Beitrag von Nina BOCKSROCKER (Universität Hohenheim, Stuttgart)
Die Internationalisierung der Wirtschaft hat die Anforderungen an die Lernziele in der dualen Ausbildung merklich geprägt. Der Lernfeldansatz, den die Kultusministerkonferenz (KMK) in Reaktion auf diesen Wandel initiierte, kennzeichnet seither die Rahmenlehrpläne. Ziel ist jetzt die Förderung prozessualen und fächerübergreifenden Lernens zur Entwicklung der (beruflichen) Handlungskompetenz der Auszubildenden. Trotz der bestehenden Diskussion scheint der Lernfeldansatz notwendig und richtungsweisend für die zukünftige Berufsbildung zu sein. Gleichzeitig hat die KMK den Großteil des Sprachunterrichts weiterhin im Fach „Deutsch/ Kommunikation“ verankert und vernachlässigt damit einen mit den wirtschaftlichen Veränderungen unumgänglich einhergehenden Aspekt: die Sprachkompetenz (inkl. interkultureller Kompetenz). Diese ist für den Ausbildungserfolg und die soziale Integration des Einzelnen in einer multikulturellen Gesellschaft von hoher Bedeutung, erhält zudem den Stellenwert der deutschen Wirtschaft im internationalen Gefüge und muss daher auch in der Berufsbildung fächerübergreifend und nicht nur fachspezifisch gefördert werden. Dieser Beitrag stellt die sprachlichen Anforderungen in Beruf und Schule der zum Teil defizitären Jugendsprache gegenüber, analysiert und kritisiert die Lehrpläne für Berufsschulen des Landes Baden-Württemberg sowie bestehende Sprachförderdiagnostikmodelle und plädiert für eine bundeseinheitlich vorzugebende Erweiterung des Lernfeldkonzepts. Diese Erweiterung mittels eines fünfgliedrigen Fördermodells soll der Sprachkompetenz und der interkulturellen Kompetenz den nötigen zentralen Stellenwert in der dualen Ausbildung verleihen.
Linguistic competence as the basis of competence to act – on the necessity of a broadened concept of fields of learning
The internationalisation of economics has shaped the demands on the learning goals in the dual system of education and training in a marked way. The approach of fields of learning, which was initiated by the KMK as a reaction to this change, has characterised curricula since then. The aim is now the promotion of process-based and cross-curricular learning in order to develop the (vocational) competence to act of the trainees. Despite the current discussion the approach of fields of learning seems to be necessary and to point the way ahead for the future of vocational education and training. At the same time the KMK has continued to anchor the majority of language teaching in the subject ‘German/Communication’ and by so doing neglects an aspect which is inextricably linked to the economic changes: linguistic competence (including intercultural competence). This is of great significance for successful training and for the social integration of the individual in a multi-cultural society, and also preserves the value of the German economy in the international context and therefore must be promoted in a cross-curricular way in vocational education and training and not just in a subject-specific way. This paper juxtaposes the linguistic demands at work and school with the, in part, deficient language of young people, analyses and criticises the curricula for vocational schools in the federal state of Baden-Württemberg as well as existing language support diagnostic models and pleads for a nation-wide broadening of the concept of fields of learning. This broadening by means of a five-part promotion model aims to bestow upon linguistic competence the necessary central role in the dual system of education and training.
Aufgrund der Veränderung unserer Gesellschaft, von der industriellen Orientierung hin zum Dienstleistungs- und Netzwerkgedanken, haben sich auch die Unternehmen in ihren Strukturen und Organisationen angepasst. Während zu Zeiten der industriellen Gesellschaft die Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital sowie der technische Fortschritt die entscheidenden Einflussfaktoren auf die Produktivität und das Wirtschaftswachstum darstellten, wird in der heutigen globalen Netzwerkgesellschaft eine Erhöhung derselben vor allem durch Investitionen in die Bildung der Mitarbeiter erreicht (vgl. GRUNDMANN 2007, 194f.). Nicht mehr der quantitative Zuwachs der Produktionsfaktoren, sondern die Qualität des Wissens und der Bildung der Beschäftigten ist nun die Hauptquelle für das Wirtschaftswachstum.
Aus diesen Veränderungen in den Strukturen der Betriebe resultieren damit zugleich neu definierte Anforderungen an die Mitarbeiter. Da Bildung, u.a. in Form von Wissen, in unserer Gesellschaft zu einer zentralen Ressource geworden ist, kann ein Produkt in der Regel auch nur erzeugt werden, wenn Wissen gebündelt und koordiniert wird. Koordination erfordert allerdings immer Kommunikation (vgl. KOLB/ WYSS KOLB 2002, 40f.). Vor allem durch die Zunahme der Planungs-, Steuerungs- und Kontroll-, aber auch Verwaltungstätigkeiten mit erheblichen kommunikativen Anteilen sind Sprache und Beruf verstärkt interdependent. Viele berufliche Tätigkeiten sind somit sprachliche Tätigkeiten und Sprache ein Wirtschaftsfaktor (vgl. FORNER 2006, 27).
Von den Auszubildenden wird nun in der dualen Ausbildung daher auch in sprachlicher Hinsicht viel gefordert. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Schüler schon zu Ausbildungsbeginn eine entsprechende Grundkompetenz an sprachlichen Fähigkeiten aus den allgemein bildenden Schulen mitbringen, da der Berufsschulunterricht innerhalb des Dualen Systems nur eine begleitende Funktion übernimmt. In jeder Unterrichtsstunde an berufsbildenden Schulen wird der Schüler jedoch mit (Fach-)Texten in schriftlicher Form, wie Aufsätzen, Zeitungsartikeln, Schulbuchtexten sowie Präsentationen, aber auch im Mündlichen, wie bspw. dem Vortrag des Lehrers, konfrontiert. Die Besonderheit der Fachtexte ist dabei aber eine Fachsprache, die sich von der Alltagssprache unterscheidet (vgl. FUNK/ NEUNER 1983, 94ff.). Sie zeichnet sich durch passivische Formulierungen, substantivierte Verben, Nominalisierungen, Funktions- und Handlungsbeschreibungen, viele Komposita und Oberbegriffe, Komprimiertheit und Informationsdichte aus, aber auch durch eine große Anzahl von außersprachlichen Mitteln wie Zeichnungen, Diagrammen, Tabellen und Formeln. Solche Fachtexte und die gleichzeitig von Schule und Betrieb unterschiedlich verwendeten fachlichen Termini bereiten selbst muttersprachigen Schülern Probleme, Schülern mit Migrationshintergrund jedoch umso mehr (vgl. GRUNDMANN 2007, 92f. sowie EFING 2006, 50).
Gleichzeitig wird im Betrieb weit mehr gefordert als nur „Zuschauen, Nachmachen, Können“. Die Unternehmen erwarten von den Auszubildenden selbstständiges und selbstgesteuertes Erarbeiten durch Verstehen von Texten, kommunikative Kompetenzen im Umgang mit Kunden sowie eine Unterscheidung von verschiedenen Sprachebenen (z. B. Jugendszene-, Alltags- und Fachsprache).
