Spezial 7
Über bwp@
bwp@ ... ist das Online-Fachjournal für alle an der Berufs- und Wirtschaftspädagogik Interessierten, die schnell, problemlos und kostenlos auf reviewte Inhalte und Diskussionen der Scientific Community zugreifen wollen.
Spezial 7 als Buch
Spezial 7 ist seit Dez. 2013 auch im EUSL-Verlag als Buch veröffentlicht.
Newsletter
bwp@ Spezial 7 - November 2013
Weiterentwicklung dualer Berufsausbildung: Konsekutiv, kompetenzorientiert, konnektiv. Erfahrungen und Impulse aus dem Schulversuch EARA
Hrsg.:
, , &Der Übergang von der Schule in den Beruf: Rahmenbedingungen und aktuelle Herausforderungen
Berufliche Ausbildung findet im Kontext gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen statt, die Zugangswege, institutionelle Angebote und curriculare Strukturen der beruflichen Bildung beeinflussen. Während in den letzten beiden Dekaden der Zugang zur Ausbildung und die Benachteiligung bestimmter Gruppen am Ausbildungsmarkt die bildungspolitischen und wissenschaftlichen Diskussionen beherrschten, bestimmt nunmehr vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung die Sorge um den Fachkräftenachwuchs die Diskussionen. Im vorliegenden Beitrag wird die Entwicklung des Ausbildungsmarkts vor dem Hintergrund der Veränderungen in den externen Rahmenbedingungen beruflicher Ausbildung erörtert. Insbesondere wird dabei auf die Folgen der demografischen Entwicklung für den Ausbildungsmarkt eingegangen. Die demografische Entwicklung hat auf die berufliche Bildung sowohl direkte Effekte (Zahl der Ausbildungsnachfrager) als auch indirekte Effekte, die vor allem in der sozialen, bildungsbezogenen und ethnischen Zusammensetzung der Ausbildungsnachfrager (Struktur- und Kompositionseffekte) ihren Ausdruck finden. Da sich demografische Entwicklungen regional sehr verschieden darstellen, werden auch regionalspezifische Konsequenzen für die Ausbildungsmärkte und die Sicherung des Fachkräftenachwuchses angesprochen. Das Bildungsverhalten der Heranwachsenden selbst ist ein weiterer Einflussfaktor auf die berufliche Bildung. Hier zeichnet sich eine wachsende Konkurrenz zwischen Hochschulen und Betrieben um gute Bewerber/-innen ab. Die qualifikations- und berufsfeldbezogene Deckung des künftigen Arbeitskräftebedarfs verweist daher auf die Notwendigkeit einer aktiven Rolle des Bildungswesens, wobei der beruflichen Bildung in der Gestaltung von Übergangsprozessen und der Förderung bestimmter, bisher am Ausbildungsmarkt benachteiligter, Gruppen eine zentrale Aufgabe zukommt.
1 Berufliche Ausbildung im Kontext gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen
Der Übergang in eine berufliche Ausbildung wird aus der Sicht der Individuen als eine wichtige Statuspassage betrachtet, in der ein Wechsel zwischen Identitätssegmenten stattfindet (KUTSCHA 1991). Dieser ist in systemisch-gesellschaftliche und individuelle Strukturen eingebettet und trägt dazu bei, wichtige Weichenstellungen für den Lebenslauf sowie die Berufs- und Erwerbskarriere zu treffen.
Trotz steigender Studiennachfrage münden nach wie vor rund 60% der Jugendlichen eines Abschlussjahrgangs zunächst in einem der drei Teilbereiche des beruflichen Bildungssystems (duale Ausbildung, vollzeitschulische Ausbildung bzw. Schulberufssystem, Übergangssystem). Traditionell bildet die duale Ausbildung den Kern und den quantitativ größten Bereich des beruflichen Bildungssystems. Stabil bei einem Anteil von rund 20% liegt die vollzeitschulische Ausbildung, das Übergangssystem hingegen, in dem Jugendliche ohne Ausbildungsplatz einmünden, nimmt nach wie vor einen substanziellen Anteil von rund 30% ein. In den letzten fünf bis sieben Jahren haben sich die Konstellationen am Ausbildungsmarkt deutlich verschoben: So ist der Anteil am Übergangssystem – bedingt durch eine demografisch rückläufige Nachfrage nach Ausbildungsplätzen – deutlich gesunken. Dies geschah zugunsten eines inzwischen bei rund 50% liegenden Anteils an Jugendlichen, die eine betriebliche Ausbildung beginnen (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGBERICHTERSTATTUNG 2012, 102). Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass sich – aufgrund einer weiterhin demografisch bedingt sinkenden Nachfrage am Ausbildungsmarkt – das Problem des Übergangssystems von selbst löst. Es ist also nicht garantiert, dass alle nachfragenden Jugendlichen auch mit einem Ausbildungsplatz versorgt werden können.
Die in den Jahren 1990 bis 2005 ausgesprochen schwierige Situation am Ausbildungsmarkt, die zu einem Anteil des Übergangssystems von knapp 40 % an den Neuzugängen in eine berufliche Ausbildung geführt hat, verharrt allerdings mit aktuell 30% der Neuzugänge auf relativ hohem Niveau (vgl. AUTORENGRUPPEBILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2012, 102). Die Verschiebungen zwischen den drei Teilsystemen der beruflichen Bildung werden von verschiedenen Faktoren und Prozessen beeinflusst, u.a. durch demografische Prozesse, durch wirtschaftliche Entwicklungen, einen strukturellen Wandel, technologische Innovationen und eine zunehmende Globalisierung bzw. Internationalisierung von Märkten. Auch die Struktur, Organisation und Ergebnisse von Bildungsprozessen selbst sowie berufsbildungs- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und Entscheidungen haben Einfluss auf die Entwicklung der drei Sektoren der beruflichen Bildung. Es würde das Anliegen des Beitrags übersteigen, die genannten Faktoren und Interdependenzen im Detail aufzuzeigen und deren Effekte auf Übergangsprozesse in eine Ausbildung zu diskutieren. Es sollen jedoch zentrale Determinanten, die die berufliche Ausbildung auch in den Folgejahren nachhaltig tangieren, beleuchtet werden. Zu diesen zentralen Faktoren zählen gesellschaftliche und ökonomische Rahmenbedingungen wie demografische und wirtschaftliche Prozesse sowie sozioökonomische Aufwachsensbedingungen der Jugendlichen, aber auch das Bildungsverhalten der Heranwachsenden, das das Nachfrageverhalten nach beruflicher Ausbildung stark bestimmt (vgl. dazu auch Abschnitt 1.2).
Zum Einfluss der demografischen Entwicklung:
Die demografische Entwicklung berührt das Berufsbildungssystem in zweifacher Weise: zum einen in Form eines sog. „Volumeneffekts“, der Einfluss auf die Zahl der Bildungsnachfrager nach beruflicher Ausbildung hat, zum anderen in Form eines sog. Kompositionseffekts, der die sozialstrukturelle Zusammensetzung der Ausbildungsplatznachfrager bestimmt (vgl. SEEBER et al., 2013). Da sich demografische Prozesse regional sehr unterschiedlich vollziehen, wirken sich beide Effekte auf die einzelnen Regionen sehr unterschiedlich aus. Während für ostdeutsche Flächenländer ein massiver Rückgang in der Ausbildungsplatznachfrage zu erwarten ist, zum Teil auch in bestimmten Regionen westdeutscher Flächenländer, ist für die Stadtstaaten wie Hamburg, Berlin und Bremen sowie für Ballungszentren wie Stuttgart, Frankfurt und München von einer demografisch stabilen Entwicklung auszugehen. Allerdings treten hier starke kompositionelle Veränderungen der Zusammensetzung künftiger Ausbildungsplatznachfrager auf. Dies hängt in erster Linie mit der für verschiedene Bevölkerungsgruppen unterschiedlich verlaufenden demografischen Entwicklung und mit Wanderungsprozessen zusammen. So weist beispielsweise die Gruppe mit Migrationshintergrund einen deutlich höheren Anteil jüngerer Alterskohorten auf als Gruppen ohne Migrationsgeschichte. Während sich circa 28% der Personen ohne Migrationshintergrund im Jahre 2010 in der Nacherwerbsphase und nur 15% in der Vorerwerbsphase befanden, zeigt sich bei Personen mit Migrationshintergrund ein umgekehrtes Bild. Die zukünftige Generation an Nachfragern nach beruflicher Ausbildung wird sich also in ethnischer und sozialstruktureller Zusammensetzung von der gegenwärtigen deutlich unterscheiden. Künftig wird folglich dem Ausbildungsmarkt eine Gruppe zur Verfügung stehen, die dort bisher weniger gut integriert ist und andere Bildungsbiografien sowie -abschlüsse aufweist als die bisherigen Ausbildungsanfänger (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2010, 197ff.; SEEBER et al., 2013).
Zum Einfluss der wirtschaftlichen Entwicklung:
Die Diskrepanzen zwischen betrieblichem Ausbildungsangebot und Nachfrage hängen – neben demografischen Trends – auch von globalen wirtschaftlichen Entwicklungen ab, die ein hohes Maß an Unsicherheit erzeugen. Beschäftigungs- und Bildungssysteme kanalisieren diese Unsicherheit und beeinflussen so die Möglichkeiten des Berufseinstiegs, aber auch die der Weiterbildung und des lebenslangen Lernens. BLOSSFELD (2008) verweist auf eine in vielen Industrieländern wachsende Unsicherheit innerhalb der Berufs- und Erwerbslaufbahnen. Von dieser Ungewissheit sind Jugendliche und junge Erwachsene, vor allem jene mit geringer Bildung und am Beginn von Berufslaufbahnen stehende Personen, stärker betroffen als diejenigen, die bereits im Erwerbsleben etabliert sind. Die mit den Globalisierungsprozessen einhergehende Verkürzung der Planungsvorläufe in der Personalentwicklung führt dazu, dass Unternehmen in der Abwägung zwischen kurzfristig anfallenden Kosten und erst mittelfristig anfallenden Ausbildungserträgen sich – zumindest in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – gegen eine Ausbildung entscheiden. Durch ein reduziertes Ausbildungsengagement der Unternehmen und eine steigende Selektivität an der ersten Schwelle, aber auch durch die Anforderungen einer lernenden Gesellschaft an die Individuen gewinnen individuelle Ressourcen an Bedeutung.
