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2. Kernfragen zur Einschätzung der Situation
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1. Selbstbestimmung wird gegenwärtig groß geschrieben;
das gilt auch und besonders für behinderte Menschen.
Das SGB IX verlangt Teilnehmerbeteiligung bereits in den Reha-Einrichtungen.
Das ist eine große Aufgabe, die nur mit vielen großen
und kleinen Schritten bewältigt werden kann. In der deutschen
Bildungsgeschichte gibt es, vor allem in den 20er Jahren,
eine Reihe von interessanten Ansätzen, gerade auch in
der Berufsbildung, die zum Ausgangspunkt für entsprechende
Modellversuche genommen werden könnten (BLANKERTZ 1982;
GREINERT 1993).
Teilnehmer können auf drei Ebenen beteiligt werden:
· individuell: Der individuelle Förderplan und
das Fördergespräch sind die maßgeblichen Instrumente,
· in der Lerngruppe: Jour fixe und Wochenbesprechung
sind geeignet, um die Teilnehmer an der Reflexion und Planung
der Lerngruppenarbeit wirksam zu beteiligen,
· in den Einrichtungen zur beruflichen Rehabilitation
soll es eine engagierte Teilnehmervertretung geben.
Mittlerweile sind die individuellen Förderpläne
- wie sie bereits 1999 im Rahmenvertrag zwischen den Reha-Trägern
und den Berufsförderungswerken sowie zwischen der Bundesanstalt
für Arbeit und den Berufsbildungswerken verbindlich festgelegt
worden sind - Standard in den Einrichtungen, wenngleich in
sehr unterschiedlichen Formen und Verfahren (siehe dazu auch
den Beitrag Aretz in dieser Ausgabe.). Jour fixe sind allerdings
noch keineswegs gang und gäbe; auch ist die Art und Weise,
wie der Jour fixe durchgeführt wird, stark abhängig
vom Interesse der Lehrenden an gezielten
2. Handlungsorientierte Rehabilitation ist eine didaktische
Kategorie, keine auf formalem Wege organisierbare Eigenschaft
eines Berufsförderungswerks . Sie droht zu einer Leerformel
zu verkommen, wenn ihre Verfechter sie nicht exemplarisch
und systematisch mit Leben füllen ( eine ausführliche
Auseinandersetzung mit dem Begriff findet sich in SEYD 1997.).
Die Kriterien ganzheitlichen, handlungsorientierten Lernens
sind im gbRE-Projekt deutlich herausgearbeitet worden (SEYD
et al. 2000; SEYD/BRAND 2002):
· die 3 Prinzipien der Ganzheitlichkeit, Handlungsorientierung
und Teamsteuerung,
· die 20 Gestaltungsmerkmale und
· die 6 im Rahmenvertrag vereinbarten Instrumente.
Damit verfügen die Berufsförderungswerke über ein geschlossenes System, mit dem sie ganzheitliche, handlungsorientierte, teamgesteuerte berufliche Rehabilitation sicherstellen können.
Handlungsorientierung macht Ernst mit der Forderung nach
erwachsenengerechtem Lernen. Zentrales Leitmotiv ist die "berufliche
Handlungskompetenz". In diesem Zusammenhang ist es hilfreich,
auf die Ausarbeitung von Heinrich ROTH über die drei
Dimensionen der Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz (ROTH 1971)
zurückzugreifen und sie mit dem Prinzip der "vollständigen
Handlung" zu kreuzen (HACKER 1973). Demnach ist eine
Handlung dann als "vollständige" zu bewerten,
wenn nacheinander die 6 Phasen des Recherchierens, Informierens,
Planens, Entscheidens, Ausführens und Kontrollierens
durchlaufen werden. Dementsprechend sind "handlungsorientierte
Lernsituationen" zu schaffen (z.B. DIEPOLD 1991).
"Ganzheitlichkeit" stellt einen an sich positiv
besetzten Begriff dar, der leicht zu einer unkritisch verwendeten
Floskel verkommen kann (SCHMIDT 1998). Er wird in der beruflichen
Rehabilitation in drei Ausprägungen verwendet, die allesamt
ihre Berechtigung hinsichtlich einer adressatenorientierten
Didaktik besitzen:
· Die Gesamtpersönlichkeit des Teilnehmers ist
in den Blick zu nehmen, nicht der bloß kognitive Lernbereich.
