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http://www.bwpat.de/spezial2 | Hrsg. bwp@-Spezial 2: Hubert Ertl und H.-Hugo Kremer

Innovationen in schulischen Kontexten: Ansatzpunkte für berufsbegleitende Lernprozesse bei Lehrkräften

 

Reform der Kaufmännischen Grundbildung in der Schweiz – Erste provisorische Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt



Abstract

Vor einigen Jahren wurde in der Schweiz eine grundlegende Reform der Kaufmänni­schen Grundbildung (RKG) in Angriff genommen. Zum Beginn des Schuljahres 2003 fand die Entwicklung und Erprobung der Reform ihren Abschluss und die Neue Kaufmännische Grundbildung (NKG) wurde in den Schulen gesetzlich eingeführt.

Erfahrungsgemäß führen Innovationsprozesse bei der Umsetzung zu verschiedenen Problemen. Ob sich eine Organisation verändert, hängt letztlich davon ab, ob sich individuelles Verhalten in der Organisation wandelt. Das bedeutet nicht, dass jede Innovation nur auf der individuellen Ebene ansetzen muss und strukturelle sowie systemische Aspekte keine Rolle spielen. Das Individuum darf jedoch weder als Bezugspunkt in der Planung von steuernden Interventionen noch in der Evaluation vergessen werden.

Mit unserem Forschungsprojekt sollen Grade der Betroffenheit von Lehr- und Schulleitungspersonen bei der Umsetzung der Reform verfolgt werden. Wegleitend für das For­schungsprojekt ist das Innovationsmodell von Hall und Hord (2001). Im Mittelpunkt des Modells stehen, wie es die Bezeichnung „Concerns Based Adoption Model“ aus­drückt, die beteiligten Personen mit ihren Anliegen, Interessen und Befindlichkeiten, was zu folgenden Forschungsfragen führt: Welchen Grad der Betroffenheit zeigen die Lehr- und Schulleitungspersonen zu bestimmten Zeitpunkten oder Phasen im Innovationsprozess? Welches Betroffenheitsprofil ergibt sich insgesamt für die einzelnen Schulen zu bestimmten Zeitpunkten oder Phasen des Innovationsprozesses? Gibt es Unterschiede zwischen Schulen zum gleichen Umsetzungszeitpunkt einer Innovation?

Aus den Analyseergebnissen werden dann erste Schlussfolgerungen gezogen sowie Ideen für eine optimale Gestaltung und Steuerung von Innovationsprozessen skizziert.

Inhaltsübersicht

1.  Formulierung und Präzisierung des Forschungsproblems
1.1 Innovationsverständnis (Modell)
1.2.  Forschungsfragen
2.  Planung des Vorhabens und Vorgehen bei der Datenerhebung
2.1 Forschungsdesign, Art und Umfang der Stichprobe
2.2 Entwicklung der Fragebögen
2.3 Fragebogen zu Anliegen von Lehrpersonen im Zusammenhang mit Innovationsvorhaben (Stages of Concern Questionnaire)
2.3.1 Originalfragebogen
2.3.2 Erhebungsfragebogen zu Anliegen von Lehrpersonen
2.4 Fragebogen für innovationsfördernde Personen im Zusammenhang mit Innovationsvorhaben (Change Facilitators Stages of Concern Questionnaire)
2.4.1 Originalfragebogen
2.4.2 Erhebungsfragebogen für innovationsfördernde Leitungspersonen
3.  Erste provisorische Ergebnisse
3.1 Betroffenheit von Lehrpersonen
3.2 Betroffenheit von Leitungspersonen
4.  Diskussion und Schlussfolgerungen