Infolge des Strukturwandels hin zu einer wissensbasierten Ökonomie verändern sich viele Berufsbilder und Anforderungsprofile, tendenziell in Richtung anspruchsvollerer Tätigkeiten. Nicht zuletzt schlägt sich dies auch in einer Berufssegmentation nach Vorbildungsstruktur nieder, die zur Auflösung der sich historisch heraus gebildeten Entsprechung von Schulabschlüssen und beruflichen Laufbahnen geführt hat. Diese Berufssegmentation drückt sich im Wandel der schulischen Vorbildungsstruktur aus. Der Mittlere Schulabschluss ist zur faktischen Eingangsqualifikation für die duale Ausbildung geworden mit der Gefahr sozialer Schließungstendenzen für bestimmte Gruppen (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGBERICHTERSTATTUNG 2008, 110; GREINERT/ BRAUN 2005). Diese Entwicklungen haben zu einer Herausbildung von drei bis vier großen Berufssegmenten bei den quantitativ bedeutsamsten Ausbildungsberufen nach schulischer Vorbildung geführt (vgl. ebd., 110, 111). Den Jugendlichen mit niedrigen Abschlüssen oder ohne Schulabschluss stand dabei in den letzten beiden Dekaden nur noch das unterste Berufssegment mit einfachen handwerklichen Berufen und einer kleineren Gruppe an Berufen in Industrie, Handel, Land- und Forstwirtschaft offen.
Zu den sozioökonomischen Aufwachsensbedingungen von Kindern und Jugendlichen:
Zu den gut dokumentierten Befunden der Bildungsforschung gehört, dass sich Risikolagen von Kindern und Jugendlichen nachteilig auf Bildungs- und Berufskarrieren auswirken können. In diesem Zusammenhang werden vor allem drei Risikolagen thematisiert, die einen ungünstigen Einfluss auf die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen haben können: Wenn die Eltern nicht in das Erwerbsleben integriert sind (soziales Risiko), ein geringes Einkommen haben (finanzielles Risiko) und/oder über einen niedrigen Bildungsabschluss (kein Abschluss der Sekundarstufe II) verfügen (Risiko der Bildungsferne) (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2010, 27). Zwar hat sich der Anteil an Kindern, die in allen drei Risikolagen aufwuchsen in den letzten Jahren systematisch verringert und lag 2010 bei rund 3%; bei Kindern mit Migrationshintergrund ist er jedoch mit 7% mehr als doppelt so hoch) mit einer erheblichen Streuung zwischen den ethnischen Gruppen. Etwa 10% der Kinder und Jugendlichen wachsen in Elternhäusern auf, in denen kein Elternteil im Erhebungsjahr 2010 erwerbstätig war. Bei den Heranwachsenden aus immigrierten Familien und bei jenen, die nur mit einem Elternteil aufwachsen, lag dieser Anteil deutlich höher. Der Anteil an Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen Elternhäusern ist in den letzten Jahren ebenfalls rückläufig und liegt bei ca. 12%. Auch hier unterscheidet sich wiederum die Situation zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen: Aufwachsende mit nur einem Elternteil sowie Kinder und Jugendliche aus Einwanderungsfamilien sind häufiger vom Risiko der Bildungsferne betroffen, auch hier wieder mit erheblichen Unterschieden zwischen den Herkunftsländern. Insgesamt wuchsen 2010 ca. 29% der 13,6 Millionen Heranwachsenden unter 18 Jahren mit mindestens einer Risikolage auf (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2010, 25, 26).
Abb. 1: Risikolagen der unter 18-Jährigen 2010 nach Ländern (in %) (Quelle: AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2010, 26)
Wie die oben stehende Grafik zeigt, waren die Risikolagen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich verteilt. In den Stadtstaaten wie Berlin und Bremen lebten 2010 mehr als 40% der unter 18-Jährigen in mindestens einer Risikolage. In Mecklenburg-Vorpommern lag der Anteil mit 40% ebenfalls sehr hoch. Bayern hingegen wies mit 20% den niedrigsten Prozentsatz auf. In einem bildungsfernen Elternhaus wachsen besonders häufig Kinder und Jugendliche in Bremen (25%), Berlin (21%), Hamburg (17%) und Nordrhein-Westfalen auf (16%) auf (vgl. Abbildung 1). Die Bildungsnähe der Elternhäusern wirkt meist in zweifacher Weise, zum einen als unmittelbare Unterstützung für Lernprozesse und in Form von Lerngelegenheiten, die durch das Elternhaus bereitgestellt werden, zum anderen über Bildungsentscheidungen, die Eltern für ihre Kinder bzw. mit ihren Kindern treffen, auch unter Nutzung sozialer Netzwerke und Beziehungsstrukturen (vgl. z. B. MAAZ et al. 2010; BAUMERT/ STANAT/ WATERMANN 2006). Auch in der beruflichen Ausbildung konnten – trotz beginnender Ablösungsprozesse der Jugendlichen vom Elternhaus – solche Einflüsse noch nachgewiesen werden. Insbesondere konnte der Einfluss des Elternhauses für den Übergang in eine berufliche Ausbildung belegt werden. So wurde beispielsweise für Hamburg anhand der ULME-I-Studie (vgl. LEHMANN et al. 2005) aufgezeigt, dass unter Kontrolle kognitiver Eingangsvoraussetzungen der Bildungshintergrund des Elternhauses für eine erfolgreiche Einmündung in eine betriebliche oder vollzeitschulische Ausbildung und für die Besetzung attraktiver Ausbildungsplätze bedeutsam ist (vgl. SEEBER 2011, 60; SEEBER 2013, 84). Untersuchungen an Berliner Schulen zum Bewerbungsverhalten und zur Einmündung in eine berufliche Ausbildung verwiesen auch bei Kontrolle des Bewerbungsverhaltens (Bewerbungsaktivitäten und Zahl der Vorstellungsgespräche) auf eine bessere Erfolgsquote (Ausbildungszusage) bei Jugendlichen aus höheren Sozialschichten (NAGY/ KÖLLER/ HECKHAUSEN 2005, 166). Bislang ist kaum systematisch untersucht, worauf dieser Vorteil beruht. Ob er etwa auf soziale Netzwerke zurückzuführen ist oder auf milieuspezifische Kommunikations- und Interaktionsmuster oder auch durch Muster bewusster und damit illegitimer sozialer Selektion durch aufnehmende Institutionen (z. B. zur Benachteiligung von Personen mit Migrationshintergrund am Ausbildungsmarkt vgl. SEIBERT/ SOLGA 2005). Für den Bildungsverlauf im allgemeinbildenden Bereich wurden derartige Vorteile vor allem im Zusammenhang mit Bildungsentscheidungen für weiterführende Schulen beobachtet (vgl. die Befunde der LAU-Studie in LEHMANN/ PEEK 1997; die Befunde aus den PISA-Studien in BAUMERT/ STANAT / WATERMANN 2006 und aus weiteren Large-Scale-Assessments in MAAZ et al. 2010).
2 Zur Ausbildungssituation
2.1 Angebot, Nachfrage und Passungsprobleme in der beruflichen Ausbildung
Trotz in den letzten Jahren verbesserter Angebots-Nachfrage-Relation (ANR) am Ausbildungsmarkt insgesamt zeichnet sich für einige Bundesländer eine immer noch sehr angespannte Situation ab. In Hamburg kommen auf 100 gemeldete Ausbildungsplatznachfrager (inkl. Altbewerber mit Alternative) 93,5 gemeldete Ausbildungsstellen (vgl. BIBB 2012, Tab. A1.1-3. http://datenreport.bibb.de/media2012/tab_a1_1-3.pdf). Diese ANR liegt damit nachweislich unter einem ausgeglichenen oder gar günstigen Stellenangebot, von dem bei etwa 105 bzw. über 110 Stellen auf 100 Nachfrager gesprochen wird.
In zeitlicher Perspektive hat sich die Angebots-Nachfrage-Relation in den letzten vier Jahren von einem hohen Anteil ungünstiger Angebots-Nachfrage-Verhältnisse (maximal 90 Ausbildungsplätze auf 100 Ausbildungsplatzbewerber) deutlich zugunsten eines wachsenden Anteils relativ günstig ausgeprägter Verhältnisse (102,1 bis 109,9 Ausbildungsplätze auf 100 Ausbildungsplatzbewerber) entwickelt. Dennoch erreichen bundesweit nur 7,4% der Arbeitsagenturbezirke eine günstige Relation, bei der auf 100 Bewerber/-innen mindestens 110 Stellenangebote kommen (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2012, 107ff.).
Die Passungsprobleme zwischen Nachfrage nach beruflicher Bildung und dem Angebot an dualen oder vollzeitschulischen Ausbildungsplätzen werden einerseits auf der Grundlage markttheoretischer Ansätze beschrieben (Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur, gestiegene Qualifikationsanforderungen). Andererseits wurden pädagogisch-psychologische Argumente einer unzureichenden Ausbildungsreife eines Teils der um Ausbildung nachfragenden Jugendlichen für die Erklärung der Passungsprobleme angeführt. Diese Argumente schienen in den Befunden zum Leistungsstand deutscher Schülerinnen und Schüler aus internationaler Schulleistungsstudien eine gewisse Bestätigung zu finden und verstärkten so die Debatten um die Diskrepanz zwischen den Anforderungen an eine Ausbildung und den (unzureichenden) Ressourcen der Jugendlichen, diese erfolgreich zu bewältigen, verstärkte (SEEBER 2011). Die (empirische) Bildungs- und Berufsbildungsforschung hat sich bisher nur zögerlich des Themas der „Minimalvoraussetzungen“ für eine Ausbildung angenommen, die zumeist mit dem Begriff der „Ausbildungsreife“ umschrieben werden (zu ersten Auseinandersetzungen mit dem Konzept der Ausbildungsreife vgl. SCHOBER 2005). Zwar liegt zum Übergang zwischen allgemeinbildender Schule und Berufsausbildung eine Vielzahl von Einzelstudien vor, jedoch vornehmlich im Rahmen der Modellversuchsbegleitforschung, deren Befunde sich kaum aufeinander beziehen lassen und nur begrenzt verallgemeinerbar sind. Nicht selten dienten sie der Rechtfertigung bereits getroffener bildungspolitischer Entscheidungen und konzentrierten sich daher stärker auf Implementationsfragen von Programmen, u. a. auch zur Verbesserung der Ausbildungsreife (zur Kritik vgl. NICKOLAUS 2006). Auch gestattet der häufige Fokus auf bestimmte benachteiligte Gruppen (z. B. im Feld der beruflichen Rehabilitation) nur bedingt Rückschlüsse auf generelle Aspekte der Ausbildungsfähigkeit. Zumeist sind diese angesichts der dort thematisierten spezifischen Problemlagen nur bedingt aussagekräftig in Bezug auf die allgemeinen Voraussetzungen der Jugendlichen für die Aufnahme und das erfolgreiche Absolvieren einer Ausbildung.
