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 bwp@ Ausgabe Nr. 13 | Dezember 2007
Selbstorganisiertes Lernen in der beruflichen Bildung Herausgeber der bwp@ Ausgabe 13 sind Karin Büchter und Tade Tramm

"Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange?" Schule im Spannungsfeld von Bildung und 'selbstgesteuertem Lernen'

online seit 14.4.2008

 

 

Abstract

Mit Konzepten für 'selbstgesteuertes Lernen' und einer programmatischen Ausrichtung der Pädagogik auf das lernende Subjekt sind in der bildungstheoretischen und -praktischen Diskussion große Innovationshoffnungen für das Bildungswesen verknüpft.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese Subjektorientierung und die daraus resultierenden (zumeist empiristischen Konzepte) nicht auch Ausdruck naiver pädagogischer Vorstellungen sind. Selbstbestimmung darf nicht mit Willkür, Selbststeuerung nicht mit Strukturlosigkeit, 'Erziehung zur Mündigkeit' nicht mit dem Abgeben von Verantwortung verwechselt werden. Der (angestrebte) Wandel von der Lehrer- hin zur Schülerorientierung beinhaltet potenziell die Suspension der Lehrperson von Verpflichtungen, die bei genauer Betrachtung unabdingbar wahrgenommen werden müssen, wenn 'Lernen' im Sinne von Bildung vollzogen werden soll. Daher ist es zu bezweifeln, dass der dem aktuellen pädagogischen Mainstream folgende Schluss, mit der Ausrichtung auf 'selbstgesteuertes Lernen' würden tatsächlich pädagogische Chancen eröffnet, tragfähig ist.

Wenn sich allerdings die erziehungswissenschafltiche Diskussion auf ein angemessenes theoretisches Niveau begibt und begrifflich klar und distinkt vorgeht, wird es möglich sein, sich der pädagogischen Grundfrage zuzuwenden, wie das Erziehungsziel des 'selbstbestimmten Subjekts' im Erziehungsprozess gewahrt bzw. durch ihn erreicht werden kann, auch dann, wenn Erziehung ihrer Natur nach Einflussnahme, also Fremdbestimmung ist.

Es wird aufgezeigt werden, dass in der theoretischen Unlösbarkeit des Paradoxons der Schlüssel praktischen Gelingens liegt – unter der Voraussetzung, dass wir nicht den Schüler, sondern den handelnden Lehrer für die Gestaltung und Entwicklung einer theoriegeleiteten pädagogischen Praxis in den Focus nehmen.

 

"How can I cultivate freedom within those constraints?"
School and the tension between education and ‘self-directed’
learning

The discussion in educational theory and educational practice is currently placing high hopes for innovation in the education system upon concepts for ‘self-directed’ learning and a programmatic orientation of pedagogy towards the learner.
However, the question arises as to whether this subject-orientation and the resulting, mostly empiricist, concepts are not the expression of naive pedagogical ideas. Self-determination must not be confused with arbitrariness, or self-direction with lack of structure, or ‘Education for adulthood’ with handing over responsibility. The (intended) move from teacher-focussed to learner-focussed contains the potential removal of responsibilities from the teacher which, on closer inspection, should be indispensable, if learning in the sense of education is to take place. Therefore it is doubtful whether the conclusion that a focus on ‘self-directed learning’ actually opens pedagogical opportunities, as seems to be the opinion of the current pedagogical mainstream, is viable.
However, if the educational discussion takes place at an appropriately theoretical level and proceeds with clear and distinct concepts, it will be possible to turn attention to the fundamental pedagogical question of how the educational aim of the ‘self-determined subject’ can be retained in the educational process or can be achieved through it, even if education itself is according to its nature externally determined.

 

online seit 14.4.2008