bwp@ 27 - Dezember 2014

Berufsorientierung

Hrsg.: Karin Büchter, H.-Hugo Kremer & Andrea Burda-Zoyke

Aus Erfahrungen von Lehrkräften im Umgang mit dem Berufswahlpass lernen – Ergebnisse einer qualitativen Studie

Der Berufswahlpass ist ein Instrument schulischer Berufsorientierung, welches vielerorts eingesetzt wird. Im Berufswahlpass können Schüler/innen ihren Berufsorientierungsprozess von der siebten Klassenstufe an in Form eines Portfolios dokumentieren. Seit zwei Jahren wird im Institut Technik und Bildung der Universität Bremen der Frage nachgegangen, inwieweit der Berufswahlpass in seiner seit mehr als zehn Jahren beständigen und papiergebundenen Form nach wie vor geeignet ist, mit der omnipräsenten Forderung nach zeitgemäßer Berufsorientierung Schritt zu halten. Im Forschungs- und Entwicklungsprojekt mit dem Namen „Berufswahlpass-Online“ (früher: „Berufswahlpass 2.0“ - vgl. Staden/ Howe 2013) wird in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Berufswahlpass eine multimediale Weiterentwicklung des bewährten Portfolio-Konzepts angestrebt: Aus einem Print-Produkt wird ein E-Portfolio. In enger Zusammenarbeit mit Schulen mehrerer Bundesländer, in denen der Berufswahlpass curricular verankert ist, wird auf der Basis explorativer Experteninterviews mit Lehrkräften untersucht, welche Erfahrungen im Umgang mit dem Berufswahlpass in der pädagogischen Praxis vorliegen. Welche Materialien und Arbeitsblätter sind regelmäßig in Gebrauch? An welchen Stellen ist das Angebot des Berufswahlpasses ausbaufähig bzw. überholungsbedürftig? Die Befragungsergebnisse bilden die Grundlage für zukünftige Weiterentwicklungen des E-Portfolios. Daraus resultierende Erkenntnisse werden in diesem Beitrag dargelegt und deren Wert für die Konzeption eines E-Portfolios aufgezeigt.

Learning from teachers’ experience with the career choice pass – results of a qualitative study

English Abstract

The career choice pass is a widely used instrument of vocational orientation at school. Starting in seventh form, students can document their vocational orientation process in a portfolio. For two years now, the Institute of Technology and Education at Bremen University has been studying the question as to whether the career choice pass in its current, 10-year-old hardcopy format is still suited to keep pace with the omnipresent requirement for modern vocational orientation. A research and development project called “Career Choice Pass Online” (formerly: “Career Choice Pass 2.0” – cf. Staden/Howe 2013) is working on a multimedia upgrade to the well-tried portfolio concept in cooperation with the Federal Association for the Career Choice Pass. A print product is further developed into an electronic portfolio. A study is conducted in close cooperation with schools of several German Federal States, where the career choice pass is firmly established as part of the curriculum, and on the basis of exploratory expert interviews with teachers to identify their experiences with the career choice pass in pedagogic practice. Which materials and worksheets are used regularly? Which aspects of the career choice pass should be improved or revised? The results of the survey will serve as a basis for future upgrades to the e-portfolio. The article presents the resulting insights and their value for the design of an e-portfolio.

1 Einleitung

Berufsorientierung wird in allgemeinbildenden Schulen mehr Bedeutung denn je beigemessen. Man hat vielerorts erkannt, dass Jugendliche bereits recht früh mit berufsorientierenden Maßnahmen unterstützt werden müssen, damit ein Übergang in den Beruf mit Hilfe von Erfahrungswerten erfolgreich verlaufen kann. In der Schule kommen im berufsorientierenden Unterricht dazu verschiedene Instrumente zum Einsatz. Eines ist der Berufswahlpass, welcher in zahlreichen Bundesländern eingesetzt wird.

Der Berufswahlpass ist ein Print-Ordner, welcher zahlreiche Arbeitsblätter und Materialien zur Berufsorientierung für Schüler-/innen bereithält. Im Vordergrund bei der Arbeit mit dem Berufswahlpass steht die individuelle Berufsorientierung der Jugendlichen. Ziel ist es, mit dem Berufswahlpass eine begründete Berufsentscheidung am Ende der Schullaufbahn nachhaltig zu unterstützen. Durch seinen Portfolio-Charakter fördert er selbstorganisiertes und eigenverantwortliches Lernen. Der Berufswahlpass ist grundlegend als Selbstlerninstrument konzipiert. Gleichwohl liegt es in der Verantwortung von Lehrkräften, den Berufswahlpass in der Schule einzuführen und ihn sowohl konsequent als auch kontinuierlich im Unterricht zu verwenden.

Seit dem Jahr 2000/2001 ist der Berufswahlpass in seiner Print-Variante verfügbar – digitale Medien spielen jedoch bei der Arbeit mit ihm bisher nahezu keine Rolle. Dabei besitzen digitale Medien in berufsorientierenden Lehr- und Lernprozessen zahlreiche Potenziale (vgl. Staden/Howe 2013), die erst mit einer multimedialen Weiterentwicklung des Berufswahlpasses für die individuelle Berufsorientierung eingelöst werden können. Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Berufswahlpass-Online“ versucht dieses Themenfeld zu erschließen indem das Print-Portfolio zu einem digitalen, webbasierten Portfolio weiterentwickelt wird. In Kooperation mit der Bundearbeitsgemeinschaft Berufswahlpass, die seit mehreren Jahren für die inhaltliche und strukturelle Weiterentwicklung des Print-Produktes zuständig ist, wird im Institut Technik und Bildung der Universität Bremen die technische (Weiter-)Entwicklung und eine entsprechende didaktische Anpassung fokussiert sowie wissenschaftlich begleitet.

In den nachfolgenden Darstellungen werden zunächst der Berufswahlpass-Ordner als Ausgangsmaterial sowie das ihm zugrundeliegende Konzept thematisiert, um darauf aufbauend zu veranschaulichen, wie die Weiterentwicklung empirisch gestützt durchgeführt wird. Der Methode der leitfadengestützten Experteninterviews kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Deren Konzipierung, Durchführung und Auswertung werden in diesem Beitrag fokussiert. Anhand der Interviewergebnisse kann hergeleitet werden, welche Funktionen sowohl in didaktischer als auch in technischer Hinsicht für die Entwicklung des webbasierten Berufswahlpass-Online relevant sind. Abschließend lassen sich darauf aufbauend weitere Evaluationsschritte benennen.

2 Der Berufswahlpass als Print-Produkt

Der Berufswahlpass wird Schüler/-innen in der Regel ab der siebten Klassenstufe ausgehändigt. In einigen Bundesländern ist der Berufswahlpass curricular verpflichtend, in anderen wiederum entscheiden die Schulen eigenverantwortlich, ob sie den Berufswahlpass anschaffen möchten. Er geht in den Besitz der Jugendlichen über und wird fortan von ihnen geführt, bearbeitet und gegebenenfalls ergänzt. Der Berufswahlpass ist mit einer jährlichen Auflage von über 130.000 Stück das meist eingesetzte Medium für die berufliche Orientierung in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Pressemitteilung Bildungsketten 2014).

Durch den Berufswahlpass sollen die Lernenden während ihres Berufswahlprozesses begleitet, selbstgesteuertes Lernen unterstützt und alle am Prozess beteiligten Kräfte gebündelt werden (vgl. Döring 2004, 316). Die Bedeutung der Berufsorientierung in der Wahrnehmung der Schüler-/innen sowie der Lehrkräfte wird mit dem Berufswahlpass gestärkt (vgl. Lumpe/Senkspiel 2001, 125). Da im Berufswahlprozess „Anpassungshilfen erforderlich (sind), die dem einzelnen die Angleichung seiner subjektiven Wünsche an die objektiven Erfordernisse der Berufswelt erleichtern“ (Gmelch 2003, 8), stellt der Berufswahlpass zahlreiche Materialien bereit und kann als Anpassungshilfe bezeichnet werden. Ein wichtiger Bestandteil ist, dass die Schüler/-innen darüber informiert sind, welche Anlaufstellen unterstützend zur Verfügung stehen und welche Prozesse initiiert werden müssen, um erfolgreich einen Übergang in den Beruf zu gestalten. Bei der Bearbeitung des Berufswahlpasses ist darüber hinaus entscheidend, dass die eigene Lerngeschichte transparent wird (vgl. Lumpe 2002, 61).