· Die in der interdisziplinären Zusammenarbeit
von Fachkräften unterschiedlicher Profession liegen Möglichkeiten
sind auszuschöpfen.
· Die Eingangsvoraussetzungen der Teilnehmer sind bei
der Planung und Gestaltung von Lernsituationen ebenso zu beachten
wie die persönliche Situation während der und im
Anschluss an die Rehabilitationsmaßnahme (zu den Klagen
über mangelhafte Kulturtechniken bei den heutigen Schulabsolventen
vgl. Kutscha 2001.).
Damit ist - um einem verbreiteten Vorurteil entgegen zu treten
- nicht der Vernachlässigung der Fachkompetenz das Wort
geredet; ihre Bedeutung ergibt sich schon daraus, dass sie
von künftigen Arbeitgebern als selbstverständlich
vorausgesetzt wird und in Abschlussprüfungen immer noch
eine dominante Rolle spielt (SCHMIDT 2000).
Erste Versuche mit selbstgesteuerten Teams, beispielsweise
bei Volvo in Schweden Ende der 60er Jahre, waren aufschlussreich,
boten aber wenig Anlass zu der Hoffnung, dass Teamarbeit einmal
besonderen Einfluss auf die Qualität der Arbeit in Industriebetrieben
und auf die Qualität der dort erstellten Produkte haben
würde (KERN/SCHUMANN 1970). Inzwischen haben Industriesoziologen
gar die Frage aufwerfen können, ob "das Ende der
Arbeitsteilung" (KERN/SCHUMANN 1986) gekommen sei. Mitarbeiter
müssen systemisch denken und sich als wirksamen Teil
eines Gesamtsystems Betrieb begreifen können (BAETHGE/OBERBECK
1986); das gilt für die gewerbliche Wirtschaft ebenso
wie für den Handel (BAETHGE/OBERBECK 1992), in Berufsbildungseinrichtungen
nicht minder.
Teamsteuerung lässt sich nicht verordnen; sie muss - auch in sozialen Bildungsunternehmen - wachsen. Sonst löst der Einführungsprozess Gegenreaktionen aus, die zur Diffamierung eines wichtigen Steuerungs- und Gestaltungselementes der Rehabilitationsarbeit (Ein boshaftes englisches Bonmot sagt: "A camel is a horse, designed by a team.") und damit zu seiner Abschaffung führen können.
3. Organisationsentwicklung wird als Gestaltungsaufgabe auch
in Bildungseinrichtungen immer bedeutsamer (DALIN 1986; DÜRR
1989; ARNOLD 1991; BAUMANN 1993). Eine solide Auseinandersetzung
mit ihren Möglichkeiten und (menschlich-institutionell
bedingten) Grenzen ist nicht überall erkennbar. Stimmige
Einbettung in gesellschaftliche Entwicklungen und sorgfältiger
Abgleich mit den Anforderungen von "außen"
(Rehabilitationsträger, politische Instanzen) sind unerlässlich.
OE ist an Maximen orientiert, die in der Literatur ziemlich
unstrittig sind: größtmögliche Beteiligung
der Mitarbeiter, Orientierung an Zielvereinbarungen, Offenlegung
der Ziele und Verfahren im Unternehmen usw. (BAUMGARTNER et
al. 1996; ENGELHARDT et al. 1996)
Es ist nicht erkennbar, dass in der Mehrzahl an Rehabilitationseinrichtungen
eine systematische, Personalentwicklung/Fortbildung einbeziehende
und auf eine mittelfristige Finanzplanung gestützte OE
wirklich stattfindet. Es überwiegen isolierte Aktivitäten.
Es scheint auch nicht Gemeingut zu sein, dass die Qualität
der von Belegschaften erbrachten Leistungen in starkem Maße
von ihrer Beteiligung an der Gestaltung von OE-Prozessen abhängt;
und dass diese Beteiligung nicht nur die Motivation der Mitarbeiter
steigert, sondern selbst Voraussetzung für ein Gelingen
von OE-Prozessen darstellt (BENTELER 1997).