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema ist dadurch charakterisiert, dass sie in unterschiedlichen Bezugswissenschaften geführt wird, sich damit auf unterschiedliche Paradigmen und zum Teil inkompatible Terminologien bezieht und somit verschiedene Perspektiven einnimmt (sozialisationstheoretische, lerntheoretische, arbeits- und berufspsychogische, didaktische, pädagogische – vgl. die Beiträge zu solchen unterschiedlichen Zugangsweisen in SCHLEMMER/ GERSTBERGER 2008). DOBISCHAT, KÜHNLEIN und SCHURGATZ (2012) verweisen auf die Ambivalenzen des Begriffs „unzureichender Ausbildungsreife“, der vor allem im Kontext des Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt zwischen 1990 und 2005 Konjunktur erlebt hat und dessen empirische Bestimmung – trotz Bemühungen (vgl. den Kriterienkatalog der Ausbildungsreife in Bundesagentur für Arbeit 2006) – bisher nach wie vor aussteht. Sicherlich ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass ein Teil der Jugendlichen, die die Schule verlassen und eine berufliche Ausbildung anstreben, erhebliche Probleme im Bereich der mathematischen, naturwissenschaftlichen und sprachlichen Grundqualifikationen aufweist. Mit Blick auf die Ziele beruflicher Ausbildung wie berufliche Tüchtigkeit und Mündigkeit, Kompetenzen zum lebenslangen (Weiter-)Lernen und zu einer aktiven gesellschaftlichen Teilhabe ist zu hinterfragen, ob diese für die Betroffenen in dem vorgesehenen Ausbildungszeitrahmen erreichbar sind. Hier stimmen nicht nur die Befunde aus den PISA-Studien zu den Risikogruppen nachdenklich, sondern auch jüngere Befunde aus der Analphabetenstudie, der sog. Level-One-Studie (LEO-Studie), nach der14,5% der hiesigen Bevölkerung Merkmale des funktionalen Analphabetismus aufweist (Alpha-Level 1 bis 3). Die betroffenen Personen sind doppelt so oft von Arbeitslosigkeit und wesentlich häufiger von Nichterwerbstätigkeit betroffen als Personen auf darüber liegenden Literalitätsniveaus (GROTLÜSCHEN/ RIECKMANN 2012). Von Analphabetismus betroffen sind Personen in allen Altersgruppen, wenngleich in der jüngeren Altersgruppe (18 bis 29 Jahre), die in den Bereich des typischen Ausbildungsalters fällt, der Anteil mit 12,6% niedriger liegt als in den höheren Altersgruppen (GROTLÜSCHEN/ RIECKMANN 2011, 4).
Daran ändern auch die Reformvorhaben des Übergangssystems in Hamburger und Nordrhein-Westfalen wenig, die zwar eine Diagnostik der „Ausbildungsreife“ einschließen, jedoch bleiben Operationalisierung und notwendige Verfahren für die Messung und Bestimmung weitgehend ungeklärt (zur Kritik vgl. auch DOBISCHAT/ KÜHNLEIN/ SCHURGATZ 2012, 69). Gleichwohl machen die Diskussionen um die Qualifikationen und Dispositionen der Ausbildungsplatznachfrager auf das Problem der Grundqualifikationen und jener Dispositionen aufmerksam, die Heranwachsende benötigen, um sich sozial, politisch und ökonomisch integrieren zu können und eine selbstbestimmte Lebensweise im Rahmen gesellschaftlich akzeptierter Normen zu realisieren. Inzwischen liegen durchaus empirisch fundierte Antworten zu den Voraussetzungen der Jugendlichen gegen Ende der Pflichtschulzeit und damit dicht am Übergang in eine berufliche Ausbildung vor. Dazu zählen Befunde zur Entwicklung der Fachleistungen in den vergangenen Jahrzehnten (ein Überblick bei TRAUTWEIN et al. 2008; auch z. B. BECKER et al. 2006), zu den Leistungsständen der Schüler gegen Ende der Pflichtschulzeit (vgl. KLIEME et al. 2010), Studien zu Leistungsentwicklungsverläufen in der Sekundarstufe I und teilweise darüber hinaus (z. B. die Hamburger Studien LAU und KESS, vgl. BEHÖRDE FÜR SCHULE UND BERUFSAUSBILDUNG 2011, 2012; BOS/ PIETSCH 2006; BOS/ BONSEN/ GRÖHLICH 2009; BOS/ GRÖHLICH 2010) sowie Untersuchungen zum Zusammenhang von Leistungen, Zertifikaten, Schulnoten, Studienerfolg und Ausbildungserfolg (z. B. NAGY 2006; SEEBER 2011, SEEBER 2013). In begrenztem Umfang sind auch ausgewählte Studien zu Ausbildungsvoraussetzungen der Jugendlichen (vgl. LEHMANN et al. 2005) und Wirkungen berufsvorbereitender Maßnahmen verfügbar (vgl. LEHMANN/ SEEBER/ HUNGER 2006).
2.2 Disparitäten im Ausbildungszugang
Soziale Disparitäten liegen vor, wenn Menschen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Position sowie ihrer sozialen Stellung von den wichtigen und wertvollen Gütern einer Gesellschaft (z. B. Einfluss, Wohlstand, Bildung) mehr erhalten als andere bzw. wenn Menschen von diesen ausgeschlossen werden (HRADIL 2001). Bildung gehört daher in einer „lernenden Gesellschaft“, wie moderne Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften auch betrachtet werden können, zu den Basisdimensionen sozialer Ungleichheit. Wie Daten belegen, ist für die ökonomische Teilhabe eine berufliche Ausbildung fast eine zwingende Voraussetzung. Denn Personen ohne beruflichen Abschluss sind häufiger und länger arbeitslos, scheiden eher aus dem Erwerbsleben aus, ihr Einkommen ist geringer und ihre Erwerbsbiografien sind stärker von Unterbrechungen gekennzeichnet. In der privaten und beruflichen Weiterbildung sind sie geringer vertreten als Personen mit beruflicher Ausbildung oder mit Tertiärabschluss. Schließlich partizipieren Menschen ohne beruflichen Abschluss auch weniger am politischen und kulturellen Leben in unserer Gesellschaft (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2010, 199ff.).
Disparitäten nach Schulabschluss
Wie die nachfolgende Grafik (Abbildung 2) zeigt, haben sich die Möglichkeiten der Teilnahme an einer betrieblichen Ausbildung von Jugendlichen ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss zwischen 1995 und 2006 verringert. 2010 ist für Personen mit Hauptschulabschluss eine leicht steigende Integration festzustellen, geringfügig bessere Chancen für eine Ausbildungsaufnahme zeichnen sich für Personen ohne Schulabschluss ab.
Abb. 2: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge nach schulischer Vorbildung 1995 bis 2010 (Quelle: AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2012, 281)
Allerdings macht das gestiegene Eintrittsalter in eine berufliche Ausbildung für Personen ohne Schulabschluss und mit Hauptschulabschluss auf nach wie vor bestehende Problemlagen im Ausbildungszugang aufmerksam. Wird von den Jugendlichen mit Hochschulzugangsberechtigung bei Eintritt in die berufliche Ausbildung, die durch eine längere Schulzeit bis zur Fachhochschulreife oder zum Abitur ein höheres Eintrittsalter aufweisen, einmal abgesehen, so weisen Jugendliche ohne Hauptschulabschluss mit 19,9 Jahren das höchste Durchschnittsalter bei Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung auf. Darauf folgen die Jugendlichen mit Hauptschulabschluss (19,2 Jahre), deren Eintrittsalter immer noch oberhalb des Alters der Neuzugänge in betriebliche Ausbildung mit mittlerem Schulabschluss liegt. Abbildung 3 zeigt, dass die Jugendlichen ohne Schulabschluss faktisch in allen Ausbildungsbereichen das höchste Durchschnittsalter (ohne Abiturienten) aufweisen. Besonders auffällig sind darüber hinaus die hohen Altersstreuungen, und zwar auf allen Abschlussniveaus. Besonders ausgeprägt sind diese jedoch in den Gruppen ohne bzw. mit maximal Hauptschulabschluss, die eine besondere berufspädagogische Herausforderung an das Lehrpersonal in der beruflichen Ausbildung stellen (AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2012, 105/106, vgl. auch ACHTENHAGEN 2004).
Abb. 3: Durchschnittliches Alter der Auszubildenden zum Zeitpunkt des Vertragsbeginns 2010 nach Schulabschluss* und ausgewählten Ausbildungsbereichen (in %) (Quelle: AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2012, 106)
Sowohl diejenigen ohne Schulabschluss als auch die Gruppe der erfolgreichen Hauptschulabsolventen mit 19 bis beinahe über 20 Jahren deutlich über dem üblichen Alter bei Verlassen der allgemeinbildenden Schule. Wie Befunde der Schulabsolventenbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zeigen, sind diese beiden Gruppen von einer langen Verweildauer im Übergangssystem betroffen (vgl. BEICHT/ FRIEDRICH/ ULRICH 2008). Über Nutzen dieser Maßnahmen - deren Effekte auf die Kompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung- ist nur wenig bekannt, noch weniger sind diese systematisch untersucht. Hier stellt Hamburg mit der ULME-II-Studie (LEHMANN/ SEEBER/ HUNGER 2006) und der in der Verantwortung der Behörde für Schule und Berufsausbildung durchgeführten ELKE-Studien zur Lernentwicklung in den teilqualifizierenden Berufsfachschulen eine Ausnahme dar.
Für Hamburg ist die Situation der schulischen Vorbildung besonders einflussreich, haben hier doch Jugendliche ohne schulischen Abschluss kaum eine Chance auf einen Ausbildungsplatz. Gegenwärtig verlassen rund 8,8 % der Schüler/-innen die Schule ohne Hauptschulabschluss (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG2012), die am Hamburger Ausbildungsmarkt kaum Chancen haben. Mit einem Anteil von 34,4 % an Absolventen mit Hochschulzugangsberechtigung unter den Neuzugängen in betriebliche Ausbildung weist Hamburg unter den Bundesländern das höchste schulische Vorbildungsniveau auf. Dies ist sicherlich einerseits der Attraktivität des Hamburger Ausbildungsmarkts geschuldet, in dem viele leistungsstarke Jugendliche aus anderen Bundesländern einmünden (vgl. LEHMANN et al. 2005), andererseits aber auch der Hamburger Wirtschaftsstruktur mit einem hohen Anteil an Dienstleistungsberufen, für die zumeist mindestens mittlere oder höhere schulische Abschlüsse als Ausbildungsvoraussetzung verlangt werden. Lediglich ein Viertel der Auszubildenden mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag hat einen Hauptschulabschluss (ca. 23%) oder keinen Schulabschluss (ca. 2%).