1.  Formulierung und Präzisierung des Forschungsproblems

1.1 Innovationsverständnis (Modell)

Seit längerer Zeit interessieren wir uns für Themen der Schulführung und Schulentwicklung, unter anderem auch für die Aspekte der Führung, Gestaltung und Begleitung von Innovationsprozessen (vgl. Seitz 2000a, Seitz 2000b, Seitz / Capaul 2000, Capaul 2002, Seitz / Capaul 2004). Aufgrund persönlicher Gespräche mit Gene Hall und Mitarbeitenden über ihr „Concerns Based Adoption Model“ ( Hall / Hord , 2001) anlässlich der Kongresse der American Educational Research Association, einem mit Gene Hall und Roland Vandenberghe in St. Gallen durchgeführten Workshop sowie einer Vereinbarung mit Hall, die Instrumente im deutschsprachigen Bereich einsetzen zu können, haben wir uns entschieden diesen Ansatz als Grundlage unseres Forschungsvorhabens auszuwählen.

Das Modell und die entsprechenden Instrumente wurden von Hall und Mitarbeitenden in langjähriger Forschungsarbeit entwickelt und in verschiedenen Ländern erprobt, diskutiert und auch kritisiert (vgl. van den Berg / Vandenberghe 1995; Anderson 1997; van den Berg / Sleegers / Geijsel / Vandenberghe 2000; Cheung / Hattie / Ng 2001).

Im Mittelpunkt des Modells stehen, wie es die Bezeichnung „Concerns Based Adoption Model“ ausdrückt, die beteiligten Personen mit ihren Anliegen, Interessen, Verhaltensweisen und Handlungen während des Innovationsprozesses.

Es gibt im Innovationsprozess zwei Gruppen von Akteuren, einerseits das Change Facilitator Team bzw. das innovationsfördernde Leitungsgremium sowie andererseits Personen, welche die Innovation umsetzen (Anwender) oder sich mit der Innovation aus verschiedenen Gründen nicht oder noch nicht beschäftigen (Nicht-Anwender).

Die zentrale Schnittstelle in diesem Modell bildet das Change Facilitator Team, d.h. die Schulleitung oder die Projektleitung. Die Gestaltung von Innovationsprozessen wird als Teamaufgabe betrachtet, da eine Einzelperson vermutlich überfordert wäre und die erfolgreiche Umsetzung auch nicht einer Einzelperson zugeschrieben werden kann. Damit die Betroffenen zu Anwendern der Innovation werden, brauchen sie die Unterstützung durch ein Change Facilitator Team. Dieses verfügt in der Regel über die entsprechenden Informations- und Kommunikationswege sowie über die Kompetenzen, Mittel zu beschaffen sowie sachliche und personelle Ressourcen zuzuteilen, um den Innovationsprozess in Gang zu setzen und erfolgreich zu gestalten.

Das Change Facilitator Team hat im Innovationsprozess zwei Schlüsselaufgaben - die Diagnose- und die Interventionsfunktion - wahrzunehmen. Bei der Diagnose geht es darum, drei Dimensionen in einem Innovationsprozess zu klären, nämlich:

•  den Grad der Betroffenheit der Beteiligten zu erfassen,

•  den Grad der Verhaltensänderung der Beteiligten festzustellen und

•  den bisher erreichten Qualitätsgrad der Innovation zu beurteilen.

Aufgrund der Ergebnisse dieser Diagnose sind dann vom Change Facilitator Team die geeigneten Interventionen, welche die Umsetzung der Innovation erleichtern, vorzunehmen. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang, wie bereits erwähnt, die Frage der Ressourcen.

Interventionen werden aber nicht allein durch das Change Facilitator Team in Gang gesetzt, sondern beruhen auch auf den Interpretationen der Geschehnisse durch die Beteiligten selbst. Die daraus resultierenden Interventionen wachsen gleichsam wie Pilze heran und sind für das Change Facilitator Team weniger steuer- und kontrollierbar als die selbst initiierten Maßnahmen.

Weiter ist zu bedenken, dass sich das ganze Innovationsgeschehen in einer Organisation mit ihrer je eigenen Kultur abspielt und auch durch die Umweltfaktoren, wie gesellschaftliche oder wirtschaftliche Entwicklungen, beeinflusst wird.

