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Inhalt: 1 Entwicklung zu Kompetenzzentren: Das Sollen
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Der Begriff des Kompetenzzentrums wird nicht einheitlich verwendet. "Insgesamt
ist die Begrifflichkeit sehr unscharf und unpräzise in der Verwendung.
Auch wenn Begriffsverwirrungen' für neue Entwicklungen typisch
sind, verbergen sich dahinter auch unterschiedliche Zielsetzungen, Entwicklungsvorstellungen,
Interessen, Sichtweisen, Hoffnungen und Befürchtungen" (RÜTZEL/BENDIG
2002, 5). "Im Vergleich zu den berufsbildenden Schulen heutiger Prägung
werden für regionale Berufsbildungszentren drei wesentliche Charakteristika
von Weiterentwicklung thematisiert. Diese sind: größere Autonomie,
die Erweiterung des Aufgabenspektrums und die Kooperation" (RÜTZEL/BENDIG
2002, 5).
Der Begriff des Kompetenzzentrums hat eine Tradition in der organisatorischen
Gestaltung von Unternehmen und weist dort Parallelen zur Diskussion um
Zentralbereiche (vgl. FRESE 1998, 462ff.) auf. "Kompetenzzentren
sind unternehmensübergreifende Einheiten, die Wissen und Fähigkeiten
hinsichtlich der Erbringung einer bestimmen Leistung auf sich vereinigen
und weiterentwickeln" (WINKLER 1999, 31). "Ähnlich wie
bei einer Matrixorganisation überlagern sich hier (bei Kompetenzzentren,
d. V.) eine funktionale und eine objektbezogene Strukturdimension. Die
Kompetenzzentren dienen der Spezialisierung auf einzelne Inhalte des Leistungsprozesses"
(THOM/RITZ 2000, 246).
Kompetenzzentren konzentrieren sich in diesem Verständnis auf Teile
der Kernprozesse bzw. Supportprozesse eines Partners bzw. einer Gruppe
von Partnern, mit der Absicht, den Erfolg dieser Prozesse beim Partner
zu erhöhen. Kernprozesse sind dabei "eine zusammengehörige
Abfolge von Aktivitäten ..., die auf ein bestimmtes Kundensegment
ausgerichtet sind" (THOM/RITZ 2000, 245). Ein Supportprozess "kann
mit den Querschnittsfunktionen einer Organisation verglichen werden. ...
Supportprozesse haben demzufolge ihre Leistungsabnehmer im Sinne interner
Kunden innerhalb der Institution" (THOM/RITZ 2000, 246). Weitere
Hinweise für die Gestaltung von Kompetenzzentren in der beruflichen
Bildung dürften daher insbesondere durch die Ausdifferenzierung von
Supportprozessen aufgebaut werden. Supportprozesse können auch als
Querschnittsaufgaben' verstanden werden. Im Reformpapier der GEW
(2000, 17) wird präzisiert: "Querschnittsaufgaben: Dazu gehören
die Früherkennung (also die Forschung über neu entstehende Qualifikationsbedarfe),
die Abstimmung zwischen unterschiedlichen Ausbildungsgängen, die
Qualitätssicherung und Evaluierung sowie das Prüfungswesen.
Diese Aufgaben sollten auf der Bundesebene vom Bundesinstitut für
Berufsbildung (BIBB) wahrgenommen werden, dessen Auftrag auf die nichtdualen,
also auch die schulischen Ausbildungsgänge auszudehnen ist. Ein Teil
der Querschnittsfunktionen kann von den regionalen Akteuren übernommen
werden" (GEW 2000, 17).
BUGGENHAGEN und BUSCH (2001, 4) präzisieren: "Ein Kompetenzzentrum
für Bildungsdienstleistungen ist ein Unternehmen, das Wissen und
Können aus einem technischen, wissenschaftlichen und/oder pädagogischen
Objektbereich (seinem Kompetenzfeld) als kundenorientierte und bedarfsgerechte
Bildungsdienstleistung für Individuen, Unternehmen, Arbeitsverwaltungen
und/oder andere Mittelgeber komplex und kompetent zur Verfügung stellt."
