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ERWIN SEMELKA

Strategien zur Umsetzung des Lernfeldkonzeptes - die personale Dimension: Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Modellversuch SELUBA Nordrhein-Westfalen

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SELUBA "Steigerung der Effizienz neuer Lernkonzepte und Unterrichtsmethoden in der dualen Berufsausbildung", Modellversuch NRW , 01.10.1999 - 30.09.2002


1 Verhältnis der Lehrer zum Lernfeldkonzept

Die unterschiedlichen Bilder von Unterricht, die im Lehrer-Kollegium existieren ("mentale Modelle des Kollegiums"), führen zum individuellen unterrichtlichen Handeln der Lehrpersonen, das u. a. in den Lernbiographien von Lehrer/innen begründet ist (Rolff 2001, S. 66f). Vor dem Hintergrund der primären Orientierung an klassischen Unterrichtsfächern oder wissenschaftlichen Disziplinen/ Teildisziplinen, erfolgt unterrichtliches Handeln im Wesentlichen nach fachsystematischen Gesichtspunkten. Ein wesentliches Kennzeichen des Lernfeldkonzeptes ist aber seine Gestaltungsoffenheit, die von den Lehrern und Lehrerinnen eine neue Umsetzungsstrategie bezüglich einer im Kern handlungs-systematisch konzipierten Realisierung der curricularen Vorgaben einfordert. Erwartungsgemäß bestätigten die Erfahrungen und Ergebnisse des Modellversuchs SELUBA einen zähen Verlauf des Umsetzungsprozesses.

1.1 Akzeptanz, Hoffnung, Bedenken

Schon zu Beginn des Umsetzungsprozesses stellte man eine hohe grundsätzliche Akzeptanz der Intention und des curricular-didaktischen Auftrages des Lernfeldkonzeptes fest. Mehr als die Hälfte der Lehrenden schätzte die erwartete stärkere Selbstverantwortung als positiv ein. Während jedoch die offenen Ziel-/Kompetenzvorgaben sowie die offenen Inhaltsvorgaben als typische Strukturelemente des Lernfeldkonzeptes auf hohe Zustimmung stießen, wurde der spezifische Zuschnitt der Lernfelder der jeweiligen Lehrpläne von der überwiegenden Mehrheit der Lehrenden sehr stark kritisiert. Den Lernfeldvorgaben mangelt es häufig an der notwendigen didaktischen Aufbereitung für schulische Lehr-Lernprozesse. Kolleginnen und Kollegen wollen und müssen die berufliche Handlungssystematik, die den Lehrplänen zu Grunde liegt, nachvollziehen können, um pädagogisch verantwortliche, standortbezogene curriculare Ausgestaltungen der Lernfelder vornehmen zu können.
Die Verknüpfung von Praxis und Theorie im Kontext beruflicher Anwendungszusammenhänge wurde auch schon vorher punktuell als reale berufliche Situation der Auszubildenden in den schulischen Lehr-Lernprozessen im Rahmen der Unterrichtsfächer berücksichtigt. Die Auseinandersetzung mit den Anforderungen der betrieblichen Ausbildung und der erforderliche Abstimmungsbedarf sind den Lehrenden nicht neu. Im Zusammenhang mit der positiven Einschätzung der Schülermotivation beurteilten die Lehrer und Lehrerinnen die Möglichkeit der Realisierung optimistisch.
Der Verlust der kleinschrittigen Inhaltsvorgaben in bisherigen Lehrplänen beim Wechsel zu den neuen offenen handlungssystematischen Strukturen führte bei einem Teil der Lehrenden zur Verunsicherung, die durch die oft nicht gesicherte didaktische Qualität der Lernfeldschneidungen noch verstärkt wurde. Insbesondere fehlten Ihnen die Aussagen über den Stellenwert der Fachsystematik und die Bedeutung der Unterrichtsfächer. Lehrende fühlten sich nicht vollständig in der Lage, die Lernfelder, wie gefordert, pädagogisch verantwortlich, standortbezogen curricular auszugestalten. Befürchtet wurde eine höhere Belastung durch die stärkere Selbstverantwortung, insbesondere auch in zeitlicher Sicht. Die geforderte Teamarbeit der Lehrenden im Bildungsgang und die damit verbundene Offenlegung des eigenen Unterrichts stimmte mit der geübten Praxis nicht überein und stieß zunächst auf Ablehnung, obwohl der Wert der Teamarbeit grundsätzlich nicht in Frage gestellt wurde.
Insgesamt stand dennoch die Hoffnung auf eine Steigerung der Unterrichtsqualität und der zukünftigen Entlastung der Lehrer und Lehrerinnen im Focus positiver Betrachtungen.

