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bwp@ Profil 5 - Mai 2017
Entwicklung, Evaluation und Qualitätsmanagement von beruflichem Lehren und Lernen
Profil 5: Digitale Festschrift für HERMANN G. EBNER
Hrsg.:
, , &Anforderungen an die pädagogische Professionalität des ausbildenden Personals
Die Untersuchung stellt den Versuch dar, ein aktuelles Anforderungsprofil eines Ausbilders zu zeichnen, ausgehend von den Anforderungen, die als nicht ausbildungsreif deklarierte Jugendliche an Ausbilder stellen. Der demografischen Entwicklung folgend, soll auf diese Weise ein Ansatz entwickelt werden, das einseitige Konstrukt der Ausbildungsreife aufzubrechen und einen lösungsorientierten Ansatz zur Bewältigung der fehlenden Eignung Auszubildender zu finden. In einer dazu durchgeführten Interview-Erhebung wurden Ausbilder und Personalverantwortliche aus Betrieben befragt, die Jugendliche erfolgreich ausbilden, insbesondere aus Branchen, in denen sich die Suche nach geeigneten Auszubildenden schwierig gestaltet. Um zu erschließen, was sie zu dieser Arbeit befähigt und was sie motiviert, wurden die Interviews inhaltsanalytisch ausgewertet und induktiv in ein Kategoriensystem übertragen. Das Ergebnis ist ein Anforderungs-, Fähigkeits- und Motivationsprofil eines/r Ausbilders/in in 17 Kategorien der Befähigung und vier Kategorien der Motivation, das die Anforderungen, die sich den befragten Ausbilder/innen stellen, widerspiegelt. Ausbilder in „ausbildungsreifen Betrieben“ sind internal motiviert, engagiert, empathisch und dabei emotional stabil. Sie partizipieren eng an der Rekrutierung der Auszubildenden, sind professionelle Kommunikationsgestalter, indem sie alle involvierten Personen aus Betrieb, Schule und Elternhaus des Auszubildenden integrieren. Zudem sind sie geschickte Methodiker, die über wirksame Ansätze verfügen, den Jugendlichen fachliche Dinge verständlich zu machen und Grundlagendefizite aufzuarbeiten. Sie akzeptieren die Individualität der Auszubildenden und übernehmen bewusst Betreuungsfunktionen.
1 Ausgangspunkt
Vor etwa 10 Jahren prognostizierte das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), dass unter Berücksichtigung des demografischen Wandels und einer damit veränderten Situation am Ausbildungsmarkt (mehr Ausbildungsstellen als Bewerber) im Jahr 2015 nicht mehr über die Anforderungen der Betriebe an Auszubildende, sondern über die Anforderungen der Auszubildenden an die Betriebe diskutiert würde (vgl. Eberhard 2006, 16). Wie schon durch die DIHK Ausbildungsumfrage 2015 bestätigt, hat sich die Prognose hinsichtlich der wachsenden Zahl unbesetzter Ausbildungsstellen bewahrheitet (vgl. DIHK 2015, 7). Eine direkte Folge dieser Entwicklung besteht in einer verstärkten Ausschöpfung der Bewerbungen für Berufsausbildungen. Dabei verstärken die Betriebe seit Jahren das Ausbildungsmarketing – vor allem zur Gewinnung leistungsstarker Auszubildender – führen Unterstützungsangebote (in der Regel in Form von Nachhilfeunterricht) für leistungsschwächere Jugendliche ein oder weiten bestehende aus (vgl. DIHK 2015, 18ff.). Die zunehmende Verbreitung von Nachhilfeunterricht speziell in Großbetrieben wird von diesen als eine Reaktion auf deren zunehmende Konfrontation mit „nicht ausbildungsreifen“ Jugendlichen festgestellt. Fehlende Ausbildungsreife ist dabei jedoch keineswegs eine betriebsübergreifende und feststehende Tatsache bzw. ein objektiv belegbarer „Befund“. Vielmehr ist sie im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen letztlich die Diskrepanz zwischen dem, was die Betriebe erwarten, und dem, was sie bekommen.
Angesichts der empirisch bislang nicht belegten (und auf Grund der fehlenden Basisprämissen aktuell kaum belegbaren) Kriterien von Ausbildungsreife wird diese aktuell weitgehend einzelbetrieblich bestimmt. Selbst der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), als jene Partei in der Diskussion um Ausbildungsreife, welche die aktuelle Handhabung dieses Begriffs äußerst skeptisch sieht, verneint nicht die Tatsache, dass es Jugendliche gibt, „[…] die in den geforderten Arbeits-, Leistungs- und Sozialfähigkeiten Defizite aufweisen“ (vgl. Fütterer/Hofmann/Weick et al. 2008, 29f.). Dieser Umstand müsste jedoch kein generelles Ausschlusskriterium zur Partizipation an regulären Ausbildungsangeboten sein, vorausgesetzt Betriebe sind bereit, in diesem Zusammenhang die eigenen Maßstäbe zu überdenken. Man kann also an dieser Stelle den Begriff der Ausbildungsreife „kippen“ und vom Auszubildenden auf den Betrieb übertragen, also aus einem Individualkriterium ein Organisationskriterium machen. Ausbildungsreife wäre demgemäß danach zu bestimmen, inwiefern ein Betrieb willens und in der Lage ist, Jugendliche auszubilden, die Defizite in den Arbeits-, Leistungs- und Sozialfähigkeiten aufweisen.
Dies zöge eine Reihe von Konsequenzen nach sich: Zunächst würde damit das Bildungssystem ein wenig entlastet, welches für diesen „Mangel“ gerne zur Verantwortung gezogen wird (was eine weitere Diskussion eröffnet, welche an dieser Stelle nicht geführt werden kann). Ebenfalls würde das Individuum entlastet, denn aktuell ist mangelnde Ausbildungsreife überwiegend ein persönliches Stigma bildungsbenachteiligter Jugendlicher. Die Betriebe hingegen könnten durch Maßnahmen, welche sie in diesem Sinne „ausbildungsreif“ machen, ihre Handlungsfähigkeit wiederherstellen. Denn wollen die Betriebe auch im demografischen Wandel weiterhin Facharbeiter und Handwerker auf hohem Niveau ausbilden und beruflich implementieren, müssen sie sich der Herausforderung stellen, jene Jugendlichen, die sich jetzt und in den kommenden Jahren für eine Berufsausbildung interessieren, mit all ihren individuellen Facetten, Stärken und auch Schwächen anzunehmen.
Die vorliegende Studie bezieht sich unter diesen Voraussetzungen hauptsächlich auf das betriebliche Ausbildungspersonal und dessen Qualifikationen jenseits des Berufsfachlichen. Die theoretische Auseinandersetzung im Folgenden richtet sich daher zunächst auf den Wandel des Ausbilder-Auszubildenden-Verhältnisses und die Entwicklung der pädagogischen Qualifizierung des ausbildenden Personals. Im Anschluss wird der aktuelle Forschungsstand bilanziert, um die Teilfragestellung der vorliegenden Studie herzuleiten. Kern der Untersuchung ist die Betriebspädagogik und nicht die bildungspolitische Diskussion der Ausbildungsreife. Die Arbeit soll an Stelle der hier häufig ideologisch geladenen Auseinandersetzungen zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen.