Kennzeichen von Kompetenzzentren im Bildungswesen ist ein hochwertiges,
innovatives, breites und methodisch variantenreiches Bildungsangebot.
ESSER (2002, 261) und ähnlich ASSELBORN (2002) formuliert prägnant:
"Weg von der Lehrgangsorientierung der Bildungsstätte - hin
zur Handlungsorientierung im Kompetenzzentrum."
Kompetenzzentren müssen sich selbst auf ein Kundensegment ausrichten
und in diesem eine als wertvoll erkannte Leistung anbieten können.
Kompetenzzentren müssen so Kernkompetenzen entwickeln. Kompetenzzentren
dürften sich damit nur auf einem engen Fokus (z.B. Nahrungsmitteltechnik,
Solartechnik, höheres Wirtschaftsenglisch) profilieren können.
Dieses Verständnis erlaubt explizit die Existenz mehrerer Kompetenzzentren
in einer Region. Je produkt- oder techniknäher ein Kompetenzzentrum
gestaltet wird, desto eher unterliegt das Kompetenzzentrum selbst dem
Lebenszyklus dieses Produktes bzw. dieser Technik. Insofern muss betont
werden, dass nicht nur der Aufbau, sondern auch der systematische Rückbau
- z.B. bei Erreichen eines gewissen Diffusionsgrades der Technik in der
Region - als Herausforderung gelten kann.
Kompetenzzentren sind Einheiten, die sich auf ein Segment bzw. Problem
ausrichten, für das sie Kernkompetenzen entwickeln, die es ihnen
erlauben, erkennbar Leistungen anzubieten, die versprechen, den Erfolg
in den Kern- oder Supportprozessen zu erhöhen. Um das konstitutive
Segment bzw. Problem anzuzeigen, empfiehlt sich dabei die Kennzeichnung
"Kompetenzzentrum für ...". Begriffsbestimmungen, wie die
der BLK (2001, 16), erweisen sich damit als zu weit: "Kompetenzzentren
der beruflichen Bildung dienen der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung
in einzelnen Branchen oder Berufsfeldern bzw. Innungen oder Betrieben
in den jeweiligen Regionen und leisten insoweit einen Beitrag zur Sicherung
eines ausreichenden Qualifikationsangebots sowie zum Innovationstransfer"
(BLK 2001, 16). Die systematische Ausrichtung auf ein Segment bzw. ein
Problem bedarf eines professionellen Managements.
Für den Begriff des Kompetenzzentrums ist die Einbettung in Kooperations-
und Konkurrenzbezüge konstitutiv. Schon aus Sicht der Ausrichtung
auf ein Segment und der Entwicklung entsprechender Kernkompetenzen, bedarf
die Einbindung der für das Segment bzw. Problem erforderlichen Komplementärkompetenzen
der Kooperation. Im erweiterten Aufgabenbereich wird dabei überwiegend
auf Märkten operiert, so dass Konkurrenzbeziehungen virulent werden.
Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Kompetenzzentrum und Institution
können mehrere Fälle unterschieden werden: Kompetenzzentren
als Institution, Kompetenzzentren an Institutionen, Kompetenzzentrum mehrerer
Institutionen.
Abb. 1: Modelle für Kompetenzzentren
Alle drei Modelle haben spezifische Schwierigkeiten. Im ersten Fall,
Institutionen als Kompetenzzentren, besteht die Gefahr, die Heterogenität
einer Institution zu verkennen. So sieht Autsch überbetriebliche
Bildungsstätten als "multifunktionale Einrichtungen der regionalen
Bildungsinfrastruktur" (AUTSCH 1999, 349). Diese Multifunktionalität
erschwert die Ausrichtung der Gesamtinstitution. Im Fall von Schulen sind
insbesondere die Bündelschulen als heterogen zu begreifen. Aufgrund
der Ergebnisse im Forschungsprojekt "Berufsschulen auf dem Weg zu
regionalen Kompetenzzentren?" (BEKO; DOBISCHAT u.a. 2002; DOBISCHAT
u.a. 2003) scheint es fraglich, wie Bündelberufsschulen - im Gegensatz
zu Monoberufsschulen - sich in toto als Kompetenzzentrum entwickeln könnten.
