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 bwp@ Ausgabe Nr. 10 | Juli 2006
Lernfirmen

Der methodische Dreischritt „Lernbüro, Übungsfirma und Juniorenfirma“ als didaktisches Konzept in der Entrepreneurship Education


 

 

 

1. Einleitung

Die gründungsspezifische Lehre wird an verschiedenen deutschen Universitäten nicht nur im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften, sondern auch für fachfremde Studiengänge angeboten. Dadurch können Studierende interdisziplinär eine gründungsbezogene Qualifizierung erhalten. Nehmen sie dieses Angebot wahr, können diese Inhalte einerseits auf den Nutzen für die individuellen studienbezogenen Zwecke hin reflektiert und andererseits auf die gegenwärtige sowie zukünftige Berufs- und Lebensplanung transferiert werden.

Dieses gründungsspezifische Lehrangebot besteht traditionell nachvollziehbar im methodischen Bereich vornehmlich aus klassisch einzustufenden Formen (Hierzu könnten auch an Hochschulen angebotene Seminare, Projekte, Übungen, Pra­xislabore sowie interdisziplinäre Veranstaltungen gehören, falls sie nach BRAUKMANN (2000, 27; vgl. z.B. auch HERTING 2001, 67) als an Hochschulen bislang übliche didaktische Arrangements „vielfach nicht alle Möglichkeiten des Sensibilisierens und Motivierens“ ausschöpfen und damit „den Aufbau ganzheitlicher Fähigkeiten (Stich­wort: Monismus der kognitiven Lernzieldimension [...])“ erschweren bzw. verhindern.) der Lehrvermittlung, insbesondere der Vorlesung (HERTING, 1998, 67) mit Frontalunterrichtscharakter. Diese Form der Unterrichtsmethode baut vor allem die fachbezogenen Kompetenzen der Studierenden aus. Der Entwicklung von methodischen und sozialen Kompetenzen können diese Lehrmethoden jedoch nur im geringen Maße gerecht werden. Zudem sollten fachbezogene Inhalte gerade auch für Studierende fachfremder Studiengänge sowie verhaltensbezogene Inhalte für schon fachlich versierte Studierende der Wirtschaftswissenschaften in den Lehrveranstaltungen angeboten werden. Gerade weil gründungsspezifisch ausgerichtete Veranstaltungen auch von Studierenden aller Fachbereiche besucht werden können, sollte eine gründungsbezogene Handlungskompetenz an die Unternehmeraufgabe angelehnt und ganzheitlich gefördert werden.

Daher wird für eine alternative akademische Gründungsqualifizierung ein didaktisches Konzept vorgestellt, das ergänzend zu den etablierten Lehr-/Lernformen in Verbindung mit einer spezifischen Zielgruppenorientierung einen ganzheitlichen gründungsbezogenen Kompetenzaufbau fördert. Dies trägt u.a. auch zu einer gesteigerten Sensibilisierung der Studierenden für gründungsbezogene Themen bei. Diese methodische Innovation dient der Simulation komplexer unternehmerischer Handlungs- und Entscheidungssituationen und unterstützt im Kern eine verhaltensbezogene Qualifizierung.

Entsprechende Simulationsformen, die vorwiegend schon in wirtschaftsberuflichen Bildungsgängen populär sind, können hierbei unternehmerische Realität ganzheitlich abbilden, indem wesentliche Aspekte der bekannten Methoden wie Rollenspiel, Fallstudie und Planspiel aufgegriffen, synergetisch verknüpft und in einen akademischen Kontext integriert werden. Konzeptionell sollen sie darauf ausgerichtet sein, das eigene Handeln des Lernenden im Lehr-/Lernprozess weiter zu steigern. Im Verbund mit einem zunehmenden Aktivitätsgrad und der gesteigerten Eigenverantwortlichkeit des Handelns soll auch die Ernsthaftigkeit der unternehmerischen, gründungsbezogenen Praxis durch Studierende erfahrbar werden.

Um hierfür eine Basis legen zu können, wird daher zunächst in Kapitel 2 eine allgemeine definitorische Bestimmung des Begriffs Simulationsmethode vorangestellt. Es ist zu konstatieren, dass im Rahmen der wirtschaftsberuflichen Simulationsformen die Methodischen Großformen Lernbüro, Übungsfirma und Juniorenfirma den höchsten Handlungsspielraum und Praxisbezug für den Lernenden im Lehr-/Lernprozess erzeugen können. Hieran anknüpfend werden diese drei Lehr-/Lernarrangements zu einer gründungsspezifischen innovativ-didaktischen Gesamtkomposition zusammengeführt, um sie dann in Kapitel 3 in Bezug auf ihr Lehr-/Lernpotenzial in der Entrepreneurship Education (EE) untersuchen zu können. Abschließend werden in Kapitel 4 in Kürze Chancen und Grenzen des Dreischritts in der EE aufgezeigt.

