen, sehen die instruktionale Innovation in größerer Überstimmung mit ihren unterrichtlichen Handlungsweisen, bewerten sie als sehr wichtig und in Bezug auf die Implementation als weniger schwierig. Demnach ist zu erwarten, dass „teachers with high sense of personal teaching efficacy are more likely to implement instructional innovations” (S. 457).

Die von Creemers berichteten Erfahrungen, die im Zusammenhang mit dem Innovationsmanagement an niederländischen Schulen gewonnen wurden und die Befunde von Ghaith / Yaghi in den USA lenken die Aufmerksamkeit auf einen Aspekt des Innovationsmanagements, den Kriegesmann / Kerka (2001, S. 147) als Kompetenz zur Handlung bezeichnen. Dieses Konstrukt umfasst für die Autoren drei Dimensionen:

a) Handlungsfähigkeit als kognitive Basis:

Welches Wissen und welches Können sind erforderlich, um die mit der Innovation verbundenen Aufgaben wahrnehmen zu können?

b) Handlungsbereitschaft als motivationale Basis:

Welcher Nutzen ist aus den Innovationsprozessen zu erwarten ?

c) Zuständigkeit als organisatorische Legitimation und Einbindung in den Organisationskontext :

Besitzen die Akteure die Legimitation zu handeln und stehen ihnen die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung?

In einer Reihe von Studien wird darauf hingewiesen, dass eine zentrale Aufgabe des Managements von Innovationsprozessen darin zu sehen ist, den Trägern des Implementierungsprozesses eine fundierte und systematische Auseinandersetzung mit der zu implementierenden Neuerung zu ermöglichen. So kommen Redemer / Nourie im Rahmen ihrer Studie zur Einführung des Konzepts der Professional Development Schools (Eine orientierende Darstellung des Konzepts Professional Development School bietet der Beitrag von Book (1996)) zu folgender Empfehlung:

„Teachers need to deal cognitively with the PDS innovation before they can act on it. To facilitate teacher learning, teachers need to understand the PDS and why the PDS change is an improvement.” ( Redemer / Nourie 1999, S. 125)

Diese Voraussetzung – nicht mit der gängigen Forderung ‚über die Innovation informieren' gleich zu setzen – wird bei der Umsetzung von Innovationsvorhaben häufig nicht erfüllt. Noch bevor hinreichend Klarheit über den Gegenstand – sei es ein neues curriculares Konzept, das Design einer Lernumgebung oder ein Qualitätsmanagementsystem – erlangt wird, bevor ein zum Handeln befähigendes Wissen und Können aufgebaut werden konnte, werden bereits erste Schritte zur Gestaltung der Praxis unternommen. Dabei wird i.d.R. darauf verwiesen, dass es darauf ankomme, ‚ergebnisorientiert' vorzugehen und früh sichtbare Ergebnisse hervor zu bringen. So richtig die Orientierung auf ausweisbare Ergebnisse ist, so sicher ist auch bei Vernachlässigung der kognitiven Basis die Enttäuschung über den im Verlauf der Implementierung zunehmend hervortretenden Mangel an konzeptioneller Klarheit – weder das Überkommene noch das Neue konnten hinreichend präzise konturiert werden, um die Differenz bestimmen und konzeptkongruente Ziele definieren zu können. Damit verlieren sich auch die Ergebnisse im Unbestimmten: Es kann nicht genau angegeben werden, in welcher Beziehung die Veränderungen zu der intendierten Innovation stehen und im ungünstigsten Fall bleibt überhaupt offen, welche Phänomene der Kategorie ‚Ergebnisse' zu subsumieren sind.