Der Berufswahlpass stellt sich in seiner äußeren Form als ein DIN-A4-Ordner (Ringbuch) dar, der diverse Einlegeblätter und Kopiervorlagen in einem Register beherbergt. Der in vier Hauptteile, exklusive eines Einführungsteils, gegliederte Ordner ist inhaltlich und farblich klar differenziert, um für Schüler/-innen die Übersicht zu erleichtern. Nach intensiver Arbeit mit dem Berufswahlpass ist es durchaus möglich, dass dieser wesentlich mehr als die ursprünglich bei der Aushändigung vorhandenen Arbeitsblätter umfasst, da mehrere zusätzliche Kopien von Selbst- bzw. Fremdeinschätzungsbögen und anderen Blättern mit eingeheftet werden können. Eine klare Struktur ist aus diesem Grund unabdingbar und eine wertvolle Stütze für die Arbeitsorganisation der Schüler/-innen.

In der Einführung wird ein allgemeiner Einblick in die Struktur des Berufswahlpasses gegeben. Anhand einiger Praxisbeispiele und Übersichten wird den Schüler/-innen erörtert, wobei ihnen der Berufswahlpass behilflich ist. Außerdem wird in diesem Teil damit begonnen, den Ordner zu personalisieren. Schüler-/innen werden dazu aufgefordert, den Berufswahlpass als ihr persönliches Eigentum zu begreifen und ihre Daten (Name, Adresse, etc.) einzutragen.

Der Teil „Angebote zur Berufsorientierung“ enthält Informationen über das Schulkonzept zur Berufsorientierung, zu Angeboten von Unternehmen als Kooperationspartner und auch zu Angeboten der Arbeitsagentur. Hier erhalten sowohl die Schule, als auch andere Institutionen die Möglichkeit, ihre Konzepte zur Berufsorientierung zu präsentieren. Den Schüler/-innen werden hier die wichtigsten Bildungsangebote zur Berufsorientierung präsentiert. Es wird auch Wert darauf gelegt, mögliche Eigenaktivitäten zur Vorbereitung auf den Übergang in die Berufs- und Arbeitswelt aufzuzeigen (vgl. ebd.). Hierzu zählen diverse Internet-Links zu Webseiten und zahlreiche Verweise auf Zeitschriften, die für Schüler/-innen in diesem Kontext konzipiert sind.

Im zweiten Teil „Mein Weg zur Berufswahl“ haben die Schüler/-innen die Möglichkeit, ihr persönliches Profil zu erstellen. Dabei wird vor allem auf eine differenzierte Stärken- und Fähigkeitsanalyse abgezielt und gleichzeitig die persönlichen Interessen sowie Ziele behandelt. Durch diese Reflexion der eigenen Stärken und der Festlegung des Selbstbildes kann ein persönliches Kompetenzprofil erstellt werden. Weitergehend erhalten die Schüler/-innen Unterstützung bei ihrer Lernplanung. Mit Hilfe von Übersichten, Planungsrastern, Checklisten und Hinweisen zur Organisation des Orientierungsprozesses  werden die Lernenden zu selbstgesteuertem Lernen angeregt (vgl. ebd.).

Der dritte Teil „Dokumentation“ stellt einen Rahmen für Schüler/-innen dar, in dem sie Lernergebnisse, Selbstbewertungen und Bescheinigungen sowie Zertifikate Dritter dokumentieren und hinterlegen können. Hier werden Berichte über Unterrichtsarbeiten, schulische und außerschulische Projekte zur Berufsorientierung festgehalten und zur Klärung der beruflichen Zielsetzungen herangezogen. Schüler/-innen beschreiben hier unter anderem auch die Kompetenzen, die sie dabei erworben haben. Das soll dabei helfen, den verantwortlichen Umgang mit Bescheinigungen, Zertifikaten und Dokumenten zu stärken. Dadurch, dass an dieser Stelle der individuelle Bildungsgang dokumentiert wird, können einzelne Blätter durchaus einer Bewerbung beigelegt werden (vgl. Lumpe/Senkspiel 2001, 127).

Im Teil „Hilfen zur Lebensplanung“ werden die Schüler-/innen mit Musterschreiben, mit Tipps zur Wohnungssuche, zum Umgang mit Geld, zum Abschluss von Versicherungen und zum Umgang mit Ämtern unterstützt.

3 Berufswahlpass-Online

Das zugrundeliegende Konzept des Berufswahlpasses, welches vor allem die Förderung von Selbstverantwortung, Eigenständigkeit, Reflexionsvermögen und darüber hinaus auf die Herausbildung von Orientierungskompetenzen fokussiert, wird durch den Portfolio-Charakter des Instruments unterstützt. Dass neben den Lernprodukten vor allem der Lernprozess in den Blick genommen wird, unterstreicht, dass der Berufswahlpasses als ein Entwicklungsportfolio bezeichnet werden kann (vgl. Häcker 2007; Häcker 2008). Bei der Weiterentwicklung des Berufswahlpasses hin zum Berufswahlpass-Online werden diese oben genannten Charakteristika nach wie vor als Leitidee verstanden. Diese wird in aufgegriffen und webbasierter Form angepasst. So folgt das Berufswahlpass-Online-Projekt der Argumentation von Fink (vgl. Fink 2010, 49), der den Begriff des elektronischen Portfolios gegenüber dem des papiergebundenen Portfolios abgrenzt. Elektronische Portfolios sind demnach keine exakten Abbilder von papiergebundenen Fassungen, sondern sie sind vielmehr in digitaler Form weitergeführte Portfolio-Ideen (vgl. Fink 2010, 52). Diese Grundprinzipien des Portfolios werden in einer webbasierten Lernumgebung implementiert, sodass Benutzer/-innen durch die Einbindung von digitalen Medien und der Nutzung ihrer Potenziale für Lehr- und Lernprozesse die spezifischen Möglichkeiten der Speicherung bzw. Archivierung, Präsentation und Veröffentlichung in digitaler Form zur Verfügung stehen (vgl. Staden 2014, 28).

E-Portfolios sind Sammlungen digitalisierter Arbeiten, welche aus (multi-)medialen Produkten bestehen können (vgl. Häcker/Seemann 2013, 81). Das können beispielsweise Texte, Bilder, Animationen, Simulationen, Videos, Audio-Dokumente und weitere Medien sein. Ein webbasiertes E-Portfolio ist in den meisten Fällen in Form einer Online-Plattform aufgesetzt, somit ist eine ubiquitäre Verfügbarkeit – ein internetfähiges Endbenutzergerät vorausgesetzt – gewährleistet.

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass bereits in Grundzügen ein Bild darüber entstanden ist, was den Berufswahlpass-Online charakterisiert. Es steht fest: Berufswahlpass-Online umfasst zwei getrennt voneinander wahrnehmbare, aber dennoch integrativ verstandene Entwicklungen. Zum einen wird die Portfolio-Grundidee und das Konzept des Berufswahlpasses für die Verwendung in digitaler Form angepasst, zum anderen ist Berufswahlpass-Online auf einer anderen medialen Ebene – nämlich webbasiert und somit orts- und zeitunabhängig verfügbar – umgesetzt.

Um aus diesen konzeptionellen Grundzügen ein webbasiertes Portfolio-System zu entwickeln, bedarf es einer umfassenden Konkretisierung auf konzeptioneller, technischer und didaktischer Ebene. Hierzu durchläuft das Gesamtvorhaben mehrere Zyklen, in denen sich Phasen der Forschung und der (Weiter-)Entwicklung abwechseln. Die Forschungsstrategie des „Design-Based Research“ (kurz: DBR) liegt dem zugrunde. Sie unterbreitet den Vorschlag eines systematisch-kreislaufförmigen Einsatzes verschiedener Abschnitte: Design, Evaluation (Durchführung und Analyse) und Re-Design (vgl. Reinmann 2005, 61; vgl. hierzu auch Abbildung 1).