2.  Zu den wirtschaftsdidaktischen Simulationsmethoden

2.1  Allgemeine definitorische Bestimmung der Simulationsmethode

Eine wirtschaftsdidaktische Simulationsmethode ist nach Ewig ein „umfassender Begriff für alle Aktivitäten, die durch Nachahmung der Realität in einem Modell Schülern Erfahrungen des Wirtschaftslebens vermitteln wollen.“ (EWIG 1991, 130) Sie wird genutzt, „um die Konsequenz riskanter und kostspieliger Pläne zunächst […] gefahrlos ermitteln und bewerten zu können.“ (BUDDENSIEK 1999, 353) Dabei soll die Simulation „die Wirklichkeit in bestimmter Weise zu einer Lernumwelt [vereinfachen, I.E., B.H.] die den Voraussetzungen der Lernenden entgegenkommt und die ungünstige oder gefährliche Auswirkungen ausschließt.“ (BONZ 1999, S. 125) Der Lernende setzt sich im handlungsorientierten Lehr-/Lernprozess mit dem jeweiligen Unterrichtsgegenstand innerhalb der Lernumgebung aktiv auseinander (DÖRNER 1982, 142) und erhält dadurch die Möglichkeit, seine Handlungskompetenzen zu erweitern (BUDDENSIEK 1999, 354).

Wirtschaftsdidaktische Simulationsmethoden können unterschiedlich dimensionierte Handlungsräume haben, die dementsprechend auch verschiedene Grade der Handlungsfreiheiten bieten. Vergleichbar reichhaltig und dabei nicht immer überschneidungsfrei sind auch die Konzepte, die in ihrer Vielfalt zu Verwirrungen führen können ( BUDDENSIEK 1999, 354) . Bezeichnungen dieser Konzepte wie Rollenspiel, Planspiel, Fallstudie, Lernbüro, Übungsfirma, Juniorenfirma oder Computersimulation lassen Unterschiede oder Gemeinsamkeiten bestenfalls erahnen (EWIG 1991, 130).

Da die Methodischen Großformen Lernbüro, Übungsfirma und Juniorenfirma besonders dazu geeignet sind, den höchsten Aktivitätsgrad beim Lernenden zu erzeugen und ganzheitliche betriebliche Abläufe zu simulieren, sollen sie im Weiteren detaillierter vorgestellt werden (EBBERS 2003, 41-42, 159-163).

2.2  Zu den Simulationsformen betrieblicher Praxis und ihrer didaktischen Gesamtkomposition

Das Lernbüro, als die erste in diesem Kontext vorzustellende Simulationsmethode, kann als eine dynamische Bürosimulationsform verstanden werden, durch die Lernende „betriebliche Abläufe und Aufgaben in ihrer Komplexität und ihrem Zusammenhang durch ein praxis- und handlungsorientiertes Lernen erkennen und bearbeiten.“ (ACHTENHAGEN 1997, 624)

Die Lernenden übernehmen Rollen und Aufgaben, um zum Gelingen der Simulation unternehmerischer Abläufe beitragen zu können (KAISER 1999b, 274). Einerseits ist das Ziel des Einsatzes des Lernbüros, die Anschaulichkeit des theoretischen Unterrichts herzustellen, andererseits soll die berufliche Handlungskompetenz beim Lernenden gefördert werden (BONZ 1999, 127). „Die Anstöße für Handlungen im Lernbüro folgen aus den so genannten 'Außenstellen'“ (ACHTENHAGEN 1997, 626). Dazu zählen beispielsweise Kunden und Lieferanten des Unternehmens, die zumeist von der Lehrperson simuliert werden. Die gesamten Arbeitsabläufe werden in einem solchen Lernbüro von der Lerngruppe mit fiktiven Geld- und Güterströmen in einem geschlossenen Modell in simulierter Form organisiert. Das Lernbüro ist damit im Gegensatz zu den anderen beiden Methoden - Übungsfirma und Juniorenfirma - eine reine Simulation, die zu keiner Zeit und in keiner Situation eine Anbindung an das reale Marktgeschehen vorsieht. Hieraus kann geschlossen werden, dass der Grad der Realitätsnähe als gering einzuschätzen ist. Die Lernenden praktizieren folglich alle betrieblichen Abläufe in einem didaktischen Schonraum. Daher ist unter anderem der Grad der Komplexität bei der Methodischen Großform Lernbüro im Vergleich zu den anderen beiden Lehr-/Lernarrangements ebenfalls am geringsten. Durch diesen Umstand müssen die Lernenden darüber hinaus zu keinem Zeitpunkt die Befürchtung haben, dass fehlerhaftes Verhalten mit tatsächlichen Risiken für das Simulationsunternehmen und ihre eigene Person behaftet sein könnte. Damit ist auch der Grad der Ernsthaftigkeit unternehmerischer Abläufe am geringsten.