Von den in den letzten Jahren initiierten Innovationen – handlungsorientierte Lernumgebungen, lernfeldbasierte Curricula, Qualitätsmanagement in Schulen, erweiterte Eigenständigkeit von Schulen – dürften einige analog zu dem verlaufen (sein), was Creemers an anfänglichen Fehlentwicklungen in den Niederlanden beschreibt: „In some instances schools made new curricula and put them on ice, whilst the school continued happily with the old system. (…) Alternatively, other aspects of educational innovation are taken up, such as organization of the school structure, with the same pattern: A blueprint is drawn up for a new structure, but the old one continues in use.“ ( Creemers 1986, S. 106) Neben weiteren Faktoren, die zu ineffektiven und ineffizienten Innovationsprozessen beitragen, lassen sich diese Probleme zu großen Teilen als Folge der wenig entwickelten Wissensbasis begreifen: Weder bei der Kreation der Innovation noch bei deren Implementierung ist sichergestellt, dass die jeweils einschlägige professionelle Expertise durch die Entwickler bzw. beim Aufbau der Wissensbasis bei den ‚Change Agents' genutzt wird. Da Mechanismen des Wissenstransfers zwischen Kultusadministration, ihr angegliederten Instituten und der Schulebene auf der einen Seite und den auf Forschung und Entwicklung spezialisierten Einrichtungen auf der anderen Seite weitgehend fehlen, sind Vorhaben der Veränderung eher administrativ konnotiert und werden wohl weniger begriffen als Adaption und Implementierung von Innovationen, die auf der Basis neuen Wissens generiert worden sind – auch dann nicht, wenn sie tatsächlich einen solchen Hintergrund aufweisen. Der Aufbau von Wissen als Voraussetzung der Handlungsfähigkeit gerät somit nicht in den Blick.

Mit ihrer zweiten Dimension Handlungsbereitschaft als motivationale Basis machen Kriegesmann / Kerka (2001) darauf aufmerksam, dass die Bereitschaft, das erworbene Wissen und Können bei der Implementierung der Innovation einzusetzen, wesentlich davon bestimmt wird, ob der Nutzen aus dem Innovationsprozess darstellbar ist. Die Darstellbarkeit des Nutzens ist eng mit der Güte des aufgebauten Wissens verknüpft, denn dieses Wissen befähigt die Akteure, den gegebenen Zustand differenziert zu erfassen und an dem über die Implementierung der Innovation potentiell erreichbaren Zustand zu spiegeln. Die daraus resultierende Differenz und deren Bewertung ermöglicht eine Darstellung des erwarteten Nutzens. Für die Ausprägung und Stabilität der individuellen Handlungsbereitschaft dürfte es dabei darauf ankommen, dass der erwartete Nutzen möglichst konkret und ebenen- bzw. adressatenspezifisch ermittelt wird. So wird z.B. der Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems in einer Schule kaum erfolgreich verlaufen, wenn ihm im Wesentlichen die Funktion zugeschrieben wird, nach außen als Werbemaßnahme oder als Dokument der Pflichterfüllung gegenüber der Schulaufsicht zu dienen und nach innen für die einzelnen Lehrpersonen als individuelle Erfahrung letztlich nur die Mehrbelastung zu verbuchen ist.

Die dritte Dimension Zuständigkeit als organisatorische Legitimation und Einbindung in den Organisationskontext berührt sowohl das Binnen- als auch das Außenverhältnis der Organisation Schule. Im Zusammenhang mit der Implementierung von Innovationen in Schulen wird durchgängig darauf hingewiesen, dass der Schulleitung eine zentrale Funktion zukommt: Für den Implementierungsprozess ist die volle Unterstützung der Schulleitung erforderlich. Mit der von den beiden Autoren angeführten Dimension wird darüber hinaus eine Bedingung formuliert, die insbesondere in der Organisation Schule nicht von vorn herein als gegeben anzunehmen ist. Schulen verfügen i.d.R. über eine formal wenig gegliederte und aufgabenspezifisch wenig differenzierte Organisationsstruktur, die Leitungsspanne ist groß, und die Hierarchie ist flach. Die Aufgabe, einen Innovationsprozess zu steuern, wird zumeist nicht formal in der Organisation verankert, die Lehrpersonen, die mit dieser Aufgabe betraut werden bzw. sich ihrer annehmen, bewegen sich in einem – in Bezug auf explizit formulierte Pflichten und Rechte – wenig definierten Raum. Dem entsprechend schwach ist ihre Legitimation zu handeln.

Diese Einschränkungen hinsichtlich der formalen Legitimation im Binnenverhältnis werden in analoger Form im Außenverhältnis repliziert. Dabei dokumentieren die – im günstigen Fall – bereitgestellten und auf die ‚Versuchslaufzeit' begrenzten Ressourcen zwar den offiziellen Status des Innovationsvorhabens, eine präzise Definition des Handlungsspielraums unterbleibt jedoch zumeist. Da darüber hinaus i.d.R. unbestimmt bleibt, wie nach der Versuchslaufzeit verfahren wird, aufgrund welcher Kriterien entschieden wird, ob die implementierte Neuerung weitergeführt werden kann oder nicht, ist die Legitimation zu handeln reduziert.