4. Nicht alle, die von Qualitätsmanagement, -sicherung
etc. reden, haben ein klares Bild von den mit diesem Begriff
gefassten Phänomenen. Die Erwartungen, die mit QMS verknüpft
werden, werden nur von einer systematischen, versiert vorgenommenen
QMS erfüllt
Es besteht kein Zweifel daran, dass Nachweis- und Offenlegungspflichten
der Leistungserbringer härter werden. Zudem wird ein
höheres Maß an Planung und Steuerung verlangt.
Das betrifft insbesondere den individuellen Förder- und
Integrationsplan, den man durchaus als innerbetriebliche Leistungsvereinbarung
zwischen Leistungserbringer und Leistungsberechtigtem ansehen
kann.
Auch die Regelungen des § 20 (1) SGB IX hinsichtlich
Qualitätssicherung durch die Reha-Träger und Qualitätsmanagement
durch die Leistungserbringer zielen in diese Richtung (Die
Auswirkungen des SGB IX sind in Tabellenform aufbereitet in
den Anhang zum Abschlussbericht des Transferprojektes aufgenommen
worden: SEYD/BRAND et al. 2002 ). Inzwischen ist die "Gemeinsame
Empfehlung der Rehabilitationsträger zur Qualitätssicherung"
unter Federführung der Bundesarbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation erarbeitet und mit Wirkung 1.7.03 vom Bundesminister
für Gesundheit und soziale Sicherung in Kraft gesetzt
worden. Sie setzt ihren Schwerpunkt auf die Ergebnisqualität,
enthält aber auch Vorgaben für Prozess- und Strukturqualität.
Die Leistungsberechtigten werden ebenso wie die Leistungserbringer
nur unzureichend an der Qualitätssicherung beteiligt.
Die Rehabilitationsträger sind letztlich bestimmend,
ungeachtet der Aufwertung, die den Leistungsberechtigten durch
das SGB IX zuteil wurde und ungeachtet der Standards, die
in der privaten Wirtschaft bei externen Qualitätsprüfungen
- bei denen die Geprüften die Gelegenheit bekommen, vor
der Prüfung selbst an der Formulierung der Qualitätskriterien
mitzuwirken - gezogen werden (zur Kritik vgl. SEYD 2003).
5. Wirtschaftlichkeit als Unternehmensziel der Berufsförderungswerke
wird nicht nur groß geschrieben, sondern übergroß
gedeutet, nimmt man den eigentlichen Betriebszweck eines sozialen
Bildungsträgers zum Maßstab.
Ein Teil der Führungskräfte freut sich über
die zusätzlichen Gestaltungsspielräume, die sie
ab 2004 mit der wirtschaftlichen Selbstständigkeit erhalten,
die anderen fürchten den Wettbewerb mit Anbietern, die
ihre Leistungen günstiger kalkulieren können, weil
sie einen geringeren Personalstatus oder günstigere Tarifverträge
besitzen. Es ist absehbar, dass die Leistungsvielfalt zunehmen
wird, aber auch die Suche nach Einkünften, die zur Stabilisierung
der mit den Reha-Trägern vereinbarten Preise beitragen
können. Die Bundesanstalt für Arbeit hat den Rehabilitationseinrichtungen
jüngst zugestanden, ihren Unternehmenszweck über
die eigentliche Unternehmensaufgabe (z.B. Erwachsenen, die
wegen einer Behinderung ihren zuletzt ausgeübten Beruf
nicht weiter ausüben können, durch Umschulung zu
einer neuen Berufsperspektive zu verhelfen, wie das die Berufsförderungswerke
tun) hinaus auf andere Geschäftsfelder (z.B. Führung
von Integrationsabteilungen, Beteiligung am Benachteiligtenprogramm,
Erstellung von Leistungen für den allgemeinen Markt)
auszudehnen. Mit dieser "Aufweichung" der jahrelang
hochgehaltenen "Zweckbindung" ist allerdings auch
vermacht, dass die Bundesanstalt für Arbeit die institutionelle
Förderung bei Bau- und größeren Investitionsvorhaben
einstellt. Die Einrichtungen sollen dies über ihre Kostensätze
finanzieren. Sie sollen künftig auch selbstständig
wirtschaften können, also Gewinne erzielen oder Verluste
in Kauf nehmen.
