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2. Die Notwendigkeit von Systembeschreibungen(Die nachfolgenden Systemüberlegungen beziehen sich auf Berufsbildungssysteme im allgemeinen und nicht auf die Unterdifferenzierungen von nationalen Berufsbildungssystemen mit deren Unterscheidungen in verschiedene Schultypen, etc. Dazu hat die EU-Kommission interessantes Material für die EU-Staaten vorgelegt, auf das wir in diesem Zusammenhang verweisen (siehe: Schlüsselzahlen zum Bildungswesen in Europa, Europäische Kommission, 2002).)Die überwiegende Anzahl nationaler Berufsbildungssysteme zeichnet sich vor allem durch eine Eigenart aus, nämlich durch die Tatsache, dass es sich um in vielen Jahrzehnten gewachsene Strukturen handelt. Um sie analysieren zu können, muss man die geschichtlichen Hintergründe erkennen und verstehen. Gerade wenn es um Systementwicklung und -beratung im Rahmen von Berufsbildungshilfe geht, ist es sinnvoll, die unterschiedlichen Bildungssysteme in ihrer historischen Gewordenheit zur Kenntnis zu nehmen und zu analysieren, bevor zukunftsorientierte Förderprogramme entworfen werden. Die historische Aufarbeitung sowie Zukunftsüberlegungen zu Berufsbildungssystemen sollten vor allem zur Vermeidung sozialpsychologisch bedingter "Abstoßreaktionen" in einem Kontinuum begriffen werden. Durch eine solche Analyse können Probleme und Chancen, bzw. Tendenzen und Strömungen aufgezeigt werden. Durch qualitative Analysen von Berufsbildungssystemen wird eine Basis geschaffen, aufgrund derer sich Berufsbildungsexperten und Systementwickler verständigen können. Eine historisch bewusste und nicht ausschließlich systemisch-technische Arbeitssprache ist die Grundlage für jegliche Umgestaltungen und Weiterentwicklungen von vorgefundenen Berufsbildungssystemen, Teilsystemen und Reformansätzen. Auch ist eine Kenntnis von Systembeschreibungen für internationale Berufsbildungsexperten notwendig, um in knapper Form das eigene nationale Berufsbildungssystem mit anderen Systemen kategoriengeleitet darstellen und vergleichen zu können (Das ist eine wesentliche Voraussetzung für multinationale Berufsbildungsseminare.). Wenn von der Krise des "Dualen Systems" der Berufsbildung gesprochen wird, dann sollte auch von einem Berufsbildungssystem und den damit vermachten Implikationen ausgegangen werden. Eine historisch orientierte Analyse des Dualen Systems der Berufsbildung ergibt, dass nämlich die Dualität der Lernorte, was immer wieder in der berufspädagogischen Literatur implizit und explizit vertreten wird, nicht das primäre, sondern nur ein sekundäres Kriterium ist. Das primäre historisch gewachsene Kriterium ist vielmehr die Dualität der Zuständigkeit und Verantwortung. Bei der Dualität der Zuständigkeit und Verantwortung handelt es sich um die traditionellen Selbstverwaltungsorgane von Handwerk und später Industrie sowie der neu hinzugetretenen Zuständigkeit des Staates (Nur so kann die zentrale Rolle, die Kerschensteiner dem Staat als neuem Partner in der beruflichen Bildung zuschreibt, angemessen verstanden werden. ). Beschreibungen von Berufsbildungssystemen haben sich daher
sehr konsequent an geklärten Kriterien zu orientieren,
da sonst falsche Grundannahmen getroffen und Berufsbildungssysteme
letztlich nicht mehr vergleichbar, rational diskutierbar und
gestaltbar sind. Beim "Export" des Dualen Systems
hat man mit der Einrichtung einer Lernortdualität von
Betrieben und der staatlichen Berufsschule noch nicht das
deutsche Duale System der Berufsbildung erfasst und exportiert,
sondern sich am nachrangigen Kriterium des Lernorts orientiert.