1.2.  Forschungsfragen

Ausgehend vom Modell von Hall und Hord (2001) und den für ihre Untersuchungen verwendeten Instrumenten lassen sich für unser Forschungsprojekt folgende zentralen Forschungsfragen ableiten:

1. Phase des Projektes: Betroffenheit der Lehr- und Leitungspersonen

Welchen Grad der Betroffenheit zeigen die Lehr- bzw. Leitungspersonen zu bestimmten Zeitpunkten oder Phasen im Innovationsprozess?

Welches Betroffenheitsprofil ergibt sich insgesamt für die einzelnen Schulen zu bestimmten Zeitpunkten oder Phasen des Innovationsprozesses?

Gibt es Unterschiede zwischen Schulen zu einem bestimmten Zeitpunkt der Umsetzung der gleichen Innovation?

2. Phase des Projektes: Change Management der Schulleitungspersonen

Welches Führungsprofil (Change-Facilitator-Profil) zeigen einzelne Schulleitungen im Innovationsprozess?

Besteht ein Zusammenhang zwischen den erreichten Betroffenheitsgraden (Entwicklungsstufen einer Person im Verlaufe der Umsetzung einer Innovation) und den Change-Facilitator-Profilen (Führungsstil von Leitungspersonen)?

2.  Planung des Vorhabens und Vorgehen bei der Datenerhebung

2.1 Forschungsdesign, Art und Umfang der Stichprobe

Zu Beginn des Schuljahres 2003 wurde in der Schweiz die Neue Kaufmännische Grundbildung (NKG) in den Schulen gesetzlich eingeführt.

In unserem Forschungsvorhaben wollten wir in einem ersten Schritt kurz vor Einführung der Innovation, d.h. vor dem eigentlichen Schulbeginn, die Grade der Betroffenheit von Lehr- und Schulleitungspersonen im Zusammenhang mit dieser umfassenden Reform erheben.

Es wurden 16 Schulen angeschrieben bzw. insgesamt 455 Fragebögen an Lehrpersonen und 40 Fragebögen an Schulleitungspersonen und Projektverantwortliche gesandt.

Der Rücklauf war erwartungsgemäß unterschiedlich. Von einigen Schulen erhielten wir eine befriedigende Rücklaufquote, von anderen hingegen nicht. In die Auswertung gelangten 136 Fragebögen von Lehrpersonen und 30 Fragebögen von Schulleitungspersonen, d.h. total 166 Fragebögen von 15 Schulen.

2.2 Entwicklung der Fragebögen

Grundlage für die Erhebungen bilden zwei Fragebögen zur Betroffenheit von Leitungs- und Lehrpersonen, die durch uns übersetzt und leicht modifiziert wurden. Dabei werden die Befragten aufgefordert, ihre Anliegen bzw. ihre Betroffenheit im Zusammenhang mit einer bestimmten Innovation entlang einer 8-stufigen Likert-Skala von 0 (ist für mich zum jetzigen Zeitpunkt belanglos) und 7 (trifft im Moment in hohem Maß zu) einzustufen. Es handelt sich somit um eine Selbsteinschätzung und um ein indirektes Maß der affektiven Betroffenheit.

Die Untersuchungen von Hall und Hord (2001) haben gezeigt, dass sich bei einem Innovationsvorhaben die Anliegen und die emotionale Betroffenheit der Beteiligten im Verlaufe der Zeit verändern und in bestimmter Richtung weiterentwickeln. Dabei lassen sich – ausgehend von der untersten Stufe 0 – folgende Stufen der Betroffenheit unterscheiden:

2.3 Fragebogen zu Anliegen von Lehrpersonen im Zusammenhang mit Innovationsvorhaben (Stages of Concern Questionnaire)

2.3.1 Originalfragebogen

Gemäß Hall , George und Rutherford (1998, S. 20) entstand nach mehrfacher Überarbeitung des Fragebogens und einer extensiven Analyse der Items ein Instrument mit unabhängigen Skalen und einer großen internen Reliabilität. Es wurde auch eine Serie von Validitätsüberprüfungen durch Hall , George und Rutherford (1998, S. 20) vorgenommen, die ein wachsendes Vertrauen in den SoC-Questionnaire schufen, d.h. dass dieser tatsächlich die vermuteten Stufen der Betroffenheit misst.