Einrichtungen zur beruflichen Rehabilitation sind allerdings
ihrem Sinn und Zweck nach soziale Bildungseinrichtungen, die
einem besonders zu fördernden Personenkreis gewidmet
sind und die wegen der mit dieser Förderung verbundenen
besonderen Bedingungen einen Schutz vor wettbewerbsindizierter
Qualitätseinbuße genießen müssen. Es
ist ein krasses Vorurteil, wenn soziale Dienstleistungsunternehmen
a priori als unwirtschaftlich eingestuft werden. Der renommierte
amerikanische Wirtschaftswissenschaftler KRUGMAN wendet sich
entschieden gegen diese Fehlmeinung (2002). Nicht, dass die
Rehabilitationseinrichtungen nicht kostenbewusst wirtschaften
und mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht
sparsam umgehen müssten! Aber sie können in einem
Wettbewerb, der nach wirtschaftlichen Kategorien ausgetragen
wird, nicht bestehen, solange sie sich den Personenkreis,
den Gestaltungsauftrag, die tarifliche Bindung ihrer Entgeltzahlung
und ihre Erfolgsbedingungen (desolater Arbeitsmarkt!) nicht
aussuchen können.
6. Mit dem Hinweis auf die HARTZ-Kommission kann man viele
Diskussionen bereichern; es findet sich aber in dem Konzept
nur wenig, das Fingerzeige und Grundlagen für die Weiterentwicklung
der beruflichen Rehabilitation bietet.
Der generelle Perspektivenwechsel geht von der Orientierung
der BA-Mitarbeiter an dem "Ratsuchenden" hin zur
betrieblichen Personalanforderung und von der Qualifizierung
für einen Lebensberuf hin zu einer betriebsbezogenen
Qualifizierung. Die Persönlichkeitsentwicklung als Rehabilitationsgegenstand
könnte Schaden nehmen. Zudem sind kürzere Maßnahmen
von den Reha-Trägern gefordert worden; diese verursachen
aber stark erhöhte Kosten und lassen oft die Entwicklung
von Sozial- und Selbstkompetenz illusorisch werden.
Wohnortnähe ist eine weitere Forderung der Reha-Träger.
Dieses Prinzip ist allerdings den tragenden Prinzipien der
Individualität und Normalität nachgeordnet (WITTWER
2001; SEYD 2001). Trotzdem darf man es nicht aus den Augen
verlieren. Das regionale Netz der Berufsförderungswerke
dürfte noch engmaschiger werden. Vergleichbare Ausbaupläne
sind von den anderen Rehabilitationseinrichtungen nicht bekannt.
Berufsbildungswerke, Berufliche Trainingszentren, Werkstätten
für behinderte Menschen und Medizinisch-berufliche Einrichtungen
sind bis auf wenige Ausnahmen jeweils auf einen Standort beschränkt.
1. Die Rehabilitationsträger, allen voran die Bundesanstalt
für Arbeit (BA), drängen die Leistungserbringer,
ihre Kosten weiter in erheblichem Umfang zu reduzieren. Ihre
Vertreter gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren erheblich
weniger Mittel für die berufliche Rehabilitation zur
Verfügung stehen, und das bei einem weiter wachsenden
Personenkreis. Dabei ist der tatsächliche finanzielle
Hintergrund gar nicht klar. Schon der Haushalt der BA für
2004 ist nicht bekannt. Ob angesichts der Lehrstellenproblematik
(über 160.000 unversorgte Bewerber, lediglich rund 50.000
offene Lehrstellen lt. Ministerin BUHLMAN am 5.9.03) von der
Bundesregierung wieder ein Sonderprogramm aufgelegt wird,
dessen finanzielle Bindungen dann bis in 2004 hineinragen
und für das kommende Wirtschaftsjahr insbesondere für
Neuaufnahmen in der beruflichen Rehabilitation notwendige
Mittel absorbieren, ist nicht abzuschätzen.
