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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

Kurzvorträge
Herausgeberin: Margit Ebbinghaus


Titel:
Facettenvielfalt der Übergänge in der beruflichen Bildung


Übergang Schule-Hochschule – Herausforderungen für das berufliche Schulwesen

Beitrag von Peter SLEPCEVIC-ZACH & Thomas KÖPPEL (Karl-Franzens-Universität Graz)

Abstract

Die berufliche Bildung in Österreich hat im stark differenzierten Sekundarbereich II einen sehr großen Stellenwert. Besonders Schulen mit wirtschaftlichen Ausrichtungen und Schwerpunkten stellen hier einen großen Block in der Schullandschaft dar. Bei der Diskussion um berufliche Qualifikation und Studierfähigkeit stellt sich die Frage, ob AbsolventInnen derartiger Schulen Vorteile oder Nachteile im Studium der Betriebswirtschaftslehre haben. Im vorliegenden Artikel wird eine Studie präsentiert, die sich aus universitärer Sichtweise mit eben diesem Problem auseinandersetzt. Zu diesem Zweck werden Prüfungsleistungen in Lehrveranstaltungen an der Karl-Franzens-Universität Graz als Maß für Studienerfolg herangezogen und Vergleiche zwischen Studierendengruppen unterschiedlicher Zulassung zum Universitätsstudium gemacht. Als Ergebnis zeigt sich, dass die Zulassung zum Studium keinerlei systematischen Einflüsse auf die Prüfungsleistungen hat. Im Hinblick auf die berufliche Bildung ist das ein erfreuliches Ergebnis, da analog zu AbsolventInnen von allgemeinbildenden höheren Schulen eine allgemeine Studierfähigkeit gegeben ist.

 1 Einleitung und Problemstellung

In Österreich besteht prinzipiell freier Hochschulzugang, d.h. alle SchülerInnen, die eine Reifeprüfung (Matura) ablegen, können alle Studien (in Einzelfällen gibt es Zulassungsprüfungen) wählen. Dadurch ist eine differenzierte Betrachtungsweise der Vorbildung der Studierenden möglich und sinnvoll. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern kommen in Österreich mehr als die Hälfte der Abschlüsse der maturaführenden Schulen aus dem Bereich der Berufsbildung. Für den Bereich der kaufmännischen Bildung stellt das Studium der Betriebswirtschaft eine gute Fortführung der schulischen Inhalte dar. Hier stellt sich nun die Frage, ob es Unterschiede zwischen Studierenden aus einer allgemeinbildenden Schule und solchen aus dem Bereich der Berufsbildung hinsichtlich ihrer Performanz in einem wirtschaftswissenschaftlichen Studium gibt. Als Ausgangspunkt wurde in dieser Untersuchung das Bachelorstudium der Betriebswirtschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz gewählt und mehr als 5.000 Studierende hinsichtlich ihrer Studienleistungen verglichen.

In einem ersten Schritt wird dafür das berufliche Schulwesen und der Hochschulzugang in Österreich skizziert. Anschließend erfolgt eine Thematisierung des Begriffes Studienerfolg, da hier mehrere Zugänge bestehen, welche sehr unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen. Nach diesen Vorüberlegungen erfolgt die Darstellung des Studiendesigns und der Stichprobe inklusive den aufgestellten Hypothesen. Die Ergebnisse werden abschließend dargestellt, wobei hier auch die Restriktionen, denen diese Studie unterliegt, aufgezeigt werden.

2 Berufliches Schulwesen und Hochschulzugang in Österreich

Die berufliche Bildung in Österreich hat im Sekundarbereich II, ähnlich wie in Deutschland, einen sehr hohen Stellenwert (vgl. AFF 2006, 125ff) und stellt sich als eines der differenziertesten Bildungssysteme im berufsbildenden Bereich in Europa dar, wobei aber die vollzeitschulischen Varianten in Österreich eine wesentlich höhere Bedeutung als in Deutschland spielen (vgl. SLEPCEVIC/ STOCK 2009). Wie in Abbildung 1 ersichtlich, wählen circa 80% der Jugendlichen im Sekundarbereich eine Ausbildungsschiene aus der beruflichen Bildung. Lediglich 20% entscheiden sich für die Oberstufe einer allgemeinbildenden höheren Schule (AHS). Im Bereich der beruflichen Bildung stellen die berufsbildenden höheren Schulen (BHS) knapp die größte Gruppe (gemessen an der Anzahl der SchülerInnen) dar. Wichtig ist ebenfalls, dass 56% der SchülerInnen, die einen Abschluss mit Reifeprüfung erreichen und damit die Berechtigung ein Studium zu beginnen, ebenfalls aus dem Bereich der Berufsbildung kommen.