Im Gegensatz dazu werden Anstöße zu Arbeitsabläufen bei der Übungsfirma durch andere Übungsfirmen initiiert, da diese weitere Simulationsform betrieblicher Praxis für gewöhnlich dem so genannten Deutschen Übungsfirmenring angeschlossen ist (SOMMER 1999, 378). ACHTENHAGEN stellt diesbezüglich fest: „Die umfängliche Modellierung der betrieblichen Realität in der Übungsfirmenarbeit erlaubt einen komplexen Zugriff auf das Spektrum kaufmännisch-verwaltender Fähigkeiten“ (ACHTENHAGEN 1997, 626). Die Übungsfirmenarbeit ist durch Umfang und Intensität der realen Außenkontakte geprägt. Aktionen und Reaktionen in Verbindung mit anderen Übungsfirmen bedingen sich in einem wechselwirkenden Prozess gegenseitig (LINNEKOHL 1984, 359). Zentralstellen des Übungsfirmenringes übernehmen alle weiteren Funktionen der Institutionen bzw. Außenstellen wie Post, Bank, Versicherungen etc. Folglich gewährleistet diese Methode eine höhere Realitätsnähe als das Lernbüro. Durch die Kontakte zu anderen Übungsfirmen erhalten die Teilnehmer einen großen Spielraum für ihre Handlungen. Dabei tritt die Lehrperson noch stärker als im Lernbüro in den Hintergrund (LINNEKOHL/ ZIERMANN 1987, 80). Die Übungsfirma besitzt daher einen höheren Komplexitätsgrad als das Lernbüro. Bezüglich der Geld- und Güterströme, die in der Übungsfirma simuliert werden, unterscheidet sich diese Methode nicht vom Lernbüro. Durch die realen Außenkontakte nimmt allerdings der Grad der Ernsthaftigkeit des Betriebsgeschehens im Gegensatz zum Lernbüro zu. Die Übungsfirma ist nun nicht mehr allein für den reibungslosen Ablauf ihrer unternehmerischen Prozesse zuständig, sie hat auch Verantwortung gegenüber ihren real existierenden Geschäftspartnern. Die Mitglieder der Übungsfirma haben bei Fehlverhalten mit Sanktionen am Übungsfirmenmarkt zu rechnen. Eine Blamage gegenüber den anderen Übungsfirmen soll zudem vermieden werden.

Die Juniorenfirma, als letzte hier zu beschreibende Simulationsmethode, „stellt eine am Wirtschaftsleben aktiv teilnehmende Unternehmung dar, die mit konkreten Produkten am Markt konkurriert.“ (ACHTENHAGEN 1997, 628) Von daher ist die Juniorenfirma eine 'Weiterentwicklung' der Übungsfirma (ACHTENHAGEN 1997, 628). Ziel dieser Methodischen Großform ist sowohl die Veranschaulichung kaufmännischer Arbeitsabläufe als auch die Förderung von Schlüsselqualifikationen wie „Teamfähigkeit, Kreativität, Entscheidungsfähigkeit, Sprachkompetenz, Selbständigkeit und das Denken in Zusammenhängen“ (ACHTENHAGEN 1997, 628). Der Grad der Realitätsnähe erreicht bei dieser Lehr-/Lernform die höchste Stufe. Lernende haben die Möglichkeit, selbstständig eine eigene Geschäftsidee zu verwirklichen. Die Lehrperson soll nur noch bei der Bewältigung besonderer Problemsituationen unterstützend wirken. Die Kontaktierung von potenziellen Kunden und Lieferanten findet seitens der Lernenden selbstständig am realen Markt statt. Ein geringerer Grad der Realitätsnähe herrscht in Bezug auf rechtliche und finanzielle Fragen, da die Juniorenfirmen beispielsweise durch das Institut der Deutschen Wirtschaft geschützt werden. Die Juniorenfirma besitzt zudem den höchsten Grad der Komplexität . Im Gegensatz zum Lernbüro und zur Übungsfirma hat die Juniorenfirma alle Bereiche des Unternehmensprozesses real zu gestalten. Dadurch besitzt sie auch den höchsten Grad der Ernsthaftigkeit . Treten Schwierigkeiten in den unternehmerischen Abläufen der Juniorenfirma auf, so spüren die Teilnehmenden die Auswirkungen im ganzen Ausmaß, da reale Geld- und Güterströme davon betroffen sind. Die Verantwortung gegenüber ihren Marktpartnern ist damit auch höher als bei der Übungsfirma, da bei realen Geschäftsabwicklungen die Solvenz der Juniorenfirma vorausgesetzt und ein geschäftliches Vertrauensverhältnis aufgebaut wird.