2 Der Wandel des Ausbilder-Auszubildenden Verhältnisses
Zum Verhältnis zwischen Ausbilder und Auszubildendem lassen sich zwei wichtige Aspekte herausstellen. Zum einen bezogen auf sich verändernde gesetzliche Regelungen in der Geschichte der Berufsbildung (die Auswirkungen auf dieses Verhältnis haben) und zum anderen durch generelle Beobachtungen zum Verhältnis zwischen Lehrmeister und Schüler, die auch außerhalb der Berufsbildung zu beobachten sind. Aktuell wird dieser Umstand in der Diskussion um eine nachlassende Qualität der Bewerber als Verfallsthese bezeichnet. Dieser Begriff tritt insbesondere in Verbindung mit mangelnder oder fehlender Ausbildungsreife auf. Die These wird meist durch die Arbeitgeberseite vertreten und beschreibt einen Leistungsverfall bzw. eine „gesunkene Ausbildungsreife“ der heutigen Bewerber (vgl. Eberhard 2006, 6). Auch wenn diese These nicht endgültig widerlegt werden kann, so kann doch festgehalten werden, dass sich statistisch „keine ausreichende empirische Evidenz für eine gesunkene Ausbildungsreife der Jugendlichen“ (vgl. Eberhard 2006, 54) finden lässt und das trotz bestätigter Mängel in Rechtschreib- und Rechenkenntnissen, auf welche Arbeitgeber(-vertreter) immer wieder verweisen, möglicherweise kein genereller Leistungsverfall, sondern evtl. auch eine Kompetenzverschiebung festgestellt werden könnte. Die gestiegenen Ansprüche in der Berufswelt werden bei solchen Behauptungen gerne ignoriert (vgl. Eberhard 2006, 13). Hinter den hier immer wieder konstatierten Vorwürfen lässt sich zudem so etwas wie ein genereller Generationenkonflikt identifizieren. Sowohl im umfangreichen Gemeinschaftswerk von Ratschinski und Steuber zur Ausbildungsreife (vgl. Ratschinski/Steuber 2012, 55), als auch in der Veröffentlichung der Hans-Böckler Stiftung (vgl. Dobischat/Kühnlein/Schurgatz 2012, 11), den Veröffentlichungen des BIBB (vgl. Eberhard 2006, 48) sowie verschiedenen Beiträgen in Fachzeitschriften wird auf das Phänomen eines „generellen Klagens“ der älteren Generation über die jüngere Generation hingewiesen. Keller führt dies in seinem Buch „Das Klagelied vom schlechten Schüler: Eine aufschlussreiche Geschichte der Schulprobleme“ bis zur Erfindung der Schule vor 5000 Jahren zurück und weist darüber hinaus nach, dass die damaligen Klagen den heutigen in ihren Inhalten weitgehend gleich sind. Daraus schließt er auf eine generelle Einschätzung der Leistung der jüngeren Generation als schlechter, als die der eigenen Generation. Hierzu führt Keller verschiedene Zitate aus überlieferten Schriften an: „Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte. (Altägyptische Aufzeichnung vor 3000 Jahren)“ (Keller 1989, 24). „Jugendliche zeigten ein fortwährendes Steigen der Ansprüche [,] aber keineswegs ein wachsendes Gefühl der Verantwortlichkeit für redliche Erfüllung der […] Pflichten und […] eine immer größere Vergnügungssucht und Zügellosigkeit (Die Pflege der konfirmierten Jugend 1884, 3)“ und an anderer Stelle heißt es: „Im Alter von 14-16 Jahren ist der Mensch von Natur aus träge, hat kein Bewusstsein vom […] Wert der Bildung (Fünfzig Jahre Industrie-Berufsschule Wuppertal 1883, 27)“ (vgl. Dobischat/Kühnlein/Schurgatz 2012, 11). Sehr ähnlich klingt es, wenn der DIHK aus einer seiner Ausbildungsumfragen, in welcher Unternehmer zu ihrer Meinung zur Situation auf dem Ausbildungsmarkt befragt werden, zitiert: „In den letzten Jahren hat die Qualität der Bewerber merklich nachgelassen. Nicht nur im schulischen Bereich – das allgemeine Auftreten, ordentliche Kleidung, eine angemessene Ausdrucksweise, v. a. Leistungsbereitschaft, die Fähigkeit eine fehlerfreie Bewerbung abzuliefern, all das ist leider nicht mehr selbstverständlich!“ (DIHK 2005, 21). Die betriebliche Feststellung einer Ausbildungs(un)reife hängt damit sicher mit einem generellen Generationenkonflikt zusammen, einzige Ursache kann dieser jedoch aufgrund der zuletzt zunehmenden unbesetzten Ausbildungsstellen nicht sein.
Im historischen Rückblick erscheint zudem ein Blick auf die Rechte der Auszubildenden relevant, welche nach und nach gestärkt wurden und wodurch wiederum das lange Zeit klar hierarchisch geprägte Verhältnis gegenüber Ausbilder und Betrieb „demokratisiert“ wurde. Angefangen bei der Abschaffung des Züchtigungsrechts 1951 bis hin zum Berufsbildungsgesetz, das auch erstmals eine verbindliche Ausbildungsvergütung an die Stelle des bisher zu zahlenden Lehrgelds setzte (vgl. Bundesgesetzblatt 1969, 1112). Diese Veränderungen müssen, insbesondere angefeuert durch die Studierenden und Arbeiterproteste der 60er Jahre, immer im Rahmen eines Arbeitskampfs zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gesehen werden, was zu einer weiteren Problematik führte. Im weitesten Sinne hat sich die Situation im Ausbildungsdiskurs, also die sich gegenüberliegenden Interessensvertretungen auf die Situation in den Betrieben übertragen, wobei dem ausbildenden Personal hier häufig die Arbeitgeberposition zugeschrieben wird. Der Ausbilder, der in seiner Funktion häufig auch Arbeitnehmer ist, vertritt die Arbeitgeberposition, während der Auszubildende durch die Arbeitnehmervertretungen und als Arbeitnehmer gegen eine konstruierte Arbeitgebervertretung vertreten wird. Das BIBB beschreibt in einer Studie zur aktuellen „Situation des ausbildenden Personals in der betrieblichen Bildung“, „[…] dass Betriebsrat bzw. MAV sich kaum oder gar nicht als unterstützende Institution für das ausbildende Personal sehen. […] Immer wieder zeigte sich, dass sich die Institutionen der Arbeitnehmervertretung in erster Linie für den Schutz der Auszubildenden zuständig sehen“ (Bahl et al. 2011, 16). Wer vertritt also die Interessen des ausbildenden Personals? Weiter kann gefragt werden, inwiefern sich aus der rechtlichen Stärkung der Auszubildenden und aus der unklaren Vertretung von vielseitigen Interessen, Probleme im Ausbilder-Auszubildenden-Verhältnis ergeben haben. Was ist an die Stelle des klaren Verhältnisses, also dem Bild des Ausbilders als uneingeschränkt Weisungsbefugtem getreten, bzw. inwiefern hat sich die Ausbildung der Ausbilder verändert, um dieser Kräfteverschiebung entgegen zu wirken? Um diese Entwicklung nachempfinden zu können, wurde die pädagogische Qualifizierung des ausbildenden Personals im zeitlichen Wandel untersucht.