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Abb. 1:   Österreichische Bildungsarchitektur, eigene Darstellung (vgl. zu den Zahlen STATISTIK AUSTRIA 2011 und SCHNEEBERGER/ NOWAK 2008)

Für diesen Beitrag sind die berufsbildenden höheren Schulen von großem Interesse. Im Vergleich zu den allgemeinbildenden Schulen haben die BHS einen umfassenderen Bildungsauftrag: Sie fördern einerseits den Erwerb von höherer allgemeiner Bildung, führen darüber hinaus jedoch auch die SchülerInnen zu qualifizierten Berufsabschlüssen. Am Ende ihrer Ausbildung sollen die SchülerInnen dieser Schulform sowohl über Kompetenzen verfügen, die sie für ein Studium benötigen, als auch jenes Handlungsrepertoire erworben haben, das sie „befähigt, die zunehmende Komplexität der beruflichen Umwelt […] durch ziel- und selbstbewusstes, flexibles und verantwortungsvolles Handeln zu gestalten“ (REETZ/ HEWLETT 2008, 23).

Im Bereich der BHS finden sich mehrere Schultypen, die grob in technische und wirtschaftliche Schulformen unterschieden werden können. Die Aufteilung der SchülerInnen findet sich in der Abbildung 2.

Abb. 2:   Berufsbildende höhere Schulen in Österreich, eigene Darstellung (vgl. zu den Zahlen STATISTIK AUSTRIA 2011)

Diese hier dargestellten Schultypen bieten jeweils unterschiedliche Fachrichtungen bzw. Ausbildungszweige an (z.B. allein 17 Fachrichtungen in den HTL; vgl. BM:UKK 2011).

Die berufsbildenden höheren Schulen ermöglichen somit den SchülerInnen in Österreich jedes Studium zu beginnen. In Österreich herrscht ein prinzipiell offener Hochschulzugang (auch wenn sich in einigen Fächern Zulassungsbegrenzungen finden), wobei zwar ein Studienbeitragsmodell vorhanden ist, die meisten Studierenden aber davon befreit sind. Teichler bezeichnet den Hochschulzugang bzw. -zulassung in Österreich als „undramatische Übergangssituation für die Bildungselite“ (TEICHLER 2007, 204f), insofern als die tatsächliche Selektion bereits beim Eintritt in die Sekundarstufe I stattfindet. D.h. AbsolventInnen von maturaführenden Schulen stehen grundsätzlich alle Studien offen, obwohl ihre Schulen unterschiedlichste Schwerpunkte aufweisen.

3 Dimensionen und Definition des Studienerfolgs

Eine allgemein gültige wissenschaftliche Definition für Studienerfolg konnte sich bis jetzt nicht durchsetzen (vgl. KONEGEN-GRENIER 2002), wobei dies an den Anspruchsgruppen (beispielsweise Universität, Studierende, Arbeitswelt oder Gesellschaft) liegt, welche jeweils andere Werte und Normen anlegen und damit unterschiedliche Sichtweisen entstehen. Es lassen sich aber zumindest drei mögliche Kriterien für den Studienerfolg erkennen: Prüfungsleistung, Studienabschluss und subjektive Studienzufriedenheit der Studierenden.

Prüfungsleistungen werden sehr oft als Kriterium für den Studienerfolg herangezogen (vgl. RINDERMANN/ OUBAID 1999), und reflektieren die Einschätzung der Universität, wie sehr die Studierenden die im Studium vermittelten Inhalte beherrschen, wodurch dieses Kriterium sehr attraktiv wird. Problematisch ist dabei die Frage, wie mit denjenigen Studierenden umgegangen wird, die das Studium abbrechen oder wechseln. Als Hauptkritikpunkt kann der Umstand angeführt werden, dass der Studienerfolg von der Organisation, die diesen Erfolg sicherstellen soll, selbst gemessen wird.