Abbildung 1: Zyklisch-entwicklungsbegleitende Forschungsstrategie auf der Grundlage des Design-Based Research-AnsatzesAbbildung 1: Zyklisch-entwicklungsbegleitende Forschungsstrategie auf der Grundlage des Design-Based Research-Ansatzes

Durch diverse Datenerhebungsmethoden operationalisiert, wird entwicklungsbegleitend nach den Grundsätzen einer formativen Evaluation sowohl die informationstechnische Konzeption und Realisierung der webbasierten E-Portfolio-Plattform als auch die Weiterentwicklung des zugrundeliegenden didaktischen Konzepts beabsichtigt (vgl. Glowalla et al. 2009, 311; Hense 2010, 49; Mayer 2010, 17). Die Evaluationsergebnisse fließen noch während der Laufzeit direkt in die Weiterentwicklung mit ein. Das bedeutet im Detail: In der Design-Phase generierte Entwicklungsideen und Prototypen des Berufswahlpass-Online können anschließend mit Experten evaluiert und schließlich anhand der Befunde angepasst („re-designed“) werden.

In einem ersten Forschungs- und Entwicklungszyklus konnte bisher durch eine Analyse der Materialien des Berufswahlpass-Ordners und anhand zahlreicher Publikationen zum Konzept des Berufswahlpasses aus den vergangenen Jahren ein webbasierter Prototyp des Berufswahlpass-Online (genannt: „Alpha-Version“) entwickelt werden. In technischer Hinsicht sind bei der Entwicklung von webbasierten Plattformen zwar durch neueste Internet-Technologien keinerlei Grenzen gesetzt, jedoch konnten andere E-Portfolio-Systeme (z. B. Mahara oder Moodle) als Musterbeispiele hinsichtlich des Funktionsumfangs dienen. Außerdem wird das Konzept des „Rapid E-Learning“ als weiterer Bezugsrahmen für die Entwicklung herangezogen (vgl. Howe/Knutzen 2009; Kopp/Mandl 2009). Infolgedessen weisen multimediale Lernumgebungen (in diesem Fall also ein webbasiertes Portfolio) folgende Merkmale auf: Für den Benutzer („User“) ist die Plattform einfach zu bedienen und sie verlangt keine besonderen medientechnischen bzw. -didaktischen Kenntnisse. Gleichzeitig werden geringe Hardwareanforderungen gestellt, sodass auch leistungsschwächere Anzeigegeräte eine performante Arbeit zulassen. Die Alpha-Version konnte auf Grundlage einiger in Gebrauch befindlicher Berufswahlpässe von Schüler/-innen aus Bremen in der Evaluationsphase überprüft und anschließend anhand der daraus hervorgehenden Befunde zur so genannten Beta-Version 0.1 weiterentwickelt werden. Das Ergebnis am Ende des ersten Design-Based Research-Zyklus stellt sich wie folgt dar:

Aus informationstechnischer Perspektive betrachtet kann der Berufswahlpass-Online grundsätzlich als Internet-Plattform verstanden werden, zu welcher der Zugang nur nach einer persönlichen Registrierung möglich ist. Benutzer können sich demnach online „einloggen“ und das webbasierte Portfolio unter ihrem eigenen Benutzerkonto („Account“) aufrufen sowie editieren. Das Portfolio-System ist über den Internet-Browser aufrufbar, dementsprechend kann sowohl vom Desktop-Computer als auch von Tablets und Smartphones darauf zugegriffen werden. Der im Berufswahlpass-Konzept verankerte Leitgedanke der strukturierten Unterstützung von Berufsorientierungsprozessen ist auch im Berufswahlpass-Online ein konsekutives Merkmal. Die Benutzer sollen hier einen grundlegenden Kategorisierungsvorschlag vorfinden, mit dem sie direkt in die Arbeit einsteigen können. Die bereits bekannten Kategorien (bzw. Registerblätter) des Berufswahlpass-Ordners (vgl. auch Kapitel 2), stehen zunächst grundsätzlich für charakteristische Gegenstandsbereiche individueller Berufsorientierung und bilden ein vordefiniertes, jedoch für die Nutzung von digitalen Medien noch nicht überprüftes Raster. Diese sind auf einer Art virtuellem Schreibtisch im Berufswahlpass-Online verfügbar. Während neuartige Reflexionswerkzeuge im Internet häufig eine chronologische Dokumentation von Erfahrungswerten in der Art eines Tagebuchs erwarten, wird im Berufswahlpass-Online ein thematischer Querschnitt von so genannten „Portfolio-Einträgen“ angestrebt. Schüler/-innen können in diesen Einträgen jene Erfahrungen niederschreiben, die sie an unterschiedlichen Lernorten gesammelt haben. Zur Präzisierung werden Einträge mit verschiedenartigen Medien (z.B. Bildern, Videos, Internet-Links und Audio-Dateien) angereichert und so die erweiterten Potenziale von digitalen Medien für Lernprozesse genutzt. Diese Einträge werden wiederum den zentralen Kategorien zugewiesen, sodass aufgrund dieser Zuordnung vormals getrennt voneinander wahrgenommene Erfahrungen als zusammengehörig verstanden werden können.

Am Ende des ersten Zyklus zeigte sich jedoch, dass die technische und didaktische Entwicklung anhand dieser Vorüberlegungen nur zu diffusen, recht unpräzisen Ergebnissen führt. Es fehlt an trennscharfem Detailwissen. Erfahrungen aus ähnlichen Zusammenhängen zeigen, dass die Konzeption und Realisierung eines webbasierten Portfolios und damit einhergehende didaktische Überlegungen ohne detailliertes Ausgangsmaterial teilweise eine technikinduzierte und antizipierende Entwicklungs- und Gestaltungslogik hervorruft (vgl. Häcker/Seemann 2013, 87). Im Sinne einer ganzheitlichen Herangehensweise sind Erfahrungswerte von Experten im Umgang mit dem Berufswahlpass als wertvoll anzusehen, sodass differenzierte Informationen zur didaktischen und technischen Weiterentwicklung erlangt werden können als es zuvor möglich war. Lehrkräfte, die bereits seit mehreren Jahren mit dem Berufswahlpass-Ordner arbeiten, sind dabei aus folgenden Gründen ideale Kandidaten für Experteninterviews zu dieser Thematik: Sie haben gewisse didaktische Erfahrungen mit dem Berufswahlpass und dessen Konzept und arbeiten mit ihren Schüler/-innen auf Grundlage der Portfolio-Idee im berufsorientierenden Unterricht. Darüber hinaus beschäftigen sich Lehrkräfte unter Umständen sowohl beruflich als auch in ihrer Freizeit mit digitalen Medien und dem Internet, d.h. sie können gegebenenfalls in didaktischer und/oder informationstechnischer Hinsicht extrapolieren, welche Elemente des Berufswahlpasses sich für eine webbasierte Weiterentwicklung eignen bzw. welche unter Umständen irrelevant sind.

Die Durchführung und Auswertung dieser Interviews ist abgeschlossen und die daraus hervorgehenden Befunde konnten bei der Weiterentwicklung des Prototypen berücksichtigt werden. Der aktuelle Entwicklungsstand (Beta-Version 0.2) soll in den nachfolgenden Ausführungen dargestellt werden. Zukünftig wird ein weiterer Design-Based Research-Zyklus folgen, in welchem Felderprobungen mit Schüler/-innen geplant sind. Durch die Konfrontation mit dem Prototypen partizipieren sie ebenfalls an dessen Weiterentwicklungsprozess. Schlussendlich kann so ein Produkt entstehen, welches gemeinsam mit, und nicht allein von außenstehenden Entwicklern und Forschern für künftige Anwender entwickelt wurde.

4 Experteninterviews zur Identifizierung der Erfahrungen von Lehrkräften

Für die Weiterentwicklung des E-Portfolios galt es bei Befragungen von Lehrkräften deren Erfahrungen im Umgang mit dem Berufswahlpass-Ordner und bei der Arbeit mit digitalen Medien zu identifizieren. Mit Hilfe von leitfadengestützten Experteninterviews wurden dazu an kooperierenden Schulen aus Bremen, Hamburg, Berlin, Thüringen und Niedersachsen Daten erhoben und ausgewertet. Insgesamt konnten in jedem Bundesland zwei Lehrkräfte befragt werden. So fließen auch länderspezifische Unterschiede in die Weiterentwicklung ein.