2. Die Bedarfssituation ist ebenfalls nicht klar, weder bei
den Berufsförderungs- noch bei den Berufsbildungswerken.
Bei letzteren hängt sie von den Absolventenzahlen sowohl
bei den allgemeinbildenden Schulen, insbesondere den Sonder-
bzw. Förderschulen, ebenso ab wie von den Absolventenzahlen
bei den "zwischengelagerten" Förder- und Vorbereitungsmaßnahmen
sowohl im Kultus- als auch im Arbeits-/Sozialbereich. Zudem
ist die nach wie vor sinkende Bereitschaft der Betriebe zu
beachten, behinderten Jugendlichen einen Ausbildungsplatz
zu gewähren.
3. Die an verschiedenen Stellen entwickelten und bei verschiedenen
Anlässen kolportierten inhaltlichen und strategischen
Vorstellungen der Bundesanstalt für Arbeit sind nicht
in einem Konzept zusammen geführt. Jedenfalls liegt ein
derartiges Konzept nicht schriftlich vor. Die Arbeitsgemeinschaften
als Interessenvertreter der Rehabilitationseinrichtungen sind
trotz gegenteiliger Absichtserklärungen nicht von den
Rehabilitationsträgern an der Entwicklung von Konzepten
beteiligt worden.
4. Offensichtlich konzentrieren sich die konzeptionellen Vorstellungen der BA, die hier stellvertretend für die Reha-Träger benannt wird, auf 7 Aspekte, von denen - ungeachtet mancher Überschneidungen - 2 zu den strategischen (Orientierung auf Durchschnittswerte bei den Ausbildungs- und Internatskosten; zentral gesteuerte öffentliche Ausschreibung) und 5 zu den inhaltlichen gerechnet werden können: Verbleibsquote, Vorrang betrieblicher Maßnahmen, Entkopplung Vorbereitungs- und Ausbildungsangebote, Teilqualifizierung und Modularisierung.
4.1 Die BA will die Ergebnisqualität, reduziert auf die sogenannte Verbleibsquote, zum Maßstab für Zuweisungen nehmen. Die Verbleibsquote ist derzeit in erster Linie von der Arbeitsmarktlage abhängig, in zweiter Linie von den erworbenen Qualifikationen der Absolventen - unabhängig davon, ob sie eine erfolgreiche Prüfung bestanden, nicht bestanden oder während der Maßnahme aufgegeben haben bzw. ausgeschlossen worden sind -, von den Vermittlungsanstrengungen und - selbstverständlich - von den Leistungen der BBWs (heute oft und gern als "Prozessqualität" bezeichnet). Die BBWs dürfen nicht für etwas verantwortlich gemacht werden, was sie am allerwenigsten beeinflussen können! Andererseits zeigen die - trotz alledem - guten Eingliederungsquoten, dass für die BBW-Absolventen Nischen selbst in solchen Branchen und Bereichen vorhanden sind - die Beispiele Bau und kaufmännische Verwaltung mögen für viele stehen -, die vom Gesamtarbeitsmarkt her eher als schwierig angesehen werden. Viele Leistungsberechtigte können nur bestimmte - als weniger marktgängig eingeschätzte - Ausbildungen aufnehmen. Auch sie müssen ihre Chance behalten.
4.2 Die BA will betrieblichen und "betriebsnahen" Maßnahmen absoluten Vorrang vor außerbetrieblichen einräumen. Das ist vom Ansatz her sowohl didaktisch als auch arbeitsmarktstrategisch sinnvoll, verkennt aber die unzureichende Aufnahme- und Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft von Betrieben (siehe die eingangs zitierte Ministerin mit ihrer Betriebsschelte). Außerbetriebliche Maßnahmen sind unerlässlich. Betriebe haben sich weitgehend aus der Ausbildung zurückgezogen. Das gilt für nichtbehinderte wie für behinderte und - siehe den "Bericht der Bundesregierung nach § 160 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) über die Beschäftigungssituation schwerbehinderter Menschen" vom 1.7.03 - ganz besonders für schwerbehinderte Jugendliche . Die Forderung, Rehabilitationsmaßnahmen betrieblich auszurichten, verkennt die tatsächliche Bereitschaft der Unternehmen. Das heißt nicht, dass sich nicht regionale und branchenbezogene Initiativen lohnen; aber Betriebe zur Mitwirkung an der Ausbildung behinderter Jugendlicher ("Die allgemein gesunkene Bereitschaft von Unternehmen, Jugendliche auszubilden, geht besonders zu Lasten behinderter Jugendlicher. Die zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen verpflichteten Arbeitgeber verfügten im Jahre 2000 zwar über rund 1,1 Millionen betriebliche Ausbildungsplätze, jedoch wurden nur rund 5.300 dieser Ausbildungsplätze von schwerbehinderten Menschen besetzt." (Bericht 2003, S. 65). Mithin liegt die Ausbildungsplatzquote bei schwerbehinderten Jugendlichen unter 5 Promille!) und Zusammenarbeit mit Berufsbildungswerken zu gewinnen, ist eine außerordentlich schwierige und aufwendige Aufgabe.