3 Entwicklung der pädagogischen Qualifizierung des ausbildenden Personals
Ähnlich der Ausbildungsvergütung, die erstmals im Berufsbildungsgesetz von 1969 verpflichtend eingeführt wurde, konnte hier auch die pädagogische Qualifizierung des betrieblichen Ausbildungspersonals erstmals formal geregelt werden. Seit 1972 wird diese durch die Ausbildereignungsverordnung festgehalten (vgl. Greinert 2006, 505). Bis zu diesem Zeitpunkt mussten Ausbilder lediglich die fachliche Qualifikation nachweisen, jedoch keinerlei berufs- und arbeitspädagogischen Nachweis erbringen. Die arbeits- und berufspädagogische Eignung wurde hier an vier Aspekten ausgemacht. Erstens anhand des Wissens des Ausbilders über Grundfragen der Ausbildung in Bezug auf die „Berufsbildung im Bildungssystem“, die gesellschaftliche Verantwortung der Berufsbildung oder auch die „individuelle und soziale Bedeutung von Arbeitskräften“ (Bundesgesetzblatt 1972, 707). Darüber hinaus mussten Ausbilder umfangreiches Wissen über die „Planung und Durchführung der Ausbildung“ nachweisen sowie die „Notwendigkeit und Bedeutung einer jugendgemäßen Berufsausbildung“ darstellen können, Eignungen und Leistungsfähigkeiten von Jugendlichen bewerten und „typische Entwicklungserscheinungen und Verhaltensweisen im Jugendalter, Motivation und Verhalten und gruppenpsychologische Verhaltensweisen kennen“ (vgl. Bundesgesetzblatt 1972, 707). Wissen über „betriebliche und außerbetriebliche Umwelteinflüsse, soziales und politisches Verhalten Jugendlicher“ und über das „Verhalten bei besonderen Erziehungsschwierigkeiten des Jugendlichen“ (vgl. Bundesgesetzblatt 1972, 707) wurden ebenso abgefragt wie diverse Rechtsgrundlagen bezüglich in der Ausbildung notwendiger Gesetze. Die genannten Kenntnisse musste der Ausbilder im Rahmen einer Prüfung nachweisen, die sich, ähnlich der heutigen Prüfung, in eine fünfstündige schriftliche und eine halbstündige mündliche Prüfung aufteilte. In der mündlichen Prüfung soll eine „praktisch durchzuführende Unterweisung von Auszubildenden“ stattfinden (vgl. Bundesgesetzblatt 1972, 707f). Die Ausbilder-Eignungsverordnung (AEVO) bildet die Vorgaben für die durch die zuständigen Stellen entworfenen Prüfungsordnungen sowie die Rahmenlehrpläne der „Ausbildung der Ausbilder“, also jener nicht-verpflichtender Lehrgänge, die auch private Bildungsanbieter als Lehrgänge auf Grundlage der Rahmenlehrpläne anbieten dürfen. Eine Anerkennung oder Qualitätsprüfung der von privaten Bildungsanbietern angebotenen Lehrgänge durch die zuständigen Stellen gibt es nicht. Das sehr anspruchsvolle und ausführliche Bild der Anforderungen an einen Ausbilder unterliegt damit einer ähnlichen Problematik wie die heutige Prüfung, nämlich, dass die Prüfung durch ein Abfragen von Wissen ohne die verpflichtende Teilnahme an einem Vorbereitungslehrgang keine Handlungsfähigkeit in den geprüften Gebieten garantieren kann, bzw. dass sich Vorbereitungslehrgänge in Art und Niveau stark unterscheiden und „nur ein Teil der mit Ausbildungsaufgaben betrauten Personen die Anforderungen der Ausbilder-Eignungsverordnung erfüllen“ bzw. die Prüfung abgelegt haben (Wittwer 2006, 402). Nach der Einführung 1972 wird die nächste tiefgehende Veränderung der AEVO erst 1999 vor dem Hintergrund der pädagogischen Diskussion um Schlüsselqualifikationen und Handlungskompetenzen durchgeführt. Hier vollzieht sich ein Wandel im Verständnis des Ausbilders vom bis dato Vorbild, Vormacher und Anleiter zur Wissenseinprägung hin zum Vermittler von Handlungsfähigkeit im Sinne von „Kreativität, Problemlösefähigkeit, Selbstständigkeit und Teamfähigkeit“ (Sendelbeck 2009, 17). Vorausgegangen war hier auch eine Entwicklung der Lehrgänge zur Ausbildung der Ausbilder, die immer schneller und in noch kürzeren Zeitrahmen durchgeführt wurden und dadurch mehr als zuvor auf ein reines Bestehen der Prüfung abzielten (vgl. Sendelbeck 2009, 17). Daraus resultierte eine neue Verordnung, in der die Sachgebietsgliederung der Ausbildung der Ausbilder aufgegeben und durch eine Orientierung an Handlungsfeldern ersetzt wurde.
In dieser Verordnung ist ein starker Wille zur Professionalisierung des Ausbildungspersonals zu erkennen. Insbesondere der verstärkte Blick auf die Gestaltung und didaktische Ausgestaltung von Lernprozessen im Betrieb zeigt, dass die Relevanz des Ausbilders als pädagogische Kraft erkannt wurde. Vor diesem Hintergrund erscheint die kurzsichtig auf eine Erhöhung der betrieblichen Ausbildungsbereitschaft ausgerichtete und für die Jahre 2003 bis 2008 beschlossene Aussetzung der AEVO kontraproduktiv. Obwohl schon damals abzusehen war, dass in den Folgejahren zwar auch die Anzahl verfügbarer Ausbildungsplätze bedeutsam sein wird, jedoch – angesichts der Adressatengruppe – die Qualität der Ausbildung entscheidender, haben sich die Akteure für eine quantitative Verbesserung der Situation entschieden. Damit reagierten Bundesregierung und Gewerkschaften letztlich auch auf das Drängen von Teilen der Wirtschaft, die in der AEVO kaum eine sinnvolle Qualitätssicherung, sondern überwiegend eine bürokratische Hürde sahen (vgl. Ulmer et al. 2008, 2). Insbesondere das Einlenken der Gewerkschaften ist hier nur schwer nachzuvollziehen, da diese bis dato eine höhere Beteiligung der Betriebe z. B. durch eine Ausbildungsabgabe und eine bessere Ausbildung des betrieblichen Ausbildungspersonals gefordert hatten (vgl. Eberhard 2006, 11). Wie später das BIBB in einer Untersuchung bestätigte, wurde durch die Aussetzung der AEVO ihre Notwendigkeit für die Qualität in der Ausbildung letztlich unterstrichen. Die erwarteten quantitativen Effekte sind zwar eingetreten und haben insbesondere die Aktivität kleinerer Betriebe erhöht, jedoch insgesamt zu Lasten der qualitativen Aspekte in Form von Ausbildungsabbrüchen, schlechten Noten und Schwierigkeiten mit Auszubildenden (vgl. Ulmer et al. 2008, 4). Vor dem Hintergrund der qualitativen Einbußen und dem verhältnismäßig geringen Zugewinn an Ausbildungsplätzen und -betrieben wurde die AEVO in einer novellierten Fassung und in Abstimmung zwischen Bundesregierung und Arbeitgeber- wie auch Arbeitnehmervertretern zum 01.08.2009 wieder eingeführt (vgl. Ulmer/Gutschow 2009, 49), was jedoch im Hinblick auf die schon vorher aufgetretenen Probleme bzgl. der betrieblichen Ansprüche an „ausbildungsreife“ Jugendliche und diesbezüglicher Diskrepanzen nur den ehemaligen Status Quo wieder herstellte. Durch die verminderte Darstellung der pädagogischen Kompetenzen der Ausbilder sowie die rudimentäre Darstellung von Methoden- und Sozialkompetenz in der AEVO – so Sendelbeck in Anlehnung an Adalbert Ruschel – blieben die Ausbilderlehrgänge, die sich am Rahmenplan orientieren sollten, sich jedoch theoretisch nur an der AEVO orientieren müssen, weiterhin „Crash-Kurse“ mit anhaltend sinkendem zeitlichen Umfang (vgl. Sendelbeck 2009, 18). Es wurde also davon ausgegangen, dass die Qualifizierung durch die neue AEVO hinsichtlich ihrer pädagogischen Qualität gegenüber 1999 weiter sinken würde und damit weder den Ansprüchen der Betriebe noch jenen der Auszubildenden genügen. Brater und Wagner konstatierten dazu: „Branchenübergreifend wird in den Betrieben die Auffassung vertreten, Ausbilden sei heute pädagogisch anspruchsvoller geworden“ (2008, 7). In den kommenden Jahren bestätigten Studien schließlich, dass Betriebe, die sich mit den Folgen des demografischen Wandels konkret auseinandersetzen und damit ihre Anforderungen an die Bewerber senken müssten, erhöhten Wert auf die pädagogische Qualifizierung des ausbildenden Personals legen (vgl. Ebbinghaus/Ulmer 2010, 41). Die Anforderungen an das ausbildende Personal stiegen also zumindest informell. Es herrschte ein „Anpassungs- und Professionalisierungsdruck“, dem diejenigen Akteure, die letztlich „für die Qualität und den Erfolg der Ausbildungsarbeit ‚vor Ort’ entscheidende Verantwortung tragen“ (Riese-Meyer/Biffar 2011, 26), ausgesetzt waren und aktuell auch noch sind. Aus einem ersten Ansatz, dies empirisch zu erschließen, veröffentlichten Riese-Meyer und Biffar ein differenziertes Anforderungs- und Kompetenzprofil für Ausbildungspersonen (Riese-Meyer/Biffar 2011, 28), welches die Anforderungen, die die AEVO an das betriebliche Ausbildungspersonal stellt, in einigen Teilen deutlich überschreitet. Dass dies jedoch nur ein Teilaspekt „betrieblicher Ausbildungsreife“ sein kann, wurde schon zu Beginn dieser Erörterung deutlich. Daher erscheinen komplexere Studien erforderlich, welche über die Profilierung des Ausbildungspersonals hinausgehen.