Tabelle 1: Schulische Vorbildung der Auszubildenden mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag nach Ländern 2007
|
Auszubildende mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag und der schulischen Vorbildung |
|||||||||
Land |
Ohne allgemein-bildendem Abschluss |
Hauptschul-abschluss |
Realschul- oder gleichwertiger Abschluss |
Hochschul-/ Fachhoch-schulreife |
Im Ausland erworbener Abschluss (nicht zuzuordnen) |
|||||
|
absolut |
in % |
absolut |
in % |
absolut |
in % |
absolut |
in % |
absolut |
in % |
Baden-Württemberg |
1.750 |
2,2 |
28.329 |
35,0 |
35.985 |
44,4 |
12.102 |
14,9 |
2.845 |
3,5 |
Bayern |
4.555 |
4,4 |
45.479 |
44,2 |
41.542 |
40,4 |
10.339 |
10,1 |
893 |
0,9 |
Berlin |
1.025 |
4,7 |
6.251 |
28,5 |
8.363 |
38,1 |
5.898 |
26,9 |
417 |
1,9 |
Brandenburg |
1.313 |
6,8 |
5.008 |
26,1 |
8.088 |
42,1 |
3.924 |
20,4 |
865 |
4,5 |
Bremen |
177 |
2,9 |
1.369 |
22,3 |
2.502 |
40,7 |
1.798 |
29,3 |
294 |
4,8 |
Hamburg |
299 |
2,1 |
3.177 |
22,8 |
5.625 |
40,3 |
4.799 |
34,4 |
56 |
0,4 |
Hessen |
1.528 |
3,6 |
13.184 |
31,1 |
16.654 |
39,2 |
9.118 |
21,5 |
1.969 |
4,6 |
Mecklenburg-Vorpommern |
1.234 |
7,7 |
4.711 |
29,3 |
7.937 |
49,3 |
1.922 |
11,9 |
299 |
1,9 |
Niedersachsen |
2.120 |
3,6 |
15.026 |
25,3 |
28.204 |
47,4 |
10.389 |
17,5 |
3.701 |
6,2 |
Nordrhein-Westfalen |
4.334 |
3,3 |
35.505 |
27,1 |
48.091 |
36,7 |
36.233 |
27,6 |
6.991 |
5,3 |
Rheinland-Pfalz |
834 |
2,7 |
12.655 |
40,6 |
12.674 |
40,6 |
4.621 |
14,8 |
413 |
1,3 |
Saarland |
201 |
2,4 |
3.268 |
39,5 |
2.627 |
31,7 |
2.074 |
25,0 |
113 |
1,4 |
Sachsen |
1.278 |
4,1 |
7.929 |
25,5 |
16.739 |
53,7 |
4.630 |
14,9 |
568 |
1,8 |
Sachsen-Anhalt |
1.649 |
8,5 |
3.849 |
19,9 |
10.174 |
52,6 |
3.236 |
16,7 |
443 |
2,3 |
Schleswig-Holstein |
408 |
1,9 |
7.910 |
36,6 |
9.244 |
42,8 |
3.124 |
14,5 |
900 |
4,2 |
Thüringen |
862 |
4,7 |
4.420 |
24,4 |
9.511 |
52,4 |
2.831 |
15,6 |
527 |
2,9 |
Bundesgebiet |
23.567 |
3,8 |
198.070 |
31,7 |
263.960 |
42,3 |
117.038 |
18,8 |
21.294 |
3,4 |
(Quelle: BIBB 2009, Übersicht A5.4.1-2, http://datenreport.bibb.de/html/247.htm)
Migrationsbedingte Disparitäten
Auch wenn im Unterschied zu den letzten fünf Jahren 2011 wieder ein etwas höherer Anteil an Schulabsolventen unterhalb des mittleren Abschlusses erfolgreich in eine betriebliche Ausbildung einmünden konnte, so hat doch die vor allem durch die demografische Entwicklung verringerte Nachfrage nach Ausbildungsplätzen nichts an der Tendenz zu einem mittleren bzw. höheren Schulabschlüssen als faktische Zugangsbedingung in eine betriebliche und vollzeitschulische Ausbildung geändert. Nicht zuletzt verstärkt diese Situation auch die Benachteiligungen von Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte (BEICHT/ FRIEDRICH/ ULRICH 2008; GRANATO 2007; SEEBER 2011). Abbildung 4 zeigt die Verteilung der Neuzugänge auf die drei Sektoren des Berufsbildungssystems nach schulischer Vorbildung und Staatsangehörigkeit. Mit dem Merkmal der Staatsangehörigkeit, das in der Ausbildungsstatistik zur Verfügung steht, wird nur eine Teilgruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund erfasst, Problemlagen für diese Jugendlichen werden daher systematisch unterschätzt. Erweiterte Konzepte stehen nur in ausgewählten Länderberichtssystemen oder in Surveys und Schulabsolventenbefragungen zur Verfügung.
Abb. 4: Verteilung der Neuzugänge auf die drei Sektoren des Berufsbildungssystems 2010 nach schulischer Vorbildung und Staatsangehörigkeit (in %)* (Quelle: AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2012, 276)
Wie aus der Abbildung ersichtlich wird, setzen sich bildungsbezogene Disparitäten für Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte auch in der beruflichen Ausbildung fort. Von den ausländischen Jugendlichen ohne Schulabschluss münden rund sieben Achtel in das Übergangssystem. Bei den Jugendlichen mit deutscher Staatsangehörigkeit liegt dieser Anteil mit rund 70% etwas niedriger. Etwa zwei Drittel der ausländischen Jugendlichen mit Hauptschulabschluss finden keinen Zugang zu einer betrieblichen oder vollqualifizierenden Ausbildung, während dies unter den Nachfragenden mit deutscher Staatsangehörigkeit etwa 45% sind. Wie für Hamburg auch gezeigt werden konnte, sind Jugendliche mit Migrationshintergrund (erfasst über das Merkmal einer nichtdeutschen Familiensprache) beim Übergang in eine berufliche Ausbildung auch unter Kontrolle ihrer kognitiven Eingangsvoraussetzungen und des familiären Hintergrunds von einer hohen Selektivität im Zugang zu einer betrieblichen Ausbildung betroffen. Selektivitätsmindernd wirkt das vollzeitschulische Berufsausbildungssystem, für das zum Beispiel anhand der Hamburger ULME-Studien gezeigt werden konnte, dass keine migrationsbedingten Disparitäten bei der Einmündung in das Schulberufssystem festgestellt werden konnten, wohl aber für die betriebliche Ausbildung (vgl. SEEBER 2011).
Aktuelle Daten der BA (Bundesagentur für Arbeit)/BIBB-Bewerberbefragung verdeutlichen auch für das Jahr 2011, dass bei Vorliegen eines Migrationshintergrunds die Chancen auf einen erfolgreichen Übergang in Ausbildung auch bei gleichzeitiger Berücksichtigung anderen Einflussfaktoren wie Schulabschuss und Zeugnisnoten sanken. Bei Betrachtung der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund getrennt nach den unterschiedlichen Herkunftsgruppen zeigen sich schlechtere Chancen zwar bei allen Gruppen, statistisch abgesichert ist dies jedoch nur für die Jugendlichen türkisch-arabischer Herkunft. Auch bei Vorliegen eines mittleren Schulabschlusses, so zeigen die Analysen, sind Bewerber/-innen türkisch-arabischer und osteuropäischer Herkunft beim Zugang in eine betriebliche Ausbildung im Vergleich zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund im Nachteil (BIBB 2012, http://datenreport.bibb.de/html/4695.htm). Für die Ausbildungssituation in Hamburg konnte die unterschiedliche Situation verschiedener ethnischer Gruppen beim Ausbildungszugang auch bei Kontrolle kognitiver und familiärer Hintergrundfaktoren aufgezeigt werden (vgl. SEEBER 2011).
Wie aus der Tabelle 2 hervorgeht, wirkt zwar die außerbetriebliche Ausbildung disparitätsmindernd für Jugendliche mit maximal Hauptschulabschluss, indes vermag sie kaum die zusätzlichen Nachteile für Jugendliche mit Migrationshintergrund kompensieren.
Tabelle 2: Einmündung in betriebliche bzw. betriebliche/außerbetriebliche Ausbildung in BBiG/HwO-Berufen (Berufsbildungsgesetz/ Gesetz zur Ordnung des Handwerks) nach Migrationshintergrund* und Schulabschlussniveau (Anteile je Personengruppe in %)1
Einmündung in Ausbildung |
ohne Migrations-hintergrund* |
mit Migrations-hintergrund |
davon: Herkunft aus: |
Insgesamt |
|||||
Ost- |
Süd- |
Türkei, arab- |
anderen Staaten |
||||||
Einmündung in betriebliche Ausbildung in BBiG/HwO-Berufe |
|||||||||
bei maximal Haupt-schulabschluss |
27,8 |
23,7 |
29,1 |
22,4 |
19,7 |
21,9 |
26,5 |
||
bei mittlerem Schulabschluss |
47,7 |
29,3 |
34,5 |
40,0 |
19,8 |
29,5 |
43,5 |
||
bei (Fach-) Hochschulreife |
53,5 |
44,9 |
48,7 |
59,2 |
26,4 |
45,0 |
51,7 |
||
Insgesamt |
41,8 |
28,0 |
33,6 |
32,8 |
20,1 |
27,5 |
38,1 |
||
Einmündung in betriebliche/außerbetriebliche Ausbildung in BBiG/HwO-Berufe |
|||||||||
bei maximal Haupt-schulabschluss |
40,6 |
34,7 |
41,7 |
34,9 |
27,1 |
37,4 |
38,7 |
||
bei mittlerem Schulabschluss |
51,1 |
32,2 |
37,1 |
42,2 |
22,9 |
33,9 |
46,8 |
||
bei (Fach-) Hochschulreife |
55,5 |
46,4 |
52,1 |
59,2 |
26,4 |
45,0 |
53,6 |
||
Insgesamt |
48,3 |
34,4 |
40,6 |
40,5 |
24,8 |
35,6 |
44,6 |
1Als „Einmündung“ gilt hier, wenn im Berichtsjahr 2009/2010 einschließlich der Nachvermittlungsphase (d. h. von Oktober 2009 bis Ende 2010/Anfang 2011) eine Ausbildung aufgenommen wurde, die bis zum Befragungszeitpunkt andauerte. Zwischenzeitlich bereits wieder beendete Ausbildungsverhältnisse konnten hierbei nicht berücksichtigt werden, da diese Information in der BA/BIBB-Bewerberbefragung nicht erhoben wurde. Basis: Bewerber/-innen des Vermittlungsjahres 2009/2010 (gewichtete Ergebnisse; ungewichtete Fallzahl: n = 4.566).
BA/BIBB-Bewerberbefragung 2010.
*Bewerber/-innen, die in Deutschland geboren wurden und alleine die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen und ausschließlich Deutsch als Muttersprache gelernt hatten, wurden als Deutsche ohne Migrationshintergrund eingeordnet; für alle anderen wurde von einem Migrationshintergrund ausgegangen.