Cheung , Hattie und Ng (2001) haben verschiedene Studien zu den Betroffenheitsgraden (Stages of Concern) untersucht, eigene Analysen vorgenommen und alternative Modelle erprobt. Sie kritisieren aufgrund der empirischen Ergebnisse (vgl. Tabelle 1) einerseits die Reliabilitätswerte, andererseits aber auch die Konstruktvalidität des SoC-Fragebogens und insbesondere die Annahme, dass es sich um fortschreitende Entwicklungsstufen einer Person im Verlaufe der Umsetzung einer Innovation handle. Dabei ist zu beachten, dass diese Feststellungen auch für alternative Modelle gelten (S. 235).

Die Daten aus Tabelle 1 zeigen, dass vereinzelt – besonders für die Stufe 0 und teilweise auch für Stufe 6 - relativ tiefe Werte ermittelt wurden, wobei die Größe der Stichprobe zu berücksichtigen ist.

2.3.2 Erhebungsfragebogen zu Anliegen von Lehrpersonen

In unserer eigenen Piloterhebung ergaben sich mit den anderen Studien vergleichbare, relativ hohe Werte.

 

1) Von den für die Stufe 0 erfragten 10 Items sind jene 5 Items ausgeschlossen worden, welche die Reliabilität der Ergebnisse am stärksten negativ beeinflussten. Die Werte für die Stufe 0 beruhen also wie bei den übrigen Stufen auf 5 Items.

2.4 Fragebogen für innovationsfördernde Personen im Zusammenhang mit Innovationsvorhaben (Change Facilitators Stages of Concern Questionnaire)

2.4.1 Originalfragebogen

Für das Originalinstrument stellen Hall , Newlove , George , Rutherford und Hord (1991, S. 19 - 20) aufgrund ihrer Überprüfungen fest, dass der Fragebogen weitgehend unabhängige Skalen und eine hohe interne Reliabilität (Alpha-Koeffizienten von .61 bis .86) aufweist.

2.4.2 Erhebungsfragebogen für innovationsfördernde Leitungspersonen

In unserer eigenen Piloterhebung ergaben sich – abgesehen von Stufe 5 - relativ hohe Werte. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass es sich um eine kleine Stichprobe handelt.

2) Von den für die Stufe 0 erfragten 10 Items sind jene 5 Items ausgeschlossen worden, welche die Reliabilität der Ergebnisse am stärksten negativ beeinflussten. Die Werte für die Stufe 0 beruhen also wie bei den übrigen Stufen auf 5 Items.

3.  Erste provisorische Ergebnisse

3.1 Betroffenheit von Lehrpersonen

Ein erster Interpretationsversuch der Ergebnisse bzw. des unten aufgeführten Profils zeigt eine relativ flache Kurve mit zwei kleinen Wellenbergen. Aufgrund dieses eher ausgeglichenen Profils lässt sich vermuten, dass im Moment praktisch auf allen Stufen eine gewisse Betroffenheit besteht, d.h. gleichzeitig eine gewisse Ich-, Aufgaben- und Wirkungsorientierung vorhanden ist.

 

Die einzelnen Grade der Betroffenheit (vgl. dazu Abb. 2) lassen sich etwa wie folgt umschreiben: Da die Lehrpersonen auf der Stufe 0 einen tiefen Wert aufweisen, deutet dies darauf hin, dass sie sich stark mit der Innovation NKG beschäftigen. Gemäß den Werten auf Stufe 1 besteht ein relativ starkes Bedürfnis nach Zusatzinformationen. Auf Stufe 2 zeigt sich eine relativ hohe persönliche Betroffenheit, eventuell bedeutet dies ein gewisses Unbehagen oder eine Herausforderung im Zusammenhang mit der Innovation.