Den Studienabschluss zu erlangen ist eines der grundlegendsten und wahrscheinlich auch objektivsten Kriterien für den Studienerfolg (vgl. DLUGOSCH 2005). Argumentiert wird damit, dass Studierende, die ihr Studium abbrechen, nicht so erfolgreich bei der Arbeitssuche sind, wie Personen mit einem abgeschlossenem Studium (vgl. LEWIN 1999). Kritisch muss hier aber aufgezeigt werden, dass ein Studienabbruch nicht bedeutet, nicht erfolgreich zu sein bzw. sogar die Entscheidung für einen solchen Abbruch für die einzelne Person einen Erfolg darstellen kann. Ebenfalls kann ein Studienabschluss für Einzelne kein Erfolg sein, wenn diese beispielsweise in ihrem Berufsleben diese Qualifikationen nicht benötigen (vgl. RUMMEL et al. 1999).

Die Betrachtung der einzelnen Studierenden führt zum letzten Kriterium, der subjektiven Studienzufriedenheit als Maß für den Erfolg. Hier ist vor allem die Datenerhebung sehr schwierig, da dieses Kriterium von jeder Person anders definiert wird und natürlich noch viele weitere Einflussfaktoren (KollegInnen, Unterstützungsleistungen durch die Eltern, etc.) hinzu kommen.

Bei der Arbeit mit dem Konstrukt Studienerfolg darf nicht unerwähnt bleiben, dass dieser von sehr vielen Faktoren beeinflusst wird. Eine von ROBBINS et al. (2004) durchgeführte Meta-Studie gibt einen guten Überblick über diese Einflüsse. Studienerfolg wird dabei über die Kriterien Performance (Durchschnittsnote, Grade Point Average) und Verbleib im Studium (Anzahl der studierten Semester) definiert. Einige der Ergebnisse dieser Studie finden sich in der nachfolgenden Tabelle wieder, dabei wird immer die geschätzte Korrelation (r) angegeben.

Tabelle 1: Einflüsse auf den Studienerfolg

Einflussfaktoren

Verbleib

Performance

Leistungsmotivation

0.07

0.30

Studienziele

0.34

0.18

Akademische Selbstwirksamkeitserwartungen

0.36

0.50

Finanzielle Unterstützung

0.19

0.20

Sozioökonomischer Status

0.23

0.16

Schulnoten

0.25

0.45

Quelle: eigene Darstellung

Für den Verbleib im Studium sind Studienziele und eine akademische Selbstwirksamkeitserwartung die Faktoren mit dem größten Einfluss auf den Studienerfolg. Bei der Performanz sind es die Schulnoten und ebenfalls die akademische Selbstwirksamkeitserwartung.

Generell zeigt sich sowohl in dieser als auch in anderen Studien, dass länger anhaltende persönliche Eigenschaften oder Charakterzüge (Neugier, Fleiß, Ausdauer, Sorgfalt etc.) für den Studienerfolg wichtiger sind, als besonders hohe Intelligenz (vgl. KAZEMZADEH/ SCHAEPER 1984). Die soziale Herkunft scheint selektiv nur bis zum Erreichen des Hochschulzuganges zu wirken, danach finden sich nur begrenzte Differenzen im Studienerfolg und im weiteren Berufsweg (vgl. TEICHLER/ BUTTGEREIT 1992).

Für die hier vorgestellte Studie wurde die Prüfungsleistung als Kriterium für den Studienerfolg herangezogen, da für potenzielle ArbeitgeberInnen in erster Linie dieses Kriterium beobachtbar ist. Ferner wird davon ausgegangen, dass die Lehrenden die Studierenden in den betrachteten Fächern hinreichend gut bewerten können, sodass die Endnoten als valides Kriterium herangezogen werden können.

4 Studiendesign und Stichprobe

Im folgenden Abschnitt wird das Design der vorliegenden Studie zum Studienerfolg von Studierenden unterschiedlicher Zulassungen an der Karl-Franzens-Universität Graz beschrieben.