Wie die OECD-Studie eindrucksvoll belegt hat, verfügen Schulabsolventen jedoch immer weniger über die von den netzwerkstrukturierten Betrieben eingeforderten Fähigkeiten und Kompetenzen, ganz gleich, ob es sich um Muttersprachler oder um Jugendliche mit Migrationshintergrund handelt (vgl. GRUNDMANN 2004, 10ff.). „Schon seit Jahren beklagen die Ausbildungsbetriebe die zunehmende ‘Sprachlosigkeit’ der Ausbildungsplatzbewerber“ (GRUNDMANN 2007, 3) und auch die Fähigkeit, sich verschiedener Sprachebenen und -register bedienen zu können, fehlt vielen Jugendlichen.
Die Standardsprache ist, vor allem im Berufs- und Schulleben, die vorherrschende Sprache, über die der Einzelne verfügen muss (vgl. NEULAND 2003b, 146). Dieses Sprachnormbewusstsein ist jedoch bei vielen Jugendlichen, welche in allen Lebenslagen nur noch die eine, „ihre“ Sprache (eine Nicht-Standard-Sprache) anwenden, immer weniger vorhanden, was nicht ohne Folgen und vor allem nicht ohne berufliche Folgen bleibt.
Das heißt nicht, dass Jugendsprache unterbunden werden muss, da sich Jugendliche durch eine bewusst verändert eingesetzte Sprache von der Erwachsenenwelt abgrenzen, und dies dient der Identitätsfindung von jungen Menschen. Die Geschichte zeigt, dass Jugendsprache keine neue Erscheinung der aktuellen Zeitepoche ist. Bereits im 16./17. Jh. in Form der Studentensprachen verarbeiteten die Studenten mit ihrer oppositionellen, affirmativen und ironisierenden Sprache sprach- und kulturgeschichtliche Einflüsse und widersetzten sich so den ihnen aufgezwungenen Normen und Konventionen der älteren Generation (vgl. NEULAND 2003a, 97ff.). Die damaligen Studentensprachen werden daher auch als zeit- und sozialgeschichtliche Vorläufer der heutigen Jugendsprachen und -kulturen betrachtet und zeigen, dass Jugendsprache nicht autonom in einem gesellschaftlichen Vakuum entsteht und funktioniert, sondern vielmehr die sprach- und kulturgeschichtlichen Verhältnisse wider- und gegenspiegelt (vgl. ebd., 109). Gleichzeitig wird die Sprache und Sprachentwicklung der Jugendlichen geprägt von drei wichtigen Sozialisationsinstanzen: den Eltern, der Peer-Group und der Schule. Durch Sprache und Kommunikation tragen diese drei (neben dem Einfluss von Werbung und fremden Kulturen) wesentlich zur Ausbildung der kognitiven Lesekompetenz, der affektiven Lesemotivation und damit auch zur Entwicklung der allgemeinen Sprachkompetenz der Jugendlichen bei. Dabei kommt der Schule eine immer größere Aufgabe der Sprachförderung zu. Vor allem der Berufsschule stellt sich aber das Problem der geringen Stundenzahlen für den Deutschunterricht. Die Vermittlung von Fachkompetenz alleine scheint jedoch auch nicht mehr auszureichen, um die Auszubildenden effektiv zu begleiten sowie auf einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss und die berufliche Praxis vorzubereiten. Allerdings stellt die Berufsschule für die Jugendlichen häufig die letzte Möglichkeit dar, die für die berufliche Handlungsfähigkeit notwendigen Kompetenzen, wie Kommunikations-, Team- und Kooperationsfähigkeit zu erlangen (vgl. GRUNDMANN 2001, 306).
Gerade den Schülern ohne muttersprachliche Kenntnisse des Deutschen bereiten die sprachlichen Anforderungen in der Ausbildung Probleme. Während man in jedem Sprachkurs in aufeinander aufbauenden Lektionen an eine Sprache herangeführt wird, trifft der ausländische Jugendliche in Schule und Betrieb auf komplexe Texte, deren Informationsgehalt er oft nicht entschlüsseln kann (vgl. FUNK/ THIEL 1983, 41). Der Erwerb einer beruflichen Qualifikation ist für ausländische Jugendliche, wie auch für deutsche, von entscheidender Bedeutung. Ohne Ausbildung ist den ausländischen Jugendlichen weder eine dauerhafte Eingliederung in die Arbeits- und Berufswelt bzw. in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland möglich, noch eröffnet sich ihnen eine realistische berufliche Perspektive im Falle einer Rückkehr in das Herkunftsland. Der Erwerb des beruflichen Fachwissens hängt vor allem vom Ausmaß der deutschen Sprachkompetenz ab. „Beruflicher Wissenserwerb setzt Spracherwerb voraus“ (GRUNDMANN 1983, 118). Bleiben jedoch die positiven Spracherfahrungen aus, kommt es zu Brüchen in der Persönlichkeitsausbildung sowie zum Scheitern der Identitätsausbildung (vgl. ebd.). Doch nicht nur der Erwerb der neuen Sprache bereitet den ausländischen Jugendlichen Schwierigkeiten, sondern auch, dass sie ihre Muttersprache im Berufsleben oft nicht verwerten können. Das heißt, die Jugendlichen müssen sehr schnell die Erfahrung machen, dass sich erstens ihre bisherige Muttersprache auf dem deutschen Arbeitsmarkt, in dem die deutsche Sprache als Grundvoraussetzung angenommen wird, als wertlos herausstellt (vgl. ebd., 116) oder aber zweitens, dass sie den Trumpf ihrer Mehrsprachigkeit, welche neben interkultureller Erziehung von den ausbildenden Betrieben zunehmend mehr eingefordert wird, aufgrund mangelnder Kenntnisse in Mutter- und Zweitsprache gegenüber den muttersprachigen Auszubildenden nicht ausspielen können (vgl. HUMMELSBERGER 2004, 44).
Diesen Bezug zwischen mangelnden Kenntnissen der Zweitsprache aufgrund einer unausgebildeten Muttersprache erklärt die Interdependenzhypothese. Sie besagt, dass sich die kognitive Entwicklung des Individuums zum Teil auf Basis der Muttersprache vollzieht. Die Muttersprache sollte bis zu einem gewissen Niveau ausgebildet sein, um auch in der Zweitsprache die entsprechenden Erfolge zu erlangen. Schüler mit guten Herkunftssprachkenntnissen haben daher auch bessere Zweitsprachkenntnisse im Deutschen (vgl. BAUER 2001, 115f. sowie ESSER 2006, 263). Selbst bei einer gut ausgebildeten Mutter- sowie Zweitsprache jedoch kann die Mehrsprachigkeit (insbesondere die Muttersprache) der ausländischen Jugendlichen in Schule und Beruf oft nicht zur Geltung kommen. Ein Grund dafür ist der linguistische Egozentrismus von Sprachgemeinschaften (vgl. HUMMELSBERGER 2004, 38). Gleichzeitig mangelt es an Akzeptanz und Wertschätzung bezüglich anderer Sprachen und Sprachenvielfalt (vgl. ebd., 34). Nach JÜNGER ist die Erwartungshaltung der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu hoch, denn sie fordert von ausländischen Mitbürgern bspw. perfekte akzentfreie Beherrschung der deutschen Sprache nach sechs Monaten, Assimilation trotz bestehender kultureller Unterschiede, finanzielle Unabhängigkeit und Teilnahme an der Konsumgesellschaft (vgl. 2001, 16).