(Quelle: BIBB 2012, Tab. A3.1-1. http://datenreport.bibb.de/media2012/tab_a3_1-1_mit-Tags.pdf)
Auch am Hamburger Ausbildungsmarkt stellt sich die Situation für Jugendliche aus Zuwanderungsfamilien sehr problematisch dar (vgl. Abbildung 5). Werden allein die ausländischen Schüler/-innen betrachtet, die in eine betriebliche Ausbildung einmünden, so zeigen die Daten (vgl. Abbildung 6), dass deren Anteil mit ca. 7% deutlich weniger als Hälfte des Ausländeranteils an Absolventen der allgemeinbildenden Schulen (ca. 18%) ausmacht (vgl. BEHÖRDE FÜR SCHULE UND BERUFSAUSBILDUNG HAMBURG 2009, 16).
Abb. 5: Anteil ausländischer Jugendlicher im dualen System und ausländischer Absolventen an allgemeinbildenden Schulen in Hamburg (Quelle: BEHÖRDE FÜR SCHULE UND BERUFSAUSBILDUNG HAMBURG 2009, 16)
Das Bild für die Situation von Schüler/-innen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit betrifft die vollqualifizierenden Berufsausbildungsangebote ( Berufsfachschulen, duales System), wo diese Schülergruppe unterrepräsentiert ist, während ausländische Jugendliche in den Angeboten des Übergangssystems (teilqualifizierende Berufsfachschulen, Berufsvorbereitungsschule) überrepräsentiert sind (Abbildung 6).
Abb. 6: Anteil der Schüler/-innen mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit in den verschiedenen Schulformen der berufsbildenden Schulen Hamburgs in den Schuljahren 2007/08 bis 2010/11 (in %) (Quelle: BEHÖRDE FÜR SCHULE UND BERUFSAUSBILDUNG HAMBURG 2011, 235)
Wird neben der ausländischen Staatsangehörigkeit, mit der das Ausmaß der Problemlagen für Schüler/-innen mit Migrationsstatus im Bildungswesen unterschätzt wird, ein erweitertes Migrationskonzept zugrunde gelegt (hier: Migrationshinweis: nichtdeutsche Familiensprache, ausländische Staatsangehörigkeit, Aussiedler), so weisen rund die Hälfte aller Schüler/-innen an der Berufsvorbereitungsschule in Hamburg einen Migrationshinweis auf (vgl. Abbildung 7). Auch an den beiden Formen der teilqualifizierenden Berufsfachschulen, die ebenfalls dem Übergangssystem zuzurechnen sind, sind mit mehr als einem Drittel der Schüler/-innen besonders häufig Jugendliche mit Migrationsgeschichte vertreten.
Abb. 7: Anteil der Schüler/-innen mit Migrationshinweis* in den berufsbildenden Schulen im Schuljahr 2010/11 (in %) (Quelle: BEHÖRDE FÜR SCHULE UND BERUFSAUSBILDUNG HAMBURG 2011, 235)
Gerade für diese Gruppen können Längsschnittstudien zeigen, dass die Übergangsverläufe mit höheren Risiken verbunden sind: Sie münden später, d.h. nach einer längeren Verweildauer im Übergangssystem als Jugendliche ohne Migrationshintergrund, in eine Ausbildung ein und ihre Erfolgsquote bei der Einmündung ist niedriger als die der Jugendlichen ohne Migrationsgeschichte. Etwa 2,5 Jahre nach Verlassen der allgemeinbildenden Schule sind 60% der Personen mit Migrationshintergrund in eine betriebliche Ausbildung eingemündet, bei den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund wird dieser Wert bereits nach 12 Monaten erreicht, nach 2,5 Jahren sind 77% der Personen ohne Migrationshintergrund eingemündet (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2008, 162, 163).
3 Zur Situation im beruflichen Übergangssystem
Vor dem Hintergrund der problematischen Lage am Ausbildungsmarkt, aber sicherlich auch als Reaktion auf wachsende Individualisierungsprozesse in den Bildungsverläufen und Lebensplanungen Heranwachsender haben sich vielfältige Wege des Übergangs zwischen Schule, Berufsausbildung und Arbeitsmarkt herausgebildet. Die nicht direkten Wege in eine Ausbildung, in ein Studium oder in den Arbeitsmarkt nach Verlassen der allgemeinbildenden Schule umfassen – neben Bundeswehr, Zivildienst, freiwilliges soziales oder freiwilliges ökologisches Jahr sowie Praktika – vor allem institutionalisierte Angebote wie berufsorientierende und berufsvorbereitende Maßnahmen sowie Angebote des Nachholens und der Verbesserung schulischer Abschlüsse und der Entwicklung allgemeiner kultureller Grundqualifikationen. Letztere werden zumeist kombiniert mit berufsorientierenden und berufsfachlichen Lernmöglichkeiten. KUTSCHA (2004, 167) verweist darauf, dass das breite Spektrum an Maßnahmen unterschiedliche Ursprünge hat und wie in keinem anderen Bereich der beruflichen Bildung die Problemfelder geprägt sind „durch die Unübersichtlichkeit der Bildungsangebote und der davon betroffenen Adressatenkreise, der beteiligten Kosten- und Durchführungsträger und der damit verbundenen Zuständigkeiten, der eingesetzten Ressourcen und der erbrachten Leistungen“.
Die hohe Vielfalt an Programmen und Maßnahmen lässt sich in drei Haupttypen an Maßnahmen unterscheiden:
- Schulische Maßnahmen, die auf die Verbesserung der individuellen Ausbildungsvoraussetzungen abzielen, das Nachholen von allgemeinbildenden Abschlüssen ermöglichen und zum Teil auch bereits berufsfachliche Qualifikationen vermitteln;
- Schulische Maßnahmen, die auf die Vermittlung beruflicher Qualifikationen gerichtet sind und nach Abschluss des ersten Jahres den Einstieg in das zweite Ausbildungsjahr ermöglichen sollen;
- Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit, die zum Teil eine engere Anbindung an betriebliche Lerngelegenheiten und Sozialisationsbedingungen durch Praktika aufweisen (z. B. Einstiegsqualifizierung) und die auf eine zielgerichtete Berufsorientierung sowie Verbesserung der individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten für die Aufnahme einer Ausbildung gerichtet sind (z. B. Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen).
Innerhalb dieser Hauptgruppen werden hoch differenzierte Maßnahmen für verschiedene Zielgruppen mit je spezifischen programmatischen Schwerpunktsetzungen angeboten, die zu einer Unübersichtlichkeit der Angebote und vor allem zu einer hohen Unsicherheit über die Effekte und Erträge dieser Angebote geführt haben (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2008, 165ff.; MÜNK/ RÜTZEL/ SCHMIDT 2008).
Insgesamt mehren sich die kritischen Stimmen, die auf Problemlagen im Übergangssystem aufmerksam machen. Beispielsweise verdeutlicht Abbildung 8 die schlechteren Einmündungschancen von den Altbewerber/-innen, die sich praktisch für alle Schulabschlussniveaus zeigen. Besonders große Differenzen in den Einmündungschancen zwischen Altbewerbern und Schulabsolventen des jeweiligen Berichtsjahrs zeigen sich bei Personen mit maximal Hauptschulschluss und mit mittlerem Schulabschluss. Knapp 60% der Altbewerber mit maximal Hauptschulabschluss münden nicht in eine vollqualifizierende Ausbildung ein (Abbildung 8).
Abb. 8: Verbleib der Altbewerber und sonstigen Bewerber des Berichtsjahrs 2009/2010 zum Jahresende 2010 nach Schulabschluss (%) (Quelle: BIBB 2011, Schaubild A3.2.1-1; http://datenreport.bibb.de/html/3670.htm)
Rund ein Viertel der Jugendlichen, die zunächst eine oder auch mehrere Maßnahme(n) im Übergangssystem wahrnahmen, sind nach eigenen Angaben in eine „Sackgasse“ geraten oder müssen sich mit einer „Notlösung“ zufrieden geben. Weniger als ein Drittel kann eine wunschgemäße berufliche Bildungsoption realisieren, während dies bei den Bewerbern aus dem aktuellen Schulabsolventenjahrgang einschließlich der Jugendlichen nach Abschluss von Bundeswehr, Zivildienst, freiwilligem sozialem oder ökologischem Jahr (in Abbildung 9 als „sonstige Bewerber/-innen“ bezeichnet) rund 41% sind.
Eine systematische Evaluation oder auch nur Indikatoren, die einen Vergleich zwischen verschiedenen Programmen und Maßnahmen über den Erfolg der Überbrückungs- und Chancenverbesserungsangebote zulassen, liegen bisher nicht vor. Zwar erfolgen Evaluationen auf der Programmebene, die jedoch durch die Nutzung unterschiedlicher Indikatoren keine oder allenfalls in ihrer Aussagekraft nur eingeschränkt Vergleiche erlauben. Bundesweit wird davon ausgegangen, dass etwa die Hälfte der Jugendlichen in Maßnahmen des Übergangssystem das Ziel der Ausbildungseinmündung, dual oder vollzeitschulisch, erreicht (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2008, 167, 168). Über den längerfristigen Verbleib der Teilnehmer des Übergangssystems und einem etwaigen Ausbildungsverlauf liegen meist keine Daten vor.
Abb. 9: Bewertung des Verbleibs zum Jahresende 2010 durch die Altbewerber und sonstigen Bewerber des Berichtsjahres 2009/ 2010 (in%) (Quelle: BIBB 2011, Schaubild A3.2.1-2; http://datenreport.bibb.de/html/3670.htm)
Diese skizzierte Situation spiegelt sich auch im Hamburger Übergangssystem wider. Bei den Übergangsangeboten der teilqualifizierenden Berufsfachschulen erreicht etwas mehr als die Hälfte der eingetretenen Schüler/-innen den mittleren Schulabschluss, bei der Höheren Handelsschule liegt die Erfolgsquote höher und beträgt rund drei Viertel (BEHÖRDE FÜR SCHULE UND BERUFSBILDUNG HAMBURG 2011, 263, 264). Die Berufsvorbereitungsschule in ihrer Ausprägung AVJ (Ausbildungsvorbereitungsjahr) zielt auf die Vermittlung in eine vollqualifizierende Ausbildung. Das Ziel einer betrieblichen Ausbildung wurde von ca. 30% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Schuljahr 2009/10 erreicht, rund 11% wechselten in das Berufsvorbereitungsjahr und weitere 9% in eine weiterführende Schule, wobei nicht ausgewiesen ist, ob es sich hierbei um eine vollqualifizierende Ausbildung im Schulberufssystem handelt oder um einen Schulform, in der ein (weiterer) Schulabschlussangestrebt wird (Tabelle 3).