4.3 Die BA will Berufsfindungs-, Arbeitserprobungs-, Assessment- und Fördermaßnahmen nicht mehr bei solchen Einrichtungen platzieren, die auch Ausbildungen durchführen. Hier schwebt der "Selbstbedienungsvorwurf" im Raum, oft angebracht, nie nachgewiesen. Denn zunächst einmal sind diese Vorfeld- und Vorbereitungsmaßnahmen deshalb bei BBWen angesiedelt, weil diese die besten Voraussetzungen für eine valide, reliable, aussagefähige, standardisierte und wirtschaftliche Berufsfindung, Arbeitserprobung und Förderung bieten. Dass ein großer Teil von deren Absolventen dann die Möglichkeit einer Aufnahme oder Weiterführung eines Ausbildungsangebotes bei diesem Träger wahrnimmt, ist deshalb nicht verwunderlich.
4.4 Die BA will die Dauer der Leistungen reduzieren. Förderlehrgänge sollen unterjährig durchgeführt, Ausbildungen auf Teilqualifikationen reduziert werden. Grundsätzlich gilt, dass beide Formen nicht bloß fachliche Qualifizierungen leisten, sondern die Persönlichkeit der Teilnehmer formen sollen. Das ist nicht in einer "Schnelldurchlauf-Maßnahme" zu schaffen. Jahrzehntelang hat die BA auf die hohe Bedeutung der Qualifikation für das Erreichen und den Erhalt eines (sicheren) Arbeitsplatzes hingewiesen; im Zuge knapper Haushaltsmittel die Argumentation umzudrehen und für Kurzzeitqualifikationen einzutreten, heißt den Zusammenhang zwischen Qualifikation und Arbeitsplatzerwerb zu missachten.
4.5 Die BA redet der Modularisierung das Wort. Gegen die Bausteinidee ist im Grundsatz nur dann etwas einzuwenden, wenn mit ihr Berufsausbildungen zergliedert und zerfasert werden. Richtig angewendet sind Module beispielsweise in der Form von Lernfeldern in sich abgeschlossene komplexe Lerneinheiten, die für sich genommen einen sichtbaren Qualifikationsabschnitt ausmachen und damit die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Besitzer erhöhen. Module in dem Sinne, dass Teilqualifikationen an die Stelle von Berufsqualifikationen treten, sind - wie unter Punkt 4.6 bereits ausgeführt - gegen das Arbeitsmarktinteresse (nicht nur) behinderter Menschen gerichtet.
5. Konzeptionelle Reformen bedürfen nicht nur der Präzisierung. Sollen sie umgesetzt werden, muss das Verständnis der Menschen, die sie umsetzen sollen, gewonnen werden. Das braucht eine stringente Umsetzungsstrategie, und das braucht seine Zeit. Das Beispiel PSA zeigt, wie eine gutgemeinte Absicht in verwässerter Form und ohne hinreichendes Bedenken geeigneter Umsetzungsmodalitäten zu katastrophalen Ergebnissen führt. Nicht anders sieht es mit dem "Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter" vom 29. September 2000 aus, das unendlich viel Geld verschlang und alles andere als nachhaltige Beschäftigungserfolge zeitigte . Möge man aus Fehlern lernen!
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