Titel:
Nachhaltiges Schulnetzwerk: BBS futur
Beitrag von Andreas FISCHER (Leuphana Universität Lüneburg)
Sieben Berufsbildende Schulen in Niedersachen und das Studienseminar Osnabrück haben sich in einem Netzwerk bzw. einer Arbeitsgemeinschaft organisiert, um gemeinsam eine realisierbare Vision über Berufsbildende Schulen der Zukunft zu entwickeln. Jede beteiligte Schule entwickelt ein übertragbares Beispiel für Nachhaltigkeit im Unterricht / eine nachhaltige Schulentwicklung und geht während des Projektes mindestens eine Partnerschaft mit einem für die nachhaltige Schulentwicklung relevanten Wirtschaftsunternehmen ein. Zusätzlich wird ein EFQM-basierter Referenzrahmen für eine nachhaltige Schulentwicklung (mit Kriterien / Qualitätsstandards und Indikatoren) erarbeitet, eine Informationsstelle „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung“ aufgebaut sowie eine Strategie zur Verbreitung der Projektergebnisse in den niedersächsischen Berufsbildenden Schulen erarbeitet. Ziele des Netzwerkes (Projekts) sind eine Vision über „Berufsbildende Schulen der Zukunft“ zu entwickeln, einen Referenzrahmen für eine nachhaltige Schulentwicklung zu erstellen, mindestens acht didaktisch aufbereitete Praxisbeispiele zur nachhaltigen Unterrichtsgestaltung bzw. zur nachhaltigen Schulentwicklung in den beteiligten Schulen zu erproben und mindestens eine Partnerschaft mit einem für die nachhaltige Schulentwicklung relevanten Wirtschaftsunternehmen pro beteiligter Schule aufzubauen. Insgesamt soll ein Konzept erstellt werden, um die Projektergebnisse systematisch in allen niedersächsischen Berufsbildenden Schulen zu verbreiten und weiterzuentwickeln. Gefördert wird das Projekt von der Deutschen Bundestiftung Umwelt.
Mit dem 1. März 2011 haben sieben Berufsbildende Schulen aus Niedersachsen, das Studienseminar Osnabrück und das niedersächsische Kultusministerium gemeinsam mit der Leuphana Universität Lüneburg einen Kooperationsvertrag unterzeichnet, um unter dem Titel „bbs-futur - Nachhaltige Berufsbildung in nachhaltigen Berufsbildenden Schulen in Niedersachsen“ übertragbare Beispiele für Nachhaltigkeit im Unterricht / eine nachhaltige Schulentwicklung zu entwickeln und zu erproben. Die Vorarbeiten begannen bereits ein Jahr vorher, als sich die Arbeitsgemeinschaft am 3. März 2010 in Wilhelmshaven konstituiert hat, um einen entsprechenden Projektantrag bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zu erarbeiten. Um die Ernsthaftigkeit des Vorhabens zu untermauern, haben die Beteiligten am 18. Juni 2010 mit dem niedersächsischen Kultusminister eine Absichtserklärung unterzeichnet, einen entsprechenden Antrag bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt einzureichen. Grundlage war eine in der Zwischenzeit erarbeitete Projektskizze. An ihr wurde in den kommenden Monaten so lange intensiv weitergearbeitet, bis die Deutsche Bundesstiftung Umwelt den Antrag bewilligt hat. Und damit fängt die Arbeit erst richtig an. Doch der Reihe nach.
Angesichts sich zuspitzender ökologischer Problemlagen und einer nach wie vor wachsenden Armut in weiten Teilen der Welt hat sich die Staatengemeinschaft 1992 in der „Agenda 21“ auf das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung verständigt. Eine nachhaltige Entwicklung ist nur möglich, wenn diese Idee von vielen Menschen getragen und umgesetzt wird. Daher spielt Bildung eine herausragende Rolle. Angesichts dessen wurden die Jahre 2005 bis 2014 von den Vereinten Nationen zur UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ erklärt. Damit ist auch die Berufsbildung aufgefordert, ihren spezifischen Beitrag für eine nachhaltige, zukunftsfähige Entwicklung zu leisten. Dies gilt insbesondere für die Berufsbildenden Schulen, denn ca. 60 % der Schulabgänger allgemein bildender Schulen werden im Rahmen der Berufsvorbereitung und Berufsausbildung in Berufsbildenden Schulen qualifiziert. Berufsbildende Schulen sind daher hervorragend geeignet, durch entsprechende Gestaltung des Unterrichts und des Lernortes Berufsbildende Schulen Kompetenzen für nachhaltiges Handeln in Beruf und Arbeitswelt zu fördern.