4 Untersuchungsziel und Forschungsfrage(n)
Konstatiert man ein Konzept „betrieblicher Ausbildungsreife“, ist davon auszugehen, dass dies sowohl durch personenspezifische Faktoren, aber auch durch strukturelle bzw. kontextuelle Faktoren bedingt wird. Dabei sind personenspezifische Faktoren von besonderer Bedeutung, da eine „betriebliche Ausbildungsreife“ in hohem Maße pädagogische Maßnahmen impliziert. Sie steht und fällt mit jenen Fähigkeiten des Ausbildungspersonals, welche sich über das Fachliche hinaus auf den Jugendlichen und seine persönliche Entwicklung richten. Es kann davon ausgegangen werden, dass Ausbilderinnen und Ausbilder mit einer guten pädagogischen Qualifikation, in der Lage sind, sich auch jenen Jugendlichen erfolgreich zuzuwenden, welche aktuell in ihrer individuellen Ausbildungsreife als defizitär wahrgenommen werden. Dies können sie jedoch nur, wenn sie in ein adäquates strukturelles Gefüge eingebettet sind und wenn sie über entsprechende Ressourcen verfügen.
Bereits heute gibt es Betriebe, welche die subjektiven Merkmale einer mangelnden Ausbildungsreife bei Jugendlichen nicht generell als Ausbildungshemmnis sehen. Ein erster Anhaltspunkt hierfür ist die Ausbildungsumfrage 2014 des DIHK. Hier zeigte sich, „[…] dass Betriebe zwar Mängel bei der Ausbildungsreife Jugendlicher feststellen, so zum Beispiel in Deutsch und Mathematik. Dies führt jedoch nicht in allen Fällen dazu, dass sie die Frage nach Ausbildungshemmnissen bejahen. So ist beispielsweise der Anteil der Unternehmen in der Medienbranche, die Ausbildungshemmnisse feststellen, seit 2010 kontinuierlich von 54 Prozent auf 36 Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig ist der Anteil der Medienbetriebe, welche die Deutsch- und Mathematikkompetenzen der Schulabgänger bemängeln, so hoch wie seit 2010 nicht mehr“ (Friedrich/Heintz/Grupe 2014, 21). Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass viele Ausbildungsbetriebe angefangen haben, das, was bislang als mangelnde Ausbildungsreife bei den Jugendlichen diagnostiziert wurde, als Fakt zu akzeptieren und die Jugendlichen in eine Ausbildung aufzunehmen (ebd.). Es könnte somit aktuell ein Umdenken in Bezug auf den Begriff der Ausbildungsreife von Jugendlichen bzw. dessen Handhabung stattfinden, bei dem diese nicht mehr ein zwingendes Kriterium zur Teilnahme an regulären Ausbildungsangeboten ist. Bereits 2012 verwiesen Dobischat, Kühnlein und Schurgatz darauf, dass es möglich wäre, „jedem Jugendlichen, der nicht lernbeeinträchtigt ist, nach Verlassen der Schule die ‚Ausbildungsreife’ zu attestieren und ihn zunächst in eine betriebliche Ausbildung zu integrieren. Vereinzelte Defizite könnten dann im Bedarfsfall durch berufsbegleitende Hilfen während der Ausbildung kompensiert werden. Die Lücke zwischen den steigenden Ansprüchen der Betriebe und den individuellen Lernvoraussetzungen der Lehrstellenbewerber ließen sich auf diese Weise berufspädagogisch schließen, indem man die pädagogischen Kompetenzen des betrieblichen Ausbildungspersonals weiter professionalisiert, um den Ausbildungsprozess der Jugendlichen gezielt zu unterstützen“ (Dobischat/Kühnlein/Schurgatz 2012, 77). Zu ähnlichen Schlüssen kamen Ebbinghaus und Ulmer bereits 2009 in ihrer Studie zur pädagogischen Qualifizierung des ausbildenden Personals. Sie stellten fest, dass Betriebe, die zu diesem Zeitpunkt schon vom Fachkräftemangel betroffen und dadurch gezwungen waren, vermehrt leistungsschwache Bewerber einzustellen bzw. Bewerber, die ihren formalen Anforderungen nicht genügen, erhöhten Wert auf die pädagogische Qualifizierung ihres Ausbildungspersonals legten (vgl. Ebbinghaus/Ulmer 2010, 41).
Hier setzt die empirische Fragestellung der im Folgenden referierten Studie an. Nachdem der aktuelle Stellenwert einschlägiger pädagogischer Kompetenzen im Rahmen der dualen Ausbildung als bestätigt angesehen werden kann, soll mit einem explorativen Zugang ermittelt werden, was jene Ausbilder/innen, die bereits mit leistungsschwachen Jugendlichen zusammenarbeiten, zu einem erfolgreichen Umgang mit diesen Jugendlichen befähigt und motiviert. Die spezifische Forschungsfrage lautet daher: „Was motiviert Ausbilder/innen zu einer Zuwendung zu Jugendlichen, die bzgl. ihrer Ausbildungsreife als defizitär wahrgenommen werden, und wie stimmen sie diesbezüglich ihr pädagogisches Wirken ab?“
5 Explorative Studie
Zur Beantwortung dieser komplexen Fragestellung ist ein mehrstufiger Zugang erforderlich, welcher mit einem explorativen Zugang beginnt. Dabei gilt es zunächst nicht, verallgemeinerbare Aussagen zu generieren, sondern die hier vorliegende individuelle Breite und Spezifität aufzugreifen. Ein solcher qualitativer Zugang über teilstrukturierte Interviews wird im Folgenden dargestellt.
Teilstrukturierte Interviews liegen zwischen sehr offenen „narrativen“ Zugängen, in welchen ohne Vorstrukturierung Aussagen über einen spezifischen Zusammenhang eingeholt werden, und eng strukturierten Ansätzen, in welchen ausschließlich Antworten zu spezifischen Fragen eingeholt werden. Im hier vorliegenden Fragenkontext erschien das problemzentrierte Interview (PZI) als Sonderform teilstrukturierter Interviews (Witzel/Reiter 2012) angemessen: „Die Konstruktionsprinzipien […] zielen auf eine möglichst unvoreingenommene Erfassung individueller Handlungen sowie subjektiver Wahrnehmungen und Verarbeitungsweisen gesellschaftlicher Realität“ (Witzel 2000, o. S.). Die Erfassung individueller Handlungen ermöglicht die Beschreibung der Handlungsweisen der zu befragenden Ausbilder im Umgang mit Auszubildenden und damit eines Teils der Befähigung, nach der in der Forschungsfrage gesucht wird. „Die subjektiven Wahrnehmungen und die Verarbeitungsweisen gesellschaftlicher Realität sind vor allem vor dem Hintergrund der Ausbildungsreife und des demografischen Wandels von Bedeutung. Denn wenn die Wahrnehmung von Ausbildungsreife, also eine subjektive Wahrnehmung, von der Lage auf dem Ausbildungsmarkt und damit vom demografischen Wandel bedingt wird, kann auf diese Weise die subjektive Wahrnehmung (von Ausbildungsreife) und der Umgang mit gesellschaftlicher Realität (des demografischen Wandels) gleichermaßen erfasst und differenziert werden“ (Richterich 2015, 68). Auf der Grundlage der Konstruktionsprinzipien sowie der Grundpositionen des PZI wurde ein Leitfaden entworfen, der die Beantwortung der in der Forschungsfrage enthaltenen Teilaspekte der Motivation und der Handlungsprämissen der Ausbilder fokussiert:
- Inwieweit sehen Sie eine geringe Ausbildungsreife als Ausbildungshemmnis?
- Warum stellen Sie BewerberInnen mit einer festgestellten Leistungsschwäche ein?
- Inwiefern hat sich die Arbeit mit Auszubildenden in den letzten Jahren verändert?
- Was macht für Sie einen geeigneten Auszubildenden aus?
- Wie macht sich eine unzureichende Ausbildungsreife im Alltag bemerkbar?