3. Der UNESCO Kongress von 1989 und die dort vorgestellte BerufsbildungssystembeschreibungAm 5. bis 9. Juni 1989 fand in Hamburg am UNESCO Institut
ein internationales Symposium statt. Teilnehmer waren neben
internationalen Organisationen u.a. die Behörde für
Bildung und Wissenschaft. Es ging um das Thema "Innovative
Methoden in der beruflichen Bildung" (Innovative Methods
of Technical and Vocational Education). Eine der Hauptaufgaben
dieses Symposiums war es, die Elemente der Zusammenarbeit
zwischen Schulen und Betrieben herauszuarbeiten. Dieses sollte
auf zwei Ebenen geschehen. Einerseits auf der Ebene des Berufsbildungssystems,
andererseits auf der Ebene der beruflichen Lernprozesse. Die
Teilnehmer sollten mit verschiedenen Systemen und didaktischen
Ansätzen des beruflichen Lernens in und außerhalb
der Schule vertraut gemacht werden. (vgl. UNESCO 1989, 7)
Tabelle 1: Makrosysteme beruflicher Bildung Sonst könnte er nicht das Berufsbildungssystem der Bundesrepublik und das der DDR gleicherweise als "kooperativ" bezeichnen. Das Berufsbildungssystem der Bundesrepublik, das eigentlich plural ist, ist aber dual in Bezug auf die doppelte Zuständigkeit des Staates und die Selbstverwaltungsorgane der Betriebe. Die Staatsdominanz in der DDR führte zur monalen Zuständigkeit über Betriebe und Berufsschulen. Formal gleichstellen ließen sich die Bundesrepublik und die DDR nur über das Lernortkriterium, wonach beide eine formal gleiche Dualität der Lernorte, nämlich die von Schule und Betrieb, besitzen (Für die Bundesrepublik galt durch die überbetrieblichen Lehrwerkstätten zudem bereits die Trialität der Hauptlernorte). Tabelle 2: Mikrosysteme beruflicher Bildung 4. Das Problem des Lernortkriteriums zur Systembeschreibung
|
Systemtheorie hat nach GREINERT die Aufgabe, Strukturen und
Funktionen der Berufsbildung zu analysieren und sie aufeinander
zu beziehen. Dieses gelingt mit dem Kriterium "Lernort"
kaum, da es eine statische Dimension aufweist. Mit Hilfe des
Lernortes lassen sich zwar die Institutionen in denen Bildung
vor sich geht strukturell beschreiben und analysieren, nicht
jedoch konkrete Prozesse einer Berufsausbildung.
Vor diesem Hintergrund schlug GREINERT bereits 1988 ein seiner
Meinung nach geeigneteres Klassifizierungskriterium vor, nämlich
die Rolle des Staates in der Beruflichen Bildung. Mit Hilfe
dieses politischen und dynamisch dimensionierten Kriteriums
sollte die Rolle des Staates im Prozess der beruflichen Qualifizierung
herausgearbeitet werden. Dabei identifiziert GREINERT unterschiedliche
Modelle, die sich vor allem dadurch unterscheiden, inwieweit
der Staat auf die beruflichen Ausbildungsprozesse einwirkt
sowie diese Prozesse kontrolliert und steuert. GREINERT gelangte
so zu drei unterschiedlichen Modellen, die im Folgenden beschrieben
werden:
Dieses tendenziell liberalistische Modell wird auch marktwirtschaftliches
System der Berufsbildung genannt. In ihm spielt der Staat
keine bzw. nur eine marginale Rolle bei beruflichen Qualifikationsprozessen.
Aufgrund von Marktmechanismen existiert eine Trennung zwischen
der Berufsausbildung und dem allgemeinen Bildungswesen. Eine
Vernetzung bzw. Integration der beruflichen Bildung zum allgemeinen
Schulwesen gibt es danach in der Regel nicht (wie z.B. in
Japan). Der Staat hat die Kontrolle über das allgemeinbildende
Pflichtschulwesen.