4.1 Zielsetzungen von Notenstudien

Grundsätzlich sind zwei Zielrichtungen von Untersuchungen zum Studienerfolg denkbar. Die Individuen-zentrierte Vorgehensweise fokussiert potenzielle Prädiktoren des Studienerfolgs und „erklärt“ diesen. Typische Beispiele für derartige Prädiktoren sind, wie in Abschnitt drei angerissen, ökonomische, psychologische oder soziologische (z.B. Herkunft, soziale Schicht) Faktoren. Andere Studien fokussieren auf Prädiktoren, die im Bereich des individuellen Lernens liegen, wie etwa die aufgewandte Lern- respektive Prüfungsvorbereitungszeit oder bereits vorhandenes Vorwissen. Eine alternative Herangehensweise zu Individuen-zentrierten Studien liefern Institutionen-zentrierte Studien. Hier werden weniger individuelle Prädiktoren in ein erklärendes Modell aufgenommen, sondern vielmehr die „zuliefernde“ Institution zum universitären Betrieb als wesentlicher, bestimmender Faktor angesehen. Die wesentliche Frage, die durch solche Untersuchungen beantwortet werden kann, ist, ob systematische Unterschiede zwischen den verschiedenen Schulen, die die (allgemeine) Zulassung zum Universitätsstudium ermöglichen, vorhanden sind. Durch Vergleich der erhobenen Prüfungsleistungen können systematische Über- oder Minderleistungen von bestimmten Zulassungen ermittelt werden. Sollten bei bestimmten Zulassungen systematisch schlechtere Ergebnisse festgestellt werden, müsste hier weiter geforscht werden, ob es sich tatsächlich um Verzerrungen aufgrund der „zuliefernden“ Schule oder wiederum um Verzerrungen aufgrund individueller Faktoren handelt. Aus diesen einleitenden Überlegungen werden im Folgenden die Hypothesen der Studie entwickelt. Da die Untersuchung aus der Perspektive einer Universität durchgeführt wurde, spielen individuelle Charakteristika der betrachteten Studierenden eine untergeordnete Rolle. Vielmehr würden systematische Unterschiede der Leistungen zwischen den zugelassenen Studierendengruppen wesentlichen Handlungsbedarf für die Universität bzw. die Schnittstelle Universität-Schule aufzeigen.

4.2 Hypothesen

Wird das österreichische Bildungssystem im Kontext des Studiums der Betriebswirtschaft (bzw. auch der weiteren wirtschaftlich geprägten Studien) betrachtet, so fällt auf, dass in Handelsakademien und humanwirtschaftlichen Schulen ein beträchtlicher Teil der Wochenstunden auf typische wirtschaftswissenschaftliche Fächer wie Betriebswirtschaft, Rechnungswesen und Volkswirtschaft fällt. Im Vergleich zu SchülerInnen der AHS und HTL sollte dies den AbsolventInnen der HAK oder HUM einen wesentlichen Startvorteil bei wirtschaftswissenschaftlichen Studien verleihen. Andererseits existieren in den meisten wirtschaftswissenschaftlichen Studien einige Fächer zur Mathematik und Statistik. In jenen Bereichen verfügen die Lehrpläne der HAK und der HUM über ein weniger stark ausgeprägtes Wochenstundenkontingent, sodass in den mathematischen bzw. statistischen Fächern eher AbsolventInnen der AHS und HTL im Vorteil sein sollten: in den unterschiedlichen Formen der AHS finden sich immer mindestens 11 Wochenstunden aus Mathematik und Statistik (vgl. LEHRPLÄNE AHS 2011); in der HTL finden sich je nach Fachrichtung 10 bis 12 (künstlerisch geprägt), 12 bis 14 (naturwissenschaftlich geprägt) und 14 bis 16 (technisch geprägt) Wochenstunden aus diesem Bereich wieder (vgl. LEHRPLÄNE HTL 2011). Aus Sicht einer Universität stellt sich nun folgende Frage: Sofern es systematische Leistungsunterschiede zwischen den Schulen wirtschaftlicher und nicht wirtschaftlicher Prägung gibt, ist es notwendig eigene Förderlehrveranstaltungen anzubieten, um die Studierenden ohne wirtschaftlichen Hintergrund in der Schule auf ein ähnliches Kenntnissniveau zu bringen? Hieraus lassen sich folgende zwei Hypothesen ableiten:

  1. AbsolventInnen wirtschaftlicher Schulen (HAK, HUM) weisen systematisch bessere Noten in Betriebswirtschaft und Rechnungswesen auf.
  2. AbsolventInnen nicht wirtschaftlich geprägter Schulen (AHS, HTL) weisen systematisch bessere Noten in Mathematik und Statistik auf.