Da in diesem Bereich keine differenzierten Forschungsergebnisse bzw. Beispielprojekte vorliegen, hat die Durchführung dieser Interviews für das gesamte Forschungs- und Entwicklungsprojekt einen explorativen Charakter. Die Konzipierung der Interviews orientiert sich am Ansatz von Meuser und Nagel (vgl. Meuser/Nagel 2010), die ein qualitatives Interview für ein angemessenes Erhebungsinstrument bei der Identifizierung von Erfahrungswissen und Handlungsroutinen halten. Wie die Autoren betonen, ist eine thematische Vorstrukturierung in der Form eines Leitfadens unverzichtbar, um Expertenwissen umfassend erheben zu können (vgl. Meuser/Nagel 2010, 464). Eine flexible sowie unbürokratische Vorgehensweise ist bei der Durchführung der Interviews sinnvoll. Der Leitfaden sollte dabei nicht als standardisiertes Ablaufschema verstanden, sondern vielmehr als grobe Orientierungshilfe angesehen werden und „unerwartete Themen-dimensionierungen der Experten“ (Meuser/Nagel 2010, 465) zulassen. Diese situative Flexibilität beim Interviewen betont die interaktive Struktur dieser Befragungsform und wird als eine der wesentlichsten Stärken einer nicht-standardisierten gegenüber einer standardisierten Durchführung beschrieben (vgl. Honer 1994).

4.1 Struktur des Interviewleitfadens

Der Interviewleitfaden umfasst inhaltlich vier Themenbereiche die sich voneinander in ihrer grundlegenden Zielrichtung zweiteilig unterscheiden lassen. Während im ersten Teil die Arbeit mit dem Berufswahlpass im Vordergrund steht, fokussiert der zweite Teil eher auf den Einsatz von digitalen Medien im Unterricht. Zu Beginn des Leitfadens steht die pädagogische Praxis in der Berufsorientierung bei der Arbeit mit dem Berufswahlpass-Ordner im Vordergrund (Themenbereich 1: „Identifizierung von gängiger pädagogisch-didaktischer Praxis bei der Arbeit mit dem Berufswahlpass“). Im Speziellen wird darüber hinaus auf etwaige Erweiterungen und Anpassungen sowie die Konsolidierung des Berufswahlpasses an den einzelnen Interviewstandorten eingegangen (Themenbereich 2: „Erweiterung, Anpassung und Konsolidierung des Berufswahlpasses“). Im zweiten Teil des Leitfadens liegt das Hauptaugenmerk hingegen darauf, wie digitale Medien und das Internet in der pädagogischen Praxis verwendet werden (Themenbereich 3: „Der Einsatz von digitalen Medien und des Internets in der pädagogischen Praxis“). Außerdem wird die Erweiterung und Anpassung des Berufswahlpasses in Hinblick auf digitale Medien behandelt (Themenbereich 4: „Erweiterung und Anpassung des Berufswahlpasses in Hinblick auf die Verwendung von digitalen Medien und Internet“).

Um einen Einstieg in das Interview zu finden werden die Lehrkräfte zunächst dazu ermuntert etwas zu ihrer Person und ihrer Funktion an der Schule zu berichten. Da alle Lehrkräfte bereits im Vorlauf des Interviews (E-Mail-Kontakt und Vorgespräch) wissen, dass die Befragung zum Zwecke der Weiterentwicklung des Berufswahlpasses durchgeführt wird, kann das Gespräch nach dem anfänglichen Erzählimpuls recht schnell auf die eigentliche Thematik gelenkt werden.

Im ersten Themenbereich liegt der Fokus auf der Identifizierung von pädagogisch-didaktischer Praxis im Umgang mit dem Berufswahlpass im berufsorientierenden Unterricht der jeweilig interviewten Lehrkraft. Dabei bezieht sich der Leitfaden schwerpunktmäßig auf die Materialien, die der Berufswahlpass grundlegend bereitstellt. Es soll so in Erfahrung gebracht werden, welche Elemente des Berufswahlpasses für eine webbasierte Weiterentwicklung essentiell sind und worauf unter Umständen verzichtet werden kann. Insbesondere ist nachfolgend von Bedeutung, dass die Lehrkräfte darauf eingehen, wie sie den Berufswahlpass in ihrem Unterricht einsetzen. Durch offene Erzählimpulse und weiterführende immanente Nachfragen (vgl. hierzu auch Przyborski/Wohlrab-Sahr 2008, 136) wird hier dazu ermuntert, diverse Einsatzszenarien des Berufswahlpasses in typischen Unterrichtssituationen beispielhaft zu beschreiben. Anhand dieser Darstellungen kann identifiziert werden, in welchen Situationen der Berufswahlpass-Ordner und die Portfolio-Idee didaktisch besonders gewinnbringend eingesetzt wird. Diese Einsatzszenarien muss der Berufswahlpass-Online ebenso ermöglichen. Darüber hinaus wird erfragt, wie sich der Einsatz des Berufswahlpasses an außerschulischen Lernorten darstellt und wie Schüler/-innen aus Sicht der Lehrkräfte grundsätzlich die Arbeit mit dem Instrument erleben. Insbesondere ist hier von Bedeutung, ob der Berufswahlpass im Unterricht der Lehrkraft als Selbstlerninstrument benutzt wird, oder ob die Schüler/-innen klare Anweisungen benötigen um arbeitsfähig zu sein. Das lässt Rückschlüsse auf die technische und didaktische Gestaltung von etwaigen Online-Hilfen zu, die direkt im Berufswahlpass-Online verankert werden können.

Darauf aufbauend geht es im zweiten Themenbereich um die Erweiterung, Anpassung und Konsolidierung des Berufswahlpasses. An dieser Stelle wird in Erfahrung gebracht, ob und inwiefern der Berufswahlpass gegebenenfalls durch eigene Materialien ergänzt bzw. didaktisch reduziert wird. So kann erhellt werden, welche dieser durch die Lehrkräfte hinzugefügten Materialien eine Relevanz für den Berufswahlpass-Online besitzen. Insbesondere stehen die Arbeitsblätter und die Einteilung derer in die fünf Kategorien des Berufswahlpasses im Fokus. Von spezieller Bedeutung ist die Beurteilung der Trennschärfe der Registerblätter aus Sicht der Lehrkräfte. Dabei wird durch immanente Nachfragen zu beispielhaften Erzählungen aus konkreten Unterrichtssituationen angeregt. So wird erhellt, ob Schüler/-innen unter Umständen berufsorientierende Erfahrungen an schulischen oder außerschulischen Lernorten sammeln, die sich nicht einwandfrei einer Kategorie im Berufswahlpass zuordnen lassen. Anhand dieser Einschätzungen kann gegebenenfalls ein überarbeitetes Kategorienraster im Berufswahlpass-Online implementiert werden.

Im darauffolgenden dritten Themenbereich liegt das Hauptaugenmerk auf den Erfahrungen der Lehrkräfte beim Einsatz von digitalen Medien und des Internets in der pädagogischen Praxis. Speziell der Einsatz von digitalen Materialien in speziellen Unterrichtsszenarien und das Verwenden von Internetplattformen ist von Bedeutung. Lehrkräfte werden dazu aufgefordert, deren Verwendung beispielhaft anhand von typischen Praxissituationen zu beschreiben und darüber hinaus darauf einzugehen, wie sie die Arbeit ihrer Schüler/-innen mit diesen Medien erleben. Es kann infolgedessen analysiert werden, welche digitalen Materialien im Berufswahlpass-Online grundsätzlich speicher- und wieder abrufbar gemacht und welche Internet-Plattformen eingebunden werden sollten.

Der vierte Themenbereich stellt eine Ergänzung des Vorangehenden dar. Hier werden die Lehrkräfte dazu befragt, welche Erweiterbarkeiten sie unter Verwendung von digitalen Medien und des Internets für den Berufswahlpass sehen. Aufgrund der thematischen Nähe zum vorangegangenen Themenbereich können unter Umständen redundante Nennungen auftreten.