Die Berufsbildung basiert in diesem Modell im hohen Maße
auf den Bedürfnissen der Unternehmen, die auch selber
ausbilden. Da der Staat keine Rahmenbedingungen festlegt und
auch keine Kontrollfunktion innehat, bleibt es den Unternehmen
selbst überlassen, über die Rahmenbedingungen der
Ausbildung (Finanzierung, Ergebniskontrolle, Ausbildungsverträge
etc.) zu entscheiden. Große Unternehmen sind aufgrund
ihrer ökonomischen Überlegenheit besonders dominant
in diesem System. Sie bieten interne Ausbildungsprogramme,
die in direktem Zusammenhang mit dem Produktionsfaktor Arbeit
stehen. D.h., dass die Betriebe "eine an unmittelbaren
beruflichen Verwendungssituationen orientierte Ausbildung"
(GREINERT 1995, 11) betreiben. Einerseits bindet das die Beschäftigten
an die sie ausbildenden Betriebe und andererseits macht es
die Arbeitnehmer sehr unflexibel was den Arbeitsmarkt angeht.
Aufgrund der sehr engen und spezialisierten Ausbildung sind
die Chancen auf dem Arbeitsmarkt als gering einzustufen. Die
Möglichkeiten einen Betrieb zu wechseln, sind eher eingeschränkt.
Der Markt steuert über Angebot und Nachfrage die Ausbildung.
Die Betriebe sind die Abnehmer der beruflichen Qualifikationen
und entscheiden selber über den Bedarf. Nach dem ermittelten
Bedarf werden dann die benötigten Qualifikationen ausgebildet.
Die Art der Qualifikation richtet sich lediglich danach, was
in den Betrieben benötigt wird. Die Ausbildung der benötigten
Qualifikationen lässt sich besonders gut steuern, wenn
der potentielle Abnehmer der Qualifikation selbst auch Träger
der Ausbildung ist. Die Ausbildung findet dann auch nur in
diesem Rahmen statt. Ein Wissenstransfer zwischen Betrieben
findet kaum statt. Rechtlich gesehen haben die Auszubildenden
nicht mehr Rechte als ein normaler Arbeitnehmer. Gesichtspunkte
wie Chancengleichheit spielen bei der Auswahl der Auszubildenden
keine Rolle.
Dieses Modell wird nach GREINERT auch als bürokratisches
Modell bezeichnet. Es zeichnet sich dadurch aus, dass der
Staat allein für die Planung, Organisation, Durchführung
und Kontrolle der Berufsausbildung verantwortlich ist. Es
ist ein hierarchisches Elitesystem und findet sich meistens
in Staaten mit starker Zentralverwaltung wieder. Im Gegensatz
zum Marktmodell gibt es eher eine Verflechtung von allgemeinbildenden
und beruflichen Bildungs- und Ausbildungsgängen. Die
Qualifikationen sind innerhalb des Bildungssystems vergleichbar.
Die Bedeutung der Betriebe spielt in diesem Modell nur eine
geringe Rolle. Sie beschränkt sich in der Regel vor allem
auf die Bereitstellung von Praktikumsplätzen.
Der Zugang zu den Ausbildungsgängen hängt im wesentlichen
von den Schulabschlüssen der vorangegangenen Allgemeinbildung
ab. Teilweise werden schulische Abschlüsse auch mit beruflichen
Qualifikationen verknüpft, so dass es zu doppeltqualifizierenden
Abschlüssen kommt (z. B. Hochschulreife und Facharbeiterqualifikation).
Die Qualifizierung zielt auf ein breites Beschäftigungsfeld
ab und qualifiziert daher für Arbeit in mehr als nur
einem spezialisierten Betrieb.