- Wie verhalten Sie sich in den beschriebenen Situationen/wie gehen Sie damit um?
- Inwiefern sind Sie bei Jugendlichen mit geringerer Ausbildungsreife fachlich mehr gefordert?
- Welche Fähigkeiten halten Sie für ausschlaggebend im Umgang mit leistungsschwächeren Jugendlichen?
- In welchen Situationen fühlen Sie sich (pädagogisch) überfordert?
- Wie gestalten Sie die Begleitung und Förderung der Jugendlichen im betrieblichen Alltag?
- Auf welche besonderen Fördermöglichkeiten können Sie im Betrieb zurückgreifen?
- Welche Art von Rückmeldungen erhalten Auszubildende im Betrieb?
(vgl. Richterich 2015, 71ff.)
Bei der Auswahl der Stichprobe wurden Ausbilder involviert, bei welchen erkennbar war, dass diese mit Bewerbern konfrontiert sind, die den eigentlichen Ansprüchen an das Berufsbild nicht gerecht werden, also Ausbilder aus Betrieben, die bereits zum Untersuchungszeitpunkt mit den Folgen des demografischen Wandels konfrontiert waren. Dazu wurden Betriebe angefragt, „[…] welche mit Jugendlichen zusammenarbeiten, die in ihrer Ausbildungsreife als defizitär wahrgenommen werden und von denen angenommen werden kann, dass sie ‚erfolgreich‘ ausbilden, im Sinne einer zum Berufsabschluss führenden Ausbildung“ (Richterich 2015, 2ff.).
Ebbinghaus und Ulmer lieferten in ihrer Untersuchung zur pädagogischen Qualifizierung des ausbildenden Personals genaue Anhaltspunkte zur Selektion geeigneter Interviewpartner. Die Betriebsgröße sowie die Zugehörigkeit zum sekundären Sektor können als verlässliche Kriterien für Betriebe gelten, die der pädagogischen Qualifizierung des ausbildenden Personals einen höheren Stellenwert zukommen lassen. Darüber hinaus schließen Ebbinghaus und Ulmer weiter, dass Betriebe des sekundären Sektors (in den meisten Fällen Handwerksbetriebe), also die Betriebe, die sich schon heute mit den Folgen des demografischen Wandels konfrontiert sehen, „[…] bereits heute verstärkt leistungsschwächere Jugendliche ausbilden müssen, um einem potenziellen Fachkräftemangel zu begegnen, und mit der Betonung der pädagogischen Qualifizierung dem damit verbundenen Bedarf dieser Jugendlichen nach einer umfassenderen Individualisierung der Ausbildung entsprochen wird“ (Ebbinghaus/Ulmer 2010, 41). Insgesamt wurden nach diesen Kriterien dreizehn Interviews mit Ausbilder/innen aus dreizehn verschiedenen Betrieben geführt. Bereits nach der Hälfte der Interviews zeichnete sich ein inhaltlicher Tenor in den Antworten der Befragten ab, sodass von einer Ausweitung der Kohorte innerhalb des hier gesteckten Erhebungszusammenhangs kaum maßgebliche Zusatzerträge erwartet werden hätten können.
Die Befragten sind überwiegend in leitenden Funktionen tätig; entweder direkt im Ausbildungsbereich des Betriebs oder übergeordnet als Personalleitung. Lediglich einer der Befragten in einem der kleineren Betriebe ist hauptberuflich Installateur und übernimmt die Ausbildungsarbeit berufsbegleitend. Den größten Anteil der vertretenen Ausbildungsberufe machen technische Berufe aus, verteilt auf vier Betriebe, die im Bereich Mechatronik und Elektronik ausbilden, sowie zwei Betriebe, die ausschließlich Anlagenmechaniker/innen für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik ausbilden. Weiter kam es zu Interviews in zwei Gastronomiebetrieben, die die Ausbildung zum Koch/zur Köchin sowie zur Hotelfachkraft anbieten, und zwei Betrieben, die Gärtner/innen und Garten-/Landschaftsbauer/innen ausbilden. Ursprünglich war geplant, aus jedem größeren Ausbildungsbereich zwei Betriebe zu befragen. In den drei weiteren Interviews ist dies auf Grund von kurzfristiger Absagen nicht gelungen. Hier wurde je ein Interview mit Personal- und Ausbildungsverantwortlichen für die Berufe Gebäudereiniger/in, Friseur/in sowie Schlosser/in und Maurer/in geführt. Der KMU-Definition der Europäischen Kommission zu Folge setzt sich die Stichprobe aus vier kleinen Unternehmen (<50 Mitarbeiter/innen), vier mittleren Unternehmen (<250 Mitarbeiter/innen) und 5 großen Unternehmen mit weit mehr als 250 Mitarbeiter/innen zusammen (vgl. Europäische Kommission, 2006). Unter den Befragten befanden sich ins-gesamt zwölf Männer und vier Frauen. Die Altersstruktur lässt sich am besten in zwei Gruppen beschreiben, bestehend aus sechs Personen zwischen 27 und 34 Jahren (M=30,2) und zehn Personen zwischen 41 und 60 Jahre (M=52,5).
Die Analyse der auf diese Weise erhobenen Daten erfolgte in Form einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (vgl. Mayring 2010, 13). Das Vorgehen richtet sich dabei am allgemeinen inhaltsanalytischen Ablaufmodell aus, welches im Laufe der Untersuchung (ex post) dem Datenbestand angepasst wurde. Nach der wörtlichen Transkription wurden alle Interviewaussagen zunächst paraphrasiert und anschließend kategorisiert, so dass sowohl ein semantisch-strukturelles Aussagengefüge ermittelt werden konnte als auch eine häufungsbezogene Quantifizierung. Die Stärken der beiden Ergebnisfelder liegen jedoch nicht in daraus abzuleitenden Allgemein-Aussagen, sondern vielmehr in deren Vielfalt und inneren Zusammenhängen.
6 Ergebnisse
Das Ergebnis der Inhaltsanalyse besteht zentral in einem narrativen Kategoriensystem über vier Kategorien in Bezug auf die Motivation (Investitionsmotiv, Arbeits- und Berufszufriedenheit, Wertschätzung, Produktionsmotiv) sowie 15 Kategorien der Befähigung (Kommunikation, Förderung und Unterstützung, intensive und individuelle Betreuung, Kompetenzen, Generationenunterschiede, Verständnis, Vertrauen, Entwicklungspotenzial, Einstellungskriterien, Autorität, Perspektiven aufzeigen, präventiv arbeiten, Wertschätzung, Commitment, Berufsschulen, Selbstverständnis). Inhaltlich wie strukturell ist dieses Kategoriensystem inkonsistent; dies wird alleine semantisch aus den definierten Überbegriffen deutlich, hinzu kommen deutliche Unterschiede in der Verzweigungstiefe: Bei den Kategorien „Kommunikation“ sowie „Förderung und Unterstützung“ geht diese bis in eine dritte Unter-Ebene, bei anderen Kategorien gibt es überhaupt keine Unterkategorien (z. B. alle vier im Bereich Motivation).