Als zweitgrößte Universität Österreichs mit über 30.000 Studierenden bietet die Karl-Franzens-Universität Graz als Untersuchungsort sehr gute Bedingungen für eine Studie dieser Art. Im Folgenden soll daher die verwendete Stichprobe charakterisiert werden.

4.3 Stichprobe

Als Untersuchungseinheiten dienen sämtliche Studierende, die an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (SOWI) der Karl-Franzens-Universität Graz[1] im Zeitraum vom Wintersemester 2002/2003 bis zum Sommersemester 2009/2010 für ein Studium gemeldet waren. In Tabelle 2 kann ersehen werden, dass von den betrachteten 5.382 Studierenden etwa 50% eine AHS (Gymnasium oder Realgymnasium) besuchten, was im Vergleich zur Gesamtzahl der Reifeprüfungen etwas höher ausfällt, aber sich auf die mangelnde Berufsausbildung (wie sie in den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen zu finden ist) zurückführen lässt und die Notwendigkeit eines weiterführenden Studiums widerspiegelt. HAK und HUM sind etwa gemäß ihres Anteiles an den Gesamtreifeprüfungen vertreten, AbsolventInnen der  HTL sind unterrepräsentiert.

Tabelle 2: Zulassungskategorien im Studium Betriebswirtschaft

 

Absolut

Relativ

Zulassung

5.382

100 %

Gymnasium

1.742

32,37

Handelsakademie

1.507

28,00

Realgymnasium

1010

18,77

Höhere technische Lehranstalt

391

7,26

Humanwirtschaftliche Schulen

327

6,08

Ausländische Reifeprüfung

315

5,85

Andere

51

0,95

Studienberechtigungsprüfung

39

0,72

Quelle: eigene Darstellung

Die untersten drei Zulassungscluster werden aus der Beschreibung der Ergebnisse ausgeschlossen, da es sich entweder um „exotische“ andere Zulassungen, Studierende ohne Zulassungen oder um Studierende, deren Zulassung zum Universitätsstudium nicht in Österreich erfolgte, handelt. In jedem Fall können durch Analyse dieser Studierendengruppen keinerlei Aussagen hinsichtlich der oben genannten Hypothesen gemacht werden.

Als abhängige Variable „Leistung“ wurden die letztgültigen Noten der Studierenden zu mehreren Clustern zusammengefügt, wobei die Gewichtung einzelner Lehrveranstaltungen innerhalb der Cluster gemäß deren ECTS durchgeführt wurde. Tabelle 3 gibt einen Überblick über die hierbei erstellten Cluster.

Tabelle 3: Lehrveranstaltungscluster

Cluster

Beschreibung

Inhalt

Semester

Einführung in die Betriebswirtschaft

Einführungsvorlesung in die Betriebswirtschaftslehre

Grundlagenstoff für den die HAK und HUM basisbildend wirken sollten

1.

Mathematik/Statistik

Vorlesungen und Übungen der Mathematik und Statistik

Grundlegende Inhalte der Wirtschaftsmathematik und -statistik

1.–2.

Buchhaltung/Bilanzierung/Kostenrechnung

Vorlesungen und Übungen aus dem Rechnungswesen

Grundlagenstoff für den die HAK und HUM basisbildend wirken sollten

1.–2.

Volkswirtschaftslehre

Einführungsvorlesung zur VWL, Mikro- und Makroökonomik

Grundlagenstoff der Volkswirtschaftslehre

1.–3.

Betriebswirtschaft

Vertiefende Grundlagenfächer

Umfangreicher Fächerkanon mit vertiefenden Fächern zu einer breiten Palette an Speziellen Teilgebieten der BWL

3.–6.

Rechnungswesen

Vertiefende Grundlagenfächer

Vertiefende Fächer im Rechnungswesen, die stark auf die Einführungs-lehrveranstaltungen aufbauen

3.–6.

Quelle: eigene Darstellung


Die in den Tabellen 2 und 3 charakterisierten Studierendengruppen und Lehrveranstaltungscluster stellen einen Überblick über die SOWI an der Karl-Franzens-Universität Graz dar, da in den Studienjahren 2002/2003 bis 2009/2010 ein durchgängiger Studienplan für die obigen Lehrveranstaltungen herrschte, sowie der Zeitraum der Untersuchung (5 Jahre) einen kompletten Umschlag der Studierenden impliziert.