Gesellschaftliche Integration jedoch sollte eine sprachliche, schulische, berufliche und soziale Integration bedeuten. Dies hat zur Voraussetzung, die Kompetenzen und Ressourcen der zugewanderten jungen Menschen zu fördern (vgl. FACHBEIRAT BAG EJSA 2001, 5). Im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes bedeutet Förderung der Integration immer auch Förderung der Sprache (vgl. MAAS/ MEHLEM 2003, 17). Studien zeigen, dass das deutsche Schulsystem bezüglich des Integrationserfolges im Vergleich mit anderen Ländern erhebliche Defizite aufweist, was unter anderem mit dem deutschen „Absolutheitsanspruch der eigenen Sprache“ zusammenhängt (vgl. HUMMELSBERGER 2004, 32). Das Problem besteht darin, dass an den Schulen zum einen weder eine Förderung der Herkunftssprachen angeboten wird, noch ein Lehren des Deutschen im Sinne einer Fremd- oder Muttersprache unterbleibt. Denn das Deutsche ist für die ausländischen Jugendlichen viel mehr als eine Fremdsprache, und es darf keineswegs als eine Muttersprache vorausgesetzt, sondern sollte als Zweitsprache gefördert werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die sprachlichen Anforderungen in Schule und Beruf für die Jugendlichen (sowohl für Muttersprachler als auch Nicht-Muttersprachler) eine erhebliche Hürde in der Ausbildung darstellen. Insgesamt brechen in Deutschland 36,5 % der Berufsschüler – in absoluten Zahlen 246.000 – Jahr für Jahr entweder vorzeitig ihre berufliche Ausbildung ab oder bestehen die berufliche Abschlussprüfung nicht. Sprachkompetenz ist demnach ein entscheidender Faktor für den Berufsausbildungserfolg, gleichzeitig aber auch für die Identitätsbildung und gesellschaftliche Integration. Die gesellschaftliche Integration kann in einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft aber nur gelingen, wenn das Wissen über und die Wertschätzung der eigenen sowie anderer Sprachen im Sinne der interkulturellen Kompetenz geschult wird. Die Förderung der Sprachkompetenz und der interkulturellen Kompetenz stellt sich in der Berufsausbildung daher als unumgänglich heraus.
Bevor eine Einordnung der in diesem Beitrag für die Berufsausbildung und gesellschaftliche Integration relevanten Begriffe (Sprachkompetenz und interkulturelle Kompetenz) erfolgen kann, müssen diese einzeln und in ihren Beziehungen zueinander definiert werden.
Sprachkompetenz
Die Frage nach der Definition des Kompetenzbegriffs führt unweigerlich zu CHOMSKYs (1965) Unterscheidung von Kompetenz und Performanz, wonach die Kompetenz (und damit auch die Sprachkompetenz) nicht direkt zu beobachten ist. Sprachkompetenz samt ihren Teilkompetenzen kann daher lediglich anhand von vier sprachlichen Aktivitäten schreiben, sprechen, lesen, zuhören (also der Performanz des sprachlichen Wissens) gemessen werden, welche sich darüber hinaus nach Produktion und Rezeption gliedern lassen. Sowohl die zugrunde liegenden kognitiven Kompetenzen wie Intelligenz oder Weltwissen als auch Einstellungen, Emotionen und motivationale Faktoren, welche die Performanz beeinflussen können, sollen zwar erwähnt, in dem hier aufgezeigten Sprachkompetenzmodell jedoch nicht mit abgebildet werden, da sie außerhalb der Sprache als solche einzuordnen sind. Die Sprachkompetenz selbst lässt sich in Grund- und Hauptkompetenzen gliedern. In Anlehnung an den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER) und an die generelle Definition der Sprachkompetenz durch die Lernpsychologie (vgl. im Folgenden EUROPARAT 2001 sowie COSERIU 2002, 3ff.) weist die folgende Abbildung nicht nur die Sprachkompetenz als Grundkompetenz in Form von linguistischer, soziolinguistischer, sprachlogischer und strategischer Kompetenz aus, sondern auch übergeordnet die Text- und die Gesprächskompetenz, welche als Hauptkompetenzen sozusagen den Kern der sprachlichen Kompetenz bilden.
Abb. 1: Definition der Sprachkompetenz
Die linguistische Kompetenz umfasst dabei sowohl Wortschatz als auch Grammatik. Sie gliedert sich in die Teilgebiete Lexikologie, Morphologie, Semantik, Phonologie und Syntax (vgl. EUROPARAT 2001, 110). Die soziolinguistische Kompetenz befähigt Personen, in unterschiedlichen Situationen mit verschiedenen Personen adäquat umzugehen; d. h. unterschiedliche Sprachregister situationsadäquat anzuwenden, so z. B. die Höflichkeitskonventionen der anderen Kultur oder auch sprachliche Variationen entsprechend der Berufszugehörigkeit zu kennen und erfolgreich zu praktizieren. Die sprachlogische Kompetenz ermöglicht das Verständnis und die Diskussion über komplexe Sachverhalte und Texte. Mithilfe der strategischen Kompetenz können Sprachprobleme erkannt, Sprache bewusst und Problemlösungsstrategien sinnvoll angewendet werden (vgl. PORTMANN-TSELIKAS 1998, 53ff.). Die Text- und die Gesprächskompetenz sind dabei nicht vollständig separierbar, da sowohl innerhalb eines Textes Elemente der mündlichen Kommunikation als auch in einem Gespräch textartige Elemente enthalten sein können. Zudem gründen sie beide auf den vier Grundkompetenzen der Sprachkompetenz.
Interkulturelle Kompetenz
Aufgrund der zunehmenden Internationalisierung treffen verschiedene Kulturen, Religionen und Werte längst nicht mehr nur während des beruflichen (oder privaten) Auslandsaufenthaltes aufeinander; vielmehr zeichnet sich unsere Gesellschaft durch einen „bunten Mix“ aus, der aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Jener „bunte Mix“, auch kulturelle Überschneidungssituation genannt (vgl. KIEL 2001, 10), welcher die Begegnung und das Kennenlernen zahlreicher verschiedener Kulturen zulässt, kann aber auch Probleme verursachen. Überwiegt die Unwissenheit über die andere Kultur und deren Werte, können Unsicherheit sowie Berührungsängste, im schlimmsten Fall sogar Abneigung, Stereotypen sowie Rassismus die Folge sein (vgl. ebd. 10f.). Gerade deshalb darf interkulturelle Kompetenz nicht lediglich vor bzw. während eines Auslandsaufenthaltes entwickelt werden können, sondern muss innerhalb der Beruflichen Bildung gefördert werden (vgl. OVER/ MIENERT 2006, 50). Interkulturelle Kompetenz umfasst dabei nicht nur fremdsprachliche Kenntnisse, sondern gliedert sich in drei Teilkompetenzen (vgl. im Folgenden ebd., 48; KREMER 2006, 3 sowie KIEL 2001, 13): Der interkulturellen Sachkompetenz sind dabei zwar die fremdsprachlichen Kenntnisse (wie bspw. die Fremdsprache Englisch, welche derzeit in der dualen Ausbildung am häufigsten vertreten ist), aber eben auch Kenntnisse der zu erlernenden Zweitsprache (bspw. Deutsch als Zweitsprache (DaZ) für Jugendliche mit Migrationshintergrund) sowie anderer Sprachen (wie die verschiedenen Muttersprachen der Mitschüler) zuzuordnen. Allerdings werden jedoch DaZ sowie den verschiedenen (Herkunfts-)Sprachen im derzeitigen deutschen Berufsschulunterricht kaum Beachtung geschenkt. Die interkulturelle Sozialkompetenz beinhaltet die Empathie für Menschen anderer Herkunft. Die interkulturelle Selbstkompetenz bedeutet einen reflexiven Umgang mit den eigenen Werten sowie den Einflüssen anderer Sprachen und Kulturen auf das eigene Leben und die eigene berufliche Situation. Zusammen ermöglichen die drei Teilkompetenzen der interkulturellen Kompetenz eine angemessene und erfolgreiche Orientierung sowie Kommunikation und Interaktion in den kulturellen Überschneidungssituationen.