4.2 Auswertung der Interviews

Alle Interviews werden mit einem Diktiergerät aufgezeichnet und anschließend im Wortlaut transkribiert. Das Interviewmaterial wird folglich anhand der Auswertungsstrategie nach Meuser und Nagel (vgl. Meuser/Nagel 2010) analysiert. Dabei werden die Äußerungen der Experten/-innen im Kontext ihrer institutionell-organisatorischen Handlungsbedingungen verortet. Ziel ist es dabei aus der Gesamtheit der Interviews thematische Einheiten herauszuarbeiten und anhand derer identifizieren zu können, was relevant für eine Entwicklung des Berufswahlpass-Online ist. Das Auswertungsverfahren durchläuft dabei nach Meuser und Nagel sechs Schritte (vgl. Meuser/Nagel 2010, 466): Transkription, Paraphrase, Kodieren, Thematischer Vergleich, Soziologische Konzeptualisierung, Theoretische Generalisierung.

Nach der Transkription wird der Text im zweiten Schritt nach thematischen Einheiten im Sinne einer Paraphrasierung sequenziert. Die für das Forschungsinteresse relevanten Passagen werden in eigenen Worten wiedergegeben. Weitergehend erfolgt im dritten Schritt das Kodieren. Einzelne Textelemente werden thematisch geordnet und anschließend mit Überschriften bzw. Codes, welche die Terminologie des/der Experten/-in aufgreifen, versehen. Im darauffolgenden thematischen Vergleich erfolgt eine Nebeneinanderstellung von Textpassagen verschiedener Interviews. Es werden vergleichbare Textstellen zusammengefasst und Überschriften bzw. Codes vereinheitlicht. Im fünften Schritt werden die bisher durch die Interviewpartner/-innen verwendeten Begriffe in eine soziologische Terminologie überführt. Die Ergebnisse weisen somit eine Anschlussfähigkeit an theoretische Diskussionen auf, auch wenn die Verallgemeinerung zunächst noch auf das vorliegende empirische Material begrenzt bleibt. Im abschließenden sechsten Schritt der theoretischen Generalisierung werden Sinnzusammenhänge zu Typologien und Theorien rekonstruktiv verzahnt. Dabei ist die Reihenfolge des Gesagten nicht mehr von Belangen. So können die implizierten Wissensbestände, die das Handeln der befragten Experten/-innen bestimmen, identifiziert werden.

5 Ergebnisdiskussion – Schlussfolgerungen für die Entwicklung des Berufswahlpass-Online

Im nachfolgenden Abschnitt werden die Ergebnisse der Experteninterviews dargestellt. Dabei würde eine detaillierte Diskussion der Auswertungsergebnisse in den differenzierten sechs Schritten anhand des Verfahrens nach Meuser und Nagel den Rahmen dieses Beitrags überschreiten. Folglich wird überblicksartig veranschaulicht, was für die Konzeption und Entwicklung des Berufswahlpass-Online relevant ist. Das Ziel dabei ist es, die Befragungsergebnisse anhand der Leitfadenstruktur aufzuschlüsseln und somit zu entfalten, wie diese im Sinne der formativen Evaluation zur entwicklungsbegleitenden Weiterentwicklung in der Re-Design-Phase verwendet wurden. Dabei werden absatzweise einzelne Befunde aus den Interviews thematisiert und einhergehend die Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung des Prototypen aufgezeigt. Die nachstehend dargestellte Abbildung 2 illustriert die folgenden Ausführungen in Grundzügen anhand von Screenshots.

Abbildung 2:Der aktuelle Prototyp des Berufswahlpass-Online – Dargestellt ist ein typischer Arbeitsablauf zur Erstellung eines Portfolio-EintragsAbbildung 2:Der aktuelle Prototyp des Berufswahlpass-Online – Dargestellt ist ein typischer Arbeitsablauf zur Erstellung eines Portfolio-Eintrags

5.1 Themenbereich 1: Identifizierung von gängiger pädagogisch-didaktischer Praxis bei der Arbeit mit dem Berufswahlpass

„Ach wissen Sie, der Berufswahlpass ist ja eigentlich vom Prinzip her eine tolle Sache. Man bekommt als Lehrer ein mehr oder weniger gutes Medium für die Berufsorientierung an die Hand. (...) Man muss an vielen Stellen doch noch eine Menge vor- bzw. nachbereiten und Unterstützungsarbeit leisten, sonst bringt auch das beste Medium im Unterricht nichts. Sehr viele Schüler sind eben nicht so eigenständig, wie man vielleicht denkt.“ (Äußerung einer Lehrkraft im Interview)

Anhand der Experteninterviews kann generell festgestellt werden, dass Lehrkräfte den Berufswahlpass als Begleitmedium ihres berufsorientierenden Unterrichts verstehen und auch dementsprechend verwenden. Seine Einsatzhäufigkeit ist von den Stundentafeln der Bundesländer und vom Berufsorientierungskonzept der jeweiligen Schule abhängig. Es wird betont, dass eine Stärke des Berufswahlpasses darin liegt, dass er eine gewisse Organisationsstruktur schafft. Durch seine durchgängige Gliederung und seine Transparenz ist er in den Augen der Lehrkräfte grundsätzlich dazu geeignet, die Arbeit in der Berufsorientierung sowohl mit dem Schulkollegium als auch außerschulischen Partnern zu organisieren. Für die Konzeption und Entwicklung des Berufswahlpass-Online wird ersichtlich, dass die Strukturiertheit und Transparenz des zugrundeliegenden Konzepts auch für die Arbeit mit einem E-Portfolio in besonderem Maße wichtig ist. Der webbasierte Berufswahlpass-Online ist aus diesem Grund nicht mit Funktionalitäten überladen, sondern auf das Wesentliche beschränkt. So wird auch eine Konformität mit dem Rapid E-Learning-Ansatz (siehe auch Kapitel 3) erreicht.

Die Verwendung der bereits im Berufswahlpass vorhandenen Arbeitsmaterialien ist in der pädagogischen Praxis von Lehrkraft zu Lehrkraft unterschiedlich. Zusammenfassend zeigt sich, dass die vorhandenen Informationsmaterialien im Teil „Angebote zur Berufsorientierung“ durchaus genutzt werden. Speziell nennen Lehrkräfte hier die Ausführungen zum Berufsinformationszentrum und die Angebote der Agentur für Arbeit. Diese gilt es im Berufswahlpass-Online gesondert zu berücksichtigen. Hierzu werden zahlreiche Informationen aus dem Berufswahlpass-Ordner übernommen, sodass Schüler/-innen auf zahlreichen Informations- und Hilfe-Seiten ähnliche Ausführungen finden und Lehrkräfte auch zukünftig in der webbasierten Variante darauf verweisen können (vgl. auch Abbildung 2: Im Menü links finden Benutzer den Punkt „Hilfe & FAQ“). Darüber hinaus verwenden einige Lehrkräfte die Selbst- und Fremdbewertungsbögen des Berufswahlpasses im Teil „Mein Weg zur Berufswahl“. So wird Schüler/-innen die Einschätzung ihrer Stärken und Ausbaupotenzialen zur Herausbildung eines persönlichen Profils ermöglicht. Es lässt sich ableiten, dass Möglichkeiten der Selbst- und Fremdeinschätzung an unterschiedlichen Punkten des Berufsorientierungsprozesses auch im Berufswahlpass-Online implementiert sein müssen (vgl. auch Abbildung 2: Im Menü links finden Benutzer den Punkt „Selbst- / Fremdeinschätzung“). Das geschieht bei der Arbeit mit dem E-Portfolio mit interaktiven PDF-Dateien. Diese können sowohl als Selbst- als auch als Fremdeinschätzung am Computer ausgefüllt und anschließend im E-Portfolio gespeichert werden.

Weiterhin beschreiben Lehrkräfte, dass Bescheinigungen von erbrachten Leistungen und durchgeführten Aktivitäten (z. B. Betriebserkundungen oder Girls-/Boys-Day) im Teil „Dokumentation“ hinterlegt werden. Es wird darüber hinaus betont, dass eine anschließende Reflexion in Bezug auf diese Aktivitäten von großem Wert ist. Aus diesem Grund ist es im Berufswahlpass-Online möglich, Bescheinigungen in digitalisierter Form direkt in Portfolio-Einträgen zu speichern und über berufsorientierende Erfahrungen in Erlebnisberichten zu reflektieren (vgl. Abbildung 2: Portfolio-Eintrag erstellen). Gleiches gilt nach Aussage von Lehrkräften für Bewerbungsunterlagen, die dem Bereich „Hilfen zur Lebensplanung“ zugeordnet werden.