Von besonderem Interesse sind selbstverständlich die Noten der Lehrveranstaltungen in den Fächern Betriebswirtschaft und Rechnungswesen sowie Mathematik und Statistik. Diese Cluster werden im nächsten Abschnitt miteinander verglichen.

5 Ergebnisse

Zur Darstellung der Ergebnisse werden eingangs die Lagemaße der Lehrveranstaltungscluster und die Notenverteilung in der gesamten Stichprobe dargestellt. Anschließend erfolgt eine genauere Analyse der Ergebnisse für die Bereiche Rechnungswesen und Betriebswirtschaft bzw. Mathematik und Statistik. Als Testverfahren wurden der Kruskal-Wallis Test und der Mann-Whitney-U Test verwendet, welche beide auf Verteilungsgleichheit testen.

5.1 Lagemaße

Als erster Schritt zur Beantwortung der beiden aufgestellten Hypothesen werden in Tabelle 4 die Lagemaße – also die Mittelwerte und Mediane[2] – der Verteilungen aller Cluster und Zulassungen betrachtet.

Tabelle 4: Lagemaße der Cluster

Cluster

Notenmittelwert (Notenmedian)

Gymnasium

HAK

Realgymnasium

HTL

HUM

Gesamtergebnis

3,29 (3)

3,19 (3)

3,2 (3)

3,18 (3)

3,23 (3)

Einführung in die Betriebswirtschaft

3,55 (4)

3,62 (4)

3,61 (4)

3,79 (4)

3,48 (3,5)

Mathematik/Statistik

3,53 (4)

3,46 (4)

3,42 (4)

3,45 (4)

3,51 (4)

Buchhaltung/Bilanzierung/Kostenrechnung

3,47 (4)

3,46 (4)

3,49 (4)

3,54 (4)

3,62 (4)

Volkswirtschaftslehre

3,31 (3)

3,24 (3)

3,24 (3)

3,15 (3)

3,24 (3)

Betriebswirtschaft

2,92 (3)

2,8 (3)

2,83 (3)

2,81 (3)

2,83 (3)

Rechnungswesen

3,3 (3)

3,22 (3)

3,31 (3)

3,29 (3)

3,37 (4)

Quelle: eigene Darstellung


Aus Tabelle 4 kann abgelesen werden, dass die Noten der Studierenden zwischen den unterschiedlichen Clustern durchaus variieren. Beispielsweise sind die Noten in Mathematik und Statistik schlechter als im Cluster Betriebswirtschaft. Dies lässt sich mit der von Studierenden oftmals empfundenen Scheu vor mathematischen Fächern erklären, welche Auswirkungen auf die Noten haben könnte. Andere Größenunterschiede zwischen den Clustern sind weniger stark ausgeprägt, deuten jedoch auf unterschiedliche Schwierigkeitsgrade der Lehrveranstaltungen in den Clustern hin. Die Unterschiede, die für die vorliegende Studie von Interesse sind, liegen jedoch in den Notenlagen innerhalb eines Clusters und somit zwischen den Zulassungen. Hier lässt sich zwar sagen, dass die Notenverteilung der HUM im Cluster Einführung in die Betriebswirtschaft einen besseren Mittelwert und Median aufweist, jedoch im Cluster Rechnungswesen beide Maße schlechter sind als die der anderen Zulassungen. Die Unterschiede sind jedenfalls nicht statistisch signifikant.

Die Mittelwertvergleiche zwischen als auch innerhalb der Cluster zeigt auf, dass bei den Lagemaßen kaum Unterschiede vorhanden sind, was gegen die eingangs aufgestellten Hypothesen spricht. Zur tiefergehenden Beantwortung der Fragen müssen jedoch die Notenverteilungen und nicht lediglich deren Lagemaße untersucht werden.

5.2 Notenverteilung der gesamten Stichprobe

Die ersten vier zentralen Momente der Notenverteilungen für alle Lehrveranstaltungscluster sind in Abbildung 3 dargestellt, dabei wurde eine Gesamtnote über alle berücksichtigten Lehrveranstaltungen gebildet.