Die Identifikation der abgrenzbaren und teilweise verschränkten Merkmale Grad der Realitätsnähe, Grad der Komplexität und Grad der Ernsthaftigkeit zeichnet folglich für die drei Methodischen Großformen Konturen ihrer didaktischen Struktur. BRAUKMANN kombiniert daher die drei oben aufgezeigten Merkmalsausprägungen der drei Methodischen Großformen zu einem didaktischen Konzept, das im Rahmen des wirtschaftsberuflichen Lehrangebots für Schüler zur sukzessiven Vermittlung einer beruflichen Handlungskompetenz eingesetzt werden kann (BRAUKMANN 2000, 33-36). Er entwickelt damit den so genannten methodischen 'Dreischritt', bei dem die Lehr-/Lernarrangements in der Reihenfolge 'Lernbüro, Übungsfirma und Juniorenfirma' aufeinander aufbauen (BRAUKMANN 2000, 36). Der Lernende kann durch das systematische Durchlaufen der Lehr-/Lernprozesse in den drei Methodischen Großformen durch Zunahme der Realitätsnähe, Komplexität und Ernsthaftigkeit auf jeder Ebene schrittweise an die unternehmerische Praxis herangeführt werden. Der Schüler hat dadurch die Möglichkeit, sich an die Komplexität realer betrieblicher Abläufe und an die eigenen erweiterten Handlungsspielräume auf jeder Ebene zu gewöhnen. Die folgende Abbildung soll diesen Ansatz von BRAUKMANN verdeutlichen.

 

Allen drei Methodischen Großformen ist darüber hinaus gemeinsam, dass sich in ihnen Simulationsformen wie Rollenspiel, Planspiel, Fallstudie etc. wieder finden (EWIG 1991, 130). Diese bilden einen umfangreichen Teil der Sozialformen eines Lernbüros, einer Übungsfirma und einer Juniorenfirma. Der hohe Komplexitätsgrad der Simulation betrieblicher Praxis verlangt geradezu nach dieser Einbettung von Simulationsspielen und -medien. Die abwechslungsreichen Methodenarrangements ermöglichen den im hohen Maße erforderlichen handlungsorientierten Lernprozess.

Das hier angesprochene Potenzial dieses Methodenarrangements und die daraus entstehende didaktische Innovation im Hinblick auf die Gründungsqualifizierung an Hochschulen soll im Weiteren vorgestellt werden.

3.  Zum Lehr-/Lernpotenzial des methodischen Dreischritts für eine Entrepreneurship Education

Mit der Zielsetzung, Studierenden aller Fachbereiche durch eine fach- sowie verhaltensorientierte Gründungsqualifizierung eine 'unternehmerische Handlungskompetenz' vermitteln zu können, soll nun die soeben vorgestellte schulische didaktische Gesamtkomposition in ihrer konzeptionellen methodischen Kraft im Rahmen eines akademischen Kontextes beschrieben werden. Dieser Ansatz soll Studierende aller Fachbereiche für das Thema der beruflichen Selbstständigkeit erschließen und damit das bestehende Lehrangebot einer konventionellen Gründungsqualifizierung bei seiner Vermittlung unterstützen.