Tabelle 3: Verbleib der Schüler/-innen im AVJ in Hamburg im Schuljahr 2009/10
Gesamtteilnehmerzahl im Schuljahr 2009/10 |
616 |
in % |
Wechsel in eine duale Ausbildung |
185 |
30,0 |
Wechsel in eine alternative Maßnahme (z. B. BVJ) |
70 |
11,4 |
Wechsel in weiterführende Schule |
57 |
9,3 |
Abbruch und Erwerbstätigkeit (Jobben) |
23 |
3,7 |
Abbruch und Arbeitslosigkeit |
26 |
4,2 |
Abbruch mit anschl. Praktik |
10 |
1,6 |
Abbruch und Wehr- oder Ersatzdienst, soziales Jahr |
4 |
0,6 |
Weiterer Verbleib ungeklärt bzw. nicht zu ermitteln |
241 |
39,1 |
Absolventenstatistik der Behörde für Schule und Berufsbildung 2009/2010
(Quelle: BEHÖRDE FÜR SCHULE UND BERUFSBILDUNG HAMBURG 2011, 270, Tab. D5.4-1)
Betrachtet man die Maßnahmen des Hamburger Übergangssystems insgesamt, also einschließlich der durch die Bundesagentur für Arbeit geförderten Maßnahmen, so fällt die Bilanz ernüchternd aus. Etwa die Hälfte der Jugendlichen, die in Vollzeitform eine Maßnahme des Übergangssystems begonnen haben, verlassen diese mit Abschlusszeugnis. Einen Schulabschluss haben von jenen Schülern mit Abgangszeugnis etwa 39% erhalten. In Teilzeit-Maßnahmen (z. B. Berufsvorbereitende Maßnahmen oder Einstiegsqualifizierung) fällt die Bilanz der erhaltenen Abschlusszeugnisse und der erworbenen allgemeinbildenden Schulabschlüsse nochmals deutlich ungünstiger aus. Relativierend ist anzumerken, dass es im Maßnahmenverlauf durchaus auch „positive Abbrüche“ in eine berufliche Ausbildung gibt, allerdings sind diese Übergangsquoten nicht systematisch erfasst und belegt (vgl. BEHÖRDE FÜR SCHULE UND BERUFSBILDUNG HAMBURG 2011, 270).
Diese Schlaglichter auf die Problematik des Übergangssystems und die Situation in Hamburg mögen verdeutlichen, dass dringender Handlungsbedarf in den verschiedensten Bereichen des Bildungssystems erforderlich ist. Dieser betrifft den Bildungs- und Erziehungsauftrag aller der beruflichen Ausbildung vorgelagerten Bildungsstufen, aber auch die berufliche Ausbildung selbst und dort sicherlich nicht zuletzt das berufliche Übergangssystem. Insgesamt richtet sich die Kritik am Übergangsystem vor allem auf:
- die nach wie vor bestehende Intransparenz der Angebote,
- die nach Bundesländern stark variierenden Zugangsvoraussetzungen für ähnliche Maßnahmen (nach Zertifikaten, Notendurchschnitten, sozialstrukturellen Merkmale etc.),
- meist unklare Anschlussperspektiven, insbesondere einem unklaren „Tauschwert“ der im Übergangssystem erworbenen Zertifikate und formalen Berechtigungen auf dem Ausbildungsmarkt und eine damit verbundene größtenteils fehlende bzw. intransparente Anrechenbarkeit von erworbenen beruflichen Qualifikationen auf sich anschließende Ausbildungen und
- die Ungewissheit über Lernerträge und Lernerfolge, insbesondere über Lernzuwächse, Veränderungen in Verhalten, Einstellungen und Dispositionen der Jugendlichen,
- die deutlich geringere Passung zwischen beruflichen Interessen und letztlicher Berufseinmündung bei Bewerbern aus dem Übergangssystem und
- den hohen Personal- und Mitteleinsatz ohne systematische und aufeinander beziehbare Daten zur Effektivität des Übergangssystems.
Die Hoffnung, dass der demografische Trend und eine positive Wirtschaftsentwicklung das Problem des Übergangssystem „automatisch“ lösten, ist zwar nachvollziehbar und rein rechnerisch durchaus plausibel, jedoch dürften diese Hoffnungen eher trügerischer Natur sein, betrachtet man die nach wie vor bestehenden Problemlagen in den Ausbildungsvoraussetzungen bestimmter Gruppen einerseits und die Projektionen zum Arbeitskräftebedarf in qualifikatorischer und berufsfeldbezogener Perspektive andererseits.
4 Herausforderungen
4.1 Projektionen von Arbeitskräftebedarf und Arbeitskräfteangebot bis 2030
Die Projektionen zum Arbeitskräftepotenzial zeigen, dass innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre die Zahl der potenziellen Erwerbspersonen altersbedingt deutlich abnehmen wird und sich Arbeitskräftenachfrage und Erwerbspersonenpotenzial annähern werden. Unterschiede zwischen den verschiedenen Modellrechnungen sind im zeitlichen Verlauf zu erkennen, nicht jedoch in der Tendenz (vgl. Abbildung 10). HELMRICH et al. (2012) verweisen darauf, dass „die demografisch bedingte Abnahme der Zahl jüngerer Arbeitskräfte und die sich im akademischen Bereich abzeichnende neue Bildungsexpansion (…) rein quantitativ zu einem Mangel an Fachkräften auf der mittleren Qualifikationsebene in einigen Berufsfeldern führen (könnten – S. S.).“ Neuere Arbeitsmarktprojektionen bis 2030 beziehen dabei die gestiegene Erwerbsbeteiligung Älterer und den wachsenden Anteil an Hochschulzugangsberechtigten und an Studienanfänger/-innen in die Projekte ein. Abbildung 10 zeigt für drei unterschiedliche Modellrechnungen die jüngsten Modellrechnungen zur Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials und die Vorausschätzungen zu den Beschäftigten, d.h. der Arbeitskräftenachfrage.
Abb. 10: Arbeitsmarktentwicklungen bis zum Jahr 20307 nach Erwerbstätigen, Erwerbspersonen und Erwerbspersonenpotenzial (Daten: Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes, Berechnungen und Darstellungen QuBe-Projekt, Fuchs et al. (2011), Quelle: Helmrich et al. 2012, 3)
Unter Berücksichtigung des qualifikatorischen Bedarfs sind folgende Tendenzen zu erwarten:
- Ein leicht sinkender Bedarf an gering qualifizierten Personen, wobei das Angebot an Arbeitsplätzen in diesem Segment langsamer zurückgehen wird und damit der Überhang an Personen ohne berufliche Ausbildung anteilig steigt. Die Beschäftigungschancen für diese Personengruppe werden sich auch in Zukunft nicht wesentlich verbessern.
- Mit Engpässen ist auf der Ebene der Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung zu rechnen, insbesondere für bestimmte Berufsfelder.
- Im tertiären Bereich werden sowohl Angebot als auch Nachfrage tendenziell steigen, es ist jedoch von einer weitgehend ausgeglichenen Entwicklung auszugehen (vgl. HELMRICH et al. 2012, 4/5; Abbildung 11).
Mögliche Fachkräfteengpässe werden sich berufsfeldspezifisch vor allem im mittleren Qualifikationssegment zeigen, und zwar auch dann, wenn Wanderungsbewegungen von Fachkräften zwischen den Berufshauptfeldern in die Projektionen einbezogen werden. Nach den Modellrechnungen ist mit Problemen in der Fachkräftesicherung in den Gastronomie- und Reinigungsberufen, Gesundheitsberufen, in Verkehrs-, Lager-, Transport-, Sicherheits- und Wachberufen, auch in be- und verarbeitenden und instandsetzenden Berufen sowie partiell auch in Maschinen und Anlagen steuernden und wartenden Berufen zu rechnen. Angebotsüberhänge hingegen werden in kaufmännischen Dienstleistungsberufen und in Berufen des Warenhandels und Vertriebs erwartet (vgl. HELMRICH et al. 2012, 9).
Abb. 11: Erwerbspersonen und Erwerbstätige nach Qualifikationsniveaus (ISCED) – in Mio. Personen (Daten: Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes, Berechnungen und Darstellungen QuBe-Projekt Quelle: HELMRICH et al. 2012, 5)
Nach HELMRICH et al. (2012) sind die Anpassungsreaktionen bei unzureichendem Arbeitskräfteangebot weniger problematisch in den Gastronomieberufen, da der Bedarf aufgrund eines geringeren Spezialisierungsgrads eher durch an- und ungelernte sowie in anderweitigen Berufen qualifizierte Personen gedeckt werden könne. Allerdings weisen gerade die Berufe in der Gastronomie die höchsten Ausbildungsvertragsauflösungsquoten auf. Beinahe jeder zweite Ausbildungsvertrag zum Restaurantfachmann/zur Restaurantfachfrau wird aufgelöst; auch bei der Fachkraft im Gastgewerbe und dem Fachmann/der Fachfrau für Systemgastronomie liegen die vorzeitigen Vertragslösungsquoten mit ca. 42 bzw. 41 % sehr hoch (BIBB 2012, Tab. A4.7-2, http://datenreport.bibb.de/html/4700.htm). Vor diesem Hintergrund sind die Annahmen, den Fachkräftemangel im Gastronomiebereich durch Wanderungsbewegungen sowie an- und ungelernte Personen zu decken, möglicherweise sehr optimistisch, da offenbar dieser Bereich durch seine Beschäftigungsstrukturen wenig attraktiv für junge Arbeitskräfte zu sein scheint. Für diese Annahme spricht auch die gegenwärtig günstige Angebots-Nachfrage-Relation am Ausbildungsmarkt, die bereits jetzt auf eine mangelnde Ausbildungsnachfrage in diesem Berufsfeld verweist.
Ein weiteres Berufsfeld mit künftig wachsender und damit voraussichtlich auch schwer zu deckender Nachfrage ist der Gesundheitsbereich mit den verschiedensten gesundheits- und personenbezogenen Dienstleistungsberufen. In einer Reihe dieser Berufe, insbesondere den Pflegeberufen, werden häufig noch eher niedrig qualifizierte Personen eingesetzt. Ob dies jedoch als langfristige Strategie aufrechterhalten werden kann, ist fraglich. Gerade in den Gesundheitsberufen zeichnet sich eine Professionalisierungsdebatte ab, die zumindest in einer Reihe europäischer Staaten zu einer Aufwertung der Qualifikations- und Ausbildungsanforderungen geführt hat. Diese Berufe werden bisher überwiegend von den Frauen nachgefragt und ausgeübt, so dass beispielsweise bisherige Berufspräferenzen junger Männer einer solchen Berufswahl derzeit wohl noch entgegenstünden.