Sowohl Sprachkompetenz als auch interkulturelle Kompetenz sind wesentliche Voraussetzung für die Teilkompetenzen der Handlungskompetenz. Berufliche Handlungskompetenz in Form von Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz ermöglicht berufliche Tüchtigkeit und Mündigkeit und damit den Berufsausbildungserfolg des Einzelnen. Die Integration des Einzelnen in die Arbeitswelt bedeutet gleichzeitig soziale Integration in die Gesellschaft, denn „[w]as ich in dieser Gesellschaft bin, das bin ich durch meinen Beruf“ (GRUNDMANN 2007, 21).
Sachkompetenz kann jedoch nur erreicht werden, wenn genügend Sprachkompetenz im Sinne der linguistischen Kompetenz vorhanden ist, da ansonsten Texte in mündlicher oder schriftlicher Form weder rezeptiv noch produktiv oder kognitiv verarbeitet werden können. Im sozialen Umgang miteinander ist Sprachkompetenz im Sinne der soziolinguistischen Kompetenz von wesentlicher Bedeutung, da es zum Aufbau von sozialen Beziehungen zu Anderen stets der Sprache bedarf. Des Weiteren kann der Mensch erst über sich nachdenken, Dinge kritisch beurteilen und Selbstkompetenz erlangen, wenn eine sprachlogische sowie eine strategische Kompetenz vorhanden sind. Diese Selbstkompetenz bildet die Grundlage für berufliche Mündigkeit in Form eines gesellschaftlichen, demokratischen und persönlichkeitsbezogenen Denkens.
Doch auch die interkulturelle Kompetenz ist für den Aufbau von Sachkompetenz, vor allem im Zuge der zunehmend international ausgerichteten Berufsbilder, relevant. Sachkompetenz in Form von Fachkenntnissen im Aufgabenbereich, internationale Berufserfahrung, Kenntnisse des zielkulturellen Technologiestandes sowie Markt-, Rechts- und Betriebskenntnisse können nur aufgebaut werden, wenn u.a. die entsprechenden Fremd‑/ Zweitsprachenkenntnisse vorhanden sind (vgl. BOLTEN 2001, 108). Die kritische Reflexion der eigenen Sprache und das Erlernen einer anderen Sprache fördern die Empathie für Andere (und deren Kultur) und damit die Sozial- und Selbstkompetenz des Einzelnen.
Dabei sind Sprachkompetenz sowie interkulturelle Kompetenz in ihrer Bedeutung für die angestrebte Handlungskompetenz keineswegs isoliert zu betrachten. Vielmehr ist (Mutter-) Sprachkompetenz im Sinne der Interdependenztheorie wesentliche Voraussetzung für das Erlernen einer weiteren Fremdsprache bzw. Zweitsprache. Auszubildende mit Migrationshintergrund sehen sich mit der Situation konfrontiert, nicht nur eine neue Sprache erlernen zu müssen, sondern die eigenen kulturellen Werte mit den neu erlebten in Beziehung zu setzen. Aber auch deutschsprachige Auszubildende können die Kultur und Sprache ihrer ausländischen Mitschüler und Kollegen nur verstehen und interkulturelle Kompetenz aufbauen, wenn sie sich zuvor kritisch mit ihrer eigenen Sprache und der eigenen Kultur auseinandergesetzt haben. Das Erlernen einer anderen Sprache (eventuell auch der Einblick in die verschiedenen Sprachen der Mitschüler) forciert gleichzeitig also wieder die Auseinandersetzung mit der eigenen Muttersprache und Kultur.
Sprachkompetenz und interkulturelle Kompetenz sind daher interdependent und als wesentliche Grundkompetenzen der Handlungskompetenz in der Berufsausbildung zu fördern. Abbildung 2 zeigt die Einordnung der Sprachkompetenz und der interkulturellen Kompetenz in die Berufsausbildung (in Anlehnung an JUNGKUNZ 1995, 72: Theoretisches Modell des Berufsausbildungserfolges). Ein erfolgreicher Berufsausbildungsabschluss fördert dabei die berufliche und soziale Integration des Jugendlichen in die Gesellschaft. Die zunehmende Verflechtung von Wirtschaftsmärkten und dadurch entstehende multikulturelle Gesellschaften erfordern eine Förderung der Sprachkompetenz und der interkulturellen Kompetenz nicht nur in der Berufsausbildung, sondern auch darüber hinaus durch stetige Weiterbildung. Nur dann ist das Ziel, sowohl gesellschaftlich als auch als Wirtschaftsnation den nationalstaatlichen Egoismus und „monolingualen Habitus“ (vgl. GOGOLIN 2001, 1) aufzugeben und wettbewerbsfähig zu bleiben, erreichbar. Deutschland als Wirtschaftsnation kann seine internationale Stellung nur dann aufrecht erhalten und internationale Handelsbeziehungen pflegen, wenn die Arbeitnehmer nicht nur fachlich, sondern auch (mehr-) sprachlich sowie interkulturell ausgebildet und damit international einsetzbar sind, gleichzeitig aber auch die deutsche Gesellschaft offen ist für internationale Unternehmen sowie Arbeitnehmer, die ihren Standort nach Deutschland verlegen wollen.
Abb. 2: Einordnung der Sprach- und der interkulturellen Kompetenz
Da es sowohl muttersprachigen als auch nicht-muttersprachigen Berufsschülern häufig an standardsprachlichen Fähigkeiten mangelt, können viele keine Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz aufbauen. Die Folgen sind eine fehlende berufliche Handlungskompetenz und damit einhergehend das Scheitern in der Berufsausbildung. Fördermaßnahmen, welche dies zu verhindern versuchen, müssen daher bei der Sprachkompetenz ansetzen. Inwieweit das Lernfeldkonzept die Notwendigkeit der Förderung von Sprachkompetenz und interkultureller Kompetenz berücksichtigt, soll im Folgenden analysiert werden.
Seit der Einführung des Lernfeldkonzepts traten immer wieder dieselben Kritikpunkte auf, wie bspw. mangelnde Umsetzung oder Verfolgung eines heimlichen Lehrplans, die fehlende Anleitung zur Umsetzung, eine fehlende Professionalisierung des Lehrpersonals sowie das bisher noch unangepasste Prüfungswesen (vgl. STEINEMANN/ GRAMLINGER 2003, 6ff. sowie BRUCHHÄUSER 2009, 434). Diese auch heute noch bestehenden Mängel behindern, dass das Lernfeldkonzept von allen Lehrkräften akzeptiert und umgesetzt wird. Zugleich verschärft sich in der Wissenschaft die Diskussion um Fach- oder Handlungssystematik (vgl. CLEMENT 2003 sowie KREMER 2003).