Bei der Bedarfsplanung orientiert sich der Staat an wenigen
fixierten "Grundberufen", was mit Hilfe von staatlichen
Planungsinstanzen geschieht. Die Ausbildungsinhalte sind nicht
nur an der unmittelbaren Verwendungssituation in den Betrieben
orientiert, sondern berücksichtigen auch individuelle
und gesellschaftliche Anforderungen. Die Finanzierung der
schulischen Berufsausbildung geschieht aus öffentlicher
Hand und die Ausbildung eignet sich am besten für Berufe,
in denen wenig oder keine praktischen Fertigkeitsschulungen
notwendig sind (z. B. kaufmännische Berufe) (vgl. GREINERT
1995, 14)
Dieses Modell beschreibt das, was eigentlich unter dem Dualen
System der Berufsbildung verstanden wird, ohne dass das so
ausgesprochen wird. Der Staat hat die Aufgabe, die Rahmenbedingungen
für private Betriebe und Ausbildungsträger in der
beruflichen Bildung festzulegen. Üblicherweise kooperieren
in diesem System öffentliche Bildungseinrichtungen mit
privaten Ausbildungsbetrieben. Nach GREINERT heißen
diese Systeme dual, "weil hier zwei Lernorte - Betrieb
und (öffentliche) Berufsschule - unter dem gemeinsamen
Ziel der beruflichen Qualifizierung von Auszubildenden"
(GREINERT 1995, 15) zusammenarbeiten.
Charakteristisch für dieses Berufsausbildungssystem ist
die Abgrenzung zum öffentlichen Schulsystem, was sich
u.a. am Berufsbildungsrecht festmachen lässt. Die rechtliche
Verantwortung der Berufsausbildung ist eine andere, als bei
den allgemeinbildenden Schulen mit ihrem Schulrecht. Sie liegt
eher bei der Wirtschafts- oder Arbeitsverwaltung. Staatlich
gesteuerte Marktmodelle der Berufsausbildung gibt es vor allem
in solchen Staaten, die eine lange Handwerkstradition aufweisen.
Nach der Auffassung GREINERTs ist weder die Ausbildungsbereitschaft
der Betriebe, noch das Vorhandensein einer spezifischen Betriebsstruktur
notwendig, um von einem Dualen System sprechen zu können.
Vorraussetzung ist vielmehr, dass ein nach Marktregeln strukturierter
Ausbildungssektor vorhanden ist, "den der Staat mit rechtlichen
Normen überformen kann" (GREINERT 1995, 16). Für
GREINERT zeichnet sich das System durch eine lernortbezogene
Dualität (Schule und Betrieb) und eine funktionale Dualität
aus. Die funktionale Dualität stützt sich auf die
unterschiedlichen miteinander verschränkten Regelungsmuster
von Staat und Privatwirtschaft.
Die Relation von Bedarf und Berufsausbildung ist marktvermittelt.
Allerdings unterscheidet sich dieses System von dem Marktmodell
dahingehend, dass der als Ausbilder auftretende Betrieb sich
den Rahmenbedingungen des Staates unterwerfen muss. D.h.,
dass die Ausbildungsbetriebe nicht unkontrolliert und nur
nach dem eigenen Verwendungszweck ausbilden können. Obwohl
sich die Art der beruflichen Qualifikation nach den beruflichen
Verwendungssituationen im Betrieb richtet, wirken auch der
Staat und die Interessenverbände (z. B. Gewerkschaften,
berufliche Fachverbände) an der Definition der Qualifikationsziele
mit. Die Betriebe sind Träger der Ausbildung und werden
direkt oder indirekt vom Staat kontrolliert. Die Kosten für
die Ausbildung tragen weitgehend die Betriebe, die jedoch
über Finanzierungsmodelle staatlich unterstützt
werden können.
Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht der obengenannten
drei Modelle. Dabei werden Staaten als Beispiele genannt,
auf die das jeweilige Modell beschreibungstechnisch zutrifft.
GREINERT warnt jedoch davor, diese Modelle als "Abbilder
von Realformen nationaler Berufsausbildungssysteme misszuverstehen"
(GREINERT 1995, 17). Es handelt sich bei den realen Berufsausbildungssystemen
um Kombinationen und / oder Varianten der genannten Modelle.
Sie stellen Grundformen dar, die in Reinform kaum anzutreffen
sind.