4.2 Herausforderungen für das (berufliche) Bildungswesen
Vor dem Hintergrund der externen Einflussfaktoren auf die berufliche Ausbildung, der Disparitäten im Bildungserwerb und im Ausbildungszugang, aber auch vor dem Hintergrund der Problemlagen im Übergangssystem zeichnen sich für den Bereich der beruflichen Bildung und der Sicherung des Fachkräftebedarfs Herausforderungen ab, die ohne eine aktive Rolle des (beruflichen) Bildungswesens nur schwer zu meistern sind. Wie aufgezeigt, stehen Betriebe – vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung – künftig vor der Herausforderung, vermehrt leistungsschwächere Jugendliche in ihr bestehendes Ausbildungswesen zu integrieren. Dies stellt nicht nur die Unternehmen vor Probleme, auch für die Berufsschule bedeutet dies die Entwicklung und Integration sozialpädagogischer Förderungs- und Unterstützungssysteme in ihre traditionellen Lehr- und Lernformen, um Ausbildungsabbrüche und Ausbildungsmisserfolge zu vermeiden (SEEBER et al. 2013).
Vielfach gefordert, bisher jedoch nur unzureichend umgesetzt, wird einverbessertes (regionales) Übergangsmanagement zwischen Schule und Beruf. Dies darf und kann sich nicht in allgemeiner Berufsberatung und unsystematischen, pädagogisch-didaktisch unzureichend eingebundenen Praktika in den oberen Klassen der Sekundarstufe I erschöpfen, sondern bedarf der Einbettung in die Entwicklungs- und Lernprozesse an den Schulen, der Einbindung lokaler Akteure im Bereich der Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung, erfordert aber auch eine betriebspädagogische Fundierung und Strukturierung durch die Unternehmen, die entsprechende Praktikumsplätze anbieten.
Es steht außer Frage, dass gerade Jugendliche, die in Risikolagen aufwachsen, deren familiäre Netzwerke und Unterstützungsstrukturen bei der Berufsorientierung und Berufswahl sowie in der Bewerbungsphase nicht ausreichen, die ohne oder mit niedrigen Schulabschlüssen und geringen Kompetenzständen die Schule verlassen, frühzeitig zu unterstützen sind. Eine besondere Problemgruppe stellen dabei niedrig qualifizierte junge Männer dar, deren berufliche Perspektiven durch den berufsstrukturellen Wandel in den klassischen "Männerberufen" tendenziell eingeschränkt werden (vgl. BAETHGE/ SOLGA/ WIECK 2007).
Anrechnung von Qualifikationen, die im Übergangssystem erworben wurden: Vielfach kritisiert wurden in den letzten Jahren die fehlende Anrechnung von im Übergangssystem erworbenen beruflichen Qualifikationen und die de facto fehlende Anrechnung von absolvierten Übergangsmaßnahmen auf spätere Ausbildungszeiten (vgl. EULER/ SEVERING 2006; AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2008). Einer unzureichenden curricularen Passung zwischen Maßnahmen des Übergangssystems und vollqualifizierenden Ausbildungen wurde zwar durch programmatische und organisatorische Umstrukturierungen sowie durch curriculare Veränderungen der berufsvorbereitenden Angebote in vielen Bundesländern versucht zu begegnen. Dennoch besteht nach wie vor eine erhebliche Diskrepanz zwischen formalen rechtlichen Anerkennungsmöglichkeiten und faktischen Ausbildungszeitanrechnungen durch die ausbildenden Betriebe, die Jugendliche aus Berufsvorbereitungsmaßnahmen in die Ausbildung aufnehmen. Kritisch kommentieren DOBISCHAT, KÜHNLEIN und SCHURGATZ (2012, 67) in ihrem Gutachten: „Obwohl die angestrebte Systematisierung und die Verkürzung des Übergangsgeschehens von Schule in Ausbildung und Beruf ganz wesentlich davon abhängt, dass systematisch aufeinander aufgebaute „Bildungs- und Förderketten“ entstehen, existiert das Problem der mangelnden Anerkennung erworbener Lernleistungen weiterhin. Denn die proklamierte „Anrechenbarkeit“ von berufs(ausbildungs)vorbereitenden Maßnahmen ist mit einer faktischen Anrechnung auf die betriebliche Ausbildungszeit nicht zu verwechseln.“ Diese fehlende Anerkennung führt nicht selten zu Ineffizienzen in den Bildungswegen der Betroffenen, zu befürchten sind jedoch vor allem auch negative Effekte auf motivationale und selbstwirksamkeitsbezogene Dispositionen und das spätere Bildungsverhalten der Jugendlichen.
Dokumentation und Anrechnung informell erworbener Kompetenzen: Bislang fehlen darüber hinaus transparente und verlässliche Verfahren zur Dokumentation von Lernleistungen, die informell oder in anderen Lernkontexten,beispielsweise durch betriebliches Lernen, erworben wurden. Kompetenzpässe können ein erster Schritt sein, um erbrachte Lernleistungen zu dokumentieren, doch sind weitere transparente Verfahren, die die erworbenen Kompetenzen beschreiben und bewerten, zu entwickeln (SEEBER et al. 2013).
Regionale Standortsicherung in der Ausbildung: Der Rückgang der Schulabsolventen, der sich, wie aufgezeigt, regional sehr unterschiedlich darstellen wird, stellt eine Reihe von Regionen vor die Herausforderung, in einzelnen Berufen überhaupt noch regionale Fachklassen absichern zu können und vollzeitschulische Ausbildungsstandorte aufrecht zu erhalten. Eine Verstärkung der Tendenz zu Landesfachklassen erschwert die Ausbildungsbedingungen in demografisch rückläufigen Regionen zusätzlich und kann Schulabgänger von bestimmten Ausbildungsangeboten abhalten. Dies spiegelt sich bereits aktuell in den nicht besetzten Ausbildungsplätzen in bestimmten Regionen Ostdeutschlands wider (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2010, 177ff.). Hier sind neben regionalspezifischen Strategien zum Umgang mit diesem Problem auch Lösungen auf ordnungspolitischer und curricularer Ebene gefordert. Bei Letzterem zeichnen sich seit Jahren Debatten um eine vertikalisierte Strukturierung der Ausbildung (Stufenausbildung), um Querschnittsberufe versus Branchenberufe, um Grundberufe versus Splitterberufe, um Modelle der Berufsgrundbildung und darauf aufbauende spezialisierende Fachausbildung, wie sie vor allem im Baubereich bereits zu finden ist, und Diskussionen um Kern- und spezialisierte Fachausbildung, wie sie in den IT-Berufen konzipiert wurde, ab. Jüngere Diskussionen beziehen sich auf die Bildung von Berufsfamilien (vgl. BRÖTZ/ SCHAPFEL-KAISER/ SCHWARZ 2008), wobei noch nicht geklärt ist, worin Bezugspunkte und Bestimmungsgrößen für Konzipierung von Berufsfamilien und deren curricularer Ausdifferenzierung bestehen.
Neujustierung des Verhältnisses zwischen Berufsbildung und Hochschulbildung: Die demografische Entwicklung und das in den letzten Dekaden beobachtete Bildungsverhalten der Heranwachsenden - im Jahr 2011 hielten Ausbildungsanfänger in der dualen Ausbildung (ca. 525.000) und Studienanfänger (ca. 516.000) nahezu die Waage (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2012, 102 und 126) - dürfte zu einer Neujustierung des Verhältnisses von beruflicher Bildung und Hochschulbildung führen. Nicht nur konkurrieren beide Bildungsbereich teilweise um dieselbe Bewerbergruppe, nämlich um Jugendliche mit Hochschulzugangsberechtigung oder (sehr) gutem mittlerem Schulabschluss, sondern die Bildungs- und Qualifizierungsangebote erstrecken sich - zumindest in Teilen - auf dieselben Qualifizierungsfelder. Aus der Sicht der Deckung des künftigen Fachkräftebedarfs wäre es sicherlich sinnvoll, beide Bildungsbereiche besser miteinander zu verschränken. Dies kann über neue Ansätze wie der Kombination von vollzeitschulischer Ausbildung und betrieblicher Praktika zur Erlangung eines nach dem BBiG oder der HwO anerkannten Ausbildungsberufs erfolgen, auch in Kombination mit dem Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung, wie es im Schulversuch EARA der Fall ist. Eine bessere Verzahnung zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung kann beispielsweise über neue Studienformen (z. B. duales Studium, berufsbegleitendes Studium), über verlässliche Anrechnungsverfahren für die jeweils im anderen Bereich erworbenen Qualifikationen und über eine Kombination von betrieblicher Ausbildung und Hochschulstudium erfolgen. Bei Letzterem sind bisherige Modelle zu erweitern und es ist vor allem die berufliche Fortbildung auch stärker als bisher in den Blick zu nehmen (vgl. SEEBER et al. 2013).
Literatur
ACHTENHAGEN, F. (2004): Prüfung von Leistungsindikatoren für die Berufsbildung sowie zur Ausdifferenzierung beruflicher Kompetenzprofile nach Wissensarten. In: BAETHGE, M./ BUSS, K.-P./ LANFER, C. (Hrsg.): Expertisen zu den konzeptionellen Grundlagen für einen Nationalen Bildungsbericht – Berufliche Bildung und Weiterbildung/Lebenslanges Lernen. Bildungsreform Band 8. Bonn, 11-32.
AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG (2008): Bildung in Deutschland 2008. Bielefeld.
AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG (2010): Bildung in Deutschland 2010. Bielefeld.
AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG (2012): Bildung in Deutschland 2012. Bielefeld.
BAETHGE, M./ SOLGA, H./ WIECK, M. (2007): Berufsbildung im Umbruch. Signale eines überfälligen Aufbruchs. Netzwerk Bildung. Friedrich-Ebert-Stiftung. Berlin. Online : http://library.fes.de/pdf-files/stabsabteilung/04258/studie.pdf (14-11-2007).
BAUMERT, J./ STANAT, P./ WATERMANN, R. (2006): Herkunftsbedingte Disparitäten im Bildungswesen. Vertiefende Analysen im Rahmen von PISA 2000. Wiesbaden.
BECKER, M./ TRAUTWEIN, U./ LÜDTKE, O./ CORINA, K. S./ BAUMERT, J. (2006): Bildungsexpansion und kognitive Mobilisierung.In: BECKER, R./ HADJAR, A. (Hrsg.):Die Bildungsexpansion. Erwartete und unerwartete Folgen. Wiesbaden, 63-89.
BEHÖRDE FÜR SCHULE UND BERUFSAUSBILDUNG (Hrsg) (2012): LAU – Aspekte der Lernausgangslage und der Lernentwicklung Klassenstufen 11 und 13, HANSE – Hamburger Schriften zur Qualität im Bildungswesen, Band 9.
BEHÖRDE FÜR SCHULE UND BERUFSAUSBILDUNG (Hrsg.) (2011): LAU – Aspekte der Lernausgangslage und der Lernentwicklung Klassenstufen 5, 7 und 9 2011, HANSE – Hamburger Schriften zur Qualität im Bildungswesen, Band 8.