Im zweiten Fall, der Entwicklung von Teilen der Institution zu Kompetenzzentren,
bestehen aufgrund der Ergebnisse in BEKO die Gefahr, dass sich dieser
Teil von der Gesamtinstitution abkoppelt und die in der Regel erwünschte
Dynamisierung der Gesamtorganisation unterbleibt. Im dritten Fall muss
betont werden, dass eine derartige Form der Zusammenarbeit relativ neu
ist und bisher wenig Erfahrungen und Erkenntnisse vorliegen.
Zusammenfassend lässt sich der Begriff des Kompetenzzentrums wie
folgt präzisieren: Ein Kompetenzzentrum ist eine Institution (Kompetenzzentren
als Institutionen), ein Teil einer Institution (Kompetenzzentren an Institutionen)
oder eine von verschiedenen Institutionen initiierte Einheit im Bildungswesen,
die sich auf ein Segment bzw. Problem ausrichtet. Im Prozess dieser Ausrichtung
werden Kernkompetenzen entwickelt, die es erlauben, erkennbar Leistungen
anzubieten, die versprechen, den Erfolg in den Kern- oder Supportprozessen
zu erhöhen. Sie unterliegen dabei einem professionalisierten Management
und sind in Kooperations- und Konkurrenzbezüge eingebettet. Sie agieren
dabei unter entsprechenden rechtlichen, ökonomischen und politischen
Rahmenbedingungen.
Ein regionales Berufsbildungsnetzwerk besteht - in einer allgemeinen
Annäherung - aus einer Menge von Institutionen aus der Region, die
mit Bildung befasst sind und zwischen denen eine Reihe von Relationen,
wie z.B. politischer Einfluss, Austausch von Wissen, Freundschaft oder
informationstechnische Beziehungen, besteht. Die hier gewählte allgemeine
Formulierung "mit Bildung befasst sein" deckt sechs Typen von
Institutionen ab: In der ersten Dimension können Institutionen nach
ihrem Formalziel mit den Ausprägungen "öffentliche Interessen",
"partikulare Interessen" und "erwerbswirtschaftliche Interessen"
klassifiziert werden. In der zweiten Dimension können Institutionen
danach klassifiziert werden, ob die Zentralprozesse im Bildungsbereich
liegen oder nicht. Diese Typisierung verdeutlicht bereits typische Probleme
der Zusammenarbeit: Bezüglich der Zusammenarbeit von Institutionen
mit unterschiedlichen Formalzielen (z.B. Unternehmen - Schule) ergibt
sich beispielsweise - analog des Problems der interkulturellen Vertrauensbildung
- das Problem der interrationalen' Vertrauensbildung, d.h. die Ausbildung
von Vertrauen wird dadurch erschwert, dass die Personen vor dem Hintergrund
unterschiedlicher Referenzsysteme reflektieren. Institutionen mit ähnlichen
Zentralprozessen können vergleichsweise schnell in eine Markt- oder
Ressourcenkonkurrenzsituation geraten, ihnen bieten sich aber auch vielfältige
Möglichkeiten der Zusammenarbeit nach der Logik von Businessmodellen.
Die Relationen zwischen den Institutionen eines Netzwerkes können
relativ dauerhaft sein, wie z.B. die Beziehung zwischen einer Schule und
ihrer Schulaufsicht. Sie können aber auch temporär sein, wie
z.B. bei der Durchführung eines Projektes zwischen Schule und Unternehmen.