In Niedersachsen bieten sich besonders gute Voraussetzungen, Anforderungen nachhaltiger Entwicklung bzw. der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung in die Berufsbildenden Schulen systematisch zu integrieren. Alle niedersächsischen Berufsbildenden Schulen haben ein Qualitätsmanagement eingeführt und sind seit 2011 Regionale Kompetenzzentren. Als Grundlage der Berufsschulentwicklung findet das EFQM-Modell Verwendung. Es bildet auch die Basis für die regelmäßige Überprüfung der Berufsschulqualität durch die Niedersächsische Schulinspektion.
Die Entwicklung zu Regionalen Kompetenzzentren bietet den Berufsbildenden Schulen große Chancen; sie stellt jedoch auch eine große Herausforderung dar. Wie sich in der Praxis gezeigt hat, ist die Qualität der niedersächsischen Berufsbildenden Schulen noch verbesserungsfähig. Vielen Schulen fehlt eine strategische Ausrichtung, und auch im Bereich der Unterrichtsqualität gibt es Verbesserungspotenziale. Von einer systematischen Berücksichtigung der Anforderungen nachhaltiger Entwicklung in Schulmanagement und Unterricht sind grundlegende Verbesserungen zu erwarten. Nachhaltigkeit ist als Qualitätsmerkmal zu verstehen. Eine systematische Orientierung an Kriterien nachhaltiger Entwicklung kann dem Berufsschulentwicklungsprozess eine normative Richtung geben und als Innovationsmotor für eine verbesserte Unterrichtsqualität dienen.
Vor diesem Hintergrund haben sich sieben Berufsbildende Schulen aus Niedersachsen und das Studienseminar Osnabrück zu einer Arbeitsgemeinschaft mit dem Namen „BBS futur - Nachhaltige Berufsbildung in nachhaltigen Berufsbildenden Schulen - Niedersachsen“ zusammengeschlossen. Dies sind die BBS II Kerschensteiner Schule, Delmenhorst; die BBS II des Landkreises Göttingen; die BBS 3 der Region Hannover; die BBS Melle des Landkreises Osnabrück; die BBS am Pottgraben der Stadt Osnabrück; die BBS Osterholz-Scharmbeck; die BBS Friedenstraße, Wilhelmshaven und das Studienseminar Osnabrück. Weiterhin gehören das Lehrgebiet Berufs- und Wirtschaftspädagogik / Didaktik der Wirtschaftslehre der Leuphana Universität Lüneburg sowie das Institut für nachhaltige Berufsbildung & Management-Services GmbH der Arbeitsgemeinschaft an. Und schließlich wirken die Schulinspektion (Landesschulbehörde, Außenstelle Osnabrück) und das Niedersächsische Kultusministeriums mit.
In dem Projekt „BBS futur - Nachhaltige Berufsbildung in nachhaltigen Berufsbildenden Schulen in Niedersachsen“ verfolgt die Arbeitsgemeinschaft die Ziele,
Das Projekt bbs-futur ist im Bereich der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung angesiedelt. Es steht im Kontext der Weltdekade „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“. Inzwischen weiß jeder, dass hinter dem Begriff Nachhaltigkeit, der nach der UN-Konferenz von 1992 in Rio de Janeiro populär wurde, die Vorstellung steht, dass die gegenwärtige Generation ihren Bedarf befriedigen soll, ohne künftige Generationen in ihrer Bedarfsbefriedigung zu beeinträchtigen. Bekannt sind die Forderungen nach einer generationsübergreifenden (intergenerationellen) Gerechtigkeit sowie nach Verteilungsgerechtigkeiten innerhalb einer Generation (intragenerationelle Gerechtigkeit). Weiterhin ist bekannt, dass ökonomische, ökologische und soziale Entwicklungen nicht voneinander abzuspalten und gegeneinander aufzuwiegen sind. Damit steht der Begriff Nachhaltigkeit für ein neues Verständnis des Wirtschaftens, das sich vom traditionellen wirtschaftlichen Fortschritts- und Wachstumsmodell loslöst.