Auf Stufe 3 ist die Betroffenheit hinsichtlich der Handhabung der konkreten Umsetzung relativ tief. Auf Stufe 4 hingegen zeigen die Lehrpersonen den höchsten Wert, d.h. die Wirkung der NKG auf die Lernenden stellt ein hohes Anliegen dar. Auf Stufe 5 zeigt sich zugleich ein relativ hohes Bedürfnis nach Zusammenarbeit. Weiterentwicklungen oder Verbesserungen der Innovation auf Stufe 6 stehen im Moment weniger im Vordergrund.

3.2 Betroffenheit von Leitungspersonen

Bei der Interpretation dieses Profils (vgl. dazu Abbildung 2) ist zu beachten, dass sich der Fokus der Stufen 1 und 6 stärker auf den Inhalt der Innovation selbst, jener der Stufen 2 bis 5 hingegen auf die Rolle als Change Facilitator bezieht (vgl. Hall / Newlove / George / Rutherford / Hord 1991, S. 40).

Insgesamt lässt sich bei den Leitungspersonen über die Stufen 2 bis 5 ein merklicher Anstieg der Betroffenheit feststellen, d.h. es ergibt sich ein rechtsgipfliges Wellenprofil.

Der relativ tiefe Wert auf Stufe 0 weist darauf hin, dass sich die Leitungspersonen mit der Innovation auseinandersetzen, der ebenso tiefe Wert auf Stufe 1 zeigt, dass kaum weitere Informationen benötigt werden. Der relativ tiefe Wert auf Stufe 2 lässt sich so interpretieren, dass die Leitungspersonen keine großen Bedenken bezüglich ihrer Fähigkeiten zur Umsetzung der Innovation haben. Klar zum Ausdruck kommt aber auf den Stufen 3 bis 5, dass es für die Leitungspersonen ein wichtiges Anliegen ist, die Innovation effizient und erfolgreich umzusetzen, positive Effekte für die Lernenden sicherzustellen und eine verstärkte Kooperation zwischen den Lehrpersonen zu fördern. Im Moment besteht aufgrund der Werte auf Stufe 6 aber kaum ein Bedürfnis nach Verbesserungen oder Alternativen zur NKG.

4.  Diskussion und Schlussfolgerungen

Aufgrund der relativ kleinen Stichprobe und der momentanen Einschränkung der Untersuchung auf die Startphase einer einzigen Innovation (NKG) lassen sich nur Vermutungen oder Arbeitshypothesen aufstellen.

Wir haben aufgrund der Theorie und der empirischen Ergebnisse von Hall und Mitarbeitenden bei den Lehrpersonen in der Startphase einer Innovation eine eher linksgipflige wellenförmige Kurve erwartet, d.h. ein höheres Bedürfnis nach Information und eine größere persönliche Betroffenheit, aber weniger Aufgaben- oder gar Wirkungsorientierung. Eine differenziertere Analyse nach Pilotschulen mit und Schulen ohne Innnovationserfahrung ergibt dazu aber auch keine wesentlichen Unterschiede. Eine Erklärung für die Ergebnisse könnte sein, dass sich die Lehrpersonen im Vorfeld schon intensiv mit der Innovation auseinandergesetzt, Teilprojekte der Innovation schon abgeschlossen und sich auch persönlich damit zurecht gefunden haben, so dass ihnen kurz vor Schulbeginn die Erfüllung der Aufgabe und die Auswirkung der Innovation wichtiger erscheint.

Bei den innovationsfördernden Leitungspersonen entspricht das Ergebnis unseren Erwartungen, da wir annehmen durften, dass diese bereits eine höhere Betroffenheitsstufe erreicht haben, sich nicht mehr für den konkreten Inhalt der Innovation interessieren, sondern im Moment die Umsetzung und Förderung der Innovation als ihre zentrale Aufgabe ansehen.

Bei der Überprüfung der Reliabilität der Instrumente haben sich fürs Erste zufrieden stellende Werte ergeben.