Auffällig in diesem Zusammenhang ist auch, dass ein Großteil der interviewten Lehrkräfte eine gewisse die Arbeit ihrer Schüler/-innen mit dem Berufswahlpass kontrollieren möchte. Wichtig ist, dass die Qualität der Arbeiten, welche die Schüler/-innen im Unterricht oder auch darüber hinaus tätigen, überprüft und Feedback gegeben wird. Das wird insbesondere bei der Begleitung von Praktika und bei Selbsteinschätzungen an unterschiedlichen Punkten des Berufsorientierungsprozesses notwendig. Um auch weiterhin die Print-Variante nutzen zu können, besteht die Möglichkeit Portfolio-Einträge aus dem Berufswahlpass-Online jederzeit auszudrucken. Lehrkräfte können im Unterricht darauf zurückgreifen und gegebenenfalls Rückmeldungen geben. Dieses Feedback kann dann wiederum in das E-Portfolio zurückfließen, da sich alle Informationen, die im Berufswahlpass-Online gespeichert sind, bearbeiten lassen.

Ein Großteil der befragten Lehrkräfte beschreibt, dass Schüler/-innen in den meisten Fällen dedizierte Arbeitsanweisungen für die Arbeit mit dem Berufswahlpass benötigen. Sein Einsatz als reines Selbstlerninstrument wird von den Lehrkräften als nicht realisierbar eingestuft, da er nicht selbsterklärend ist. Gerade bei Schüler/-innen in den siebten und achten Klassenstufen bedarf es nach Aussagen der Lehrkräfte didaktischer Reduktionen. Darüber hinaus beschreiben mehrere Lehrkräfte den Berufswahlpass als optisch wenig ansprechend und stellenweise als strukturell zu fragmentiert. Damit Schüler/-innen den Berufswahlpass-Online auch ohne direkte Arbeitsanweisungen von Lehrkräften bedienen und didaktisch wertvoll einsetzen können, wird die Implementierung von Online-Hilfen angestrebt. Diese können bei Bedarf, z. B. wenn ein/eine Schüler/-in zu bestimmten Funktionen eine Hilfestellung benötigt, aufgerufen werden. In Text-, Bild- und Videoform werden hier sowohl der technische Umgang mit dem E-Portfolio erläutert als auch didaktische Hinweise gegeben (vgl. Abbildung 2: Ein Klick auf das hellblaue Fragezeichen am rechten oberen Bildschirmrand der Start- bzw. Überblicksseite würde die Online-Hilfe öffnen).

5.2 Themenbereich 2: Erweiterung, Anpassung und Konsolidierung des Berufswahlpasses

„Wir haben ja bei uns in der Schule den Berufswahlpass angepasst, weil wir unabhängig von einander festgestellt haben, dass viele Arbeitsblätter im Berufswahlpass einfach für uns nicht so gut passen. (...) Im Unterricht muss man ziemlich viel Zeit darauf verwenden, um den Schülern zu erklären, was sie auf vielen Arbeitsblättern eintragen sollen.“ (Äußerung einer Lehrkraft im Interview)

Aufgrund der Tatsache, dass es sowohl landes- als auch schulspezifische Unterschiede in den Berufsorientierungskonzepten gibt, wird erwartet, dass es von Schule zu Schule zu unterschiedlichen Weiterentwicklungen des Berufswahlpasses kommt. Die Auswertung der Interviews bestätigt diese Annahme. Es sind große Unterschiede in der (Um-)Gestaltung des Instruments von Bundesland zu Bundesland und auch von Schule zu Schule zu beobachten. Das generelle Vorgehen an den Schulen zur Erweiterung des Berufswahlpasses ist dabei jedoch sehr ähnlich. In der Regel bilden sich Lehrerteams, die in ihrem Unterricht berufsorientierende Inhalte abdecken und die den Berufswahlpass mit diversen Schwerpunktsetzungen für ihre Bedarfe anpassen.

Für die Konzeption des webbasierten Portfolios ist insbesondere von Bedeutung, ob die Kategorien (bzw. Registerblätter) des Berufswahlpass-Ordners von den Lehrkräften als tragfähige Struktur für das gesamte Instrument erachtet werden. Die Auswertung der Interviews zeigt hierbei, dass die besagten fünf Bereiche grundsätzlich als trennscharf beschrieben werden. Es wird angeführt, dass diese recht grobe und einfache Gliederung die Möglichkeit bietet, auch zusätzliche Unterrichtsmaterialien einzusortieren. Darüber hinaus gelingt es Schüler/-innen nach Aussagen der Lehrkräfte schnell, sich zurechtzufinden. Dementsprechend kann die Grundstruktur aus dem Berufswahlpass-Ordner zunächst auch für das webbasierte Portfolio übernommen werden (vgl. Abbildung 2: Start- bzw. Übersichtsseite).

Gleichwohl zeigt die Auswertung der Interviews, dass Lehrerteams das Kategorienraster des Berufswahlpasses zum Teil schulintern erweitern. Beispielsweise gibt es an einer Schule in Niedersachsen eine enge Kooperation mit einer berufsbildenden Schule und mit lokalen Unternehmen, sodass die Schüler/-innen dort im Berufswahlpass sogenannte Berufspraxistage dokumentieren. An anderen Schulen wird stattdessen in etwa die Gründung einer Schülerfirma fokussiert oder eine gesonderte Praktikumsmappe angelegt. Hierzu wird das Register erweitert, um eine differenzierte Einsortierung von schulspezifischen Materialien zu ermöglichen. Aus diesem Grund wird bei der webbasierten Weiterentwicklung die Möglichkeit vorgesehen, zusätzliche und individuell benennbare Bereiche hinzuzufügen (vgl. Abbildung 2: Start bzw. Übersichtsseite).

Als problematisch beschreiben einige Lehrkräfte die Tatsache, dass es im Berufswahlpass kein individuell anpassbares Inhaltsverzeichnis gibt. Wird der Ordner regelmäßig zur Dokumentation und Reflexion von Berufsorientierungsprozessen eingesetzt, besteht die Gefahr, dass seine Übersichtlichkeit verloren geht. Es ist dann anhand des Kategorien- bzw. Registersystems nicht mehr ersichtlich, welche zusätzlichen Materialien in der Vergangenheit an welche Stelle eingeheftet wurden. Um diesem Problem entgegenzuwirken, wird im Berufswahlpass-Online ein Schlagwort-System implementiert. Das enthält bereits vorgefertigte Schlagwörter und kann darüber hinaus individuell erweitert werden. Portfolio-Einträge, gespeicherte Dokumente (z. B. PDF-Dateien, Bilder etc.) und abgeschlossene Selbst- und Fremdeinschätzungen können folglich mit Schlagwörtern versehen und bei Bedarf sortiert wieder angezeigt werden (vgl. Abbildung 2).

Der Berufswahlpass wird zur Dokumentation von außerschulischen Aktivitäten eingesetzt. Dabei konnten die Lernorte „Schule“, „Exkursion“, „Praktikum“ und „Betrieb“ im thematischen Vergleich standortübergreifend als relevant identifiziert werden. Die Durchführung von Exkursionen und Praktika ist dabei laut Aussagen der Lehrkräfte obligatorisch. Der Lernort Betrieb bezieht sich auf diverse Ausführungen von Lehrkräften, dass viele der Schüler/-innen bei Nebenjobs gewisse berufsorientierende Erfahrungen machen. Darüber hinaus werden weitere beispielhafte Lernorte von unterschiedlichen Lehrkräften genannt, die sich jedoch nicht generalisieren lassen, sondern eher durch das Berufsorientierungskonzept der jeweiligen Schule bedingt sind. Daraus lässt sich für die Weiterentwicklung des Berufswahlpass-Online extrahieren, dass der Unterscheidung von Lernorten durchaus eine gewichtige Rolle zukommt. Bei der Erstellung von individuellen Portfolio-Einträgen im webbasierten E-Portfolio kann dieser generelle Kategorisierungsvorschlag für die Implementierung einer differenzierten Struktur genutzt werden (vgl. Abbildung 2). Das E-Portfolio wird dahingehend angepasst, sodass gespeicherte berufsorientierende Erfahrungen in Form von Einträgen nach Lernorten sortiert wieder ausgegeben werden können.