Nachhaltigkeit ist jedoch – wie die Idee vom guten Leben – keine Programmatik, die uns vorschreibt, wie alles Zukünftige zu gestalten ist. Vielmehr wird mit dem Begriff die Grundidee ausgedrückt, dass ein System nachhaltig ist, wenn es überlebt bzw. langfristig Bestand hat. Daraus leiten sich zumindest zwei Fragen ab: Was soll erhalten bleiben? Und: Was kann weiterentwickelt werden? Die Antworten auf diese Fragen erschöpfen sich weder in einem mechanistischen Verständnis von Dauerhaftigkeit noch in dem Bemühen, Schnabeltier und Schachtelhalm zu erhalten. Nachhaltige Entwicklung ist vielmehr eine konkretisierungs- und entwicklungsbedürftige Zukunftsvision, also eine regulative Idee. Es liegt kein fertiges, in sich konsistentes politisches Programm vor, sondern lediglich eine Vorstellung von einem Ganzen, die den Such- und Erkenntnisprozess leitet.
Um diese abstrakte Vorstellung konkretisieren zu können, werden im Nachhaltigkeitsdiskurs einzelne Kristallisationspunkte wie Gerechtigkeit, Vernetzung, Globalität und Zukunft erörtert und sogenannte Managementregeln formuliert, die letztlich darauf abzielen, mit den natürlichen Ressourcen verantwortlich umzugehen. Weiterhin werden Strategien / Konzepte erarbeitet, um mit den vorhandenen Ressourcen sparsam und effizient sowie naturverträglich zu arbeiten. Zahlreiche Instrumente wie zum Beispiel Dialoginstrumente oder Qualitätsmanagementsysteme in Unternehmen sollen helfen, die Vorstellung von einer nachhaltigen Entwicklung umzusetzen. Um Missverständnisse zu vermeiden: In dem Projekt bbs-futur wird die Idee der nachhaltigen Entwicklung nicht in einem Top-down-Verfahren allein konkretisiert. Vielmehr wird die Zukunftsvision über die Projekte in einem Bottom-up-Prozess ausgearbeitet.
Der beruflichen Bildung wird bereits 1992 in der Agenda-21-Erklärung ein besonderer Stellenwert zugewiesen. In Deutschland ist es erklärte Politik der Bundesregierung(en), die Idee als Leitbild und als Orientierungsrahmen für die berufliche Bildung umzusetzen. Doch haben weder die zahlreichen Projekte, die unter dem Schlagwort nachhaltige Entwicklung durchgeführt werden, noch die Bücher, Aufsätze und Filme, die zu diesem Thema vorliegen, bislang ein breites Publikum erreicht. Hier setzt das Projekt bbs-futur an. Die sieben der insgesamt 135 niedersächsischen Berufsbildenden Schulen wollen sich im Rahmen ihrer Eigenverantwortung zu nachhaltig wirkenden Bildungsstätten in ihren Regionen entwickeln. Vorgesehen ist, dass sich die Pilotschulen entlang des schulspezifischen Qualitätsmanagements nach dem EFQM-Modell nachhaltig ausrichten. Um dies zu ermöglichen, unterstützt die Abteilung 4 - Berufliche Bildung - des Niedersächsischen Kultusministeriums das Vorhaben. Zielgruppe der Projektaktivitäten sind die Jugendlichen, die in Berufsbildenden Schulen qualifiziert werden sollen. Um dies zu erreichen, werden die an den Berufsbildenden Schulen tätigen Lehrkräfte unterstützt, die in unterschiedlicher Funktion die Jugendlichen qualifizieren oder diesen Prozess in der Funktion von Führungskräften, Koordinatoren/innen oder Multiplikatoren/innen unterstützen.