Zunächst sei das Augenmerk auf das methodische Konzept des universitären Lernbüros gerichtet. Ähnlich dem schulischen Lernbüro, bei dem jedoch die Simulation von betrieblichen Abläufen im Mittelpunkt steht, findet im universitären Lernbüro die Simulation von gründungsspezifischen Entscheidungs- und Handlungsfeldern in einem geschlossenen Modell statt. Das bedeutet, dass die Studierendengruppe keine Kontakte zur Außenwelt pflegt. Außenkontakte werden ausschließlich durch den Dozenten simuliert. Alle gründungsspezifischen Handlungen sind dabei entsprechend dem gewählten Simulationsmodell inhaltlich zu transformieren, zu reduzieren und zu akzentuieren. Hierdurch wird es den Lernenden ermöglicht, komplexe Inhalte gründungsbezogener Abläufe nachvollziehen und verarbeiten zu können. Den Studierenden wird im Rahmen einer authentischen Lehr-/Lernumgebung die Option eingeräumt, einen Einblick in die Vorgänge des Unternehmensgeschehens zu gewinnen. Der gesamte Lehr-/Lernprozess findet hier noch in einem methodischen Schonraum statt, wobei die soeben identifizierten Merkmalsausprägungen Realitätsnähe, Komplexität und Ernsthaftigkeit des schulischen Dreischritts auch auf der ersten Ebene des universitären Dreischritts den niedrigsten Grad einnehmen. Die Studierenden können im Rahmen dieser Qualifizierungssequenz eine erste Einschätzung ihres aktuellen gründungsbezogenen Kompetenzprofils vornehmen sowie prüfen, ob und in welcher Form sie eine weitere Investition in den Bildungskanon einer Gründungsqualifizierung vornehmen wollen (BRAUKMANN 2002, 69).

Im Gegensatz zum Lernbüro öffnet sich die universitäre Übungsfirma ihrer Außenwelt in der Form, dass sie Geschäftsbeziehungen zu real existierenden Studierendengruppen an ausländischen Universitäten simulierend aufbaut. Alle Geld- und Güterströme werden jedoch weiterhin ausschließlich simuliert. Durch die Öffnung des Modells zur Außenwelt steigt der Aktionsradius der Studierenden, und sie können damit unternehmerisches Denken und Handeln in komplexen Gründungssituationen erfahren. Dabei nimmt der Grad der Realitätsnähe, Komplexität und Ernsthaftigkeit auf der zweiten Ebene des universitären Dreischritts zu. Intention ist es, bei den Studierenden eine Gründungsmündigkeit zu entwickeln, die sie befähigen soll, sich bewusst bzw. begründet für die Aufgabe oder Weiterverfolgung für eine weitere Gründungsqualifizierung bzw. für die Realisierung einer Gründungsidee zu entscheiden (BRAUKMANN 2002, 69). Im Gegensatz zur schulischen Juniorenfirma zielt die universitäre Juniorenfirma nicht darauf ab, dass Studierende eine tatsächliche Gründung vollziehen bzw. sich ausgründen. Vielmehr steht im Mittelpunkt des akademischen Juniorenfirmengeschehens die Beschäftigung mit den inhaltlichen Komponenten eines zu planenden und tatsächlich verfolgten Gründungsvorhabens. Hierbei erleben die Studierenden sukzessive in jeder Sitzung, wie das Konzept ihrer Gründungsidee Gestalt annimmt. Bei der Vorbereitung ihres Geschäftsplans müssen sie sich allen unternehmerischen Anforderungen der Gründungsplanung stellen. Dabei lernen und handeln sie in einem hohen Maße eigenverantwortlich und selbstständig. Folglich nehmen auf der dritten und letzten Stufe des universitären Dreischritts die Merkmalsausprägungen Realitätsnähe, Komplexität und Realitätsnähe den höchsten Grad an. Im letzten Schritt dieser Aufbauqualifizierung wird den Studierenden damit der Erwerb der beruflichen Handlungskompetenz 'unternehmerische Selbstständigkeit' ermöglicht.