5.3 Themenbereich 3: Der Einsatz von digitalen Medien und des Internets in der pädagogischen Praxis

„Haben Sie das schon einmal gemacht? Wenn Sie jetzt zum Beispiel mit in meine neunte Klasse kommen würden und in die Runde fragen: ‚Wer von euch ist bei Facebook?’ oder ‚Wer von euch hat ein Smartphone?’ – Da garantiere ich, es gehen sofort alle Hände hoch.“ (Äußerung einer Lehrkraft im Interview)

Prinzipiell stellen sich die Erfahrungen der Lehrkräfte in diesem Themenbereich sehr heterogen dar. Im Vergleich zu analogen Medien, wie beispielsweise dem Berufswahlpass-Ordner, werden digitale Medien und das Internet in der pädagogischen Praxis von Standort zu Standort unterschiedlich eingesetzt. Dabei bedingt die technische Ausstattung der jeweiligen Schule die Einsatzszenarien maßgeblich. Allerdings sind es zum Teil auch die Lehrkräfte selbst, die sich (trotz adäquater Ausstattung) selbst als wenig medienkompetent einschätzen und deshalb eher zu altbewährten Methoden und Medien greifen. Diejenigen Lehrkräfte, die einer jüngeren Generation angehören und die darüber hinaus in ihrer Schule zumindest in Grundzügen eine gewisse technische Ausstattung zur Verfügung haben, beschreiben den Einsatz von digitalen Medien und des Internets als durchaus gewinnbringend für ihren berufsorientierenden Unterricht.

Ausdrücklich wird die Möglichkeit im Internet schnell an adäquate Informationen in Bezug auf bestimmte Berufsbilder zu gelangen als hilfreich geschildert. Beispielhaft werden hier das Berufe-Universum und die Homepage der Bundesagentur für Arbeit genannt. Diese Internet-Links können auch im Berufswahlpass-Online direkt in Portfolio-Einträgen abgelegt und somit gespeichert werden. Darüber hinaus wird der Stellenwert von Social Media für Schüler/-innen betont, sodass nach individuellem Ermessen auch Links zu Facebook und ähnlichen Portalen im Berufswahlpass-Online gespeichert werden können (vgl. Abbildung 2: Hier gibt es den Reiter „Links und Social Media“).

Weiterhin wird von Lehrkräften darauf eingegangen, dass es bei der Verwendung von digitalen Medien und im Internet jederzeit möglich ist nach bestimmten Begriffen automatisch suchen zu lassen und dadurch recht schnell an die gewünschte Information zu gelangen. Diese Option wird im Berufswahlpass-Online über das bereits zuvor beschriebene Schlagwort-System für den Benutzer verfügbar (vgl. Abbildung 2: Dem hier aktuell angezeigten Portfolio-Eintrag wurden beispielsweise die Schlagwörter „Vorstellungsgespräch“ und „Bewerbung“ zugewiesen). Werden Portfolio-Einträge, Bilder, Dokumente und Selbst- bzw. Fremdeinschätzungen konsequent mit Schlagwörtern versehen, werden Verbindungen zwischen thematisch ähnlichen Inhalten offenbar.

5.4 Themenbereich 4: Erweiterung und Anpassung des Berufswahlpasses in Hinblick auf die Verwendung von digitalen Medien und Internet

„Bei neuen Medien fällt mir ja immer sofort ein, wie Schüler darauf reagieren wenn man Filme zeigt. Das ist natürlich viel spannender als irgendwelche Arbeitsblätter auszufüllen. (...) Wir machen das zum Beispiel in der achten und neunten Klasse zum Vorstellungsgespräch. Es gibt da auch viele Videos und andere Informationen im Internet.“ (Äußerung einer Lehrkraft im Interview)

Bezug auf den vierten Themenbereich nehmend, beschreiben einige Lehrkräfte insbesondere den Einsatz von bestimmten Online-Videos als empfehlenswert. So äußert sich z. B. eine Lehrkraft positiv über die Fülle an Videos zur Berufsorientierung bei YouTube und ähnlichen Videoportalen (z. B. Berufe.tv), die im Unterricht eingesetzt werden können. Geeignetes Online-Videomaterial verwendet eine interviewte Lehrkraft in etwa dazu, um Schüler/-innen ein realitätsnahes Vorstellungsgespräch näherzubringen. Der Berufswahlpass-Online sieht vor, die Potenziale von online verfügbaren Videos für Berufsorientierungsprozesse direkt im E-Portfolio nutzbar zu machen. Dazu können Portfolio-Einträge mit Online-Videos (beispielsweise von YouTube) angereichert bzw. verknüpft werden (vgl. Abbildung 2: Bei der Erstellung und der Ansicht von Portfolio-Einträgen gibt es jeweils den Reiter „Videos“).

Darüber hinaus wird beispielsweise von einer Lehrkraft angemerkt, dass automatisierbare Operationen auf der webbasierten Oberfläche des Berufswahlpass-Online durchaus vorteilhaft sein können. Dazu kann in etwa das Generieren eines Inhaltsverzeichnisses zur Steigerung der Übersichtlichkeit gezählt werden. Im Berufswahlpass-Online wird dieses Grundprinzip aufgegriffen und an verschiedenen Stellen implementiert. So wird z. B. beim Anlegen eines neuen Portfolio-Eintrags das aktuelle Datum automatisch im entsprechenden Eingabefeld vermerkt (vgl. Abbildung 2: Erstellen eines Portfolio-Eintrags). Einträge können somit bei Bedarf chronologisch sortiert angezeigt werden. Darüber hinaus werden im Berufswahlpass-Online bei nicht validen Benutzereingaben differenzierte Fehlermeldungen mit zugehörigen grafischen Indikatoren angezeigt. Wird z. B. bei der Portfolio-Erstellung das Pflichtfeld des Eintragstitels nicht ausgefüllt, wird der Benutzer dementsprechend auf seinen Fehler hingewiesen und er erhält automatisch die Möglichkeit einer Nachbesserung.

Im Zusammenhang mit der Diskussion zur Verwendung von digitalen Medien und des Internets zur Weiterentwicklung des Berufswahlpasses berichten Lehrkräfte z. T. auch von gewissen Bedenken zum Thema Datenschutz und Privatsphäre. So ist einigen interviewten Lehrkräften insbesondere wichtig, dass der Berufswahlpass-Online ein Instrument bleibt, welches zur Reflexion über die eigenen Erfahrungen anregt und Lernprozesse unterstützt. Dabei sollten nicht alle erdenklichen Dinge über „Share-Buttons“ auf gängigen Social Media-Plattformen geteilt werden. Eine vollkommene Öffnung des individuellen Portfolios, sodass beispielsweise andere Benutzer darauf zugreifen können, entspricht nicht dem Grundgedanken des Berufswahlpasses. Wenn gewünscht, lassen sich Ausschnitte eines Berufswahlpass-Online jederzeit am Computer zu zweit oder mit mehreren Personen einsehen. Ein direkter Zugriff eines Benutzers auf die gespeicherten Inhalte eines anderen ist deshalb im Berufswahlpass-Online kategorisch nicht möglich.

Wie bereits im ersten Themenbereich genannt, wird hier von Lehrkräften wiederholt betont, dass eine Funktion zum Ausdrucken der Materialien im Berufswahlpass-Online erforderlich ist. Es ist trotz des Einsatzes digitaler Medien nach wie vor von besonderer Wichtigkeit, dem/der Schüler/-in Rückmeldungen auf analogem Wege – also nicht webbasiert, sondern von Person zu Person – zu geben. Da viele Lehrkräfte die Arbeiten ihrer Schüler/-innen am heimischen Schreibtisch kontrollieren, ist die Möglichkeit des Ausdruckens der Portfolio-Einträge unverzichtbar.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Die Durchführung und Auswertung der Experteninterviews in den partizipierenden Bundesländern kann als sehr gewinnbringend für die Weiterentwicklung des Berufswahlpasses zum Berufswahlpass-Online bezeichnet werden. Durch den explorativen Charakter konnten zahlreiche Erfahrungen von Lehrkräften identifiziert und infolgedessen detaillierte Anpassungen am didaktischen Konzept und an der technischen Umsetzung vorgenommen werden. Grundlegend zeigte sich, dass unterschiedliche curriculare Anforderungen des Berufswahlpasses zu landes- und standortspezifischen Varianten des Instruments führten, die in der Praxis zum Einsatz kommen. Die originale Fassung des Berufswahlpasses lässt sich an keinem der beforschten Standorte in unveränderter Form wiederfinden. Durch die systematische Auswertung der Interviews konnten dabei zahlreiche standortübergreifende Parallelen identifiziert und für die Weiterentwicklung berücksichtigt werden. Es wird davon ausgegangen, dass die didaktische Qualität des Berufswahlpass-Online durch die Einbindung der Erfahrungen der befragten Lehrkräfte zur zukünftigen Akzeptanz des webbasierten E-Portfolios beiträgt.