Generell sieht die Autorin die Vorteile des Lernfeldkonzepts, welches Handlungskompetenz mittels handlungsorientiertem Unterricht fördern möchte. Gerade durch das Abbilden der Handlungssituationen des Berufs in schulische Lernsituationen und das fächerübergreifende prozessuale Lernen können die Schüler den Sinn ihres Lernens besser erkennen und sogar ihr Interesse und ihre Motivation steigern. Berufliche Handlungssituationen beinhalten jedoch auch immer sprachliche Tätigkeiten, so dass diese in den Lernfeldcurricula ebenso berücksichtigt werden sollten.
Der Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Industriekaufmann/ Industriekauffrau der KMK soll hier als Beispiel dienen. Er integriert teilweise berufsbezogene sprachliche Inhalte in die Lernfelder (Verhandlungstechniken, Präsentationsgrundsätze und Kommunikationsregeln) (vgl. KULTUSMINISTERKONFERENZ 2002). Auf die nicht mehr zu vernachlässigende Förderung der interkulturellen Kompetenz wird im Rahmenlehrplan indirekt hingewiesen (vgl. KULTUSMINISTERKONFERENZ 2002, 4: „[f]riedliche[s] Zusammenleben von Menschen, Völkern und Kulturen in einer Welt unter Wahrung kultureller Identität“). Gleichzeitig beinhalten einige Lernfelder die fremdsprachige Kommunikation. Es zeigen sich somit zumindest erste Ansätze, sprachliche sowie interkulturelle Inhalte in die Lernfeldcurricula aufzunehmen. Problematisch ist jedoch, dass Lehrpläne im Gegensatz zu Ausbildungsverordnungen und Rahmenlehrplänen, welche bundesweit gelten, von den Ländern in eigener Zuständigkeit erarbeitet werden. Das heißt, der Rahmenlehrplan der KMK kann übernommen oder auch in veränderter Weise selbst vom jeweiligen Bundesland gestaltet werden. Der Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg für den Ausbildungsberuf des Industriekaufmanns bspw., welcher die Lernfelder des Rahmenlehrplans zu Schwerpunkten ordnet, greift die Inhalte des Rahmenlehrplans der Kultusministerkonferenz nur teilweise auf (vgl. MINISTERIUMS FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT BW 2008). Sowohl die nach KMK in die Lernfelder integrierte berufsbezogene Sprachförderung als auch die fremdsprachige Kommunikation lässt der Bildungsplan Baden-Württembergs außen vor. Stattdessen wird der Erwerb von fremdsprachlichen Kompetenzen lediglich als Wahlpflichtbereich angeboten. In Baden-Württemberg sieht das Lernfeldcurriculum daher nur rein beruflich-fachliche Inhalte vor (ohne die damit einhergehenden berufssprachlichen Inhalte). Die Berufsschule jedoch hat die Aufgabe, „den Schülerinnen und Schülern berufliche und allgemeine Lerninhalte unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen der Berufsausbildung zu vermitteln“ sowie die vorher erworbene allgemeine Bildung zu erweitern (KULTUSMINISTERKONFERENZ 2002, 3). Da das Lernfeldcurriculum diesen Auftrag nicht abdecken kann, müssten daher sowohl die allgemeinen (sprachlichen) als auch die berufsbezogenen sprachlichen Inhalte im Deutschunterricht vermittelt werden. Der Deutschunterricht an berufsbildenden Schulen scheint dafür prädestiniert, die sprachlichen Schwächen der Auszubildenden individuell zu diagnostizieren und dann zu fördern. Doch diese in der Theorie leicht implementierbare Förderdiagnostik stößt auf erhebliche Probleme in der praktischen Umsetzung, welche vor allem lehrplan- und prüfungstechnischer Natur sind und im Folgenden skizziert werden sollen.
Der originäre Auftrag des Deutschunterrichts, auch im berufsbildenden Bereich, ist die Förderung der Kompetenz, fundiert mit sprachlichen Informationen und mit ihnen verknüpften Konnotationen umgehen zu können (vgl. KASCHEL 2004, 82). Bei der Umsetzung dieses Auftrags stoßen die Lehrer erstens auf das uneinheitliche Niveau der Schüler in Form von Hauptschülern, Realschülern, aber auch Schülern mit Abitur oder mit bereits beendeter Ausbildung, die nun eine zweite Ausbildung ansteuern. Dies müssen die Lehrkräfte beachten, sich gleichzeitig aber auch an Lehrpläne und Lernziele halten (vgl. HUBACH 1984, 4).
Das zweite große Problem bildet die geringe Stundenanzahl des Deutschunterrichts. Dieser findet an berufsbildenden Schulen eine Stunde pro Woche statt, so dass wenig Zeit für Übungen und Wiederholungen bleibt. Gleichzeitig zwingt diese geringe Stundenanzahl die Lehrkräfte, Themenschwerpunkte aus dem Lehrplan auszuwählen und zu entscheiden, welche Themen nicht behandelt werden, da die Zeit nicht für alle vorgegebenen Themen ausreicht. Da die Lehrkraft die Schüler bestmöglich auf die Abschlussprüfungen vorbereiten möchte, werden die Themen ausgespart, welche nicht Bestandteil der Abschlussprüfungen sind. Auffällig ist hier, dass sich die sechs Aufgabentypen in der vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg gestellten Abschlussprüfung immer auf Erzählungen, Zeitungsartikel und Themen aus dem Privatleben beziehen (vom privaten Geschäftsbrief über Stellungnahmen zum Führerschein ab 17 oder Beschreiben eines Schaubilds über das Single-Dasein der Deutschen) und nicht auf innerhalb des Ausbildungsberufs relevante Themen und Inhalte. Die Lehrkraft, welche sich an den Abschlussprüfungen orientiert und somit einen „heimlichen Lehrplan“ verfolgt, wird demnach häufig berufsbezogene Elemente des Deutschlehrplans aufgrund von Zeitmangel und Irrelevanz für die Endprüfungen nicht oder nur teilweise behandeln. Zwar soll mit dem Lehrplan allgemeine und berufliche Bildung gleichermaßen gefördert werden (vgl. MINISTERIUM FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT 1998, 8), doch kann dies nicht erreicht werden, solange sich die Lehrkräfte an einer nach allgemein bildenden Inhalten ausgerichteten Abschlussprüfung orientieren. Zudem widerspricht dies der häufig geäußerten Meinung (vgl. bspw. GRUNDMANN 2005, 160ff.), die Berufsschulen würden sich zu sehr an den Wünschen der Ausbildungsbetriebe ausrichten und sozusagen „kundenorientiert“ die allgemein bildenden Inhalte vernachlässigen.