BB- Berufliche Bildung
AB- Allgemeine Bildung
Tabelle 3: Grundtypen beruflicher Bildung nach dem Kriterium
des Staates (vgl. GREINERT 1995)
Analysiert man die über Normen und Werte in die Sprache eingeflossenen Modellpräferenzen bei GREINERT, so wird deutlich, dass dieser das staatlich gesteuerte Marktmodell priorisiert. Damit wird, was auch real geschehen ist, letztendlich das Duale System möglichen Aufnahmeländern schmackhaft gemacht werden. Auf das damit vermachte Problem ist bereits verwiesen worden. Als Konsequenz der GREINERTschen Arbeiten sind andere Kriterien systematisch für die Beschreibung von Berufsbildungssystemen in Betracht zu ziehen. Dazu werden nachfolgend Vorschläge gemacht.
(Erstmals als Vortrag hat SPRETH den Vorschlag zur Neustrukturierung 1995 auf einer Konferenz zur internationalen Berufsbildungskooperation im hessischen Institut für Lehrerfortbildung (HILF) vorgestellt. Nachfolgend ist dieser Ansatz immer wieder Gegenstand bei AGs und Seminaren zur internationalen Berufsbildungskooperation gewesen.)
Es ist zunächst notwendig festzuhalten, dass das Duale
System sich durch eine Dualität auf unterschiedlichen
Ebenen auszeichnet. Anhand der vorangegangenen Ausführungen
wird deutlich, dass es notwendig ist, verschiedene Aspekte
bei der systemisch-systematischen Beschreibung eines Berufsbildungssystems
zu berücksichtigen. Diese Arbeiten sind von GREINERT
und WIEMANN begonnen worden. Bei der Beschreibung eines Makrosystems
der Berufsausbildung sollten zunächst die unterschiedlichen
soziokulturellen Hintergründe eines Staates, die wiederum
bestimmte institutionelle Strukturen hervorrufen, beachtet
werden. Die Frage der Trägerschaft oder Zuständigkeit
in der beruflichen Bildung wird zur Frage nach der Machtverteilung
im Bemühen um eine berufliche Bildung. Die Machtkonstellationen,
die sich daraus ergeben, spielen eine wesentliche Rolle bei
der Organisation und Durchführung von beruflicher Bildung.
Die Lernorte spielen ebenso ein wichtige Rolle wie der Lerntypus,
also die überwiegende Dimension von Lernzielen bzw. von
Qualifikationsaneignungen, die an bestimmten Lernorten präferiert
werden. Das bedeutet aber nicht, dass Lernorte automatisch
einem Lerntypus zugeordnet werden können und müssen.
Mit Hilfe dieser Blickwinkel wird es möglich, ein Berufsbildungssystem
aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und den unterschiedlichen
Einflüssen Rechnung zu tragen. Die Komplexität der
Relationen spiegelt sich nicht mehr nur an einzelnen Begrifflichkeiten
oder Kriterien wie der Lernorte oder der Rolle des Staates
wider, sondern erfasst diese auf mehreren Ebenen nach den
folgenden Kriterien:
Folgende Tabellen stellen eine Systematisierung nach obengenannten
Kriterien dar. Die mit o gekennzeichneten Felder stellen dabei
fiktive Beispiele dar, die zur Verdeutlichung des Schemas
dienen während die mit x gekennzeichneten Felder das
Duale System beschreiben.
Tabelle 4: Systematisierung nach dem Kriterium Trägerschaft / Zuständigkeit / Verantwortung
Tabelle 4 zeigt die Strukturen des deutschen Dualen Systems
nach dem Kriterium der Trägerschaft oder Zuständigkeit.
Die Dualität des Systems ist durch die betrieblichen
und wirtschaftlichen Selbstverwaltungsorgane und den Staat
gekennzeichnet. Die beruflichen Schulen sind in der Regel
in staatlicher Hand. Die Handwerks-, Industrie- und Handelskammern
überwachen die betriebliche und überbetriebliche
Berufsausbildung. Die Träger der Selbstverwaltungsorgane
wirken eigenverantwortlich an der Berufsqualifizierung mit.