In diesem Zusammenhang sehen sich die Schulen mit Widersprüchlichkeiten konfrontiert, sie müssen sich über den Umgang mit Paradoxien statt Eindeutigkeiten auseinandersetzen und haben sich mit Komplexität statt mit Linearisierungsstrategien zu beschäftigen. So ist in der beruflichen Bildung das Bildungsverständnis stark mit dem beschäftigungspolitischen Denken verknüpft; denn der Erfolg des beruflichen Bildungssystems wird primär an den Bedürfnissen sich schnell wandelnder Arbeitsmärkte gemessen. Dies ist eine zentrale Herausforderung für die beteiligten Schulen: Strukturell betrachtet laufen sie Gefahr, aufgrund ihrer Arbeitsmarktorientierung und -verpflichtung einseitig auf das „marktschreierische“ unmittelbar Nützliche hin zu arbeiten. Damit vernachlässigen sie ihren Bildungsauftrag. Denn die Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung sollte auf die Einseitigkeit der Ökonomisierung von Bildung hinweisen und die mit der Nachhaltigkeit verbundenen Vernetzungs- und Verantwortungsgedanken offensiv thematisieren. Gleichzeitig besteht die Herausforderung darin, Kommunikation über Nachhaltigkeit nicht zum Selbstzweck zu betreiben, sondern mit der Absicht, im (Schul-) Alltag gestaltend und verändernd aktiv zu werden.
Eine weitere Herausforderung besteht für die Schulen darin, dass die regulative Idee der Nachhaltigkeit auf der Makro-, Exo-, Meso- und Mikroebene erörtert wird. Der gesellschaftliche Diskurs über nachhaltige Entwicklung stellt die Makroebene dar. Hier wird geklärt, was eigentlich unter Nachhaltigkeit und was unter einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung verstanden wird. Im Bildungs- bzw. Beschäftigungssystem (Exoebene) werden die curricularen Vorgaben, Lehrpläne, Ausbildungsordnungen und die Lernortorganisation sowie alle weiteren Rahmenbedingungen festgelegt, die für die berufliche Bildungsarbeit relevant sind. Der Diskurs mit all seinen kognitiven, sozialen, psychologischen, methodischen, organisatorischen, ökonomischen und anderen Faktoren bildet die Mesoebene. Sie lässt sich auch als Lehr-Lern-Kultur bezeichnen. Die Mikroebene schließlich ist das Lehrangebot an sich, das den Lernenden die Möglichkeit geben soll, sich mit Fragen einer nachhaltigen Entwicklung auseinander zu setzen. Die vier Ebenen sind nicht als in sich abgeschlossene, sondern als offene Systeme zu betrachten, zwischen denen Wechselwirkungen bestehen. Gleichzeitig lassen sich auf allen vier Ebenen vielfältige Facetten des Zusammenspiels zwischen sozialen, wirtschaftlichen und / oder politischen Faktoren ausmachen, die durchaus widersprüchlich sind. Damit wird die Problematik der Implementierung von Nachhaltigkeit im Alltag der Berufsbildenden Schulen deutlich: Nachhaltigkeit umfasst die vertikalen Zusammenhänge zwischen den vier Ebenen. Die Lehr-Lern-Prozesse – also die Mikroebene und der Kernbereich des didaktischen Interesses – können nur im Kontext dieser Bedingungsfeldfaktoren arrangiert werden. Anders formuliert: Es ist nicht nur das Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialem zu thematisieren, sondern zugleich das Spannungsverhältnis zwischen kurzfristigen und langfristigen Zielen sowie zwischen individuellen und kollektiven Präferenzen. Hier müssen die Schulen Wege finden, wie Entscheidungen und Operationalisierungen transparent gemacht werden und wie sie mit dem Problem unvollständiger Informationen und das Handeln angesichts von Unsicherheit und Risiken umgehen können.
All diese Herausforderungen drohen die beteiligten Schulen im bbs-futur-Projekt mit all den an sie gestellten Ansprüchen zu überfrachten. Diese Überforderung beginnt bereits bei der begrifflichen Klärung. Denn wir wissen: Nachhaltigkeit ist eine komplexe Größe, die mit Theorien und einfachen Regeln nicht erfasst werden kann. Wir wissen ebenfalls: Bildung ist eine komplexe Leitidee, die im Laufe der letzten zweihundert Jahre unterschiedlich diskutiert wurde und wird. Und wir wissen schließlich: Das System der beruflichen Bildung ist aufgrund seiner Wechselbeziehungen mit den politisch-administrativen, ökonomischen und sozio-kulturellen Systemen sowie den unterschiedlichen berufsbildungstheoretischen Ansätzen so komplex, dass das einzig Stetige im Bildungssystem die Unstetigkeit ist. Jeder einzelne Schlüsselbegriff, der in der Zusammensetzung „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung“ enthalten ist, ist also unpräzise, hypothetisch und nicht klar abgrenzbar. Diese Unschärfe potenziert sich, wenn die drei Begriffe miteinander kombiniert werden. So ist es nicht verwunderlich, dass die Diskussion um Nachhaltigkeit in der Berufsbildung nach wie vor darunter leidet, dass zum einen das Profil der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung noch (immer) nicht geschärft ist und zum anderen kaum integrative, ganzheitlich angelegte Ansätze, Konzepte und Praxisbeispiele vorliegen.