Bei den Motiven hat sich das Investitionsmotiv eindeutig als Hauptkategorie herauskristallisiert. Beim Investitionsmotiv steht dem Ausbildungsinteresse der zukünftige Fachkräftebedarf im Vordergrund und nicht die in der Ausbildung erbrachte Leistung, wie es beim Produktionsmotiv der Fall ist (vgl. Ebbinghaus/Ulmer 2010, 39). Einige der befragten Ausbilder sind bereit, mehr (Geld, Zeit, Anstrengung, Personal etc.) in die Ausbildung zu investieren, wenn dies hilft, den zukünftigen Fachkräftebedarf zu decken. Ausbildung adressiert demgemäß diese Intentionen unter anderem deshalb sehr gut, weil sie die Möglichkeit bietet, theoretisch und praktisch fundierte Fachkräfte, ausgerichtet an den unternehmensspezifischen Ansprüchen zu entwickeln (vgl. Richterich 2015, 179ff). Einen weiteren Motivationsfaktor, den die befragten Ausbilder benennen und der die Aufnahme der höheren Ausbildungsanstrengung begünstigt, zeigt die Kategorie „Arbeits- und Berufszufriedenheit“. Ausbilder, die feststellen, Spaß an der Ausbildungsarbeit zu haben und in der Arbeit mit Jugendlichen eine Herausforderung an ihre Profession zu sehen, sind durchaus bereit, sich mit Jugendlichen auseinanderzusetzen, die in ihrer Ausbildungsreife als defizitär wahrgenommen werden, insbesondere dann, wenn diese dem Ausbildungsberuf Begeisterung entgegenbringen. Die Kategorie „Produktionsmotiv“ haben dagegen lediglich zwei der Befragten als Motivationsfaktor der Auszubildenden genannt, einmal im Hotelgewerbe und einmal im Friseurgewerbe. In beiden Fällen wurde darauf hingewiesen, dass die Betriebe auf die wirtschaftliche Leistung der Auszubildenden angewiesen seien, obwohl dies in der Ausbildung an sich nicht der Fall sein dürfe (Richterich 2015, 181). Eine weitere Kategorie im Bezugsraum Motivation ist „Wertschätzung“. Diese bezieht sich hier auf die Anerkennung der Auszubildenden für die Ausübung eines Berufs. Die Befragten haben die Erfahrung gemacht, dass Auszubildende, deren Ausbildungsreife als defizitär wahrgenommen wird, die Chance, einen Ausbildungsberuf erlernen zu dürfen, durchaus hoch einschätzen. Zusammengefasst sind es überwiegend internale Motive, mit welchen die Ausbilder ihre Zuwendung zu einer schwierigeren Auszubildenden-Gruppe begründen. Sie fühlen sich durch die Jugendlichen positiv herausgefordert sowie bestätigt und sehen sich zudem in der Verantwortung, auch unter größerem bzw. „anderem“ Aufwand, Fachkräfte für die Zukunft zu qualifizieren.
Als inhaltlich und strukturell umfassendste Kategorie der „Befähigung“ hat sich jene der „Kommunikation“ herausgestellt. Sie umfasst zwölf Unterkategorien, von welchen sich drei nochmals in Subkategorien ausdifferenzieren. Diese sind „Feedback“, „Kommunikationsbedingungen“ und „Kommunikation und Prävention“ und erscheinen mit insgesamt 24 Subkategorien besonders bedeutsam. Die befragten Ausbilder sehen sich in hohem Maße als Kommunikationsgestalter zwischen allen an der Ausbildung beteiligten Personen. Außerbetriebliche Faktoren, die sich negativ auf das Verhalten von Auszubildenden auswirken könnten, würden dabei auf formeller Ebene in Form von Feedback- und Beurteilungsgesprächen, aber auch auf informeller Ebene in Form persönlicher Gespräche mit einbezogen. Zu diesen Faktoren gehörten unter anderem das soziale Umfeld, die Schule oder auch das Elternhaus des Auszubildenden. Durch regelmäßige Gespräche auf privater Ebene gelänge es Ausbildern, die generell gestiegene Belastung des sozialen Umfelds von Auszubildenden mit zu berücksichtigen. Das solle nicht zwangsläufig heißen, dass Ausbilder in der Lage sind Probleme zu lösen, die nicht im direkten Zusammenhang mit dem Betrieb stehen. Durch Gespräche auf persönlicher Ebene könnten diese Probleme jedoch identifiziert und so in die Arbeit mit einbezogen werden. Berücksichtigten Ausbilder die Aspekte der privaten Ebene der Auszubildenden nicht, so würden ihre Interventionen ins Leere laufen, denn ein Problem könne nur angegangen werden, wenn die Ursachen bekannt seien. Hier wird bewusst der Begriff ‚angegangen‘ und nicht ‚gelöst‘ verwendet, denn die Ausbilder/innen können absehbar nicht alle privaten Probleme der Auszubildenden lösen. Indem man die Probleme jedoch erkenne und in der Ausbildungsarbeit berücksichtige, würden die negativen Auswirkungen für den Betrieb und für die Entwicklung des Auszubildenden vergleichsweise gering gehalten. Voraussetzung dafür sei, dass der Ausbilder die kommunikativen Kompetenzen seiner Auszubildenden sukzessive fördere (vgl. Richterich 2015, 182ff.).
Inhaltlich und strukturell ebenfalls komplex zeigte sich die Kategorie „Förderung und Unterstützung“. Sie umfasst 16 Unterkategorien, von welchen sich zwei nochmals in Subkategorien ausdifferenzieren. Diese sind „Nachhilfe“ sowie „Lehr- und Lernmethoden“. Generell konnte hier geschlossen werden, dass die Förderung und Unterstützung der Auszubildenden ein essentielles Arbeitsfeld der Ausbilder/innen ist. Der individuelle Förderbedarf der Jugendlichen reichte dabei von internem oder externem Nachhilfeunterricht, über die Förderung für die Ausbildung notwendiger Schlüsselkompetenzen bis hin zur gezielten Motivation der Auszubildenden. Insbesondere die professionelle Anwendung und Vermittlung geeigneter und zeitgemäßer Lehr- und Lernmethoden in der betrieblichen Ausbildung unterstütze die Ausbilder in ihrer Arbeit. Eine „frontale“ Vermittlung von Ausbildungsinhalten durch rein fachbezogenen Unterricht entspräche weder dem Anspruch der Auszubildenden an eine zeitgemäße Didaktik noch den gestiegenen Anforderungen, die moderne Ausbildungsinhalte an Auszubildende richten. Die Hauptkategorie „Intensive und individuelle Betreuung“ beinhaltet vier Unterkategorien, von welchen sich die Unterkategorie „Individualität berücksichtigen“ in sechs Subkategorien aufteilt: „Individuell intensive Betreuung“, „Individuelle Defiziten aufgreifen“, „Individuelle Stärken hervorheben“, „Individuelle Lösungen finden“, „Individualität akzeptieren und die „Individualität der Zugänge“ zum Auszubildenden. Diese sechs Subkategorien zeigen, wie komplex sich dieser einfach erscheinende Ansatz der Rücksichtnahme auf Individualität im Ausbildungsalltag darstellen kann. Denn die Intensität, mit der sich Ausbilder einem Auszubildenden widmen, muss jeweils mit dessen individueller Situation korrespondieren. Wenn dieser auf eine zu intensive Betreuung ablehnend reagiert, auch wenn diese notwendig erscheint, müsse sich die Intensität der Förderung in angemessenem Maß an der aktuellen Akzeptanz des Auszubildenden ausrichten. Wo dieses Maß liegt, müsse der Ausbilder von seinen zeitlichen und finanziellen Ressourcen sowie den Voraussetzungen des Auszubildenden abhängig machen. Die aktive Auseinandersetzung mit einzelnen Auszubildenden helfe aber auch, deren individuelle Stärken und Schwächen in die gemeinsame Arbeit mit einzubeziehen. Eine intensive Betreuung von Beginn der Ausbildung an helfe, diese Stärken und Schwächen gezielt zu fördern. Indem frühzeitig und präventiv Zeit investiert würde, bliebe der Aufwand gegenüber der Förderung (zu) spät festgestellter Leistungsschwächen geringer und gleichzeitig entstünden durch die Förderung frühzeitig erkannter Stärken positive Effekte. Neben positiven Wirkungen für die Auszubildenden ergebe sich auf diese Weise auch eine verbesserte Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden betrieblichen Ressourcen (vgl. Richterich 2015, 183).