Um aussagekräftigere Resultate zu bekommen, muss der Umfang der Erhebung vergrößert werden. Zudem müssen Innovationsprojekte unterschiedlicher Reichweite und in verschiedenen Stadien der Umsetzung erfasst werden. Schließlich wären Befragungen zu einem späteren Zeitpunkt bei der gleichen Stichprobe sinnvoll, um Entwicklungen aufzeigen zu können.

Um den Nutzen für die Schulleitungen hoch zu halten, wäre es sinnvoll für diese eine Art Handreichungen zur Steuerung und Begleitung von Innovationen auszuarbeiten. Diese würden eine Hilfestellung für die Schulleitungen bieten, mit konkreten Interventionen höhere Stufen der Betroffenheit zu erreichen und somit Innovationen erfolgreicher umsetzen zu können.

Bezogen auf die erreichten Betroffenheitsgrade wären beispielsweise folgende Interventionen sinnvoll (vgl. Tab. 4).

Ein komplexer und vielschichtiger Prozess wie die Innovation fordert die Leitungspersonen nicht nur auf der fachlichen, sondern vor allem auf der zwischenmenschlichen Ebene. Orientiert am Innovationsprozess ließen sich etwa die folgenden kritischen Kommunikationssituationen identifizieren, die zum Teil auf eine Phase oder auf den ganzen Prozess bezogen sind (vgl. Seitz / Capaul 2004, Streich 1997):

1. Problembewusstsein schaffen

Zuerst muss ein Problembewusstsein bzw. ein grundlegendes Verständnis der Notwendigkeit der Innovation geschaffen werden.

2. Teams und Netzwerke aufbauen und pflegen

In der Anfangsphase des Prozesses müssen die notwendigen Teams und (Promotoren-) Netzwerke aufgebaut werden. Damit diese tragende Basis nicht einstürzt, müssen diese Netzwerke und Gruppen gepflegt und geführt werden.

3. Visionen entwerfen und Innovationsziele vereinbaren

In einem konstruktiven Sinne gilt es das Problembewusstsein in einen gemeinsam getragenen Zielvereinbarungsprozess zu überführen. Damit wird eine gemeinsam geteilte Vorstellung über den Lösungszustand als Richtschnur für die Entwicklung und Implementation geschaffen.

4. Über die Innovation laufend informieren

Die Weitergabe von Informationen über den Innovationsprozess ist nicht nur in der Phase der Initiierung, sondern den ganzen Prozess hindurch eine zentrale Aufgabe. Um Commitment und Unterstützung zu erhalten, müssen nicht nur die Betroffenen, sondern alle Beteiligte inklusive der interessierten Öffentlichkeit regelmäßig über den Verlauf der Innovation informiert werden.

5. Lösungsansätze und Vorgehensweisen gemeinsam entwickeln

Die gefundenen Ziele müssen in mögliche Problemlösungen überführt und für die Umsetzung in Teilschritte zerlegt werden. Hier wird deutlich, dass die Vereinbarung von Zielen und die Entwicklung von Lösungen letztlich iterative Prozesse darstellen, die eng verknüpft sind.

6. Den Innovationsprozess verfolgen

Der nun startende Implementationsprozess muss durch das Change Facilitator Team mitverfolgt und durch geeignete, situationsangepasste Interventionen gesteuert werden.

7. Mit Widerständen umgehen

Dem Umgang mit Widerständen und Konflikten kommt bei den Interventionen eine herausragende Bedeutung zu, da diese eine direkte Bedrohung des Innovationserfolgs darstellen.

8. Vertrauen und Sicherheit aufbauen

Da ein Innovationsprozess für alle Beteiligten nicht nur eine hohe Arbeitsbelastung, sondern oft auch Unsicherheit und emotionale Belastungen bedeutet, erscheint vor allem in der letzten Phase der „Wieder-“Aufbau von Vertrauen und Sicherheit als ein zentrales Element.

Für den Erfolg einer Schulinnovation sind also nicht nur das „technische“ Projektmanagement, sondern - wie diese kritischen Ereignisse zeigen - auch die sozial-kommunikativ zu lösenden Probleme entscheidend.