Anhand der drei von Kriegesmann / Kerka (2001) entfalteten Dimensionen und den darauf basierten Analysen lassen sich Ansatzpunkte gewinnen für eine Weiterentwicklung der Voraussetzungen eines effektiveren Managements von Innovationsprozessen in Schulen. Der Beitrag der Lehrerbildungseinrichtungen ist insbesondere dort zu sehen, wo es um die Bereitstellung der Grundlagen für eine professionelle Entwicklung der zukünftigen Lehrpersonen geht. Das Qualifizierungsprogramm ist das erste Glied einer Kette, in der über das Niveau professioneller Entwicklung und das Vertrauen in die eigene professionelle Wirksamkeit die Voraussetzungen geschaffen werden, die Fähigkeit und die Bereitschaft zu entwickeln, sich mit instruktionalen Innovationen produktiv auseinander zu setzen.

3. Desiderata

Anhand der folgenden drei Thesen wird skizziert, welche Aufgaben zur Bearbeitung vorgeschlagen werden, um die Grundlagen des Managements von Innovationsprozessen in Schulen weiter entwickeln zu können.

a) Innovations(management)forschung ist im Bildungsbereich nicht hinreichend entwickelt.

Grundsätzlich stehen in Deutschland Instrumente zur Verfügung, die geeignet wären, eine ertragreiche Forschung zum Management von Innovationsprozessen zu realisieren. Diese Instrumente (Schulversuche, Modellversuche) werden jedoch weit überwiegend nicht in einer Weise eingesetzt, die es ermöglichen würde, einen Beitrag zum Ausbau der Wissensbasis leisten zu können. Die Schwachpunkte liegen primär darin, dass diese Entwicklungsarbeiten nicht in einen konzeptuellen Rahmen eingeordnet sind, dass keine systematische Rezeption und Verarbeitung des bereits existierenden Wissens erfolgt und, dass die Möglichkeiten zur Etablierung einer regelbasierten Evaluationskultur nicht genutzt werden. Eine Auseinandersetzung mit konzeptuellen Grundlagen, wie sie mit dem Design-Konzept vorliegen ( Banathy / Jenks 1993), und mit methodologischen und methodischen Fragen der Evaluation wären Schritte zur Minderung dieser Defizite.

b) Implementationsforschung ist überwiegend auf die Beschreibung und Erklärung der Hindernisse bzw. des Scheiterns fokussiert.

Die insgesamt spärlichen Arbeiten zur Implementation von Innovationen sind vorwiegend darauf orientiert, die Fehlentwicklungen zu eruieren und die dafür verantwortlichen Faktoren zu identifizieren. Die Erwartung ist, dass diese Ergebnisse genutzt werden können, um durch entsprechende Steuerungsmaßnahmen das Eintreten der ungünstigen Ereignisse zu vermeiden. Einen analogen Ansatz finden wir auch in der Forschung zu Belastung und Beanspruchung von Lehrpersonen. Ein interessanter Gegenentwurf zu diesem Konzept ist darin zu sehen, nicht die problematischen Fälle, die misslingenden Initiativen zu analysieren, sondern die erfolgreichen Fälle oder Maßnahmen ( Howard / Johnson 2002).

c) Die Bereitschaft, weitere Optionen zu generieren, zu erproben und daraus zu lernen, ist unterentwickelt. ‚Experimentieren‘ ist tendenziell negativ konnotiert.

Um die Effektivität des Neuen beurteilen zu können, muss es implementiert werden. Somit ist die Implementierung nicht der Abschluss, sondern eine Phase in der Entwicklung der Innovation. Die mit dieser Erprobungsphase verbundenen Unsicherheiten werden häufig als Zumutung wahrgenommen bzw. von interessierter Seite als solche dargestellt. Besonders im Bildungsbereich wird zu pädagogisch vermeintlich notwendigen Schutzschilden gegriffen, mit denen sich Erprobungen abwehren oder dauerhaft desavouieren lassen: Lehrpersonen und Schüler – so die bemühte Formel – dürfen nicht als ‚Versuchskaninchen' missbraucht werden. Im um die Chancen beschnittenen Blick – auch auf noch die unwahrscheinlichsten Risiken – werden die anderswo gewonnenen und völlig anders gelagerten Erfahrungen mit dem, was eine ‚offene Entwicklungs- und Erprobungskultur' genannt werden kann, vollständig ignoriert (Einen guten Einblick in eine in dieser Weise geprägte Organisationskultur gibt Hodginson (1998) in ihrem Beitrag. ).

Literatur

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