BEHÖRDE FÜR SCHULE UND BERUFSAUSBILDUNG HAMBURG (Hrsg.) (2009): Ausbildungsreport Hamburg 2009. Online: http://www.hamburg.de/contentblob/3047210/data/ausbildungsreport-2009.pdf (03-08-2013).
BEHÖRDE FÜR SCHULE UND BERUFSAUSBILDUNG HAMBURG (Hrsg.) (2011). Bildungsbericht Hamburg 2011. Online: http://www.bildungsmonitoring.hamburg.de/index.php/file/download/1606 (03-08-2013).
BEICHT, U./ FRIEDRICH, M./ ULRICH, J. G. (2008): Ausbildungschancen und Verbleib von Schulabsolventen. In: BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG (Hrsg.): Berichte zur beruflichen Bildung. Bielefeld.
BIBB (2009). Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2009. Online: http://datenreport.bibb.de (01-08-2013).
BIBB (2011): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2011. Online: http://datenreport.bibb.de (01-08-2013).
BIBB (2012): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2012. Online: http://datenreport.bibb.de/ (01-08-2013).
BLOSSFELD, H.-P. (2008): Globalisierung, wachsende Unsicherheit und der Wandel der Arbeitsmarktsituation von Berufsanfängern in modernen Gesellschaften. In: SCHLEMMER, E./ GERSTBERGER, H. (Hrsg.): Ausbildungsfähigkeit im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Politik. Wiesbaden, 35-54.
BOS, W./ BONSEN, M/ GRÖHLICH, C. (2009): KESS 7 – Kompetenzen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern an Hamburger Schulen zu Beginn der Jahrgangsstufe 7, HANSE – Hamburger Schriften zur Qualität im Bildungswesen.
BOS, W./ GRÖHLICH, C. (2010): KESS 8 – Kompetenzen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern am Ende der Jahrgangsstufe 8, HANSE – Hamburger Schriften zur Qualität im Bildungswesen, Band 6.
BOS, W./ PIETSCH, M. (2006): KESS 4 - Kompetenzen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern am Ende der Jahrgangsstufe 4 in Hamburger Grundschulen, HANSE – Hamburger Schriften zur Qualität im Bildungswesen, Band 1.
BRÖTZ, R./ SCHAPFEL-KAISER, F./ SCHWARZ, H. (2008). Berufsfamilien als Beitrag zur Stärkung des Berufsprinzips. In : BWP, H. 4/ 2008, online: www.bibb.de/veroeffentlichungen/de/publication/download/id/1368 (04-08-2013).
BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT (Hrsg.) (2006): Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs – Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife. Nürnberg. Online: http://www.pakt-fuer-ausbildung.de/ (01-08-2013).
DOBISCHAT, R./ KÜHNLEIN, G./ SCHURGATZ, R. (2012): Ausbildungsreife. Ein umstrittener Begriff beim Übergang Jugendlicher in eine Berufsausbildung. Arbeitspapier 189. Düsseldorf. Online: http://www.boeckler.de/pdf/p_arbp_189.pdf (26-10-2012).
EULER, D./ SEVERING, E. (2006): Flexible Ausbildungswege in der Berufsausbildung. Nürnberg, St. Gallen. Online: http://www.bmbf.de/pub/Studie_Flexible_Ausbildungswege_in_der_Berufsbildung.pdf (10-08-2013).
GRANATO, M. (2007): Berufliche Ausbildung und Lehrstellenmarkt: Chancengerechtigkeit für Jugendliche mit Migrationshintergrund verwirklichen. In: WISO direkt, September 2007.
GREINERT, W.-D./ BRAUN, P. (2005): Das Duale System der Berufsausbildung – Hochselektives Restprogramm? In: VAN BUER, J./ TROITSCHANSKAIA-ZLATKIN, O.(Hrsg.): Adaptivität und Stabilität der Berufsausbildung. Frankfurt am Main u. a., 177-185.
GROTLÜSCHEN, A./ RIECKMANN, W. (2012): Funktionaler Analphabetismus in Deutschland: Ergebnisse der ersten leo. - Level-One Studie. Münster u.a.
GROTLÜSCHEN, A./ RIECKMANN, W. (2011): leo-level-one-studie. Die Literalität von Erwachsenen auf den unteren Kompetenzniveaus, Presseheft, Hamburg.
HELMRICH, R./ ZIKA, G./ KALINOWSKI, M./ WOLTER, M. I. (2012): Engpässe auf dem Arbeitsmarkt: Geändertes Bildungs- und Erwerbsverhalten mildert Fachkräftemangel. Neue Ergebnisse der BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen bis zum Jahr 2030. In: BIBB-Report 18/12.
HRADIL, S. (2001): Soziale Ungleichheit in Deutschland. Wiesbaden.
KLIEME, E./ ARTELT, C./ HARTIG, J./ JUDE, N./ KÖLLER, O./ PRENZEL, M./ SCHNEIDER, W./ STANAT, P. (Hrsg) (2010): PISA 2009. Bilanz nach einem Jahrzehnt. Münster u.a.
KUTSCHA, G. (1991): Übergangsforschung: zu einem neuen Forschungsbereich. In: BECK, K./ KELL, A. (Hrsg.): Bilanz der Berufsbildungsforschung. Stand und Zukunftsperspektiven. Weinheim, 113-155.
KUTSCHA, G. (2004): Berufsvorbereitung und Förderung benachteiligter Jugendlicher. In: BAETHGE, M./ BUSS, K.-P./ LANFER, C. (Hrsg.): Expertisen zu den konzeptionellen Grundlagen für einen Nationalen Bildungsbericht – Berufliche Bildung und Weiterbildung/Lebenslanges Lernen. Bildungsreform Band 8. Bonn, Berlin, 165-196.
LEHMANN, R. H./ SEEBER, S./ HUNGER, S. (2006): Untersuchung der Leistungen, Motivation und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern in den Abschlussklassen der teilqualifizierenden Berufsfachschulen (ULME II). Hamburg.
LEHMANN, R. H./ IVANOV, S./ HUNGER, S./ GÄNSFUß, R. (2005): ULME I. Untersuchung der Leistungen, Motivationen und Einstellungen zu Beginn der beruflichen Ausbildung. Behörde für Bildung und Sport, Amt für Berufliche Bildung und Weiterbildung. Hamburg.
LEHMANN, R. H./ PEEK, R. (1997): Aspekte der Lernausgangslage von Schülerinnen und Schülern der fünften Klassen an Hamburger Schulen. Bericht über die Untersuchung im September 1996. Hamburg.
MAAZ, K./ BAUMERT, J./ GRESCH, C./ MCELVANY, N. (Hrsg.) (2010): Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule. Leistungsgerechtigkeit und regionale, soziale und ethnisch-kulturelle Disparitäten. Bildungsforschung Band 34, Herausgegeben vom BMBF. Bonn, Berlin.
MÜNK, D./ RÜTZEL, J./ SCHMIDT, C. (2008): Labyrinth Übergangssystem. Forschungserträge und Entwicklungsperspektiven der Benachteiligtenförderung zwischen Schule, Ausbildung, Arbeit und Beruf. Bonn.
NAGY, G. (2006): Berufliche Interessen, kognitive und fachgebundene Kompetenzen: Ihre Bedeutung für die Studienfachwahl und die Bewährung im Studium. Berlin.
NAGY, G./ KÖLLER, O./ HECKHAUSEN, J. (2005): Der Übergang von der Schule in die berufliche Erstausbildung. Wer die Sorgen scheut, wird von ihnen ereilt.In:Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 37, 156-167.
NICKOLAUS, R. (2006): Offene Fragen zum Transfergeschehen im Modellversuchsbereich als Spiegel des Zustandes unserer Disziplin? Editorial. In : Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik (ZBW), Jg. 102, H. 2, 161-166.
SCHOBER, K. (2005): „Ausbildungsreife“. Zur Diskussion um ein schwieriges Konstrukt – Erfahrungen der Bundesagentur für Arbeit. In: BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG (Hrsg.): Der Ausbildungsmarkt und seine Einflussfaktoren. Ergebnisse des Experten-Workshops vom 1. und 2. Juli in Bonn. Bonn, 105-114.
SCHLEMMER, E./ GERSTBERGER, H.(Hrsg.) (2008): Ausbildungsfähigkeit im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis. Wiesbaden.
SEEBER, S. (2011): Einmündungschancen von Jugendlichen in eine berufliche Ausbildung: zum Einfluss von Zertifikaten, Kompetenzen und sozioökonomischem Hintergrund. In: GRANATO, M./ MÜNK, D./ WEISS, R. (Hrsg.):Migration als Chance. AG BFN, Band 9, Bielefeld, 55-78.
SEEBER, S. (2013): Zum Einfluss mathematischer Kompetenzen auf den Übergang in eine berufliche Ausbildung und auf die Entwicklung beruflicher Fachkompetenzen im kaufmännischen Bereich. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Stuttgart, 67-93.
SEEBER, S./ WOLTER, A./ DÖBERT, H./ KERST, C./ BECKER-STOLL, F./ SEITZ, C./ WILMS, G. (2013): Bildung. In: RUMP, J./ WALTER, N. (Hrsg.): Arbeitswelt 2030. Trends, Prognosen, Gestaltungsmöglichkeiten. Stuttgart, 93-121.
SEIBERT, H./ SOLGA, H.(2005): Gleiche Chancen dank einer abgeschlossenen Ausbildung? Zum Signalwert von Ausbildungsabschlüssen bei ausländischen und deutschen jungen Erwachsenen. In: Zeitschrift für Soziologie 34, H. 5, 364-382.
TRAUTWEIN, U./ LÜDTKE, O./ BECKER, M./ NEUMANN, M./ NAGY, G. (2008): Die Sekundarstufe I im Spiegel der empirischen Bildungsforschung: Schulleistungsentwicklung, Kompetenzniveaus und Aussagekraft von Schulnoten. In: SCHLEMMER, E./ GERSTBERGER, H. (Hrsg.): Ausbildungsfähigkeit im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis. Wiesbaden, 91-107.
Zitieren des Beitrags
SEEBER, S. (2013): Der Übergang von der Schule in den Beruf: Rahmenbedingungen und aktuelle Herausforderungen. In: bwp@ Spezial 7 – Weiterentwicklung dualer Berufsausbildung: Konsekutiv, kompetenzorientiert, konnektiv. Erfahrungen und Impulse aus dem Schulversuch EARA, hrsg. v. WIRTH, K./ KRILLE, F./ TRAMM, T./ VOLLMER, T., 1-30. Online: http://www.bwpat.de/spezial7/seeber_eara2013.pdf (19-11-2013).