Die Selbstverwaltungsorgane werden aber von den Vorschriften
und Gesetzen des Staates überformt und stehen unter Kontrolle
des Staates im Sinne einer Rechtsaufsicht über eine Körperschaft
des öffentlichen Rechts.
Nach dieser Systematisierung wäre die ehemalige DDR kein
Duales System. Es würde auch nicht in dieselbe Kategorie
wie das Berufsbildungssystem der BRD kommen. Die Planung,
Durchführung und Kontrolle von Berufsausbildung lag in
der DDR einzig und allein in staatlicher Hand. Die Ausbildungsbetriebe
bildeten keine Selbstverwaltungsorgane und waren vollständig
unter staatlicher Kontrolle. Daraus ergibt sich ein zuständigkeitsmonales
System, nämlich in der Kategorie "Staatlich und
Öffentlich". Dieser wesentliche Unterschied kommt
in GREINERTs Klassifizierungsmodell nicht zum Tragen.
In der Tabelle 4 ging es darum, herauszustellen, wer die Hauptverantwortung
für die Ausbildung auf nationaler Ebene hat. Es ging
nicht um die Lernorte in denen ausgebildet wird. Die Tabelle
5 systematisiert nach dem Kriterium der Hauptlernorte der
Berufsausbildung, das als nachrangiges Kriterium gesehen wird.
Es spielt dabei keine Rolle, in wessen Zuständigkeitsbereich
diese Lernorte fallen. Das deutsche Duale System zeichnet
sich durch die Dualität der Lernorte aus. Allerdings
kann teilweise auch von einem trialen System bezüglich
der Lernorte gesprochen werden, da die Bedeutung der überbetrieblichen
Ausbildungszentren gerade in der Industrie und anderen Bereichen
zugenommen hat.
Tabelle 5: Systematisierung nach dem Kriterium Hauptlernorte der Ausbildung
Die ehemalige DDR wies hier ganz ähnliche Strukturen auf, wie die BRD. Was den Lernort betrifft, würden die DDR und die BRD derselben Kategorie zugeordnet, so wie GREINERT es unter dem Begriff des "kooperativen Modells" getan hat. Diese Übereinstimmung lässt vermuten, dass GREINERT sich trotz kritischer Äußerungen und vehementer Kritik gegenüber Kollegen dennoch des Lernortkriteriums als Unterscheidungsmerkmal bedient hat.
Aus pädagogischer Sicht treten die Lernorte für
gewisse Lern- bzw. Lehrtypen ein. Das traditionelle Modell
sieht die praktische Lehre in den Betrieben und die theoretische
Lehre in den Schulen angesiedelt. Das deutsche Duale System
hat diesbezüglich eine Entwicklung durchgemacht. Wie
bereits erwähnt werden heute Auszubildende vermehrt auch
auf überbetriebliche Ausbildungslehrgänge geschickt.
Gerade im Handwerk, in dem nicht alle Auszubildenden die Möglichkeiten
haben, umfassend-systematisch in ihren Betrieben ausgebildet
zu werden, bieten überbetriebliche Lehrgänge den
Auszubildenden die Gelegenheit, neue Techniken und Methoden
der Arbeitspraxis kennen zu lernen, die der einzelne Betrieb
nicht bieten kann. Die überbetriebliche Ausbildung ist
überwiegend praktisch orientiert.
Was die Lerntypi angeht, vermischen sich die Grenzen von Theorie
und Praxis zwischen Berufschule und Betrieb zusehends. In
den Hauptlernorten wird heutzutage vermehrt sowohl theoretisch
als auch praktisch gearbeitet. Lediglich das überbetriebliche
Zentrum dient als Möglichkeit, zusätzliche Fertigkeiten
zu schulen und konzentriert sich dabei vorwiegend auf die
Praxisseite. Aus Zukunftssicht und im Kontext von Schlüsselqualifikationen,
Mobilität und Lernfeldorientierung werden alle Lernorte
zukünftig sowohl praktische als auch theoretische Inhalte
vermitteln müssen.