Aus der Forschung zu Policy-Netzwerken ist bekannt, dass dauerhafte Netzwerke
die Gefahr von Abschottung und Versteinerung bergen. Zwischen den beteiligten
Institutionen können starke oder schwache Beziehungen bestehen. Starke
Beziehungen (strong ties') bieten zwar eine gute Grundlage für
die Entwicklung von Vertrauen, erfordern jedoch hohe Aufmerksamkeit durch
einen Akteur, so dass die Zahl der starken Beziehungen eines Akteurs begrenzt
ist. Netzwerke sind grundsätzlich offene Strukturen. Sie werden auf
der Grundlage von Zielen und den aufgrund dieser Ziele relevanten Betroffenen
und Beteiligten (Stakeholdern), wie weiter unten beschrieben, abgegrenzt.
Bezüglich der Wirkungen bzw. in anderer Perspektive der Ziele regionaler
Berufsbildungsnetzwerke werden folgende Thesen aufgestellt (siehe WILBERS
2003):
· Regionale Berufsbildungsnetzwerke sind ein begünstigender Kontext für die Verbindung von systematischem und kasuistischem Lernen in der Berufsbildung.
· Regionale Berufsbildungsnetzwerke stellen ein Instrument zur Differenzierung in und durch Berufsbildung dar.
· Regionale Berufsbildungsnetzwerke sind ein Instrument zur Abfederung von Transitionsproblemen im Berufsbildungssystem.
· Regionale Berufsbildungsnetzwerke sind ein Mittel zur Abschwächung quantitativer Probleme (z.B. ungünstiger Angebots-/Nachfragerelationen) in der Berufsbildung.
· Regionale Berufsbildungsnetzwerke sind ein Beitrag zu einer höheren Wirtschaftlichkeit der Berufsbildung und ein Instrument der Regionalentwicklung.
Die vorangegangen Abschnitte zeigten, dass inzwischen eine Fülle
von Programmatiken vorliegen, in denen sowohl überbetriebliche Bildungsstätten
als auch berufsbildende Schulen zu Kompetenzzentren ausgebaut werden sollen.
Es wurde zunächst versucht, die unklare Begrifflichkeit zu präzisieren.
Konstitutiv für Kompetenzzentren sind dabei neue Kooperations- und
Konkurrenzbezüge. Kompetenzzentren betten sich dabei in Berufsbildungsnetzwerke
ein, die attraktive Potenziale bieten. Damit stellt sich die Frage, wo
Schulen heute stehen und welche Entwicklung zukünftig zu erwarten
ist.
Zunächst soll die Situation berufsbildender Schulen als Akteur in
regionalen Netzwerken skizziert werden. Da die Datenlage hier ausgesprochen
dürftig ist, wurde das Forschungsprojekt BEKO aufgegleist. Das Forschungsprojekt
"Berufsschulen auf dem Weg zu regionalen Kompetenzzentren?"
(BEKO) wurde vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung
gefördert und durch drei Projektgruppen durchgeführt. Im Zentrum
des Projektes stand eine Exploration der fördernden und hemmenden
Faktoren für ein Engagement berufsbildender Schulen außerhalb
ihres Kernbereichs. Als Kernbereich wurden dabei die Leistungen berufsbildender
Schulen in der beruflichen Ausbildung sowie in Fachschulen verstanden.
Den Kern der Untersuchung bildeten so genannte schul- und regionalbezogene
Fallstudien. Eine schulbezogene Fallstudie sollte dabei das Engagement
einzig aus Sicht der berufsbildenden Schule erfassen. Eine regionalbezogene
Fallstudie sah im ersten Schritt ein Interview mit den Promotoren der
berufsbildenden Schule und im nächsten Schritt mit den folgenden
drei Akteuren vor: Kammer, Arbeitsverwaltung, Schuladministration. Jede
Projektgruppe führte eine regionalbezogene sowie mehrere schulbezogene
Fallstudien durch. Es wurden neun schulbezogene Fallstudien, drei regionalbezogene
Fallstudien sowie eine Fallstudie in der Schweiz durchgeführt, wobei
die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Bremen,
Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie
Thüringen berücksichtigt wurden.