Auch die fehlende Anerkennung durch die Ausbildungsbetriebe und nicht selten ebenso durch die Fachlehrerkollegen macht es den Deutschlehrern schwer, effizient zu arbeiten. Kammern und Ausbildungsbetriebe sehen die Sprachförderung der Schüler nicht als Aufgabe der berufsbildenden Schulen, sondern der allgemein bildenden. Für die Ausbildungsbetriebe ist im Deutschunterricht der berufsbildenden Schulformen daher vor allem der Berufsbezug ausschlaggebend. Alles andere wird als überflüssiger Luxus diffamiert (vgl. GRUNDMANN 2007, 53ff.). Dies zeigen die unterschiedlichen Interessen von Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben bzw. die Problematik der Berufsschulen, die Wünsche der Ausbildungsbetriebe, sozusagen „kundenorientiert“, umzusetzen. Der Deutschunterricht an der Berufsschule sieht sich hier der schon seit vielen Jahren bestehenden Kontroverse zwischen allgemein bildenden und berufsbildenden Inhalten gegenüber. Viele Verantwortliche in den Unternehmen sind sich noch nicht bewusst, dass alleine fachspezifische Qualifikationen noch nicht ausreichen und messen daher dem allgemein bildenden Fach „Deutsch“ an berufsbildenden Schulen auch keinen hohen Stellenwert bei. Passt sich die Berufsschule dagegen den Wünschen der Ausbildungsbetriebe an, widerspricht dies dem Prinzip der dualen Ausbildung, nach dem die Lernorte Betrieb und Teilzeit-Berufsschule als gleichwertig zu sehen sind. An den Schulen würden dann überwiegend nur noch fachspezifische und an den Prozessen der Unternehmen ausgerichtete Kenntnisse vermittelt werden, wodurch aber weniger Zeit für die allgemeinen Kompetenzen bliebe.
Ein Blick auf den bayerischen Deutschlehrplan für die Berufsschule zeigt, dass hier bereits die heterogenen Förderbedürfnisse der Berufsschüler erkannt und Lösungsmöglichkeiten gesucht wurden. Dieser Deutschlehrplan weist sowohl allgemeine als auch berufliche Inhalte aus und unterscheidet zwischen Förder-, Standard- und Aufbauprogramm. Der Lehrer hat dann je nach Leistungsstärke seiner Klasse Wahloptionen (vgl. BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR UNTERRICHT UND KULTUS 2009). Ob dies in der Praxis tatsächlich so einfach gehandhabt werden kann, gerade wegen der Heterogenität innerhalb einer Klasse und den geringen Stundenzahlen, bleibt fraglich.
Freilich kann im Rahmen dieses Beitrags keine genaue Analyse der Lehrpläne aller Bundesländer erfolgen. Ein Blick allein auf die Lehrplangestaltung des Bundeslandes Bayern zeigt jedoch, wie unterschiedlich diese erfolgen kann und wie notwendig eine bundeseinheitliche Regelung ist, um deutschlandweit die gleiche Förderung an Sprachkompetenz und interkultureller Kompetenz zu gewährleisten. In der Lehrplanrichtlinie des BAYERISCHEN STAATSMINISTERIUMS FÜR UNTERRICHT UND KULTUS für Industriekaufmann / Industriekauffrau (2002) wird zum einen die berufsbezogene Sprachförderung des Rahmenlehrplans der KMK in den Lernfeldern aufrecht erhalten (vgl. ebd.), zum anderen aber auch ebenso interkulturelle Kompetenz durch den Inhaltsaspekt fremdsprachige Kommunikation explizit ausgewiesen. Zusätzlich erweitern der fest vorgesehene Englischunterricht sowie die Möglichkeit des DaZ-Unterrichts an beruflichen Schulen die Förderung der interkulturellen Kompetenz. In Baden-Württemberg dagegen findet man weder in den Bildungsplänen für die Ausbildungsberufe, noch im Lehrplan für das Fach Deutsch eine eindeutige Thematisierung der interkulturellen Kompetenz (wenn überhaupt, dann minimal, indem Themenkreise wie „Heimat und Fremde“ oder „Anderssein – Vorurteile, Randgruppen“ vorgeschlagen werden) (vgl. MINISTERIUM FÜR KULTUS, JUGEND UND SPORT BW 1998, 19).
Zusammenfassend lassen sich folgende Probleme des Lernfeldcurriculums festhalten:
Einige sprachfördernde Projekte an Berufsschulen versuchten bereits, die curricularen Mängel auszugleichen. So zum Beispiel lieferte der BLK-Modellversuch „Vocational Literacy – Methodische und sprachliche Kompetenzen in der beruflichen Bildung (VOLI)“ einen Pool an Materialien, den „Baukasten Lesediagnose“. Mit dessen Hilfe können Lesekompetenzen der Berufsschüler von allen Lehrern, also auch Nicht-Deutschlehrern, diagnostiziert und gefördert werden (vgl. BIEDEBACH 2006). Ein in Köln entwickeltes Diagnoseverfahren – der Lesetest für Berufsschüler LTB3 –, diagnostiziert die Lesekompetenz von Berufsschülern und ähnelt dem VOLI-Modell in einigen Punkten. Der Lesetest wurde im Rahmen des Projekts „Leseförderung in der Berufsbildung“ entwickelt, welches sowohl Förderinstrumente wie Lesekarten oder Lesewochen, als auch Schulungen für Lehrer entwickelt hat (vgl. BECKER-MROTZEK et al. 2006). Auch hier wird der Fokus jedoch lediglich auf die Lesekompetenz sowie allgemein bildende Inhalte gelegt. Das Berliner Projekt („SPAS“) betont dagegen berufsspezifische Inhalte durch ein Sprachstandsfeststellungsverfahren sowie berufsfeldbezogene in die Lernfelder integrierte Sprachförderbausteine, hält gleichzeitig aber weiterhin an der allgemeinen Sprachbildung in Form des Deutschunterrichts fest. Das 2008 mit dem Deutschen Innovationspreis für nachhaltige Bildung ausgezeichnete Modell setzt inzwischen sogar geschulte „Sprachbeauftragte“ an den beteiligten Berufsschulen ein (vgl. ANDREAS et al. 2010). Nachteil ist allerdings, dass SPAS noch nicht auf viele, insb. kaufmännische Ausbildungsberufe anwendbar und der Erfolg des Projekts in starkem Maß vom Engagement der Schulen und Lehrkräfte abhängig ist. Das gleiche Problem findet sich auch im Schweizer Projekt „Deutschförderung in der Lehre“. Auch hier soll Sprachförderung sowohl im Deutsch- als auch im Fachunterricht gefördert werden. Gleichzeitig sollen Trainingspakete das Sprachförderungsangebot abrunden und gravierende Mängel der Schüler ausgleichen (vgl. NODARI/ SCHIESSER 2003, 10f.). Nicht mehr von Initiativideen und lobenswertem Engagement einzelner Schulen abhängig ist das bereits in die Lehrpläne implementierte Projekt „Sprache als eine berufliche Kompetenz“ in Südtirol. Es zeigt, dass sich Lernfeldkonzept und berufsbezogene Sprachförderung nicht ausschließen, sondern vereint werden können (vgl. NITZ 2009). Dem voraus ging zuerst eine Verdoppelung der Stunden des Sprachunterrichts in der Berufsschule, um ein Bewusstsein zu schaffen und die Beteiligten für die enorme Wichtigkeit der Sprachkompetenz als berufliche Kompetenz zu sensibilisieren – ein Bewusstsein, welches in den deutschen und vor allem baden-württembergischen Berufsschulen noch zu wenig vorhanden ist.
Deutlich ist, dass weiterhin Uneinigkeit über die Diskussion um allgemeine vs. berufliche Bildungsinhalte im Deutschunterricht besteht und viele Projekte weiterer Forschung, Verbesserungen und Evaluationen bedürfen. Andere berücksichtigen lediglich die Lesekompetenz und nicht die Sprachkompetenz in all ihren Teilkompetenzen. Auffallend ist auch, dass in keinem der genannten Projekte die Unternehmen als Sprachförderungsinstanzen auftreten. Auch die Förderung der interkulturellen Kompetenz findet oft noch keine ausreichende Berücksichtigung. Der nächste Abschnitt dieses Beitrags zeigt, inwieweit Anpassungen in den Curricula und dem Prüfungswesen notwendig sind und wie die scheinbaren Kontroversen des Dualen Systems (Handlungssystematik vs. Fachsystematik sowie allgemeine vs. betriebliche Bildung) in einem Fördermodell nebeneinander bestehen können.