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Abb. 3:   Notenverteilung der gesamten Stichprobe, eigene Darstellung

Wiederum sind keine signifikanten Unterschiede zwischen den Zulassungskategorien feststellbar. Die Vermutung, dass eventuelle Vorteile im Rechnungswesen durch Nachteile in den mathematischen Fächern kompensiert werden, besteht jedoch weiterhin.

5.3 Notenverteilung für Rechnungswesen und Betriebswirtschaft

Im Cluster Rechnungswesen können die Verteilungen der Einführungslehrveranstaltungen (Abbildung 4) sowie der weiterführenden Grundlagenlehrveranstaltungen (Abbildung 5) miteinander verglichen werden. Für die betriebswirtschaftlichen Lehrveranstaltungen sind die Verteilungen in den Abbildungen 6 und 7 ersichtlich.

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Abb. 4:   Notenverteilung der Einführungsvorlesung Rechnungswesen, eigene Darstellung


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Abb. 5:   Notenverteilung der Grundlagenlehrveranstaltungen Rechnungswesen, eigene Darstellung

Die Vermutung, dass es keine Unterschiede innerhalb der Lehrveranstaltungscluster gibt, die bereits durch den simplen Lagevergleich entstand, kann durch die vertiefende Analyse bestätigt werden. Es können keine signifikanten Unterschiede in den Noten zwischen den Zulassungen festgestellt werden.

Eine weitere Vermutung erwächst jedoch durch die Betrachtung dieser Ergebnisse. Möglicherweise sind Studierende mit dem Hintergrund einer wirtschaftlichen Schule, aufgrund der relativen Nähe des Stoffes der Einführungslehrveranstaltung Rechnungswesen zu den gelehrten Inhalten in diesen Schulen, weniger motiviert und/oder bereiten sich weniger gewissenhaft, als Studierende ohne einen derartigen Hintergrund, auf die Prüfungen vor. Leider kann dies anhand dieser Studie nicht vollständig entkräftet werden. In Verbindung mit den Ergebnissen des Clusters Grundlagen Rechnungswesen lässt sich erneut feststellen, dass es keine signifikanten oder systematischen Unterschiede in den Notenverteilungen der Studierenden unterschiedlicher Zulassungen gibt. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass die Studierenden in den einführenden Lehrveranstaltungen zum Rechnungswesen ohne HAK/ HUM Hintergrund in ebendiesen Veranstaltungen ihren Anfangsnachteil aufholen und in Summe betrachtet die selben Voraussetzungen und Vorkenntnisse aufweisen.

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Abb. 6:   Notenverteilung der Einführungsvorlesung Betriebswirtschaft, eigene Darstellung


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Abb. 7:   Notenverteilung der Grundlagenlehrveranstaltungen Betriebswirtschaft, eigene Darstellung

Analog zu den Ergebnissen des Rechnungswesens können auch bei den betriebswirtschaftlichen Lehrveranstaltungen keinerlei signifikanten oder systematischen Unterschiede zwischen den Zulassungen festgestellt werden. Sowohl in Rechnungswesen als auch in der Betriebswirtschaft ist es also nicht der Fall, dass Studierenden der HAK oder HUM notenbezogene Vorteile aus ihren Vorkenntnissen aus der jeweiligen Schule erwachsen. Insofern kann die Hypothese 1 abgelehnt werden.

5.4 Notenverteilung für Mathematik und Statistik

In Abbildung 8 werden die Ergebnisse der mathematischen bzw. statistischen Grundlagenlehrveranstaltungen dargestellt. So wie es keinerlei signifikanten Unterschiede im Rechnungswesen und in der Betriebswirtschaft gibt, gibt es auch hier keine signifikanten Unterschiede.

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Abb. 8:   Notenverteilung der Grundlagenlehrveranstaltungen Mathematik und Statistik, eigene Darstellung

Wie Hypothese 1 muss auch die zweite Hypothese, die besagt, dass AbsolventInnen nicht wirtschaftlich geprägter Schulen Vorteile in Mathematik und Statistik haben, abgelehnt werden.[3]