Literatur

Anderson, S. E. (1997): Understanding teacher change: Revisiting the Concerns Based Adoption Model. Curriculum Inquiry, 27 (3), S. 331–367.

Bailey, D. B. / Palsha, S. A. (1992): Qualities of the stages of concern questionnaire and implications for educational innovations. The Journal of Educational Research, 85., S. 226–232.

Berg, R. van den / Sleegers, P., Geijsel, F. / Vandenberghe, R. (2000): Implementation of an Innovation: Meeting the Concerns of Teachers. Studies in Educational Evaluation, 26., S. 331–350.

Berg, R. van den / Vandenberghe, R. (1995): Wegen van betrokkenheid. Reflecties op onderwijsvernieuwing. Tilburg, The Netherlands: Zwijsen.

Capaul, R. (2002): Über die Bedeutung der Schulleitung bei der Gestaltung von Schulinnovationsprozessen. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 98 (1), S. 56–70.

Cheung, D. / Hattie, J. / Ng, D. (2001): Reexamining the stages of concern questionnaire: A test of alternative models. The Journal of Educational Research, 94,
S. 226 – 236.

Hall, G. E. / Newlove, B. W. / George, A. A. / Rutherford, W. L. / Hord, S. M. (1991): Measuring change facilitator Stages of concern: A manual for the use of the CFSoCQ Questionnaire. Greeley , CO : Center for Research on Teaching and Learning, University of Northern Colorado.

Hall, G. / George, A. A. / Rutherford, W. L. (1977, 1998): Measuring stages of concern about the innovation. A manual for use of the SoC Questionnaire. Austin : Southwest Educational Development Laboratory.

Hall, G. E. / Hord, S. M. (2001): Implementing change. Patterns, principles and potholes. Boston : Allyn and Bacon.

Jibaja-Rusth, M. et al. (1991): Measurement characteristics of the stages of concern questionnaire. Paper presented at the annual meeting of the Southwest Educational Research Association, San Antonio , Texas.

Robbins, P. / Alvy, H. B. (2003): The Principal's Companion (2 nd ed.). Thousand Oaks: Corwin.

Seitz, H. (2000a): Die Bedeutung von Leadership für Schulinnovationen. In: Metzger, C. / Seitz, H. / Eberle, F. (Hrsg.): Aktuelle Bildungsfragen. Schriftenreihe für Wirtschaftspädagogik, Bd. 25, Zürich, S. 285–303.

Seitz, H. (2000b): Führung, Management und Qualitätssicherung für berufliche Schulen. Konzepte und Erfahrungen zur Reform der kaufmännischen Berufsbildung, zur Schulführung und zum Qualitätsmanagement in der Schweiz. In: Rüden, C. von (Hrsg.): Berufsschule zwischen Reform und Restauration. Schulentwicklungsprozesse in berufsbildenden Schulen, Neuwied, S. 186–212.

Seitz, H. / Capaul, R. (2004): Leadership-/ Führungssituationen: Innovationen begleiten. St. Gallen: Manuskript zur Veröffentlichung unterbreitet.

Seitz H. / Capaul, R. (2000): Gestaltung von Schulinnovationsprozessen. In: Buchen, H. / Horster, L. / Rolff, H. G. (Hrsg.): Schulleitung und Schulentwicklung. Erfahrungen – Konzepte – Strategien , Berlin , Reg. B 2.11, S. 1–19.

Shotsberger, P. G. / Crawford, A. R. (1996): An analysis of the validity and reliability of the concerns based adoption model for teacher concerns in education reform. Paper presented at the annual meeting of the American Educational Research Association, New York .

Streich, R. K. (1997): Veränderungsprozessmanagement. In: Riss, M. / Rosenstiel, L. von / Lang, A. (Hrsg.): Change Management. Programme, Projekte und Prozesse,
Stuttgart, S. 237–254.

 

 

Zuletzt verändert: 21.04.2005 2:45 PM
 


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