2 Widerstand und Beharrung

Im Rahmen der "Didaktischen Jahresplanung" erfolgte die zögerliche Umsetzung des Lernfeld-Curriculums. Dieser Planungs- und Entwicklungsprozess deckte den Bereich der curricular-didaktischen Arbeit sowie der Bildungsgang/ Schulentwicklung ab. Die Hinwendung zur Teamarbeit im Bildungsgang bedeutete für die Lehrer und Lehrerinnen einen erheblichen innovativen Schritt. Dementsprechend entwickelte sich die Bildungsgangarbeit in aufeinander aufbauenden Phasen, in denen Verhaltensveränderungen nur schrittweise zu beobachten waren.
Indikatoren für Widerstand und Beharrung sind:
· Gemeinsam geplante Lernsituationen werden fachsystematisch umgesetzt
· Abweichungen vom Konzept werden mit unzutreffenden oder unzulänglichen Rahmenbedingungen begründet (fachsystematisch konzipierte Abschlussprüfung der Kammern, Stundenplan, Ausstattung, Räume etc.)
· Der eigene Unterricht wird nicht offen gelegt, Hospitationen werden abgelehnt
· Evaluationsvorhaben werden verhindert oder verwässert
· Das Teamverhalten ist kontraproduktiv. (Einhaltung von Terminen, erstellen von Arbeitsbeiträgen etc.)
· Die Kooperation mit den dualen Partnern ist unzureichend

2.1 Qualifizierungsbedarf und Umsetzungsstrategien

Didaktische Jahresplanungen stellten den Rahmen für die Umsetzung der Lernfeld-Curricula dar. Es waren Prozesse mit erheblichen Anforderungen an die Lehrenden, was umfangreiche Qualifizierungsanforderungen zur Folge hatte. Eine wirksame Umsetzungsstrategie beinhaltet eine Beratungs- und Unterstützungsstruktur, die das kontinuierliche Arbeiten und Kommunizieren im den Bildungsgang fördert. Wegen der fehlenden Erfahrung der Arbeit im Spannungsfeld von Handlungs- und Fachsystematik ist eine Professionalisierung der curricularen Kompetenz zwingend erforderlich. Die Organisationsstruktur von Schule muss die Teamarbeitsprozesse der Lehrenden stützen und sich von der Lehrereinsatzplanung und Stundenplangestaltung, die die traditionellen Fächerstrukturen zur Grundlage haben, entfernen. Die in Evaluationsprozessen gewonnenen Erkenntnisse fließen in den Entwicklungsprozess ein. Die Bildungsgangarbeit stellt letztlich den Kern der Schulentwicklung dar.
Die notwendige Qualifizierung der Lehrer und Lehrerinnen muss mindestens folgende Kompetenzbereiche abdecken:
· Curriculare Kompetenz
· Methodische Kompetenz
· Teamkompetenz
· Evaluationskompetenz
Zu den Umsetzungsstrategien gehören:
· Start mit den innovativen Personen
· Gezielte Zusammensetzung von Bildungsgangteams unter der akzeptierten Einbindung einer Führungsperson
· Vertrauensbildende Maßnahmen unter besonderer Achtung der Lehrerpersönlichkeit
· Zielvereinbarungen
· Beratungsangebote/Fortbildungsangebote
· Optimierung der organisatorischen Rahmenbedingungen
· Regionaler Erfahrungsaustausch

3 Einbindung der Schüler und Betriebe

Schüler und Schülerinnen sowie Betriebe sind Partner und Mittler im Kontext beruflicher Arbeits- und Geschäftprozesse. Schüler sind selbstständig Lernende und kritische Rückmelder. Sie orientieren sich in Ihrem Handeln am Vorbild des Lehrerteams, das u. a. seine Unterrichtsplanung transparent macht. Ihre Akzeptanz und Motivation steigt durch die erlebten Unterrichtserfolge. Da die Lernortkooperation keine völlig neue Aufgabe für Lehrer und Lehrerinnen ist, ist die Weiterentwicklung von der meist auf formaler Ebene bestehenden Kooperation zur aktiven Kooperation nur ein kleiner Schritt. Das Lernfeldkonzept setzt auf eine Ausweitung im Bereich der curricular-didaktischen Arbeit. Lernsituationen, die an beruflichen Handlungssituationen orientiert sind und die die regionalspezifischen Besonderheiten der Ausbildungssituation berücksichtigen, lassen sich nur in Abstimmung zwischen den dualen Partnern entwickeln. Wenn dann noch die Durchführung der Lernsituationen gemeinsam mit den Ausbildungsbetrieben unter der Prämisse praktischer Arbeits- und Geschäftsprozesse stattfindet, vervollständigt sich das Netz der am Entwicklungsprozess Beteiligten. (Abb. 1)

Abb. 2: Netzwerk der Prozessbeteiligten


Die Rolle der Schulaufsicht definiert sich über die Bereitstellung von Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten ebenso wie über die Vermittlung von über-regionaler Zusammenarbeit der Schulen und anderer Beteiligter. Denkbar für die Zukunft ist ihr verstärkter Auftritt im Rahmen externer Evaluationsmaßnahmen.


Literatur:

Rolff, H.-G. (2001): Unterrichtsentwicklung. Weinheim: Beltz Verlag.
Landesinstitut für Schule (Hrsg.) (2002): Modellversuch SELUBA: Evaluation der Bildungsgangarbeit in Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Modellversuches SELUBA, Soest, Werkstattbericht Heft 4.
Landesinstitut für Schule (Hrsg.) (2003): Modellversuch SELUBA: Abschlussbericht zum Modellversuch SELUBA Nordrhein-Westfalen, Soest.
Modellversuch SELUBA: online unter http://www.learn-line-nrw.de/angebote/seluba (30.9.03).

 


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