Im Sinne einer ganzheitlichen Projektkonstruktion auf der Basis des Design-Based Research ist eine umfassende Weiterentwicklung anhand dieser hier dargestellten Befragungsergebnisse nicht abgeschlossen. Es stehen nach der Einbeziehung der Lehrkräfte noch zahlreiche Fragen im Raum: Werden die Schüler/-innen das E-Portfolio benutzen? Wie kommen sie damit zurecht? Gibt es unter Umständen Dinge, die bei der Konzeption und Weiterentwicklung bisher nicht berücksichtigt wurden?

Es ist ersichtlich, dass zukünftig ein weiterer Evaluationszyklus notwendig ist, bei dem die Bedarfe und Wünsche von Schüler/-innen ebenfalls berücksichtigt werden und in die Weiterentwicklung einfließen. Insofern stehen weitere qualitative Erhebungen in kooperierenden Bundesländern und Schulen an.

Literatur

Brunner, I./Häcker, T./Winter, F. (Hrsg.) (2008): Das Handbuch Portfolioarbeit. Konzepte, Anregungen, Erfahrungen aus Schule und Lehrerbildung. 2. Aufl. Seelze-Velber.

Döring, B. (2004): Der Berufswahlpass ist keine "Arbeitsplatzsuchmappe", sondern … In: Schulverwaltung: Ausgabe Niedersachsen, Schleswig-Holstein (11), 315-317.

Elsholz, U./Rohs, M. (Hrsg.) (2014): E-Portfolios für das lebenslange Lernen. Konzepte und Perspektiven. 1. Aufl. Bielefeld.

Fink, M. C. (2010): ePortfolio und selbstreflexives Lernen. Studien zur Förderung von Reflexivität im Unterricht. Univ., Diss. Gießen, 2010. Baltmannsweiler.

Friebertshäuser, B./Langer, A./Prengel, A. (Hrsg.) (2010): Handbuch qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. 3., vollst. überarb. Aufl., (Neuausg.). Weinheim: Juventa-Verl. (Juventa-Handbuch).

Friese, M./Benner, I./Galyschew, A. (Hrsg.) (2013): bwp@ Spezial 6 - Hochschultage Berufliche Bildung 2013. Fachtagung 02.

Glowalla, U./Herder, M./Süße, C./Koch, N. (2009): Methoden und Ergebnisse der Evaluation elektronischer Lernangebote. In: Issing, L. J./Klimsa, P. (Hrsg.): Online-Lernen. 1. Aufl. München, 309-328.

Gmelch, A. (2003): Der Berufswahlpass. Individueller Begleiter im Beufsorienterungs- und Berufswahlentscheidungsprozess. In: Unterricht Wirtschaft, H. 15, 8-14.

Häcker, T. (2007): Portfolio: ein Entwicklungsinstrument für selbstbestimmtes Lernen. Eine explorative Studie zur Arbeit mit Portfolios in der Sekundarstufe I. 2. überarb. Aufl. Baltmannsweiler.

Häcker, T. (2008): Vielfalt der portfoliobegriffe. Annäherungen an ein schwer fassbares Konzept. In: Brunner, I./Häcker, T./Winter, F. (Hrsg.): Das Handbuch Portfolioarbeit. Konzepte, Anregungen, Erfahrungen aus Schule und Lehrerbildung. 2. Aufl. Seelze-Velber, 33-39.

Häcker, T./Seemann, J. (2013): Von analogen Portfolios für die Entwicklung von digitalen E-Portfolios lernen. In: Miller, D./Volk, B. (Hrsg.): E-Portfolio an der Schnittstelle von Studium und Beruf. Münster, 73-90.

Hense, J. U. (2010): Formative Evaluation von eLearning: Grundlagen und Anwendungsbeispiele. In: Mayer, H. O./Kriz, W. (Hrsg.): Evaluation von eLernprozessen. Theorie und Praxis. München, 39-60.

Honer, A. (1994): Das explorative Interview. Zur Rekonstruktion der Relevanzen von Expertinnen und anderen Leuten. In: Schweizerische Zeitschrift für Soziologie, Jg. 20, 623-640. Online: http://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/3927/ssoar-1994-3-honer-das_explorative_interview.pdf?sequence=1 (12.09.2014).

Howe, F./Knutzen, S. (2009): E-Learning im Handwerk. In: Issing, L. J./Klimsa, P. (Hrsg.): Online-Lernen. 1. Aufl. München, 439-446.

Issing, L. J./Klimsa, P. (Hrsg.) (2009): Online-Lernen. 1. Aufl. München.

Kopp, B./Mandl, H. (2009): Blended Learning: Forschungsfragen und Perspektiven. In: Issing, L. J./Klimsa, P. (Hrsg.): Online-Lernen. 1. Aufl. München, 139-150.

Lumpe, A. (2002): Berufswahlpass. In: Unterricht Arbeit + Technik, H. 4, 61.

Lumpe, A./Senkspiel, J. (2001): Der Berufswahlpass - ein Instrument zum selbst organisierten und eigenverantwortlichen Lernen. In: Schulverwaltung: Ausgabe Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg, H. 6, 124-127.

Mayer, H. O. (2010): Evaluation von eLearning-Produkten/Prozessen. In: Mayer, H. O./Kriz, W. (Hrsg.): Evaluation von eLernprozessen. Theorie und Praxis. München, 15-24.

Mayer, H. O./Kriz, W. (Hrsg.) (2010): Evaluation von eLernprozessen. Theorie und Praxis. München (Ergänzungstitel BWL, VWL, SoWi 10/2010).

Meuser, M./Nagel, U. (2010): Experteninterviews – wissenssoziologische Voraussetzungen und methodische Durchführung. In: Friebertshäuser, B./Langer, A./Prengel, A. (Hrsg.): Handbuch qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. 3., vollst. überarb. Aufl., (Neuausg.). Weinheim, 457-471.

Miller, D./Volk, B. (Hg.) (2013): E-Portfolio an der Schnittstelle von Studium und Beruf. Münster.

Pressemitteilung Bildungsketten (2014): Berufswahlpass stärkt berufliche Orientierung. Bund und Länder unterstützen verbindlichen Einsatz. Online: http://www.bildungsketten.de/_media/Pressemitteilung_Bildungsketten_Berufswahlpass_2014-8-12.pdf (12.09.2014).

Przyborski, A./Wohlrab-Sahr, M. (2008): Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch. 1. Aufl. München.

Reinmann, G. (2005): Innovation ohne Forschung? Ein Plädoyer für den Design-Based Research-Ansatz in der Lehr-Lernforschung. In: Unterrichtswissenschaft, Jg. 33, 52-69.

Staden, C. (2014): Berufswahlpass-Online. Ein E-Portfolio-Konzept zur Unterstützung zeitgemäßer Berufsorientierung. In: Elsholz, U./Rohs, M. (Hrsg.): E-Portfolios für das lebenslange Lernen. Konzepte und Perspektiven. 1. Aufl. Bielefeld, 21-39.

Staden, C./Howe, F. (2013): Digitale Medien und Internet in der Berufsorientierung. In: Friese, M./Benner, I./Galyschew, A. (Hrsg.): bwp@ Spezial 6 - Hochschultage Berufliche Bildung 2013. Fachtagung 02, 1-15.

Zitieren des Beitrags

Staden, C. (2014): Aus Erfahrungen von Lehrkräften im Umgang mit dem Berufswahlpass lernen – Ergebnisse einer qualitativen Studie. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 27, 1-20. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe27/staden_bwpat27.pdf  (21-12-2014).