Inhaltliche Überschneidungen finden sich hier bei der Kategorie der „Einstellungskriterien“. Diese teilt sich in die drei Unterkategorien „Geeignete Einstellungskriterien“, „Ungeeignete Einstellungskriterien“ und „Zeitgemäße Einstellungskriterien“. Für nicht geeignete Einstellungskriterien wurde hier die Subkategorie „Schulnoten“ gebildet. Die Kategorie „Geeignete Einstellungskriterien“ umfasst die Subkategorien „Einstellungstests“, „Betriebspraktika“, „Persönliche Gespräche“ und „Kopfnoten“. Durch ihre Anwendung könnten Stärken und Schwächen von Jugendlichen schon bei der Auswahl der Auszubildenden berücksichtigt werden. Die individuellen Anforderungen des Betriebes auf der einen und das Entwicklungspotential der Auszubildenden auf der anderen Seite würden von den Ausbildern vor zu Stande kommen eines Ausbildungsverhältnisses gegenüber gestellt. So könne im Vorfeld entschieden werden, ob der Auszubildende – gemessen einerseits an seinem spezifischen Entwicklungspotential sowie andererseits den Ressourcen des Betriebes – für den Ausbildungsplatz geeignet ist. Um diesen Einstellungskriterien nachzukommen, müsse sich die Bewerberauswahl sehr persönlich gestalten. Betriebe müssten potentielle Auszubildende kennenlernen, um ihre Auswahl treffen zu können. Einstellungstests, Betriebspraktika und Gespräche seien hier angemessene Mittel, um diesem Anspruch nachzukommen (vgl. Richterich 2015, 183).
Es ist weitgehend Konsens, dass es im Rahmen der Ausbildungs-Einstellung sehr bedeutsam ist, das Entwicklungspotentials eines Jugendlichen bewerten und einschätzen zu können. Die hier Befragten äußern jedoch deutlich, dass dies für den gesamten Ausbildungsprozess gilt, um sich Auszubildenden, die in ihrer Ausbildungsreife als defizitär wahrgenommen werden, optimal zuwenden zu können. Dementsprechend hat sich hier eine eigene Hauptkategorie „Entwicklungspotential“ mit sechs Unterkategorien gebildet. Die Befragten gehen davon aus, dass die Jugendlichen bei Antritt der Ausbildung ihr Leistungspotential noch nicht ausschöpfen, dass sich dies jedoch im Verlauf der Ausbildung ändern würde. Betriebe und Ausbilder seien hier angehalten bei der Auswahl ihrer Auszubildenden mögliches Potential zu identifizieren und zu berücksichtigen. Der Betrieb muss nach Aussage der Befragten für die Entwicklung dieses Potentials ein geeignetes Umfeld bieten (vgl. Richterich 2015, 173).
Aus den bisherigen, aber auch den weiter folgenden Kategorien ergibt sich ein Anspruch an die Fähigkeiten eines Ausbilders, der sich in der Hauptkategorie „Kompetenzen“ widerspiegelt. Neun Unterkategorien beschreiben diesen Anspruch. Die Unterkategorien „Emotionale Kompetenzen“ und „Empathie“ werden dabei nochmals durch zwei bzw. sechs Subkategorien differenziert. Die befragten Ausbilder vernehmen allgemein einen Anstieg der pädagogischen Anforderungen, die an sie gestellt werden. Neben den didaktisch gestiegenen Anforderungen, bezieht sich dieser Aspekt besonders auf emotionale Aspekte. Ausbilder sollten in die Gefühlswelt der Auszubildenden Einblick nehmen können und gleichzeitig die für ein Arbeitsverhältnis notwendige Distanz zu ihren Auszubildenden wahren. Die Relevanz pädagogischer Kompetenzen würde dabei in vielerlei Hinsicht die des fachlichen Know-hows übertreffen. Darüber hinaus ergäbe sich aus dem Wechsel des fachlichen hin zum pädagogischen Ausbilder eine Vielzahl an pädagogischen Spannungsfeldern, mit denen sich Ausbilder konfrontiert sehen, z. B. jenes zwischen Empathie und der notwendigen emotionalen Distanz (vgl. Richterich 2015, 184). Ein weiteres Spannungsfeld erfasst die Hauptkategorie „Generationsunterschiede“, bestehend aus sieben Unterkategorien, welche Ansätze zu deren Bewältigung abbilden. Bei Nichtbeachtung generationsbedingter Differenzen würde sich dies negativ auf die Leistung des Auszubildenden auswirken. Um die aus den unterschiedlichen soziokulturellen Hintergründen resultierenden Differenzen zu bewältigen, müsste der Ausbilder zunächst versuchen, diese zu verstehen und dann durch gezieltes Einwirken zu minimieren.
Eng mit Generationsunterschieden verknüpft, liegt die Hauptkategorie „Verständnis“, bestehend aus vier Unterkategorien. Umfassendes Verständnis für die Auszubildenden zu entwickeln, ist eine Grundvoraussetzung für die Befragten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese das Verhalten von Auszubildenden immer und in jeder Form akzeptieren würden. Es zu verstehen bzw. Verständnis dafür aufzubringen, wäre jedoch die Grundlage einer lösungsorientierten Auseinandersetzung. Bei den meisten Befragten hat sich hier ein Spannungsfeld aufgetan zwischen einem „moderat großzügigen“ Umgang mit Auszubildenden und einer notwendigen Strenge. Klare Richtlinien bzw. Regeln aufzustellen und diese den Auszubildenden transparent zu vermitteln, helfe den Ausbildern dabei, Verständnis für Probleme zu zeigen und die Einhaltung von Regeln dennoch zu gewährleisten, ohne dabei unglaubwürdig zu wirken. Dieses Spannungsfeld bildet die Unterkategorie „Verständnis und Strenge“, welche sich wiederum in vier Subkategorien gliedert. Auch in anderen Hauptkategorien finden sich einzelne Spannungsfelder wieder. Insbesondere die Kategorie „Autorität“ mit den drei Unterkategorien „Autorität vermitteln“, „Autorität und Zwang“ und „Autorität und Freundschaft“ erfasst diese. Die Jugendlichen nehmen laut der Befragten Weisungen unter reinem Zwang oder auf Grund einer ausschließlich positionsbedingten Autorität kaum an (vgl. Richterich 2015, 184ff.).
Die Hauptkategorie „Perspektiven aufzeigen“ gliedert sich in drei Unterkategorien. Die Ausbilder begründen fehlendes Ausbildungsinteresse bzw. fehlende Ausbildungsmotivation durch die von den Auszubildenden nicht wahrgenommenen Perspektiven, die sich ihnen in ihrem Ausbildungsberuf bieten. Hier engagierten sich die befragten Ausbilder umfassend, indem sie den Auszubildenden diese Perspektiven bei entsprechenden Gelegenheiten explizit aufzeigen würden.
Die Kategorie „Präventiv arbeiten“ besteht aus zwei Unterkategorien. Präventiv arbeiten bedeutet für Ausbilder, schulische und persönliche Defizite frühzeitig aufzugreifen und so einer negativen Entwicklung entgegenzuwirken, bevor diese Auswirkungen auf das Ausbildungsverhältnis nehmen kann. Wertschätzung sowie fehlende Wertschätzung werden von Ausbildern als sehr bedeutsam festgestellt. Hier hat sich eine Hauptkategorie „Wertschätzung“ mit den Unterkategorien „Umgang mit fehlender Wertschätzung“ und „Wert der Auszubildenden“ gebildet. In erstem Falle geht es darum, dass das durch die Ausbildung offerierte Angebot von Auszubildenden oft nicht von Anfang an geschätzt würde. Daher sollten Ausbilder hier zunächst keine Wertschätzung erwarten. Im zweiten Falle sollten Ausbilder unbedingt aktiv werden. Eine entsprechende persönliche Entwicklung, aber auch die Leistungen der Auszubildenden sollten genutzt werden, diese mit Wertschätzung zu bestätigen. Hierzu passt auch die Kategorie „Commitment“ mit der Unterkategorie „Identifikation mit dem Unternehmen fördern“. Fehlendes Pflichtbewusstsein gegenüber dem Arbeitgeber wird als ein Hindernis in der Zuwendung zu Jugendlichen beschrieben. Ausbilder könnten durch gezielte Maßnahmen die Identifikation der Auszubildenden mit ihrem Ausbildungsbetrieb fördern. Auch im Einflussbereich der Ausbilder steht der Kontakt zu Berufsschulen und damit den schulischen Lehrkräften der eigenen Auszubildenden. Die Kategorie „Berufsschulen“ umfasst daher die Unterkategorie „Kontakt zu Lehrern“. Die Zusammenarbeit zwischen Betrieb und Schule wird als essentiell für den Umgang der Ausbilder mit leistungsschwachen Jugendlichen beschrieben.