Seit mehr als 200 Jahren bietet die Kontroverse zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung Anlass zur Diskussion. Schon HUMBOLDT, KERSCHENSTEINER und SPRANGER setzten sich mit dieser Frage auseinander. Nach KERSCHENSTEINER soll die Sprachkompetenz im Medium beruflicher Inhalte gefördert werden, wodurch allgemeine Bildung erlangt werden könne. Für SPRANGER dagegen sind, teilweise in Anlehnung an KERSCHENSTEINER und HUMBOLDT, in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts sowohl die allgemein bildenden als auch die berufstheoretischen Kenntnisse wichtig. Damit prägte er den Begriff des sogenannten „doppelten Erziehungs- und Bildungsauftrags“ der Berufsschulen (vgl. GRUNDMANN 2001, 30ff.), welcher sich auch in §10 des SCHULGESETZES BADEN WÜRTTEMBERG widerspiegelt. Die Aufgabe der Berufsschule besteht darin, nicht nur fachtheoretische Kenntnisse zu vermitteln, sondern auch die allgemeine Bildung der Berufsschüler fortzusetzen (vgl. 1983).
Ohne allgemein bildende Inhalte und standardsprachliche Fähigkeiten ist kein Erwerb von fachspezifischen Sprachkenntnissen und berufsbezogenen Fachinhalten möglich. Gerade durch einen „kundenorientierten Unterricht“ an Berufsschulen, in dem den Schülern nur noch die berufsspezifischen Kenntnisse und Fertigkeiten entsprechend einem statischen Berufsbild vermittelt werden, „verkümmern“ die eigentlich notwendigen Fähigkeiten der Schüler, wie Empathie, kritische Reflexion, Kommunikationsfähigkeit und damit ihre Persönlichkeit. Sie werden zu „einseitigen Banausen“, die zwar angepasst sind im Sinne eines derzeit nachgefragten Fähigkeitskatalogs, denen aber die Fähigkeit fehlt, über ihr berufliches Tun nachzudenken und gegebenenfalls auch veraltetes Wissen zu erneuern. „Kundenorientierter“ Unterricht führt demnach durchaus zu beruflicher Tüchtigkeit, aber kaum zu beruflicher Mündigkeit. Sprachliche Förderung als allgemein bildendes Lernziel sollte daher auf jeden Fall Bestandteil des Unterrichts in der Berufsschule sein (vgl. GRUNDMANN 2005, 160f.).
Das Ergebnis der Diskussion um allgemeine und berufliche Bildung an Berufsschulen ist, dass es sich nur um einen scheinbaren Gegensatz handelt, denn allgemeine und berufliche Bildung sind eng miteinander verbunden. Der Mensch braucht immer beides: die berufliche Bildung, um das gesellschaftliche Leben und die allgemeine Bildung, um das Leben als Individuum zu bestehen. Daher sind berufliche und allgemeine Bildung gleichermaßen wichtig. Allgemeine Bildung darf deshalb keineswegs während der beruflichen Ausbildung vergessen werden (vgl. GRUNDMANN 2007, 10). Ein Unterricht, der nur Fachwissen vermittelt, erzeugt vielleicht kurzfristig gute „Fachmänner“, die angepasst, aber nicht anpassungsfähig sind, da „sie wohl mitmachen, aber nicht mitdenken.“ (ebd., 58).
Die Lösung der Kontroverse zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung im Berufsschulunterricht impliziert gleichzeitig die Lösung der Frage nach Handlungs- oder Fachsystematik. Da die allgemeinen sprachlichen sowie außerbetrieblichen interkulturellen Fähigkeiten nicht in die berufsbezogen ausgerichteten Lernfelder in dem erforderlichen Maß integriert werden können, legitimiert dies den Deutschunterricht als Fach, welches berufsübergreifende Fähigkeiten fördert. Gleichzeitig können so durch die Fachsystematik die Standards des mittleren Bildungsabschlusses weiterhin erreicht werden, und zwar ausbildungsberufsunabhängig. Das Weiterführen der Handlungssystematik bei den Lernfeldern ermöglicht dabei eine inhaltliche Nähe zur Praxis. Würden die Lernfelder noch explizit um berufsbezogene sprachliche und interkulturelle Inhalte ergänzt werden, könnte dies eines der derzeit noch bestehenden Mankos des Lernfeldkonzepts aufheben. Wie der Berufsschulunterricht und das Duale System den Spagat zwischen allgemeiner und betrieblicher Bildung sowie Fach- und Handlungssystematik schaffen können (bei gleichzeitiger Förderung von Sprachkompetenz und interkultureller Kompetenz), zeigt das im Folgenden vorgestellte Fördermodell.
Da eine Förderung der Handlungskompetenz ohne Förderung der Sprachkompetenz (und inzwischen auch der interkulturellen Kompetenz) nicht möglich ist, das bisherige Lernfeldkonzept die Förderung dieser beiden Kompetenzen jedoch nicht berücksichtigt, muss das Lernfeldkonzept zwingenderweise erweitert werden. Neben einer solchen Erweiterung des Lernfeldkonzepts, machen eine stärkere Integration der Förderung der Sprachkompetenz und der interkulturellen Kompetenz in das duale Ausbildungssystem weitere Veränderungsmaßnahmen notwendig, welche im Folgenden erläutert werden sollen.
In einem System der optimalen Förderung sind sowohl die allgemeine (sprachliche) Bildung als auch die berufliche Bildung zu fördern. Dies kann über ein Fördermodell erreicht werden, welches zum einen die Kooperation der Lehrkräfte untereinander, aber auch der Lernorte Berufsschule und Unternehmen erforderlich macht. Ein solches Sprachfördermodell schult in der ersten, wie bisher nach der Fachsystematik ausgelegten Stufe die allgemeinen sprachlichen und außerbetrieblichen Fähigkeiten im Sinne der hier definierten Grundkompetenzen der Sprachkompetenz (wie Rechtschreibung, Grammatik, Sprachnormbewusstsein etc.) unter Einbeziehung interkultureller Aspekte (bspw. Reflexion der eigenen Sprache sowie der Sprache und Werte Anderer). Dies stellt weiterhin sicher, dass mit dem Berufsabschluss die Standards des mittleren Bildungsabschlusses erreicht werden. Zum anderen werden jedoch der berufsbezogene Sprachunterricht (wie bspw. Texte in Fachsprache verstehen, Kundengespräche führen, Präsentationstechniken anwenden) sowie interkulturelle Aspekte im Beruf (z. B. Berufsbilder und -verständnis anderer Nationen kennen lernen, Fachbegriffe in einer anderen Sprache verstehen) als Inhalte eines Lernfelds ausgewiesen und in konkrete Lernsituationen einbezogen (hier ist bspw. eine Förderung ähnlich dem durch den Europäischen Sozialfond geförderten Berliner Modellprojekt SPAS denkbar). Deutschlehrer unterrichten dabei die berufsbezogenen sprachlichen Inhalte in den Lernfeldern mittels team-teaching. Andere, einfachere sprachliche Inhalte innerhalb der Lernfelder können auch von geschulten Fachlehrern in den Unterricht integriert werden. Als Drittes fördert ein fremdsprachliches Wahlpflichtfach die Sprachkompetenz und interkulturelle Kompetenz des Berufsschülers. Hier kann der Schüler bspw. auf Empfehlung des Deutschlehrers DaZ wählen oder eine andere (Wirtschafts-)sprache. Erstrebenswert wäre es hier, nicht nur die gängigen als lingue franche geltenden Sprachen, wie Englisch oder Spanisch, anzubieten, sondern auch das kulturelle Verständnis und Miteinander fördernde Sprachen wie Chinesisch, Arabisch oder Türkisch. Als vierte Instanz der Sprachförderung innerhalb der Berufsausbildung könnten Trainingspakete, welche die jeweilige Lehrkraft den Schülern bei Bedarf empfiehlt, helfen, Lesetechniken bzw. das Verstehen von Fachtexten einzuüben (vgl. NODARI/ SCHIESSER 2003). Zur Unterstützung des kulturellen und respektvollen Miteinander in der Klasse sind im Falle von Differenzen und Streitpunkten in der Klasse Trainingspakete zur interkulturellen Kompetenz denkbar, bspw. das Thematisieren von unterschiedlichen Kulturen und Religionen. Die fünfte Instanz schließlich stellt der Lernort Unternehmen dar, welcher durch unternehmensspezifische Förderangebote wie Kommunikations- oder interkulturelle Kompetenz-Trainings, die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter auf seine speziellen Wünsche und internationalen Bedürfnisse hin ausrichten kann.