Die Schulen im bbs-futur-Projekt stellen sich den Herausforderungen und wollen zunächst zur Sensibilisierung von in der Berufsbildung Lehrenden sowie zur Entwicklung der dafür erforderlichen organisationalen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen (Schulentwicklung) beitragen. Gehofft wird, dass mit den folgenden Aktivitäten der Nachhaltigkeit in den Berufsbildenden Schulen „ein Gesicht“ gegeben wird und eine nachhaltige Entwicklung ins Zentrum von Schulentwicklung und Unterricht rückt:
Grundsätzlich wird im bbs-futur-Projekt eine Vision über Berufsbildende Schulen der Zukunft entwickelt: Vorliegende Konzepte, Instrumente und Praxisbeispiele zur Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung bzw. zur nachhaltigen Schulentwicklung sowie zur „guten Schule“ werden in Workshops gesichtet und aufbereitet; Experten auf diesem Gebiet werden identifiziert und angesprochen. An den Workshops nehmen Vertreter/innen aller in der Arbeitsgemeinschaft vertretenen Institutionen sowie des Niedersächsischen Kultusministeriums und der Schulbehörde teil.
Es wird ein EFQM-basierter Referenzrahmen für eine nachhaltige Schulentwicklung (mit Kriterien / Qualitätsstandards und Indikatoren) entwickelt. Denn trotz diverser Vorarbeiten vor allem in Förderprojekten der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) liegt derzeit noch kein konzeptioneller Referenzrahmen für nachhaltige Schulentwicklung von Berufsbildenden Schulen vor. Solch ein Referenzrahmen wird in Verbindung mit der Vision über Berufsbildende Schulen der Zukunft erarbeitet, der auch als Vorbild für eine nachhaltige Schulentwicklung allgemein bildender Schulen dienen kann. Um dies zu erreichen, werden Workshops durchgeführt, in denen das in Niedersachsen für die Schulentwicklung genutzte EFQM-Modell sowie weitere in Niedersachsen für die Schulentwicklung genutzte Konzepte und Instrumente daraufhin analysiert werden, inwiefern Aspekte nachhaltiger Entwicklung bereits enthalten sind bzw. an welchen Stellen sich Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung bzw. einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung in das EFQM-Modell integrieren lassen.
Neben der Suche nach Verknüpfungen zwischen Nachhaltigkeit und Qualitätsmanagement entwickelt jede beteiligte Schule mindestens ein gutes Beispiel für nachhaltigen Unterricht / eine nachhaltige Schulentwicklung. Im Überblick handelt es sich um folgende Projektvorhaben:
Unabhängig von den oben skizzierten Einzelprojekten geht jede beteiligte Schule während des Projektes mindestens eine Partnerschaft mit einem für die nachhaltige Schulentwicklung relevanten Wirtschaftsunternehmen ein. Weiterhin ist eine Niedersächsische Informationsstelle „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung“ geplant, die hilft, die Projektergebnisse in den niedersächsischen Berufsbildenden Schulen zu verbreiten. Gleichzeitig soll eine Strategie erarbeitet werden, wie die Erfahrungen, Ansätze und Konzepte auf die anderen berufsbildenden Schulen in Niedersachsen übertragen werden können. Die Unterstützung des Projekts durch das Niedersächsische Kultusministerium verdeutlicht, dass das Projekt politisch gewollt ist und die Ergebnisse in den niedersächsischen Berufsbildenden Schulen verbreitet werden sollen. Insgesamt betrachtet handelt es sich um ein Vorhaben, das in dieser Form (noch) einmalig in Deutschland ist.