Die letzte Kategorie bezüglich der Befähigung von Ausbildern ergibt sich aus ihrem Selbstverständnis. Einige der Ausbilder sehen ihre Tätigkeit stärker pädagogisch als fachlich ausgerichtet. „Aus den Aussagen lässt sich die noch weiter zu prüfende These schließen, dass Ausbilder, die sich selbst als Pädagogen wahrnehmen, bzw. die Arbeit als Ausbilder hauptberuflich ausüben, weniger Probleme in der Arbeit mit Jugendlichen haben, die in ihrer Ausbildungsreife als defizitär wahrgenommen werden“ (Richterich 2015, 178).
7 Diskussion
Auf Grund des Entstehungs- und Auswertungszusammenhangs der hier vorgestellten Befunde sind diese nur als ein erster Zugang zur vorliegenden Thematik einzuschränken. Die getätigten Aussagen, wenn sie auch systematisiert und theoretisch abgestützt wurden, haben ihren Ursprung in den im Rahmen der Untersuchung durchgeführten Interviews und den darauf basierenden Interpretationen. Die Studie hält dabei die Gütekriterien qualitativer Datenerhebung und -auswertung weitgehend ein. Die Voraussetzungen hierfür wurden durch ein durchweg transparentes und nachvollziehbares Vorgehen gesichert, das jedem die Möglichkeit bietet, den Weg nachzuvollziehen oder auch seinerseits zu gehen. Die entstandenen Ergebnisse beanspruchen jedoch keine Allgemeingültigkeit, sie liefern aber eine facettenreiche Grundlage für weitergehende Studien in diesem Themenfokus. Die hier gebildeten Kategorien und deren materialgestützte Systematisierung können auf Grund ihrer Bezugskohorte sowie ihrer qualitativ-explorativen Herleitung nur bedingt als Grundkonstrukt einer „Ausbildungsfähigkeit von Betrieben“ festgestellt werden. Auf dem Weg zu einer derartigen Theorie liefern sie jedoch einen tragfähigen Ausgangspunkt. Da die Ausbildungsfähigkeit eines Betriebes von vielfältigen individuellen und kontextuellen Faktoren abhängt (Personal- und Führungsaspekte, Betriebsklima und -kultur, Größe des Betriebes, Art der Ausbildung, finanzielle Situation etc.), sind dazu auch systematische Mehrebenen-Analysen durchzuführen, welche den hier angesetzten Bezugsfokus des Ausbildungspersonals überschreiten.
Unabhängig davon lässt sich aus dem hier vorgenommenen Zugang durchaus ein Prototyp eines Ausbilders skizzieren, welcher angesichts der eingangs beschriebenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Trends sowie des jetzt schon aufkommenden Fachkräftemangels richtungsweisend erscheint:
Dieser Ausbilder bzw. diese Ausbilderin sieht in der Ausbildung in erster Linie eine lohnende Investition für den Betrieb; die Teilhabe der Auszubildenden an der Produktivität hat dabei durchaus Bedeutung, wenngleich eine untergeordnete. Sich mit Jugendlichen auseinanderzusetzen, die in ihrer Ausbildungsreife als defizitär wahrgenommen werden, stellt für sie eine positive Herausforderung dar und korrespondiert mit ihrer Arbeitszufriedenheit, zum einen, weil sie hier an der Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen teilhaben können, zum anderen, weil sie hier eine hohe Wertschätzung für Ausbildung und Beruf wahrnehmen. Ihr Einfluss beginnt bei der Rekrutierung der Auszubildenden, indem adäquate Einstellungskriterien gefunden, konkretisiert und gehandhabt werden. Schulnoten verlieren dabei gegenüber Betriebspraktika und „Kopfnoten“ an Bedeutung, zudem werden einschlägige Tests und persönliche Gespräche intensiv genutzt, um herauszufinden, wer am besten passt bzw. bei wem die anstehende Förderung absehbar am besten anspricht. Als professionelle „Kommunikationsgestalter“ integrieren diese Ausbilder alle involvierten Personen aus Betrieb, Schule und Elternhaus des Auszubildenden. Zentral ist hier eine enge und konstruktive Vernetzung mit der Berufsschule. Insbesondere im Übergang zum Privatleben stellt dies große Anforderungen, da die Auseinandersetzung mit diesem einerseits in schwierigen Fällen unabdingbar ist, andererseits hier immer die Gefahr einer Überschreitung der Möglichkeiten und Grenzen für eine professionelle Beziehung droht. Kommunikationsgestaltung heißt hier auch, die Kommunikationsfähigkeiten der Auszubildenden dezidiert zu fördern. Als Didaktiker gilt es den Auszubildenden „Lehr- und Lernmethoden“ zu vermitteln und individuelle Nachhilfekonzepte zu entwickeln und zu administrieren. Hinzu kommen vielfältige Softskills sowie Aspekte von Arbeits- und Leistungsmotivation. Um hier effektiv und effizient arbeiten zu können, müssen die AusbilderInnen über zeitgemäße Lehr- und Lernmethoden verfügen. In pädagogischer Hinsicht akzentuieren die Ausbilder/innen in mehrerlei Hinsicht Betreuungsfunktionen, bei welchen vor allem die Individualität der Jugendlichen akzeptiert und gehandhabt werden muss. Es geht dabei zentral darum, diese persönlich anzunehmen, ihre Stärken zu fördern und Lösungen für ihre Defizite zu finden. Dies sollte möglichst früh und mit präventiver Ausrichtung stattfinden. Zudem gilt es, die Jugendlichen im Aufbau von Selbstwirksamkeit und Selbstwertgefühl sowie reifer Berufs- und Lebensperspektiven zu unterstützen. Persönlich sollten diese Ausbilder/innen emotional stabil und empathisch sein, dabei aber in der Lage, sich individuell abzugrenzen. Gegenüber schwierigen Umgangsformen der Jugendlichen, wie z. B. fehlender Wertschätzung für die eigene Person, sollten sie resilient sein. Sie müssen Antinomien verstehen und ertragen können, zudem sollten sie bereit sein, andere Kulturen zu verstehen und anzunehmen. Auch müssen sie in der Lage sein, eine autoritative Grundhaltung zu vermitteln, welche persönliche Zuwendung und gegenseitigen Respekt integriert.
Ob nun dieses prototypisch skizzierte Profil eines Ausbilders bzw. einer Ausbilderin für „Jugendliche mit Defiziten in der Ausbildungsreife“ nun tatsächlich so neu ist, wie die damit einhergehenden Herausforderungen für unsere Wirtschaft und Betriebe und ob dieses so fern von dem ist, wie sich unsere Ausbilder/innen aktuell selbst verstehen bzw. wie sie „sind“, bleibt an dieser Stelle offen. Auf Grund der sehr unterschiedlichen Zugänge zu diesem Beruf und den diesbezüglich auch sehr unterschiedlichen Qualifikationsansätzen und -wegen ist davon auszugehen, dass es bezüglich der jeweiligen Ausgangs- und Arbeitsmotivation, der didaktischen und insbesondere pädagogischen Grundeinstellungen und -ansätze sowie der persönlichen Eigenschaften und Einstellungen insbesondere gegenüber Auszubildenden, die mehr als eine fachliche Qualifikation erfordern, erhebliche Unterschiede gibt. Diese Unterschiede sind jedoch seit jeher weitgehend Folge individueller Biografien, kaum jedoch gezielter und konzeptionell umgesetzter Bildungs- und Entwicklungsprozesse. Will man also hier einen Wandel einleiten, gilt es, die Curricula und Konzepte für betriebliche Ausbilder in Industrie und Handwerk zu erweitern. Eine erste Orientierung dafür könnte das hier umrissene Profil bieten, wobei dies in jedem Falle für die jeweiligen Bezugsräume und Adressaten entsprechend differenziert und angepasst werden müsste. Je schneller und wirksamer eine Branche oder ein Industriezweig dies umsetzt, desto größer sind deren Chancen, ein „ausbildungsreifer Lernort“ zu werden und damit auch trotz des in den kommenden Jahren anhaltenden Bewerbermangels Auszubildende zu finden, um ihre betrieblichen Bedarfe zu decken, aber auch um ihrem gesellschaftlichen Auftrag gerecht zu werden.
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