Abb. 3: Das fünfgliedrige Fördermodell der Sprach- und interkulturellen Kompetenz
Das fünfgliedrige Fördermodell kollidiert jedoch mit den derzeitigen Gegebenheiten des Dualen Systems. Die Fachlehrer beklagen eine immense Stoffmenge bei gleichzeitig fehlenden Stunden sowie zu großen Klassen, so dass vielen eine lernfeldintegrierte und individuelle Sprachförderung zeitlich unmöglich scheint. Vor allem im Sinne der Schüler würde sich hier anbieten, die Quantität des Lernstoffes zu reduzieren (ggf. sogar einhergehend mit einer längeren Ausbildungsdauer als drei Jahre), um auch im Fachunterricht noch genügend Zeit für eine berufsbezogene Förderung der Sprachkompetenz und der interkulturellen Kompetenz bereitzustellen und so die Qualität des Unterrichts und des Lernoutputs zu erhöhen. Gleichzeitig gelingt dies nur, wenn Fachlehrer für die immense Bedeutung der Sprachförderung und der interkulturellen Kompetenz sensibilisiert werden und offen sind für eine inhaltliche Abstimmung mit den Deutschlehrern. In Anbetracht der zunehmenden Klagen aus der Wirtschaft über die Kompetenzen der Auszubildenden und Schulabsolventen ist es zudem dringend erforderlich, eine Kooperation der Lernorte voranzutreiben – zumindest so weit, dass Fachbegriffe in ihrer Verwendung definiert und abgestimmt werden sowie die sprachlichen Erfordernisse in den Unternehmen bei der schulischen Sprachförderung Berücksichtigung finden. Dies könnte in den ohnehin vorgesehenen Bildungsgangkonferenzen koordiniert werden. Um eine individuelle Förderdiagnostik nicht nur innerhalb der Trainingspakete, sondern sowohl bereits im allgemeinen Sprachunterricht, als auch innerhalb der Lernfelder zu realisieren, müssen die Größe der Klassen reduziert und gleichzeitig mehr Lehrer eingesetzt werden. Diese müssen (ganz gleich ob Deutsch- oder Fachlehrer) nicht nur für die Notwendigkeit der Sprachförderung und Förderung der interkulturellen Kompetenz sensibilisiert werden, sondern viel mehr selbst geschult werden, um die Förderdiagnostik dann auch in ihrem Unterricht erfolgreich umzusetzen. Um den Erfolg einer Fördermaßnahme voranzutreiben, welcher meist vom Engagement der jeweiligen Schule bzw. der Lehrkraft abhängig ist, muss die Fördermaßnahme konkret in einem bundeseinheitlichen Lehrplan vorgegeben werden, welcher den einzelnen Ländern und Schulen nur noch den Spielraum der Abstimmung mit den regionalen Unternehmen lässt. Nur so kann gewährleistet werden, dass ein Auszubildender in Deutschland, unabhängig von Bundesland und Berufsschule, einen definierten Mindeststandard an den genannten erforderlichen Kompetenzen entwickeln kann.
Das hier vorgestellte fünfgliedrige Fördermodell von Sprachkompetenz und interkultureller Kompetenz stellt den Deutschunterricht als solchen wieder in den Vordergrund (welcher lange Zeit als berufsirrelevant an den Berufsschulen geduldet wurde). Dies steigert somit die Anerkennung bei allen Lehrkräften gleichermaßen, ebenso wie bei den Ausbildungsunternehmen, deren Wünsche berücksichtigt werden, als auch beim Schüler selbst, welcher den Berufs- und Gesellschaftsbezug erkennt. Um einem heimlichen Lehrplan entgegen zu wirken, reicht eine bundeseinheitliche Implementierung in die Lehrpläne noch nicht aus, vielmehr muss ebenso das Prüfungswesen angepasst werden. Denkbar wäre hier nicht nur eine Auflistung der Endnote im Schulabschlusszeugnis, sondern eben auch im Ausbildungszeugnis. Hier könnten Berufsschule und Ausbildungsunternehmen gemeinsam die Sprachkompetenz und interkulturelle Kompetenz des Auszubildenden zertifizieren. Die so erworbene fachliche Ausbildung in Kombination mit bewussten (mehr-)sprachlichen Fähigkeiten und Mündigkeit aufgrund interkultureller Kompetenz kann jedoch nur zum Tragen kommen, wenn sowohl die Unternehmen als auch die Gesellschaft nicht nur diese Kompetenzen fordern, sondern auch wertschätzen und sich im Zuge der Internationalisierung der Mehrsprachigkeit und Multikulturalität öffnen.
Die Frage nach der Bildungsbeteiligung ist zu einer Zukunftsfrage ersten Ranges für die ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland geworden. Nur wenn auch junge Zuwanderer eine Förderung erhalten, welche ihnen einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss ermöglicht, wird Deutschland seine Stellung in der Weltwirtschaft behaupten können (vgl. HUNGER 2001, 131f.). Daher muss auch in der dualen Ausbildung die allgemeine und berufsbezogene Sprachkompetenz gefördert werden, sowohl bei Muttersprachlern als auch und besonders bei Nicht-Muttersprachlern (und zwar im Sinne einer erfolgreich geförderten Bilingualität und nicht im Sinne einer doppelten Halbsprachigkeit). Auch die Förderung der interkulturellen Kompetenz muss nicht nur im Dualen System, sondern auch in der deutschen Gesellschaft ihren Stellenwert finden, damit Berufsabsolventen sich im internationalen Arbeitsmarkt behaupten können und im nationalen Gefüge Mehrsprachigkeit anerkennen und selbst leben. Nur so kann innerhalb einer Gesellschaft (sowohl im privaten Umfeld als auch am Arbeitsplatz in der Region) ein multikulturelles Miteinander und eine Wertschätzung anderer Kulturen erreicht werden.
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