6 Interpretation und Zusammenfassung

In dieser Studie liegt der Fokus auf der Erfassung aller Studierenden im Bachelorstudium Betriebswirtschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz in einem längeren Zeitraum. Aufgrund der Datenlage war es nicht möglich, stärker in Detailfragen zu gehen, da beispielsweise Daten über die genauen Punkteverteilungen oder wie lange für eine spezielle Prüfung gelernt wurde, natürlich nicht im Datenbestand der Karl-Franzens-Universität Graz zu finden sind. Es konnte aber ein sehr guter Überblick über die Gesamtheit der Studierenden in diesem Studium erlang werden und auch wenn es sicherlich individuell sehr große Unterschiede gibt, kann festgehalten werden, dass die Prüfungsleistungen der Studierenden nicht von der von ihnen gewählten Schulform, die sie zur Aufnahme eines Universitätsstudiums berechtigen, abhängt. Dieses Ergebnis ist für die berufsbildenden höheren Schulen in Österreich sehr positiv zu werten, da diese in der Lage sind, ihre AbsolventInnen gut für ein Studium, zumindest für das Bachelorstudium der Betriebswirtschaft in Graz, vorzubereiten. Der Umkehrschluss, dass die Inhalte der maturaführenden Schulen keinerlei Vorteile für ein Studium bringen, ist nicht haltbar, da die Studierenden, welche über die Studienberechtigungsprüfung an die Universität kamen, signifikant schlechter abschnitten als die fünf betrachteten Zulassungen (diese Resultate werden in diesem Artikel nicht dargestellt). Es darf an dieser Stelle vermutet werden, dass sich diese Ergebnisse auf andere wirtschaftswissenschaftliche Studien an anderen Standorten übertragen lassen. Wie bereits angesprochen, konnten in dieser Studie keine weiteren Kriterien, wie beispielsweise die aufgewendete Lernzeit, die Motivation der Studierenden für diese Prüfung zu lernen oder die generelle Intelligenz, abgefragt werden.

Literatur

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DLUGOSCH, S. (2005): Prognose von Studienerfolg. Aachen.

KAZEMZADEH, F./ SCHAEPER, H. (1984): Wer findet sich im Studium zurecht? Ergebnisse einer Untersuchung von Studenten in der Eingangsphase des Studiums. Hochschulplanung Band 52. Hochschul-Informations-System. Hannover.

KONEGEN-GRENIER, C. (2002): Studierfähigkeit und Hochschulzugang. Köln.

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RINDERMANN, H./ OUBAID, V. (1999): Auswahl von Studienanfängern durch Universitäten. In: Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 20, 172-191.

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SCHNEEBERGER, A./ NOWAK, S. (2008): Lehrlingsausbildung im Überblick. ibw-Schriftenreihe Nr. 142, Online: http://www.ibw.at/html/fb/fb142.pdf  (29-04-2011).

SLEPCEVIC, P./ STOCK, M. 2009: Selbstverständnis der Wirtschaftspädagogik in Österreich und dessen Auswirkungen auf die Studienplanentwicklung am Standort Graz. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online. Ausgabe 16. Online: http://www.bwpat.de/content/ausgabe/16/slepcevic-stock/  (22-04-2011).

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[1]  Dank der Unterstützung der Karl-Franzens-Universität Graz war es auch möglich an alle diese Daten zu gelangen und um so einen Überblick über die Situation im Studium der Betriebswirtschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz zu erlangen.

[2]  Grundsätzlich unterliegen Noten einer ordinalen Skalierung, weswegen Mittelwertberechnungen nicht erlaubt sind. In dieser Studie wird Studienerfolg jedoch rein an den Noten gemessen, d.h. es ist nicht relevant ob ein Nicht Genügend (5) knapp am Genügend (4) liegt oder nicht.

[3]  Bei allen Prüfungen auf Verteilungsheterogenität zeigten die paarweisen Mann-Whitney-U Tests minimal einen p-Wert von 0,18, die Nullhypothese der Verteilungsgleichheit konnte daher nicht abgelehnt werden. Analog dazu zeigte der Kruskal-Wallis Test einen p-Wert von 0,75. Auch hier kann daher von keinen unterschiedlichen Verteilungen gesprochen werden.


Zitieren dieses Beitrages

SLEPCEVIC-ZACH, P./ KÖPPEL, T. (2011): Übergang Schule-Hochschule – Herausforderungen für das berufliche Schulwesen. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Kurzvorträge, hrsg. v. EBBINGHAUS, M., 1-15. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/kv/slepcevic-zach_koeppel_kv-ht2011.pdf (26-09-2011).



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