Entsprechend der Fallstudien engagieren sich berufsbildende Schulen in
den folgenden Bereichen außerhalb ihres Kernbereichs:
· Weiterbildung: Berufsbildende Schulen bieten Kurse zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung, Kurse mit geregelten Zertifikaten bzw. Prüfungen, Tagesseminare sowie sonstige Weiterbildungsangebote an.
· Zusatzangebote im Kontext des Regelangebotes.
· Beratung von Unternehmen bis hin zu Forschung und Entwicklung.
In der politischen Diskussion wird von Kritikern eine Aushöhlung
des Kernbereichs, z.B. eine weitere Verschärfung des Nachwuchsproblems
an berufsbildenden Schulen oder eine Erhöhung der Unterrichtsausfälle
durch ein erhöhtes Engagement in neuen Tätigkeitsfeldern, befürchtet.
Die Fallstudien können dieses Argument nicht stützen, wobei
jedoch zu beachten ist, dass dieses Engagement selbst an aktiven Schulen
im Vergleich zu der Vision spärlich ausfällt. Von Befürwortern
eines verbreiterten Engagements werden positive Effekte auf den Kernbereich
erwartet. In den Fallstudien wurden derartige positive Effekte wie z.B.
besser motivierte und fortgebildete Lehrkräfte, bessere Ausstattung
oder bessere Kontakte zu Ausbildungsbetrieben über die Weiterbildung
festgestellt, wobei jedoch die Gefahr nicht unterschätzt werden darf,
dass sich derartige, sich gut entwickelnde Bereiche in der Schule von
der Gesamtentwicklung abkoppeln. Von Kritikern eines breiteren Engagements
wird bemängelt, dass Schulen nicht unter Marktbedingungen arbeiten.
Vertreter der Schulen weisen im Gegenzug darauf hin, dass auch andere
Träger, wie z.B. die überbetriebliche Bildungsstätten,
in nicht unerheblichem Masse gefördert würden. Unproblematisch
und in einigen Ländern Praxis bzw. ministerielle Vorgabe für
die Schule ist das subsidiäre Engagement in der Weiterbildung. Es
ist deutlich, dass dies vergleichsweise breit politisch akzeptabel ist,
damit für Schulen jedoch eine klare Volumengrenze des Engagements
gesteckt wird. Der Aspekt der Entwicklung entsprechender Geschäftsmodelle
für ein Engagement in der Weiterbildung, die eine faire, diskriminierungsfreie
Verteilung von Aufgaben, Aufwand und Erträgen gewährleisten,
spielt in der aktuellen Auseinandersetzung kaum eine Rolle.
Wie wird das Engagement berufsbildender Schulen außerhalb ihres
Kernbereiches ermöglicht'? Zunächst ist aufgrund der Fallstudien
festzustellen, dass das Engagement nicht systematisch entsteht. Es werden
vielmehr eher zufällig auftauchende windows-of-opportunities genutzt,
d.h. eine aktiv gestaltungsorientierte Strategie war in der Regel nicht
vorzufinden. Anlass sind dabei schulinterne Krisen, wie z.B. ein höherer
Rückgang der Zahl der Schülerinnen und Schüler, die Vermietung
bzw. Verpachtung von Räumen und Ausstattung sowie konkrete Nachfragen
aus der Region. Schulen nehmen dabei eine Nischen- und Zubringerfunktion
wahr, sie agieren nicht im Massengeschäft'. Bei der Entwicklung
des Angebotes werden Schulen nur selten von außen unterstützt.