Zusammenfassend sei noch einmal betont, dass die Darstellung von für alle drei Methodische Großformen gültigen übergreifenden Merkmalen und die Konkretisierung der jeweiligen Merkmalsausprägungen Realitätsnähe, Komplexität und Ernsthaftigkeit nahe legt, die drei Formen als eine Gesamtkomposition im Sinne des von BRAUKMANN grundgelegten 'Dreischritts' für den Einsatz in der akademischen Gründungsqualifizierung zu nutzen. Die diesem Ansatz innewohnende konzeptionelle Kraft einer sich sukzessive der Realität annähernden Simulation unternehmerischer Praxis kann dem Lernenden gründungsbezogene Inhalte sowie unternehmerisches Denken und Handeln auf spielerische Art näher bringen.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass in Bezug auf das Leistungsspektrum des gründungsspezifischen Dreischritts die Zielgruppe binnendifferenziert werden muss: Bei einer Unterscheidung der Zielgruppe in Nicht-Wirtschaftswissenschaftler und Wirtschaftswissenschaftler kann davon ausgegangen werden, dass Wirtschaftswissenschaftler eher eine Affinität zu gründungsbezogenen Themen besitzen als z.B. Studierende der Ingenieur-, Kultur- oder Geisteswissenschaften. Die Vorerfahrungen in Bezug auf die Gründungsthematik dürften dementsprechend unterschiedlich einzustufen sein. Daher ist zu vermuten, dass bei fachfremden Studierenden aufgrund einer fehlenden Eignungspassung Motivationsdefizite bei der Beteiligung an dieser Qualifizierungsform auftreten können. Für Studierende der Wirtschaftswissenschaften darf angenommen werden, dass vor allem Defizite im Rahmen von umsetzungs- und anwendungsbezogenen Schlüsselqualifikationen bestehen, da die wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung in weiten Teilen eher kognitiv ausgestaltet ist. Dieser Sachverhalt wird im oberen Teil der folgenden Darstellung nochmals visualisiert.

 

Weiterhin ist dem Schaubild und den vorangegangenen Ausführungen zu entnehmen, dass für die Zielgruppen verschiedene Lernzielklassen verfolgt werden sollten, um beispielsweise die vermuteten Motivationsdefizite bei fachfremden Studierenden zu beheben. So werden Nicht-Wirtschaftswissenschaftler bei der Teilnahme an der Qualifizierung des universitären Dreischritts schwerpunktmäßig eine fachbezogene, berufliche Orientierung für ihre zukünftige Lebensplanung in spielerischer Form erwerben können und wollen. Hierbei handelt es sich folglich um den Erwerb einer Orientierungskompetenz. Studierende der Wirtschaftswissenschaften werden ihr Kompetenzportfolio tendenziell durch selbstständiges Lernen und Handeln in anspruchsvollen, komplexen Anwendungssituationen, die im Rahmen des Dreischritts geschaffen werden, erweitern können. Darüber hinaus erhalten sie die Möglichkeit, ihre schon vorhandene Fachkompetenz in genau diesen Situationen zur Anwendung zu bringen, zu nutzen und zu erweitern.

Die in der obigen Abbildung 2 nur angedeuteten vielfältigen, durch den Dreischritt zu erwerbenden Kompetenzcluster verdeutlichen auch das dem methodischen Dreischritt innewohnende hohe Lehr-/Lernpotenzial.

4.  Schlussbetrachtung

Dass trotz des soeben dargestellten Lehr-/Lernpotenzials die hier angeführten Methodischen Großformen bislang nur eingeschränkt Anklang an den deutschen Universitäten in der Gründungsqualifizierung gefunden haben (HALBFAS 2005, 174-186), lässt sich sicherlich vor allem wie folgt erklären. Die methodisch-innovative Aufbereitung einer solchen gründungsbezogenen Qualifizierung bedarf einer äußerst anspruchsvollen Hochschul- bzw. Unterrichtsraumdidaktik, damit ein auf ein akademisches Niveau abgestimmtes, zielgruppenspezifisches, fach- und verhaltensbezogenes Lehrangebot unterbreitet werden kann.

Gerade wegen seiner ganzheitlichen Ausrichtung sei erwähnt, dass der 'Dreischritt' nicht den Anspruch auf eine in sich geschlossene und hinreichende universitäre gründungsbezogene Qualifizierung erhebt. Zur Vertiefung muss ein begleitendes, stärker fachbezogenes Lehrangebot erfolgen. Damit soll der 'Dreischritt', dies sei an dieser Stelle nochmals unterstrichen, als curriculare Ergänzung zu weiteren gründungsspezifischen Veranstaltungsangeboten gelten.

Des Weiteren darf abschließend festgehalten werden, dass der methodische 'Dreischritt' durch seinen universitären Einsatz als wesentlicher Agent zwischen Schule und Hochschule fungiert. So können die Anleihen aus dem schulischen Umfeld, die im universitären Kontext ergänzt und theoretisch fortentwickelt werden können, wieder für die Schule oder die berufliche Weiterbildung genutzt werden.

 

Literatur

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