Die Einmaligkeit ist unter anderem auf die Vielfältigkeit bzw. Vielschichtigkeit und der gleichzeitig vorhandenen Gemeinsamkeit der bbs-futur-Projekte zurückzuführen. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass es in allen Projekten darum geht, Bildung und nachhaltige Entwicklung zu verknüpfen. Dabei beschränken sich die bbs-futur-Projekte nicht allein auf ökologische Fragen, sondern beziehen ökonomische, soziale und gesundheitliche Aspekte mit ein. Angesichts der Tatsache, dass soziale Fragestellungen in der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung ein Schattendasein führen, so dass die geforderte gleichrangige Berücksichtigung der Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales nicht in ausgewogenen Anteilen berücksichtig wird, ist besonders hervorzuheben, dass einige Projekte explizit die Entwicklung der Persönlichkeit und somit den sozialen Gedanken der Nachhaltigkeitsidee in den Mittelpunkt stellen. Damit lösen sie zwar nicht das strukturelle Problem des nationalen und europäischen Nachhaltigkeitsdiskurses, der von einer Auseinandersetzung mit ökologischen Fragen dominiert wird, aber sie beachten die soziale Nachhaltigkeit.
Die gemeinsamen Schwerpunkte der Projekte liegen darin, den Einzelnen auf die Zukunft „vorzubereiten“ (Jetzt-für-dann-Präferenzen). So, wie im Nachhaltigkeitsdiskurs versucht wird, globale Aspekte beim Handeln zu berücksichtigen, ist es Aufgabe der Projekte, den regionalen Blickpunkt zu erweitern (Hier-für-dort-Präferenzen). Wenn es im Nachhaltigkeitsdiskurs zusammenfassend darum geht, Verantwortung für nachfolgende Generationen und andere Sozietäten zu übernehmen (Stichwort: inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit), streben die pädagogisch ausgerichteten Projekte das Ziel an, dem Einzelnen seine Interessen im Kontext des Sozialen deutlich zu machen (Ich-für-andere-Präferenzen).
In den bbs-futur-Projekten sind zwar unterschiedliche curriculare und didaktische Zugänge vorgesehen, doch sie alle erfüllen den Bildungsauftrag im Sinne des Nachhaltigkeitsdiskurses. So ist der curriculare Ausgangspunkt der Projekte das epochaltypische Schlüsselproblem der Nicht-Nachhaltigkeit. In diesem Kontext sei daran erinnert, dass Bildung Mitbestimmungsfähigkeit im weiten Sinne des Wortes auf- bzw. ausbauen soll. Jeder hat das Recht und muss die Möglichkeit erhalten, an der Gestaltung der gesellschaftlichen, politischen, ökonomischen und kulturellen Verhältnisse mitzuwirken. Jeder hat aber auch die Pflicht zur Mitgestaltung der Bürgergesellschaft. Gleichzeitig ist die Solidaritätsfähigkeit des Einzelnen zu fördern. Denn wer das Recht auf Selbstbestimmung und auf Mitbestimmung über die gemeinsamen Angelegenheiten für sich fordert und in Anspruch nimmt, der muss zugleich anerkennen, dass alle anderen Mitglieder der Gesellschaft das gleiche Recht haben. Zusammenfassend bedeutet dies: Die Projekte fördern sowohl die moralische Selbstbestimmung als auch die solidarische Selbstbeschränkung. So betrachtet tragen die Projekte dazu bei, dass jeder über berufliche Bildungsprozesse Gestaltungskompetenzen erwirbt, das heißt Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Veränderungen im Bereich ökonomischen, ökologischen und sozialen Handelns ermöglichen, die nicht nur Reaktionen auf vorher schon erzeugte Problemlagen sind.
Eine weitere Gemeinsamkeit der bbs-futur-Projekte besteht darin, dass die Förderung der Gestaltungskompetenzen bei den Jugendlichen sowohl auf intra-, inter- als auch auf außerschulischer Ebene koordiniert wird. Die oben skizzierten Projektideen illustrieren, dass nicht nur fächerübergreifend vorgegangen wird, sondern zugleich Unterrichtsprozesse mit Schulentwicklungsprozessen verknüpft werden (intraschulische Vernetzung). Aufgrund der schulübergreifenden Workshops wird zugleich eine Kommunikation zwischen den Schulen ermöglicht (interschulische Vernetzung). Aus den Kooperationsaktivitäten mit regionalen Unternehmen können sich außerschulischer Vernetzungen bilden, die wiederum pädagogisch wirksam werden können. Diese Vernetzungen können ein wichtiges Instrument zur Überwindung von regionalen Barrieren zwischen den Akteuren unterschiedlicher Fächer und Lernumgebungen sein.
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