Es findet eine zum Teil sehr weitgehende Ausnutzung des rechtlichen Rahmens
statt. Dabei schafft die Konstruktion der Fördervereine, die in einer
Schule explizit als "Krücke" bezeichnet wurde, eine gewisse
Autonomie, setzt aber gleichzeitig dem Engagement klare Grenzen etwa hinsichtlich
der Professionalisierung des Managements. Das Engagement wird zumeist
getragen von einer aktiven Minderheit in der Lehrerschaft in enger Abstimmung
mit der Schulleitung. Dabei hat die Nebentätigkeit der Lehrkräfte
eine große Bedeutung. Aufgrund der Fallstudien sind die Lehrkräfte
weniger an der Vergütung, sondern an der fachlichen Herausforderung
interessiert. Die Lehrkräfte weisen darauf hin, dass die Zielgruppe
im Vergleich zum Kernbereich lernbereiter sei und stärker fachlich
herausfordere. Auch spezifische Fortbildungskurse, die Lehrkräfte
mit Blick auf ein Engagement absolvieren, wie etwa Kurse bei einem Hersteller,
werden als Motivator begriffen. Die Untersuchung skizziert eine Reihe
von Ansatzpunkten zur Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen wie z.B.
die Notwendigkeit eines klaren politischen Statements für oder gegen
ein Engagement berufsbildender Schulen außerhalb ihres Kernbereiches.
Dieser Situation stehen andere Projektionen für die Entwicklung
berufsbildender Schulen gegenüber. Sie lassen sich im New Public
Management rückbinden. Mit New Public Management sind Konzepte zur
Führung im öffentlichen Sektor angesprochen. Die Modernisierung
der Verwaltungen in den achtziger Jahren ging als New Public Management
von Australien und Neuseeland aus. Im Vergleich zu anderen Ländern
zeigt sich für Deutschland generell, d.h. nicht "nur" in
Bezug auf das öffentliche Bildungswesen, ein "deutlicher Modernisierungsrückstand"
(NASCHOLD 2002, 76). Die Übertragung von NPM auf die Bildungsverwaltung
bzw. auf die Schule ist jedoch nicht unproblematisch. DUBS entwirft vor
dem Hintergrund praktischer Erfahrungen in der Schweiz auf der Grundlage
des New Public Managements das folgende Gesamtkonzept einer teilautonomen
Schule (DUBS 1996, 1998, 2001, 2002).
Abb. 2: Gesamtkonzept der teilautonomen Schule auf der Grundlage des New Public Managements in Anlehnung an DUBS
Budgetierung bedeutet die Zuweisung von Haushaltsmitteln für Schulen
zur eigenverantwortlichen Bewirtschaftung (DUBS 1996, DUBS 2002, WILBERS
2002a). Schulen werden damit in die Lage versetzt, innerhalb globaler
Vorgaben Budgetentscheidungen selbst zu treffen. Die Budgetierung soll
die Wirksamkeit der Haushaltsmittel im Hinblick auf den im Leistungsauftrag
bzw. in der Leistungsvereinbarung (Kontrakt) fixierten Output erhöhen.
Kennzeichen von Budgetierung sind (1) die gegenseitige Deckungsfähigkeit,
d.h. die eingesparten Mittel in einer Budgetposition können im Rahmen
einer anderen ausgegeben werden (keine quantitative und qualitative Bindung),
sowie (2) die Übertragbarkeit auf folgende Perioden, was das so genannte
Dezemberfieber verhindert (keine zeitliche Bindung). Der Art nach lassen
sich Sachmittelbudget, Personalbudget und so genannte Drittmittelbudget
unterscheiden. Nach der Mittelherkunft können die Landesmittel (einschließlich
Förderprogramme), Mittel des Schulträgers sowie Mittel Dritter
aus Fördervereinen, Spenden, Sponsoring, EU-Mitteln etc. unterschieden
werden. Ein Totalbudget umfasst die unterschiedlichen Arten und Mittelherkünfte.
Solange Stellenpläne existieren, erweisen sich Mittel aus freien
Stellen für den Aufbau einer Manövriermasse an Schulen als zentral.
Mit der Budgetierung werden - häufig nicht mit der notwendigen Transparenz
- mehrere Ziele verfolgt: Finanzautonomie, Planungssicherheit, Einsparung,
Verbleib einer durch effizienteres Haushaltshandeln erzielten Effizienzdividende,
Abschöpfung der Effizienzdividende, unternehmerisches Risiko, Einlassen
auf neue Steuerungsinstrumente, Nachweis der Selbststeuerungsfähigkeit.