Tabelle 6: Systematisierung nach dem Kriterium Lerntypus am Beispiel der Entwicklung des deutschen Dualen Systems
Das Lernortkriterium ist nicht hinfällig. Es hat sich
aber gezeigt, dass es sich nicht als alleiniges Unterscheidungskriterium
eignet, sondern vielmehr nach dem Hauptkriterium der Zuständigkeit
als ein Sekundärkriterium aussagekräftig ist. Ansonsten
bleiben Machtstrukturen und Zuständigkeiten unberücksichtigt,
die gerade beim internationalen Vergleich und der Systemberatung
eine große Rolle spielen. Denn ein Staat, der zuständigkeitsmonal
innerhalb der Berufsbildung ist, kann nicht ohne weiteres
mit einem zuständigkeitsdualen Ausbildungssystem überformt
werden. Ausbildungsprogramme, die auf einer Zuständigkeitsdualität
fußen, müssen dann in diesem Fall auf ihre Tauglichkeit
hin überprüft werden. Mit dem Aspekt der Zuständigkeit
wird erstmals auch dem sozio-kulturellen Hintergrund von Bildungssystemen
Rechnung getragen. Es wird berücksichtigt, dass die Berufsbildungssysteme
gewachsene Strukturen sind, mit eigener Geschichte und Entwicklung,
die sich nicht von heute auf morgen ändern lassen. Nur
wenn diese Hintergründe durch Systemberater beachtet
werden, kann auch eine Beratung sinnvoll erscheinen. Für
Entwicklungsprozesse ist die Beachtung des Zusammenhangs von
makro- und mikrosystemischen Entscheidungen, wie sie WIEMANN
präzisiert hat, wesentlich.
Am Beispiel des Dualen Systems soll abschließend eine
Übersicht der Berufsbildungssystembeschreibung folgen,
die sich sinngemäß für andere nationale Berufsbildungssysteme
anwenden ließe:
Makroebene:
1. Zuständigkeitsdual: Staat und betriebliche / wirtschaftliche
Selbstverwaltungsorgane
2. Lernorttrial: Betrieb, Schule und z. T. überbetriebliche
Ausbildungszentren
3. Lerntypusplural: betrieblich und schulisch: praktisch und
theoretisch und im übrigen in einer Entwicklung (gemäß
Tab. 6) befindlich.
Mikroebene:
1. Fächerübergreifender Unterricht
2. Projektunterricht
3. Betriebliche Praxis (on-the-job-training)
4. Produktionsschulprinzip
5. etc.
So ließen sich internationale Berufsausbildungssysteme unter Berücksichtigung der jeweiligen kulturellen Situation in Kurzform darstellen, um sie danach einer detaillierten Diskussion zugänglich zu machen. Dabei dürfte deutlich geworden sein, dass die Absicht, nationale Ausbildungssysteme mit nur einem Kriterium erfassen zu wollen, unzulänglich ist.
BECK, K. (1984): Zur Kritik des Lernortkonzeptes - Ein Plädoyer
für die Verabschiedung einer untauglichen pädagogischen
Idee. In
GEORG, W. (Hrsg.): Schule und Berufsausbildung. Bielefeld,
247-262.
GREINERT, W.-D. (1988): Marktmodell-Schulmodell-duales System.
Grundtypen formalisierter Berufsbildung. In: Die berufsbildende
Schule, 40, 145-156.
GREINERT, W.-D. (1995): Das duale System der Berufsausbildung
in der Bundesrepublik Deutschland - Struktur und Funktion.
Stuttgart.
MEYER, H. (1988): Unterrichtsmethoden 1 - Theorieband. Frankfurt,
236 f.
UNESCO (1989): Innovative Methods of Technical and Vocational
Education - Report of the Unesco International Symposium.
In: Bildung - Wissenschaft - International, Bundesminister
für Bildung und Wissenschaft (BMBW), 2.
WIEMANN, G. (1994): Beratung für Mikro-Systeme beruflichen
Lernens. In: BIERMANN, H. / GREINERT, W.- D. / JANISCH, R.
(Hrsg.): Systementwicklung in der Berufsbildung. Baden-Baden,
87-111.