Besonders ein nicht klar kommuniziertes Ziel der Einsparung auf einer
hidden agenda führt, ebenso wie unklare Aussagen zum Verbleib der
Effizienzdividende, regelmäßig zu Unmut vor Ort (so genanntes
blame shifting). In der aktuellen Diskussion wird häufig vorschnell
auf die Budgetierung abgehoben. Erforderlich ist jedoch eine umfassende
Gesamtschau, d.h. nach DUBS:
· Definition der Autonomie der einzelnen Schulen (Modell der Autonomie, rechtliche Fixierung),
· Staatliche Zielvorgaben durch die höheren Instanzen (Leistungsauftrag/Leistungsvereinbarung; qualitative und quantitative Vorgaben),
· Staatliche Mittelvergabe (Berechnungsmodell, Form des Globalbudgets),
· System des Rechnungswesens (Kontenplan, Finanzbuchhaltung/Kostenrechnung),
· Schulinternes Budgetierungsverfahren (Willensbildung, Entscheidungsstrukturen),
· Handhabung des Budgets während des Rechnungsjahres (Haushaltsreglement),
· Controlling (Modell des Controllings, Formelle Kontrolle der Rechnungslegung).
Zentral bei der Budgetierung sind zielorientierte Verfahren der Mittelbemessung.
Pragmatische Mittelvergabemodelle, wie z.B. die Bemessung des Einstiegsbudgets'
nach den Durchschnittskosten der letzten Perioden, sind zwar einfach handhabbar,
aber - da sie nicht effizientes Haushalten nachträglich goutieren
- allenfalls in der Startphase einsetzbar. Verbreitete Modelle - z.B.
die so genannte Schülerpauschale - erreichen kaum eine - eigentlich
durch die Budgetierung anvisierte - Outputorientierung bzw. Anreizwirkung.
Eine systematische Mittelvergabe beruht auf Indikatoren, ist zielbezogen,
regelgebunden und wettbewerblich. Moderne Ansätze kombinieren Indikatoren
mehrer Arten, z.B. zum Volumen (Schüleranzahl etc.) oder zur Leistung
(z.B. Wahrscheinlichkeit der Übernahme ins Beschäftigungssystem).
Für die Entwicklung, Erprobung und Implementation haben sich Modellversuche
bewährt. Dies ließe sich auch an der Neuausrichtung des schulischen
Personalmanagements vertiefen (WILBERS 2002).
Berufsbildende Schulen sollen sich - dies ist eine politische Vorgabe
- verstärkt in der Region profilieren. Sie sind bereits schon heute
- allerdings in sehr unterschiedlichem Maße - außerhalb ihres
Kernbereichs, d.h. der beruflichen Ausbildung, tätig. Eine Expansion
dieses Engagements wird zur Zeit unter anderem durch Rahmenbedingungen
gebremst. Diese Bedingungen werden sich jedoch - wenn auch nur ein bescheidener
Teil der aktuellen Reformvorhaben nachhaltig wirkt - grundlegend ändern.
Dahinter steht die Gesamtvision, die sich vor allem, aber nicht nur, aus
dem New Public Management speist. Ob sich allerdings die beschriebene
Dynamik auch in einem veränderten Handeln der Lehrkräfte niederschlägt,
ist keineswegs sicher. So macht die hohe Belastung von Lehrkräften,
mit denen man in Veränderungsprojekten regelmäßig konfrontiert
wird, skeptisch, ob die Entfesselung von Schulen tatsächlich zu entfesseltem
Handeln der Lehrkräfte führt. Dies dürfte von einer Fülle
von Bedingungen abhängig sein, die noch weitgehend unerforscht sind.
Der Bedarf nach praktischen Erfahrungen und einer entsprechenden Forschung
erscheint in diesem Feld enorm.
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